1
|
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) erzielte im Streitjahr 1999 als Unternehmensberater
Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
|
|
|
2
|
Im Auftrag einer GmbH betreute er die
Beratungsprojekte „A.“ und „A. L.“, die die
GmbH bei ihrem Auftraggeber, der Firma X GmbH & Co. KG (im
Folgenden Fa. X), durchführte. Zu diesem Zweck begab sich der
Kläger, von einer zweiwöchigen Unterbrechung abgesehen,
jede Woche des Streitjahres zur Fa. X in die Stadt B (im Folgenden
B). Dort war er zwischen zwei und vier, zumeist drei Tagen
(Dienstag, Mittwoch, Donnerstag) zusammenhängend tätig,
übernachtete im Hotel und reiste dann wieder zu seiner Wohnung
in O zurück. Insgesamt war der Kläger an 153 Tagen in B
bei der Fa. X beschäftigt. An weiteren 27 Tagen befand er sich
auf Dienstreisen in anderen Städten, wo er für andere
Kunden Beratungsleistungen erbrachte. Die restliche Arbeitszeit
verwandte er auf Vor- und Nachbereitungen, Konzeptentwicklungen,
Informationsbeschaffung u.ä. Diese Arbeiten verrichtete er in
seinem Heimatort O in einem Büro der GmbH. Die Beratungszeiten
bei der Fa. X wurden jeweils kurzfristig vereinbart. Der
Kläger wurde diesbezüglich immer wieder neu
beauftragt.
|
|
|
3
|
Die Tätigkeit bei der Fa. X hatte der
Kläger auch bereits im Vorjahr in den Monaten Oktober bis
Dezember ausgeübt. In jeder Woche war er jeweils mehrere Tage
- insgesamt 41 - in B im Rahmen der genannten Projekte
beschäftigt.
|
|
|
4
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) lehnte es ab, dem Kläger für seine
Tätigkeit in B Pauschalen für
Verpflegungsmehraufwendungen zu gewähren. Zur Begründung
führte das FA an, dass die Auswärtstätigkeit an
derselben Tätigkeitsstätte in B zu Beginn des
Streitjahres bereits länger als drei Monate angedauert habe.
Das Einkommensteuergesetz (EStG) sehe eine Berücksichtigung
des Verpflegungsmehraufwands über die Dreimonatsgrenze des
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG hinaus nicht vor. Das
Finanzgericht (FG) folgte im angegriffenen Urteil dieser
Betrachtungsweise im Wesentlichen.
|
|
|
5
|
Mit seiner Revision rügt der
Kläger, dass das FG rechtsfehlerhaft davon ausgegangen sei,
dass es sich bei seiner Auswärtstätigkeit in B
tatsächlich um die gleichbleibende nämliche
Auswärtstätigkeit i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5
Satz 5 EStG gehandelt habe. Die dort vorgesehene Dreimonatsfrist
sei nur in den Fällen einer tatsächlich ununterbrochenen
und fortlaufend durchgeführten Auswärtstätigkeit im
Zusammenhang mit einer Vollzeittätigkeit, z.B. im Rahmen einer
klassischen Fünf-Tage-Woche, anwendbar. Eine derartige
ununterbrochene Auswärtstätigkeit sei eventuell auch dann
gegeben, wenn ein Steuerpflichtiger tatsächlich - und im
Vorhinein bestimmt - dauerhaft im Rahmen einer klassischen
Fünf-Tage-Woche mit jeweiliger Rückkehr zum
Familienwohnsitz am Wochenende (sog. Wochenend-Heimfahrer)
auswärts tätig sei. Demgegenüber sei in seinem Fall
eine vollkommen unregelmäßige Tätigkeitsstruktur
mit laufenden Unterbrechungen der Auswärtstätigkeiten in
B gegeben gewesen. Eine dauerhafte Tätigkeit sei weder
beabsichtigt noch vorhersehbar gewesen. Die Aufeinanderfolge
einzelner Aufträge sei kein Kriterium für die Anwendung
der Dreimonatsfrist. Die Auswärtstätigkeiten seien
vielmehr als einzelne Geschäftsreisen anzusehen. Das FG-Urteil
stehe auch mit den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom
16.11.2005 VI R 12/04 (BFHE 212, 64, BStBl II 2006, 267 = SIS 06 11 10) und vom 19.12.2005 VI R 30/05 (BFHE 212, 218, BStBl II 2006,
378 = SIS 06 13 17) nicht im Einklang. Dort habe der BFH im Falle
