1
|
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) erwarb im November 1997 durch Zuschlag in der
Zwangsversteigerung ein mit einer Stadtvilla bebautes
Grundstück in A (Thüringen). Das Grundstück hatte
zunächst - mit dem Erwerb im Jahr 1928 - im Eigentum der
Eltern des Klägers gestanden; seit 1977 war der Kläger -
als Gesamtrechtsnachfolger seiner Mutter und Mitglied einer
Erbengemeinschaft, bestehend aus ihm selbst und seinem Bruder -
auch Miteigentümer des Grundstücks. Die 1997
durchgeführte Zwangsversteigerung wurde von dem anderen
(hälftigen) Miteigentümer - der Stadt A -
betrieben.
|
|
|
2
|
Die 1928 errichtete Stadtvilla mit einer
Gesamtwohnfläche von 156 qm wurde ursprünglich von der
Familie des Klägers zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Im
Zeitraum von 1949 bis 1992 war das gesamte Objekt fremdvermietet.
Seit dem Auszug des letzten Mieters im Juni 1992 steht das Objekt
leer.
|
|
|
3
|
Nach dem Erwerb des Alleineigentums im Zuge
der Zwangsversteigerung beauftragte der Kläger eine
Wohnungsgesellschaft mit der Verwaltung und Vermietung des Objekts.
Dennoch gelang es seitdem nicht, einen Mieter für das Objekt
zu finden, da nach einer im erstinstanzlichen Verfahren vor dem
Finanzgericht (FG) vorgelegten Auskunft der Verwaltungsgesellschaft
vom 24.1.2012 zum einen keine Nachfrage für die Anmietung
einer Wohnung in dieser Größe und dem daraus
resultierenden Mietzins besteht - in der Stadt A steht aktuell rund
die Hälfte des Mietwohnraums leer - und zum anderen eine
Vermietung aufgrund des baulichen Zustands des Objekts nicht
möglich ist. Die Stadtvilla bedarf vielmehr nach dem
jahrelangen Leerstand einer grundlegenden Sanierung, die aber unter
Berücksichtigung des gegenwärtigen Mietpreisniveaus als
unwirtschaftlich eingeschätzt werden muss.
|
|
|
4
|
In seiner Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr (2010) machte der Kläger einen
Werbungskostenüberschuss in Höhe von 2.925 EUR bei seinen
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Zusammenhang mit
dem Leerstand der Stadtvilla geltend, den der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) im Einkommensteuer- und
Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid für das Streitjahr
indes nicht berücksichtigte.
|
|
|
5
|
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das FG vertrat in seinem in EFG 2013, 624 veröffentlichten
Urteil die Auffassung, dass eine Vermietungsabsicht des
Klägers im Streitjahr nicht feststellbar sei. Gegen das
Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht spreche es, wenn
für ein Objekt, so wie es baulich gestaltet sei, trotz
Vermietungsbemühungen kein Markt bestehe und der Inhaber
gleichwohl untätig bleibe. Der Kläger habe es über
einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren unterlassen, zielgerichtet
(etwa durch bauliche Umgestaltungen) darauf hinzuwirken, einen
vermietbaren Zustand des Objekts zu erreichen oder es alternativ zu
veräußern.
|
|
|
6
|
Mit der Revision verfolgt der Kläger
sein Begehren nach Berücksichtigung des geltend gemachten
Werbungskostenüberschusses weiter. Er habe sich stets um eine
erneute Vermietung des Objekts bemüht, auch wenn dies mangels
Nachfrage objektiv unmöglich und eine bauliche Umgestaltung
unwirtschaftlich gewesen sei.
|
|
|
7
|
Der Kläger beantragt, das angefochtene
Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für
2010 sowie den Vorauszahlungsbescheid über Einkommensteuer ab
2011, jeweils vom 17.10.2011, in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 17.1.2012 dahin zu ändern, dass die Steuer unter
Berücksichtigung eines Werbungskostenüberschusses aus
Vermietung und Verpachtung in Höhe von 2.925 EUR niedriger
festgesetzt wird.
