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I. Streitig ist, ob Aufwendungen für
die einer Flugbegleiterausbildung nachfolgende
Flugzeugführerausbildung als Werbungskosten zu
berücksichtigen sind.
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Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) wurden als Ehegatten im Streitjahr (2006) zur
Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die 1970 geborene Klägerin
war als Flugzeugführerin nichtselbständig tätig. Sie
machte in ihrer Einkommensteuererklärung des Streitjahrs u.a.
18.874 EUR für ihre Ausbildung zur
Verkehrsflugzeugführerin als Werbungskosten bei den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Die
Klägerin hatte schon früher, von Mai bis September 1992,
bei der A erfolgreich eine Ausbildung zur Flugbegleiterin
absolviert.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) versagte den Abzug der Aufwendungen für die
Ausbildung zur Verkehrsflugzeugführerin als Werbungskosten; er
berücksichtigte stattdessen im streitigen
Einkommensteuerbescheid Sonderausgaben in Höhe von 4.000 EUR
gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes
(EStG).
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Mit der dagegen erhobenen Klage begehrten
die Kläger weiterhin den Werbungskostenabzug für die
Aufwendungen zur Ausbildung als Verkehrsflugzeugführerin. Sie
machten insbesondere geltend, dass die Abzugsbeschränkung des
§ 12 Nr. 5 EStG nicht zur Anwendung komme, weil die Ausbildung
der Klägerin zur Verkehrsflugzeugführerin angesichts
ihrer zuvor schon absolvierten Ausbildung zur Flugbegleiterin keine
erstmalige Berufsausbildung i.S. des § 12 Nr. 5 EStG
sei.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage aus
den in EFG 2012, 506 = SIS 12 05 09 veröffentlichten
Gründen statt.
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Die Aufwendungen der Klägerin für
ihre Ausbildung zur Verkehrsflugzeugführerin seien
Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit. § 12 Nr. 5 EStG stehe dem nicht entgegen.
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Denn die innerbetriebliche Ausbildung der
Klägerin zur Flugbegleiterin sei ihre erstmalige
Berufsausbildung i.S. des § 12 Nr. 5 EStG. Bei § 12 Nr. 5
EStG komme es für die Beurteilung des Begriffs der
(erstmaligen) Berufsausbildung allein darauf an, ob die Ausbildung
berufsbezogen sei und eine Voraussetzung für die geplante bzw.
beabsichtigte Berufsausübung darstelle. Die im
Gesetzgebungsverfahren bei der seinerzeitigen Einfügung des
§ 12 Nr. 5 EStG gegebene Begründung beziehe
„Berufsausbildung“ allein auf den Erwerb von
Kenntnissen, die zur Aufnahme eines Berufs befähigten, ohne
dass Anforderungen an den Ausbildungsgang bzw. den Ablauf oder
Abschluss der Ausbildung gestellt würden. Es werde vielmehr
ganz allgemein auf die erste berufliche Befähigung bzw. den
Erwerb von Kenntnissen abgestellt, die zur Aufnahme eines (ersten)
Berufs befähigten (BTDrucks 15/3339, S. 10). Danach sei
Berufsausbildung „Erlernen der Grundlagen eines Berufs zum
Erwerb einer selbständigen und gesicherten Position im
Leben“ (vgl. BTDrucks 15/3339, S. 10 rechte Spalte);
angesichts dessen komme es alleine darauf an, dass eine Ausbildung
berufsbezogen sei und sie eine (Grund)Voraussetzung für die
geplante Berufsausübung darstelle.
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Davon sei bei der Klägerin auszugehen.
