1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt u.a. drei
Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK-Anlage). Mit den Anlagen
werden zunächst jeweils zwei Gasturbinen betrieben, die durch
den Einsatz von Generatoren elektrischen Strom erzeugen. Die
Abhitze der Gasturbinen wird sodann in einem Abhitzekessel mit
einem Zusatzfeuer erhitzt. Damit wird die Abhitze auf eine für
den Betrieb einer nachgeschalteten Dampfturbine erforderliche
Temperatur gebracht. Die nachgeschaltete Dampfturbine dient zum
einen mittels eines angeschlossenen Generators ebenfalls der
Erzeugung von elektrischem Strom; im Übrigen wird die in der
Dampfturbine anfallende Wärme der Dampfturbine als
Nutzwärme entnommen. Bei dem beschriebenen Betrieb der
KWK-Anlage handelt es sich um den Regelbetrieb. Zu Wartungs- und
Reparaturarbeiten ist eine zeitweise Abschaltung der Dampfturbine
erforderlich. Während dieser Zeiträume wird die
Abwärme der Gasturbinen gleichwohl weiterhin im Abhitzekessel
von einem Zusatzfeuer erhitzt und anschließend über eine
sog. Reduzierstation direkt als Nutzwärme entnommen.
|
|
|
2
|
Für das im Streitjahr in den
KWK-Anlagen eingesetzte Erdgas gewährte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt - HZA - ) zunächst eine
Vergütung nach § 25 Abs. 3a Nr. 3.1 des
Mineralölsteuergesetzes (MinöStG 1993). Aufgrund des
Ergebnisses einer Außenprüfung gelangte das HZA zu der
Auffassung, das während der Wartungs- und Reparaturarbeiten
zur Befeuerung des Abhitzekessels verwendete Erdgas diene nicht der
gekoppelten Erzeugung von Strom und Wärme, so dass die
Voraussetzungen des § 25 Abs. 3a Nr. 3.1 MinöStG 1993
nicht erfüllt seien. Infolgedessen setzte das HZA die zuvor
gewährte Vergütung unter Anwendung des in § 25 Abs.
3a Nr. 3.2 MinöStG 1993 festgelegten Steuersatzes herab und
forderte den sich aus der Neuberechnung ergebenden Differenzbetrag
von der Klägerin zurück. Einspruch und Klage gegen den
Rückforderungsbescheid blieben erfolglos.
|
|
|
3
|
Das Finanzgericht (FG) urteilte,
Voraussetzung für die von der Klägerin begehrte
Entlastung sei die konkrete Verwendung des Mineralöls zur
gleichzeitigen Erzeugung von Strom und Wärme. Nicht
ausreichend sei der bloße Verbrauch im Rahmen des Betriebs
einer KWK-Anlage. Während der Abschaltphasen diene das von der
Klägerin verwendete Erdgas nur der Erhitzung eines
Abhitzekessels, mit dessen Hilfe bestimmten Abnehmern Wärme
als Nutzenergie zur Verfügung gestellt werde. Unbeachtlich sei
es, dass die Zusatzbefeuerung des Abhitzekessels im Regelbetrieb
der gleichzeitigen Erzeugung von Strom und Wärme diene.
Abzustellen sei allein auf den Einsatz des Erdgases in der
konkreten Betriebssituation.
|
|
|
4
|
Mit ihrer Revision macht die Klägerin
geltend, dass sich das FG nur unzureichend mit der Funktion der
Zusatzfeuerung des Abhitzekessels auseinandergesetzt habe. Die
Zusatzfeuerung sei technisch notwendiger Bestandteil der
KWK-Anlage, ohne den die Anlage nicht betrieben werden könne.
Allein durch die Abgase der Gasturbine könnten die
betriebsnotwendigen Parameter nicht erreicht werden, weshalb zum
effizienten Betrieb der Dampfturbine der Einsatz einer
Zusatzfeuerung erforderlich sei. Nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) könne selbst das in einer
nachgeschalteten Rauchgasentschwefelungsanlage eingesetzte
Mineralöl als im Rahmen eines KWK-Prozesses verwendet
angesehen werden. In diesem Fall diene es auch nicht unmittelbar
der gekoppelten Erzeugung von Strom und Wärme. Infolgedessen
könne für das bei notwendigen Wartungs- und
Reparaturarbeiten in einer KWK-Anlage eingesetzte Erdgas nichts
anderes gelten. Es entspreche allgemeiner Erfahrung, dass das
vollständige Abschalten eines Großkraftwerks zur
Durchführung von Wartungs- und Reparaturarbeiten technisch
aufwändig und wirtschaftlich nicht vertretbar sei. Zu
berücksichtigen sei auch der Versorgungsauftrag, den Betreiber
von KWK-Anlagen übernähme. Durch
außergewöhnliche Betriebszustände werde die
Förderwürdigkeit einer KWK-Anlage nicht
beeinträchtigt.