eines auswärtig eingesetzten Seemannes klargestellt, dass es
sich nur dann um die gleichbleibende nämliche
Auswärtstätigkeit handele, wenn und solange diese
ununterbrochen fortlaufend ausgeführt werde. Die in den
Lohnsteuer-Richtlinien 2008 (LStR 2008) enthaltene Regelung, wonach
bei derselben Auswärtstätigkeit eine neue Dreimonatsfrist
erst nach einer Unterbrechung von mindestens vier Wochen beginne,
finde im Gesetz keine Grundlage. Diese Bewertung treffe auch auf
die weitere Regelung zu, wonach dieselbe
Auswärtstätigkeit nicht vorliege, wenn die
auswärtige Tätigkeitsstätte an nicht mehr als (ein
bis) zwei Tagen wöchentlich aufgesucht werde. Würde man
diesen Grundsatz für anwendbar halten, so käme es zu
eklatanten Ungleichbehandlungen zwischen verschiedenen Gruppen von
Steuerpflichtigen. Ohnehin stünden verfassungsrechtliche
Vorgaben der gesetzlichen Dreimonatsfrist entgegen. Zu verweisen
sei auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur
zeitlichen Begrenzung der doppelten Haushaltsführung
(Beschluss vom 4.12.2002 2 BvR 400/98, BVerfGE 107, 27, BStBl II
2003, 534 = SIS 03 19 40). Durch die Anwendung der Dreimonatsfrist
werde er im Vergleich zu anderen Gruppen von Steuerpflichtigen
benachteiligt. So könnten etwa andere Unternehmensberater bei
entsprechender Gestaltung für alle Abwesenheitstage
sämtlicher Auswärtstätigkeiten die
Pauschbeträge auf Dauer ansetzen.
|
|
|
6
|
Der Kläger beantragt,
|
|
1. das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und
den Einkommensteuerbescheid 1999 dahingehend zu ändern, dass
der Gewinn aus selbständiger Tätigkeit wegen
zusätzlich abzugsfähiger Betriebsausgaben
(Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen) um 4.652
DM reduziert wird;
|
|
2. hilfsweise, das Verfahren auszusetzen
und dem BVerfG die Frage vorzulegen, ob § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr.
5 Satz 5 EStG, wonach der Abzug pauschaler
Verpflegungsmehraufwendungen auf die ersten drei Monate einer
längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an
derselben Tätigkeitsstätte beschränkt ist, mit dem
Grundgesetz (GG) vereinbar ist;
|
|
3. das FA zu verpflichten, ihm einen
angemessenen Schadensersatz für seine eigenen Zeit- und
Geldaufwendungen, die für das vorliegende Verfahren über
den zumutbaren Aufwand weit hinausgehen, zu leisten;
|
|
4. anzuordnen, dass die
Fortsetzungsfeststellung für die Jahre 2002 bis 2008
gilt.
|
|
|
7
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
8
|
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat die Regelung in §
4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG rechtsfehlerfrei angewendet.
|
|
|
9
|
1. Die vom Kläger unter I.3. und 4.
gestellten Anträge sind unzulässig. Sie
überschreiten den Rahmen revisionsrechtlicher
Prüfung.
|
|
|
10
|
a) Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1
FGO sind Klageänderungen im Revisionsverfahren
unzulässig. Eine solche Klageänderung ist gegeben, wenn
der erstmals im Revisionsverfahren gestellte Antrag einen anderen
Streitgegenstand betrifft als der Klageantrag (BFH-Urteil vom
4.5.2006 VI R 17/03, BFHE 213, 383, BStBl II 2006, 830 = SIS 06 31 50).
|
|
|
11
|
b) Erstinstanzlich hat der Kläger
ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung und des
Tatbestands des angegriffenen Urteils ausschließlich einen
auf Änderung des Einkommensteuerbescheids 1999 gerichteten
Anfechtungsantrag gestellt. Die erstmals im Revisionsverfahren
gestellten Anträge unter I.3. und 4. betreffen einen
Schadensersatzanspruch und einen sich auf die
Veranlagungszeiträume 2002 bis 2008 beziehenden
Feststellungsantrag. Die Streitgegenstände sind damit
verschieden.