Sie habe im Rahmen einer sechsmonatigen Ausbildung diverse
Schulungsmaßnahmen durchlaufen müssen; ihr seien dabei
sowohl theoretische als auch praktische Inhalte zu ihrer
Tätigkeit als Flugbegleiterin vermittelt worden. Dazu seien
neben der psychologischen Schulung - gerade auch mit Blick auf das
richtige Verhalten in Notfällen - und dem Sicherheitstraining
- etwa für die korrekte Durchführung der Evakuierung
eines vollbesetzten Flugzeugs oder einer Notwasserung - auch die
Arbeit im Servicebereich sowie der allgemeine Umgang mit den
Passagieren von grundlegender Bedeutung. Daneben sei die
Klägerin im aktiven Flugdienst zunächst auf Kurz- und
später auch auf Langstreckenflügen eingesetzt worden und
habe dort unter fachlicher Aufsicht ein „training on the
job“ durchlaufen. Die in der Praxis und Theorie erworbenen
Kenntnisse und Qualifikationen seien während der Ausbildung
immer wieder überprüft worden. Die Klägerin habe
ihre Ausbildung schließlich mit einer firmeninternen
Prüfung erfolgreich abgeschlossen und später noch eine
Zusatzqualifikation erworben. Unter Berücksichtigung dieser
Umstände sei die Klägerin berufsbezogen - nämlich im
Hinblick auf ihre Tätigkeit als Flugbegleiterin - ausgebildet
worden.
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Das FA rügt mit der Revision die
Verletzung materiellen Rechts.
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Es beantragt, das Urteil des FG Köln
vom 12.12.2011 7 K 3147/08 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die
streitigen Aufwendungen der Klägerin für ihre Ausbildung
als Berufspilotin zum Werbungskostenabzug berechtigen.
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1. Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1
Satz 1 EStG sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und
Erhaltung der Einnahmen. Sie liegen vor, wenn sie durch den Beruf
oder durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst
sind. Das ist der Fall, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem
Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des
Berufs getätigt werden. Erzielt der Steuerpflichtige
gegenwärtig noch keine Einnahmen, sind die Aufwendungen als
vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, wenn sie in einem
hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren
Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen; das
kann grundsätzlich auch bei berufsbezogenen
Bildungsmaßnahmen der Fall sein.
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a) § 9 EStG vor der Fassung des
Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes ( - BeitrRLUmsG - ) vom
7.12.2011 (BGBl I 2011, 2592) hatte keine Sonderregelung zu
Berufsausbildungskosten enthalten. Deshalb blieb für den Abzug
von Berufsausbildungskosten als Werbungskosten entscheidend, ob die
Aufwendungen einen hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang
zur nachfolgenden auf die Erzielung von Einkünften gerichteten
Berufstätigkeit aufweisen (vgl. Senatsurteile vom 27.10.2011
VI R 52/10, BFHE 235, 444, BStBl II 2012, 825 = SIS 11 39 73; vom
28.7.2011 VI R 38/10, BFHE 234, 279, BStBl II 2012, 561 = SIS 11 26 71; jeweils m.w.N.).
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b) § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG
bestimmt, dass Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine
erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das
zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten sind,
wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen
eines Dienstverhältnisses stattfindet. Entsprechendes regelt
§ 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG für
Betriebsausgaben. Nach § 52 Abs. 23d Satz 5 sowie § 52
Abs. 12 Satz 11 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG sind § 9 Abs. 6
sowie § 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG für
Veranlagungszeiträume ab 2004 anzuwenden.
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c) Der Werbungskostenabzug ist gegenüber
dem Abzug von Aufwendungen als Sonderausgaben vorrangig. Denn
Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung
sind nur dann Sonderausgaben, „wenn sie weder
Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind“. Das ist ein
allgemeiner, für alle Sonderausgaben durch den Einleitungssatz
zu § 10 Abs. 1 EStG normierter Grundsatz (Senatsurteil in BFHE
234, 279, BStBl II 2012, 561 = SIS 11 26 71). Dieser
Einleitungssatz blieb auch durch das
Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz unverändert. § 10
Abs. 1 Nr. 7 EStG steht deshalb dem Abzug der Berufsbildungskosten
als Werbungskosten nach wie vor nicht entgegen.
