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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) war mit einem Geschäftsanteil von 50 % als
Kommanditist an der Firma ... KG (KG) beteiligt.
Geschäftsführender Komplementär war die Firma
L-GmbH, die u.a. vom Kläger vertreten wurde. Die KG betrieb
auf einem seit dem 2.7.2002 im Eigentum einer anderen GmbH &
Co. KG stehenden Grundstück einen Autohandel. Dieses
Grundstück ist mit einem Erbbaurecht mit
Veräußerungsbeschränkung durch Zustimmung des
Grundstückseigentümers zugunsten der Firma X belastet,
die mit notarieller Vereinbarung vom 24.8.1999 durch Formwechsel in
die Firma A-KG umgewandelt wurde. Der Formwechsel wurde am 3.1.2000
in das Handelsregister eingetragen. Komplementär der A-KG ohne
Kapitalanteil ist die Firma A-GmbH, an der der Kläger und Herr
K zu je 50 % beteiligt sind. Zudem sind der Kläger und K als
Kommanditisten zu je 50 % an der A-KG mit einer Hafteinlage in
Höhe von 1.250.000 EUR beteiligt. Die A-KG, deren
Gesamthandsvermögen nur aus dem Erbbaurecht bestand,
überließ das Grundstück mit Gebäude pachtweise
der KG.
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Im Oktober 2001 wurde die KG
zahlungsunfähig. Am 16.10.2001 bestellte das Amtsgericht (AG)
aufgrund eines Insolvenzantrags der Geschäftsführer nach
§ 21 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Insolvenzordnung
(InsO) einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit
Zustimmungsvorbehalt. Mit Beschluss vom 1.1.2002 wurde über
das Vermögen der KG das Insolvenzverfahren eröffnet.
Wegen rückständiger Umsatzsteuer der KG für das Jahr
2000 und für Dezember 2001 erließ der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) am 24.5.2004 zwei auf
§ 74 der Abgabenordnung (AO) gestützte Haftungsbescheide,
in denen die Haftung gegenständlich auf das Erbbaurecht am
Grundstück beschränkt wurde. In Bezug auf den
Haftungsbescheid wegen Umsatzsteuer für das Jahr 2000
erließ das FA zugleich gemäß § 219 AO eine
Zahlungsaufforderung. Die Umsatzsteuerforderungen für Dezember
2001 beruhen auf den Feststellungen einer im Februar 2002
durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung, in deren Rahmen
sich aufgrund der Zahlungsunfähigkeit der KG
Vorsteuerberichtigungen ergaben.
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Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, der Kläger sei zu Recht als
Haftungsschuldner nach § 74 AO in Anspruch genommen worden.
Als grundstücksgleiches Recht erfülle das Erbbaurecht,
das gleich einem Grundstück den Regeln der Zwangsvollstreckung
unterliege, den Gegenstandsbegriff dieser Vorschrift. Auch
Forderungen und Rechte könnten Gegenstände sein. Das
Erbbaurecht habe der KG als Betriebsgrundstück für den
Autohandel gedient. Zudem sei der Kläger - wie von § 74
Abs. 2 AO gefordert - zu mehr als einem Viertel am Grund- oder
Stammkapital der KG beteiligt gewesen. Seiner haftungsrechtlichen
Inanspruchnahme stehe der Umstand nicht entgegen, dass er nicht
selbst, sondern die A-KG erbbauberechtigt und damit Eigentümer
i.S. des § 74 AO gewesen sei. Denn an der A-KG seien
ausschließlich der Kläger und der ebenfalls in Haftung
genommene K beteiligt gewesen. Somit liege im Streitfall die
erforderliche Interessenparallelität zwischen dem
steuerschuldenden Unternehmen und dem Eigentümer des
überlassenen Gegenstands vor. Im Streitfall hätten beide
Haftungsschuldner in der A-KG den Willen zur Verwendung des
Erbbaurechts als alleinigem Gesamthandsvermögen der A-KG
bestimmen können. Die angefochtenen Verwaltungsakte erwiesen
sich zudem frei von Ermessensfehlern.