|
|
|
12
|
2. Der Senat ist nicht davon überzeugt,
dass die Begrenzung des Abzugs von Mehraufwendungen für
Verpflegung auf drei Monate bei einer längerfristigen
vorübergehenden Auswärtstätigkeit an derselben
Tätigkeitsstätte verfassungswidrig ist. Zur Vermeidung
von Wiederholungen ist auf die Gründe des BFH-Urteils vom
8.7.2010 VI R 10/08 (BFHE 230, 352, BStBl II 2011, 32 = SIS 10 33 59) zu verweisen. Der Senat schließt sich der dort
vertretenen Auffassung an. Der BFH hat in dieser Entscheidung die
Dreimonatsfrist bei doppelter Haushaltsführung für
verfassungsgemäß erachtet.
|
|
|
13
|
Der Senat vermag keine Gesichtspunkte zu
erkennen, die eine abweichende verfassungsrechtliche Würdigung
bei der vorliegend zur Beurteilung anstehenden
Dienstreisetätigkeit des Klägers rechtfertigen
würden. Der Hinweis des Klägers auf die bei Dienstreisen
typischerweise fehlende Kochgelegenheit ist zwar zutreffend,
ändert aber nichts daran, dass der Steuerpflichtige sich auch
in solchen Fällen auf die Verpflegungssituation am
Beschäftigungsort einstellen, die Höhe der Kosten
beeinflussen und damit einen „Mehr“-Aufwand
minimieren oder sogar vermeiden kann. So gibt es für das vom
Kläger angesprochene Frühstück und das Abendessen im
Hotel durchaus preiswertere Alternativen.
|
|
|
14
|
3. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5
EStG ist der Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen wegen
Auswärtstätigkeit auf die ersten drei Monate einer
längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an
derselben Tätigkeitsstätte beschränkt.
|
|
|
15
|
a) Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall
vor. Die Gesetzesbestimmung ist bereits nach ihrem Wortlaut
erfüllt. Denn der Kläger war nach den nicht angegriffenen
und damit bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO)
seit Anfang Oktober 1998 über den Jahreswechsel hinaus noch
während des gesamten Streitjahres und damit längerfristig
vorübergehend bei der Fa. X und damit in derselben
Tätigkeitsstätte als Unternehmensberater beruflich aktiv.
Die Dreimonatsfrist war zu Beginn des Streitjahres bereits
abgelaufen. Zu rechtlich erheblichen Unterbrechungen der
Auswärtstätigkeit, die zu einem Neubeginn der
Dreimonatsfrist führen würden, ist es nicht gekommen.
|
|
|
16
|
b) Der Revision ist nicht darin zu folgen,
dass die Auswärtstätigkeit gänzlich ununterbrochen
beziehungsweise in jeder Woche durchgehend an fünf
Arbeitstagen ausgeübt werden müsste, um die streitige
gesetzliche Regelung anwenden zu können.
|
|
|
17
|
aa) Eine solche Einschränkung des
Anwendungsbereichs der Abzugsbegrenzung kann dem Wortlaut des
Gesetzes nicht entnommen werden. Dort findet sich die Formulierung
„ununterbrochen“ nicht. Auch Sinn und Zweck der
Regelung gebieten eine teleologische Reduktion nicht. Die
Abzugsbegrenzung beruht auf der gesetzgeberischen Überlegung,
dass die Steuerpflichtigen nach Ablauf der auf drei Monate
typisierten Übergangszeit regelmäßig eine
Verpflegungssituation vorfinden, die keine beruflich veranlassten
Mehraufwendungen verursacht (BTDrucks 13/901, S. 129). Der
Streitfall lässt keine atypischen Besonderheiten erkennen.