|
|
|
5
|
Das HZA schließt sich im Wesentlichen
der Rechtsauffassung des FG an. Unstreitig sei die Zusatzfeuerung
in den KWK-Prozess integriert. Allerdings werde in den
Zeiträumen, in denen Wartungs- und Reparaturarbeiten
ausgeführt würden, mit dem in der Zusatzfeuerung
eingesetzten Erdgas kein Strom erzeugt. Die Wartung und Reparatur
einer KWK-Anlage könne nicht als unverzichtbarer Bestandteil
des eigentlichen KWK-Prozesses angesehen werden.
|
|
|
6
|
II. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das Urteil entspricht
Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO).
|
|
|
7
|
1. Nach § 25 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a
i.V.m. § 25 Abs. 3a Nr. 3.1 MinöStG 1993 (in der damals
anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 16.8.2001, BGBl I 2001,
2081) wird u.a. eine Entlastung von der Mineralölsteuer
für versteuertes Erdgas gewährt, das von Unternehmen des
Produzierenden Gewerbes, von Unternehmen der Land- und
Forstwirtschaft und von Versorgern, die nicht Unternehmen des
Produzierenden Gewerbes sind, zu den nach § 3 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 bis 3 und Abs. 3 sowie § 32 Abs. 1 MinöStG 1993
begünstigten Zwecken oder in sonstigen Anlagen zur gekoppelten
Erzeugung von Strom und Wärme verwendet worden ist. Nach
§ 25 Abs. 3a Nr. 3.1 MinöStG beträgt die Entlastung
für 1 MWh Erdgas, das von Betreibern nach § 25 Abs. 1 Nr.
5 Buchst. a MinöStG 1993 in Anlagen der
Kraft-Wärme-Kopplung mit einem Jahresnutzungsgrad von
mindestens 70 % verwendet worden ist, 3,476 EUR. Dagegen will das
HZA aufgrund des angefochtenen Rückforderungsbescheids
lediglich eine Vergütung in Höhe von 1,308 EUR je MWh
gewähren (§ 25 Abs. 3a Nr. 3.2 MinöStG 1993).
|
|
|
8
|
a) Wie der BFH entschieden hat (Senatsurteil
vom 11.11.2008 VII R 33/07, BFH/NV 2009, 610 = SIS 09 09 30), kommt
es nach dem Sinn und Zweck der Regelung zur
mineralölsteuerrechtlichen Förderung von KWK-Anlagen und
der Systematik des Mineralölsteuergesetzes entscheidend auf
die konkrete Verwendung des Mineralöls zur Erreichung des
begünstigten Zwecks und nicht auf den bloßen Verbrauch
von Mineralöl im Rahmen des Betriebs einer KWK-Anlage an. Denn
nicht die KWK-Anlage als solche ist Gegenstand der steuerlichen
Förderung, sondern die ressourcenschonende Verwendung des
Mineralöls unter optimaler Nutzung der durch die Verbrennung
gewonnenen Energie. Ausweislich der Gesetzesbegründung
(BTDrucks 14/440, S. 13) wollte der Gesetzgeber mit der
Einführung einer vollständigen Steuerentlastung für
das in KWK-Anlagen mit einem Jahresnutzungsgrad von mindestens 70 %
verwendete Mineralöl aus ökologischen Gründen, wie
z.B. der Ressourcenschonung oder der Emissionsverminderung, die
besonders effiziente Nutzung der durch Verbrennung fossiler
Energieträger gewonnenen Energie fördern. Entscheidendes
Kriterium für die Begünstigung ist die gleichzeitige
Erzeugung von Strom und Wärme, also die doppelte und
möglichst effiziente Nutzung des Energiegehalts des
eingesetzten Mineralöls (Senatsurteil vom 1.4.2008 VII R
26/06, BFHE 221, 355, ZfZ 2008, 273 = SIS 08 29 18 sowie Bongartz
in Peters/Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht,
Rz J 121).
|
|
|
9
|
b) Infolgedessen kommt die steuerliche
Freistellung aller Mineralöle, die im Zusammenhang mit dem
Betrieb einer KWK-Anlage eingesetzt werden, nicht in Betracht.