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Mit der Revision tritt der Kläger der
Auffassung des FG entgegen, im Streitfall seien die Voraussetzungen
einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme nach § 74 AO
erfüllt. Bei einem Erbbaurecht könne es sich nicht um
einen dienenden Gegenstand i.S. des § 74 AO handeln.
Nichtkörperliche Wirtschaftsgüter fielen nicht in den
Anwendungsbereich dieser Vorschrift. Zudem habe das FG nicht
beachtet, dass nur der Eigentümer des einem Unternehmen
überlassenen Gegenstands hafte. Wie sich aus dem Grundbuch
ergebe, sei Inhaber des Erbbaurechts und Eigentümer i.S. von
§ 74 AO jedoch nicht er, der Kläger, sondern die A-KG
gewesen. Im Rahmen der Eigentümerhaftung komme es allein auf
die zivilrechtliche Zuordnung des Gegenstands an. In Verkennung des
Zwecks der in § 74 AO normierten Ausfallhaftung habe das FG
dennoch eine Haftung des Klägers angenommen. Die vom
Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Entscheidung vom 10.11.1983 V R
18/79 (BFHE 139, 242, BStBl II 1984, 127 = SIS 83 24 37)
entwickelten Grundsätze ließen sich nicht auf den
Streitfall übertragen, da im Streitfall nicht alle
Gesellschafter der A-KG auch an der KG beteiligt gewesen
seien.
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Im Übrigen habe das FG den Umstand
nicht gewürdigt, dass die verfahrensgegenständliche
Umsatzsteuerschuld aus Dezember 2001 allein durch das
wirtschaftliche Handeln des vorläufigen Insolvenzverwalters
entstanden sei. Nach Bestellung des schwachen vorläufigen
Insolvenzverwalters habe der Kläger keine Möglichkeit
gehabt, die Nutzung des Grundstücks zu verhindern. Einen
objektiven Beitrag zur Unternehmensfortführung habe er deshalb
nicht leisten können. Deshalb fehle im Monat Dezember 2001 der
Zurechnungszusammenhang zwischen der Überlassung des
Erbbaurechts und der entstandenen Umsatzsteuer. Im Übrigen
könne im Streitfall in den haftenden Gegenstand nicht
vollstreckt werden, da hierzu ein Vollstreckungstitel und ein
Haftungsbescheid gegen die A-KG erforderlich seien. Nicht
ausreichend sei ein Titel gegen die Gesellschafter einer KG. Anders
könne die Rechtslage bei einer GbR sein, die im Streitfall
jedoch nicht vorliege.
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Das FA schließt sich im Wesentlichen
der Rechtsauffassung des FG an. Die Haftung nach § 74 AO
erfasse auch einem Grundstück gleichstehende Rechte. Im
Streitfall bestehe die Besonderheit, dass beide in Anspruch
genommenen Haftungsschuldner wesentlich an einem
Gesamthandsvermögen beteiligt seien. Sie seien zu je 50 % an
der Komplementär-GmbH, die nicht am Vermögen der KG
beteiligt und infolgedessen nicht Inhaberin des Erbbaurechts sei,
und an der KG beteiligt und könnten Einfluss auf die
Tätigkeit der Unternehmen nehmen. Die Bestellung eines
vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt
hindere die Haftung nicht, denn dem Kläger sei die
Verfügungsbefugnis nicht entzogen worden. Zudem sei die
Umsatzsteuerschuld aus Dezember 2001 nicht durch Handlungen des
vorläufigen Insolvenzverwalters entstanden; vielmehr sei sie
nach einer Umsatzsteuersonderprüfung festgesetzt worden, in
deren Rahmen Berichtigungen nach § 17 des Umsatzsteuergesetzes
vorgenommen worden seien.