Ganz im Gegenteil war es dem Kläger durch die über Monate
hinweg fast in jeder Arbeitswoche mehrtägig ausgeübte
Tätigkeit in B ohne Weiteres möglich, mit der gewonnenen
Kenntnis der örtlichen Verhältnisse auf eine Reduzierung
seiner Ernährungsausgaben hinzuwirken und seine
auswärtige Verpflegungssituation insgesamt der seines
Wohnortes anzupassen.
|
|
|
18
|
bb) Dass ihrem Charakter nach
vorübergehende Unterbrechungen der Auswärtstätigkeit
(Wochenendheimfahrten, einzelne Arbeitstage im heimischen
Büro, kurzfristige Auswärtstätigkeiten in anderen
Orten, Krankheits- und Urlaubszeiten) unschädlich für den
Ablauf der Dreimonatsfrist sind und nicht jeweils zu einem
Neubeginn derselben führen, hat der BFH bereits mehrfach
entschieden (BFH-Urteile vom 19.7.1996 VI R 38/93, BFHE 181, 161,
BStBl II 1997, 95 = SIS 96 22 67; vom 4.5.1990 VI R 83/86, BFH/NV
1991, 40; vom 27.7.2004 VI R 43/03, BFHE 207, 196, BStBl II 2005,
357 = SIS 04 38 12). Danach liegt noch dieselbe und nicht bereits
eine neue Dienstreise vor, wenn der Steuerpflichtige nach einer
Unterbrechung die Auswärtstätigkeit mit gleichem Inhalt,
am gleichen Ort und im zeitlichen Zusammenhang mit der bisherigen
Tätigkeit ausübt. Hinsichtlich des zeitlichen
Zusammenhangs hatte der BFH keine Bedenken, die typisierende
Regelung der damals geltenden LStR (vgl. jetzt R 9.6 Abs. 4
Sätze 2 und 4 LStR 2008 bzw. 2011) heranzuziehen, wonach erst
bei einer Unterbrechung von mindestens vier Wochen eine neue
Dienstreise anfängt und damit die Dreimonatsfrist erneut zu
laufen beginnt (BFH-Urteil in BFHE 181, 161, BStBl II 1997, 95 =
SIS 96 22 67; vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 207, 196, BStBl II 2005,
357 = SIS 04 38 12, zu einer über vier Wochen hinausgehenden
Unterbrechung durch Einsatz an einer anderen
Tätigkeitsstätte). Das BFH-Urteil in BFHE 181, 161, BStBl
II 1997, 95 = SIS 96 22 67 ist zwar zu der früher in Abschn.
25 Abs. 3 LStR 1987 enthaltenen Dreimonatsfrist ergangen. Nach
Auffassung des Senats spricht aber nichts dagegen, die
Grundsätze dieser Entscheidung für die Auslegung und
Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG zu
übertragen. Denn mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber des
Jahressteuergesetzes vom 11.10.1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I
1995, 438) die Dreimonatsfrist speziell für den Ansatz von
Verpflegungsmehraufwendungen übernommen. Der Senat folgt damit
insbesondere nicht der zum Teil in der Literatur vertretenen
Auffassung, wonach schon jedwede Unterbrechung der
Auswärtstätigkeit, z.B. durch kurzfristige Rückkehr
an den Betriebssitz oder kurzfristige Geschäftsreisen zu
anderen Tätigkeitsorten (vgl. Popp, DStR 2006, 2112, m.w.N.),
zu einem Neubeginn der Dreimonatsfrist führt. Diese Auffassung
findet im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze und würde
überdies den praktischen Anwendungsbereich der Norm - auch und
vor allem in Anbetracht der vielfältigen
Gestaltungsmöglichkeiten (hierzu z.B. Popp, Betriebsberater
1997, 1821, 1823) - entgegen dem gesetzlichen Regelungszweck
erheblich einschränken.
|
|
|
19
|
cc) Zu einer erheblichen zeitlichen
Unterbrechung der Auswärtstätigkeit in B ist es im
Streitfall nicht gekommen. Neben den zu Hause verbrachten
Wochenenden, den „Heimarbeitstagen“ im Büro
und einigen Dienstreisen zu anderen Kunden, die jeweils nur von
kurzer Dauer waren, hat das FG lediglich eine einmalige
Unterbrechung von zwei Wochen festgestellt. Im Übrigen war der
Kläger im Zeitraum von Oktober 1998 bis Dezember 1999 in jeder
Woche mehrere Tage in B tätig. Bei wertender Betrachtung sieht
der Senat die Arbeiten, die der Kläger bei der Fa. X über
Monate hinweg verrichtet hat, auch inhaltlich als gleichartig an.