|
|
|
8
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
9
|
Es hält an seiner bisher
geäußerten Rechtsauffassung, wonach eine
Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers nicht festgestellt
werden könne, fest. Der Kläger habe - auch unter
Berücksichtigung seiner früheren
Miteigentümerstellung kraft Gesamtrechtsnachfolge - von Mitte
1992 bis heute und daher über einen Zeitraum von mehr als 20
Jahren keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mehr
erzielt. Dieser besonders lang andauernde (strukturelle) Leerstand,
der wohl auch mit der Hilfe einer Sanierung des Objektes nicht
beseitigt werden könne, führe dazu, dass der Kläger
mangels Einkünfteerzielungsabsicht keinen
Einkünftetatbestand mehr erfülle.
|
|
|
10
|
II. Die Revision ist unbegründet und nach
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen. Das FG ist im Streitfall zu Recht davon
ausgegangen, dass der vom Kläger geltend gemachte
Werbungskostenüberschuss mangels Vorliegens eines
Einkünftetatbestands nicht (mehr) zu berücksichtigen
ist.
|
|
|
11
|
1. Die geltend gemachte Verfahrensrüge
eines Verstoßes gegen das Recht auf Gehör (§ 96
Abs. 2 FGO; Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) greift nicht durch.
Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab
(§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).
|
|
|
12
|
2. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in der in den Streitjahren geltenden
Fassung sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung
und Erhaltung von Einnahmen. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2
EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen,
wenn sie durch sie veranlasst sind. Fallen Aufwendungen mit der
beabsichtigten Vermietung eines (leerstehenden)
Wohngrundstücks an, bevor mit dem Aufwand
zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als
vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn
ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen
den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der
Abzug begehrt wird. Danach können Aufwendungen für eine
nach Herstellung, Anschaffung oder Selbstnutzung leerstehende
Wohnung als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar sein, wenn
der Steuerpflichtige die Einkünfteerzielungsabsicht
hinsichtlich dieses Objekts erkennbar aufgenommen (und sie
später nicht aufgegeben) hat. Demgegenüber sind
Aufwendungen für eine Wohnung, die nach vorheriger (auf Dauer
angelegter) Vermietung leersteht, auch während der Zeit des
Leerstands als Werbungskosten abziehbar, solange der
Steuerpflichtige den ursprünglichen Entschluss zur
Einkünfteerzielung im Zusammenhang mit dem Leerstand der
Wohnung nicht endgültig aufgegeben hat. Unbeschadet davon kann
auch ein besonders lang andauernder Leerstand nach vorheriger, auf
Dauer angelegter Vermietung dazu führen, dass eine vom
Steuerpflichtigen aufgenommene Einkünfteerzielungsabsicht ohne
sein Zutun oder Verschulden wegfällt; davon kann im Einzelfall
aber nur ausgegangen werden, wenn absehbar ist, dass das
maßgebliche (dem Grunde nach betriebsbereite) Objekt entweder
wegen fehlender - und unter zumutbaren Umständen auch nicht
herbeizuführender - Marktgängigkeit oder aufgrund
anderweitiger struktureller Vermietungshindernisse in absehbarer
Zeit nicht wieder vermietet werden kann (grundlegend Urteil des
Bundesfinanzhofs vom 11.12.2012 IX R
14/12, BFHE 239, 453, BStBl II 2013, 279 = SIS 13 02 78, m.w.N.). Für die Feststellung des
Bestehens oder der Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht als
innere Tatsache können äußere Umstände als
Indizien herangezogen werden; im Rahmen der Gesamtbeurteilung sind
überdies spätere Tatsachen und Ereignisse zu
berücksichtigen. Der Steuerpflichtige trägt die
Feststellungslast für das Vorliegen der
Einkünfteerzielungsabsicht.