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2. Im Streitfall ist der Werbungskostenabzug
weder durch § 9 Abs. 6 EStG noch durch § 12 Nr. 5 EStG,
jeweils i.d.F. des BeitrRLUmsG, ausgeschlossen. Denn zutreffend hat
das FG insoweit entschieden, dass die mit dem
Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz eingeführten
Abzugsbeschränkungen dem Abzug nicht entgegenstehen, weil es
sich bei der Ausbildung der Klägerin zur
Verkehrsflugzeugführerin nicht um eine erstmalige
Berufsausbildung i.S. der §§ 9 Abs. 6, 12 Nr. 5 EStG
i.d.F. des BeitrRLUmsG handelt. Zutreffend hat das FG deshalb
weiter entschieden, dass die in der Höhe nicht streitigen
Werbungskosten zu berücksichtigen sind und der bisher vom FA
berücksichtigte Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr.
7 EStG in Höhe von 4.000 EUR ausscheidet.
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a) Der erkennende Senat hatte mit Urteil in
BFHE 235, 444, BStBl II 2012, 825 = SIS 11 39 73, m.w.N. zu dem im
Gesetz nicht näher beschriebenen steuerrechtlichen Begriff der
Berufsausbildung entschieden. An dieser Rechtsprechung hält
der Senat fest. Berufsausbildung ist danach die Ausbildung zu einem
künftigen Beruf. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein
Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf
vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle
Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen,
Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage
für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind.
Gegenbegriff zur Berufsausbildung ist die Allgemeinbildung, die
keine notwendige Voraussetzung für eine geplante
Berufsausübung darstellt. Deshalb liegt eine Berufsausbildung
im Sinne des Steuerrechts nicht nur vor, wenn der Steuerpflichtige
im dualen System oder innerbetrieblich
Berufsbildungsmaßnahmen durchläuft. Es ist auch kein
Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz oder
eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren erforderlich.
Maßgeblich ist vielmehr, ob die Ausbildung den
Steuerpflichtigen befähigt, aus der angestrebten
Tätigkeit Einkünfte zu erzielen.
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b) Nach Maßgabe dieser vorgenannten
Rechtsgrundsätze hat die Klägerin nach den Feststellungen
des FG mit ihrer Ausbildung zur Flugbegleiterin eine
Berufsausbildung i.S. der §§ 9 Abs. 5, 12 Nr. 5 EStG
i.d.F. des BeitrRLUmsG absolviert. Der Beruf des Flugbegleiters
kann regelmäßig als Vollerwerbstätigkeit
ausgeübt werden und befähigt zur Erzielung von
Einkünften. Die Ausbildung der Klägerin war
planmäßig ausgestaltet, an dem Ausbildungsziel des
Flugbegleiters und der dazu erforderlichen Qualifikation
ausgerichtet und schloss sogar mit einer firmeninternen
Prüfung ab. Das FG hat dazu festgestellt, dass die
Klägerin im Rahmen ihrer sechsmonatigen Ausbildung diverse
Schulungsmaßnahmen zu durchlaufen hatte. Dabei wurden sowohl
theoretische als auch praktische Inhalte in Bezug auf die
Tätigkeit als Flugbegleiterin umfassend vermittelt. Die
Schulung umfasste danach sowohl das Sicherheitstraining für
Notfallsituationen als auch die typische Arbeit im Servicebereich;
die so erworbenen Kenntnisse und Qualifikationen wurden
während der Ausbildung immer wieder überprüft. Die
vom FG auf Grundlage dieser Feststellungen getroffene
Würdigung, dass die Klägerin berufsbezogen - nämlich
im Hinblick auf ihre Tätigkeit als Flugbegleiterin -
ausgebildet wurde, ist deshalb revisionsrechtlich in keiner Weise
zu beanstanden.
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3. Angesichts dessen kann für den
Streitfall die Frage dahinstehen, ob die §§ 9 Abs. 6, 12
Nr. 5 EStG inhaltlich insbesondere mit Blick auf das objektive
Nettoprinzip sowie hinsichtlich des für sie geltenden
zeitlichen Anwendungsbereichs i.d.F. des BeitrRLUmsG, beschlossen
durch Gesetz vom 7.12.2011, aber anwendbar ab dem
Veranlagungszeitraum 2004, verfassungsrechtlichen Anforderungen
genügten.
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