Es ging jeweils um Beratungsleistungen. Auf welchen Teil der
Unternehmenstätigkeit (Produktion, Absatz, Logistik, EDV usw.)
sich die Beratung genau bezog, ist ebenso irrelevant wie die
Tatsache, dass der Kläger immer wieder aufs Neue mit
Beratungsleistungen beauftragt wurde. Dies führte deswegen
nicht zu einer rechtlich relevanten Zäsur, weil es nach dem
Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes nicht auf die zivilrechtliche
Auftragslage oder den konkreten Inhalt der geschuldeten
Tätigkeit, sondern maßgeblich auf die Ausübung der
Arbeit „an derselben
Tätigkeitsstätte“, also auf die Identität
des Arbeitsortes ankommt. Nichts anderes ist gemeint, wenn in der
Rechtsprechung des BFH dieses Tatbestandsmerkmal gelegentlich mit
der Formulierung „gleichbleibende, nämliche
Auswärtstätigkeit“ umschrieben wird (z.B.
BFH-Urteil in BFHE 212, 64, BStBl II 2006, 267 = SIS 06 11 10).
|
|
|
20
|
dd) Die Auswärtstätigkeit muss auch
nicht, wie der Kläger meint, an allen fünf
regelmäßigen Arbeitstagen einer Woche ausgeübt
worden sein. Wortlaut und Zweck des Gesetzes gebieten eine solche
Betrachtungsweise nicht. Mit der soeben dargestellten
Rechtsprechung zu Unterbrechungen des Dreimonatszeitraums ist sie
offenkundig nicht zu vereinbaren. Außerdem hat die
Rechtsprechung die Abzugsbegrenzung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr.
5 Satz 5 EStG auch bei einem nur an bestimmten Wochentagen
erfolgten Besuch einer auswärtigen Fortbildungseinrichtung
angewandt (BFH-Urteil vom 10.4.2008 VI R 66/05, BFHE 221, 35, BStBl
II 2008, 825 = SIS 08 24 17).
|
|
|
21
|
c) Die Berufung des Klägers auf die
BFH-Urteile in BFHE 212, 64, BStBl II 2006, 267 = SIS 06 11 10 und
in BFHE 212, 218, BStBl II 2006, 378 = SIS 06 13 17 vermag den
Erfolg der Revision nicht zu begründen. Die beiden
Entscheidungen betrafen jeweils die Fahrtätigkeit eines
Seemannes. Dass der BFH jede einzelne Seereise des Schiffes von
dessen Auslaufen bis zur Rückkehr in den Heimathafen als
dieselbe Auswärtstätigkeit, eine
„neue“ Reise dementsprechend als eine davon
unabhängige zweite Auswärtstätigkeit qualifiziert
hatte, besagt für die Lösung des Streitfalles nichts. Der
BFH hatte in den genannten Entscheidungen eine konkrete Art von
Auswärtstätigkeit rechtlich zu würdigen. Eine andere
Form von Auswärtstätigkeit, wie sie vorliegend zur
Beurteilung ansteht, muss entsprechend ihrer Eigenart gesondert
gewürdigt werden. Der Kläger zieht im Übrigen aus
dem Umstand, dass eine Seereise in der Tat ununterbrochen an sieben
Tagen jeder Woche bis zur Rückkehr in den Heimathafen
andauert, offenbar die unzutreffende rechtliche Schlussfolgerung,
dass die Abzugsbegrenzung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5
EStG nur bei vergleichbar
„unterbrechungslosen“
Auswärtstätigkeiten angewandt werden dürfte. Dies
ist aber, wie vorstehend unter II.3.b der Gründe aufgezeigt,
nicht zutreffend.