Abzustellen ist vielmehr auf den konkreten Verwendungszweck.
Für den Fall des Betriebes einer
Rauchgasentschwefelungsanlage, in der das in einer KWK-Anlage
entstandene Rauchgas unter Verwendung von Erdgas aufgeheizt wird,
hat der Senat entschieden, dass die im Erdgas enthaltene Energie
zwar nicht in Kraft und Wärme umgewandelt, jedoch innerhalb
eines einheitlichen, wenn auch aus verschiedenen, aufeinander
bezogenen physikalischen Prozeduren bestehenden Prozesses verwendet
wird, der nicht auf das Geschehen in der Kesselanlage
beschränkt werden kann. Aufgrund umweltrechtlicher Vorgaben
war der Betrieb der Rauchgasentschwefelungsanlage zur
gleichzeitigen Erzeugung von Strom und Wärme
erforderlich. Dieser Umstand rechtfertigte die Einbeziehung des zur
Rauchgasentschwefelung eingesetzten Erdgases in die steuerliche
Entlastung. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der
dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt nicht mit dem
Streitfall vergleichbar, in dem das Erdgas nicht in einem
„vollständigen“ KWK-Prozess verbrannt
wird.
|
|
|
10
|
2. Wartungs- und Reparaturarbeiten, die eine
teilweise Abschaltung der KWK-Anlage erfordern, hängen nicht
unmittelbar mit dem Betrieb der Anlage und der gleichzeitigen
Erzeugung von Strom und Wärme zusammen. Zwar ist der
Klägerin zuzugeben, dass eine KWK-Anlage zur
Gewährleistung ihrer dauerhaften Funktion ständiger
Wartung und Reparatur bedarf, jedoch wird dadurch das Erfordernis
der konkreten Verwendung des - auch während dieser Arbeiten -
verbrauchten Mineralöls zur gekoppelten Erzeugung von Strom
und Wärme nicht entbehrlich. Die von der Klägerin
begehrte Entlastung kann deshalb nur für den Zeitraum
gewährt werden, in dem die unstreitig als fester Bestandteil
der KWK-Anlage anzusehende und zu ihrem eigentlichen Betrieb auch
erforderliche Zusatzfeuerung des Abhitzekessels die Erzeugung von
Strom und Wärme bewirkt. Denn nur durch eine möglichst
effiziente Ausnutzung der durch die Verbrennung des Erdgases
erzeugten Energie kann das gesetzgeberische Ziel erreicht und die
beträchtliche Steuerverschonung legitimiert werden. Wird
dagegen eine KWK-Anlage - aus welchen Gründen auch immer -
ohne Stromerzeugung betrieben, so dass nur die ausgekoppelte
Wärme genutzt werden kann, wird der eigentliche Zweck der
Steuerentlastung verfehlt, denn die energetische Nutzung des
Mineralöls - hier die Verbrennung von Erdgas zur
zusätzlichen Befeuerung eines Abhitzekessels - dient
ausschließlich der für sich allein nicht
begünstigten Wärmeerzeugung.
|
|
|
11
|
3. Dem kann nicht entgegengehalten werden,
eine vollständige Abschaltung einer KWK-Anlage während
notwendiger Wartungs- und Reparaturarbeiten sei unüblich und
wirtschaftlich nicht vertretbar, weil durch das erneute Anfahren
vermehrt Energie verbraucht werde. Auch bei wirtschaftlicher
Betrachtungsweise wird ein solches Vorgehen durch das
Mineralölsteuerrecht nicht erzwungen; vielmehr liegt es in der
Dispositionsfreiheit des Anlagenbetreibers, ob und in welcher Weise
er die Abwärme von Gasturbinen im Falle der Abschaltung
nachgeschalteter Dampfturbinen nutzt. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass selbst in den Abschaltphasen das
Erzeugnis „Wärme“ am Markt angeboten und
von den Kunden gegen Entgelt genutzt werden kann. Auch wird durch
eine zeitlich eng begrenzte Verweigerung der maximalen
Steuerentlastung die steuerliche Förderungswürdigkeit der
Anlage sowie deren Wirtschaftlichkeit nicht grundsätzlich in
Frage gestellt.
|