|
|
|
13
|
3. Nach diesen Grundsätzen ist die
Entscheidung des FG, wonach der Kläger im Streitjahr keinen
Einkünftetatbestand mehr erfüllt hat, im Ergebnis
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
|
|
|
14
|
a) Zwar ist im Streitfall - entgegen der
Auffassung des FG - nicht zu prüfen, ob der Kläger die
Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich des Objekts in A
nachweislich - mit dem Erwerb des Alleineigentums an der Stadtvilla
durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung - aufgenommen hatte, da
er als Miteigentümer kraft Gesamtrechtsnachfolge auch vor dem
Zuschlag bereits den Tatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG erfüllt hat. Vielmehr war zu Gunsten des Klägers
zunächst davon auszugehen, dass seine Aufwendungen für
die Stadtvilla, die nach vorheriger (auf Dauer angelegter)
Vermietung ab Mitte 1992 nicht mehr vermietet wurde, auch
während der Zeit dieses Leerstands als Werbungskosten
abziehbar sind, solange der Kläger seinen ursprünglichen,
mit Erwerb der Miteigentümerstellung begründeten
Entschluss zur Einkünfteerzielung im Zusammenhang mit dem
Leerstand des Objekts nicht endgültig aufgegeben hat.
|
|
|
15
|
b) In diesem Zusammenhang kann auch offen
bleiben, ob der Kläger im Zeitraum des Leerstands schon
dadurch hinreichend ernsthafte und nachhaltige
Vermietungsbemühungen entfaltet hat, indem er eine
Wohnungsgesellschaft mit der Verwaltung und Vermietung des Objekts
beauftragt hat, oder ob er - wovon wohl das FA ausgeht - das Objekt
angesichts des langfristigen Leerstands daneben auch selbst durch
eigene Vermietungsanzeigen am Markt hätte platzieren
müssen. Denn selbst wenn man annimmt, dass der Kläger
sich stets ernsthaft und nachhaltig um eine Vermietung des Objekts
bemüht hat, ist vorliegend davon auszugehen, dass er -
jedenfalls im Streitjahr - seine Einkünfteerzielungsabsicht
ohne eigenes Verschulden verloren hat.
|
|
|
16
|
Die Stadtvilla war im Zeitraum von 1949 bis
Mitte 1992 dauerhaft vermietet; seitdem steht sie leer. Zwischen
den Beteiligten ist - dies wurde auch im Termin zur mündlichen
Verhandlung nochmals deutlich - unstreitig, dass eine Vermietung
auf absehbare Zeit mangels entsprechender Mieternachfrage nicht zu
erreichen ist, da in der Stadt A rund die Hälfte des
Mietwohnraums leer steht. Das (grundsätzlich vermietbare)
Objekt müsste grundlegend saniert werden, um wieder als
attraktiv zu gelten und sinnvoll am Markt platziert werden zu
können. Eine solche Sanierung muss indes unter
Berücksichtigung des gegenwärtig niedrigen
Mietpreisniveaus, welches mittelbar aus dem Überangebot von
Immobilien in der Stadt A resultiert, als unwirtschaftlich
eingeschätzt werden. Im Streitfall ist daher davon auszugehen,
dass eine Marktgängigkeit der - dem Grunde nach
betriebsbereiten - Stadtvilla unter wirtschaftlich zumutbaren
Bedingungen nicht herbeizuführen ist und ihre Vermietung
aufgrund der offensichtlich vorhandenen strukturellen
Vermietungshindernisse in absehbarer Zeit objektiv nicht
möglich sein wird. Diese Annahme, von der auch die Beteiligten
ausgehen, wird durch die - nach Ablauf des Streitjahres erteilte,
jedoch als nachträgliches Beweisanzeichen zu
berücksichtigende - Auskunft der Verwaltungsgesellschaft vom
24.1.2012 bestätigt.
|
|
|
17
|
4. Die Sache ist spruchreif. Der Kläger
kann die erklärten Werbungskostenüberschüsse aus der
Stadtvilla in A im Streitjahr nicht mehr geltend machen, da die
ursprünglich bestehende Einkünfteerzielungsabsicht
hinsichtlich dieses Objekts ohne sein Zutun weggefallen ist.
|