|
|
|
22
|
d) Nach Auffassung des Senats wird der
Kläger durch die soeben dargelegte Auslegung und Anwendung des
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG nicht in seinem
verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1
GG) verletzt. Der Kläger verkennt bei seinen
verfassungsrechtlichen Betrachtungen, dass den von ihm
dargestellten Vergleichsrechnungen andere - hypothetische -
Sachverhalte zugrunde liegen als dem Streitfall. Bereits dieser
Unterschied im Sachverhalt rechtfertigt eine unterschiedliche
steuerrechtliche Beurteilung. Falls die Ausführungen der
Revision dahin zu verstehen sein sollten, dass mit den von der
Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Unterbrechung
einer Auswärtstätigkeit nicht gerechtfertigte
Ungleichbehandlungen einhergehen, ist darauf hinzuweisen, dass mit
jeder typisierenden und vereinfachenden Betrachtungsweise
Härten einhergehen, die als solche aber noch nicht zu einem
Gleichheitsverstoß führen.
|
|
|
23
|
e) Ob es sich bei der
Auswärtstätigkeit des Klägers um eine
Einsatzwechseltätigkeit handelt oder um Dienstreisen, kann
dahinstehen. Denn bei beiden Formen der Auswärtstätigkeit
gilt die Dreimonatsfrist (BFH-Urteil in BFHE 207, 196, BStBl II
2005, 357 = SIS 04 38 12).
|
|
|
24
|
4. a) Ob der Kläger unter Berufung auf
das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom
11.4.2005 IV C 5 –S 2353- 77/05 (BStBl I 2005, 673 = SIS 05 18 79) beanspruchen kann, dass die streitigen Aufwendungen
ungeachtet der dargestellten Rechtslage als Betriebsausgaben
behandelt werden, kann im vorliegenden Revisionsverfahren nicht
geklärt werden. Denn die in dem BMF-Schreiben aus
Vertrauensschutzgründen vorgesehene Übergangsregelung
(keine Anwendung der Dreimonatsfrist bei
Einsatzwechseltätigkeit) stellt eine Billigkeitsmaßnahme
gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO) dar, über
die in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden ist (vgl.
BFH-Urteile vom 30.11.2004 VIII R 76/00, BFH/NV 2005, 856 = SIS 05 21 98; vom 14.4.2011 IV R 15/09, BFHE 233, 206, BStBl II 2011, 706
= SIS 11 16 58).
|
|
|
25
|
b) Eine Aussetzung des Revisionsverfahrens
nach § 74 FGO bis zur Entscheidung über eine
Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO bzw. § 227 AO ist
aus Rechtsgründen nicht geboten und bei Berücksichtigung
des Sach- und Streitstandes auch nicht zweckmäßig. Die
Entscheidung über die Aussetzung steht grundsätzlich im
Ermessen des Gerichts. Zwar ist es regelmäßig sinnvoll,
den Rechtsstreit um die Rechtmäßigkeit eines
Folgebescheids auszusetzen, solange noch unklar ist, ob und wie ein
angefochtener Grundlagenbescheid geändert wird. Auch der
Verwaltungsakt, der eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163
AO zulässt, wird als Grundlagenbescheid angesehen (vgl.
BFH-Urteil vom 21.1.1992 VIII R 51/88, BFHE 168, 500, BStBl II
1993, 3 = SIS 92 20 35, m.w.N.). Da indes das FA im Streitfall
über eine Billigkeitsmaßnahme noch nicht entschieden hat
und die Frage, ob eine Einsatzwechseltätigkeit überhaupt
vorliegt, noch gar nicht geklärt wurde, würde sich die
Erledigung des anhängigen Revisionsverfahrens bei einer
Aussetzung nach § 74 FGO erheblich verzögern. Im
Übrigen hält es der Senat für sinnvoll,
zunächst die Rechtmäßigkeit der angefochtenen
Steuerfestsetzung festzustellen, ehe über eine
Billigkeitsmaßnahme entschieden wird. Nachteile ergeben sich
für den Kläger aus dieser Entscheidung nicht, denn die
Bestandskraft der Steuerfestsetzung schließt die Entscheidung
über einen Billigkeitserlass nach § 163 AO nicht aus.
Sollte eine Billigkeitsmaßnahme nach Rechtskraft der
Entscheidung des erkennenden Senats gewährt werden, ist der
Einkommensteuerbescheid nach § 175 AO zu ändern
(BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 856 = SIS 05 21 98).
|