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II. Die Revision des Klägers ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die angefochtenen
Haftungsbescheide sind rechtmäßig. Zu Recht hat das FG
das der KG eingeräumte Erbbaurecht als einen im Miteigentum
des Klägers stehenden Gegenstand i.S. des § 74 AO
angesehen, so dass die Voraussetzungen für eine Haftung nach
§ 74 Abs. 1 AO erfüllt sind.
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1. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 AO haftet der
Eigentümer von Gegenständen, die einem Unternehmen
dienen, mit den überlassenen Gegenständen für
diejenigen Steuern des Unternehmens, bei denen sich die
Steuerpflicht auf den Betrieb des Unternehmens gründet.
Voraussetzung für die Haftung ist eine wesentliche Beteiligung
an dem Unternehmen, die nach § 74 Abs. 2 Satz 1 AO dann
vorliegt, wenn der Eigentümer der Gegenstände unmittelbar
oder mittelbar zu mehr als einem Viertel am Grund- oder
Stammkapital oder am Vermögen des Unternehmens beteiligt ist.
Diese Haftungsvoraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
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a) Im Streitfall ist der KG ein Erbbaurecht
und somit ein Gegenstand i.S. des § 74 Abs. 1 Satz 1 AO
überlassen worden, der dem Unternehmen für seine
wirtschaftliche Betätigung gedient hat. Entgegen der
Auffassung der Revision ist die Haftung des § 74 AO nicht nur
auf körperliche Gegenstände (Sachen) beschränkt.
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aa) Die Frage, ob auch Rechte und Forderungen
als Gegenstände i.S. von § 74 Abs. 1 Satz 1 AO angesehen
werden können, wird im Schrifttum unterschiedlich beantwortet.
Mit der Begründung, der in der Haftungsvorschrift verwendete
Begriff des Eigentümers werde regelmäßig nur im
Zusammenhang mit körperlichen Sachen gebraucht, während
bei Rechten die Verwendung des Begriffs Inhaber üblich sei,
und unter Hinweis auf den umfassenderen Begriff des Wirtschaftsguts
in den §§ 39, 55 Abs. 3, § 180 Abs. 1 Nr. 3, §
181 Abs. 2 und § 271 AO wird die Auffassung vertreten, die in
§ 74 Abs. 1 AO normierte Ausfallhaftung beziehe sich nicht auf
Forderungen und Rechte (Mösbauer, Die Haftung des
Eigentümers von Gegenständen für Steuern des
Unternehmens bei tatsächlicher oder fiktiver wesentlicher
Beteiligung, DStZ 1996, 513; Nacke, Haftung im Steuerrecht, Rz 457;
Jestädt, Haftung gemäß § 74 AO und
Betriebsaufspaltung, DStR 1989, 243; Jatzke in Beermann/Gosch, AO
§ 74 Rz 7).
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Andererseits wird im Schrifttum die Meinung
vertreten, die in § 74 Abs. 1 AO angesprochenen
Gegenstände könnten nicht nur Sachen, sondern auch Rechte
bzw. alle Wirtschaftsgüter materieller und immaterieller Art
sein (Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 74 Rz 9; Boeker in
Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -, § 74 AO Rz 20; Loose
in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 74 AO
Rz 5; Schwarz in Schwarz, AO, § 74 Rz 4;
Pahlke/Koenig/Intemann, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 74 Rz 4;
Blesinger, Haftung und Duldung im Steuerrecht, S. 79).
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bb) Nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch
bezeichnet der Begriff „Gegenstand“ eine
körperliche Sache, an der Eigentum und Besitz erlangt werden
können. Ein solches - an zivilrechtlichen Vorgaben
ausgerichtetes - Begriffsverständnis würde jedoch dem
Sinn und Zweck des § 74 AO nicht gerecht. Im Gegensatz zu
§ 69 AO begründet die Regelung eine
verschuldensunabhängige Ausfallhaftung, die auf § 7 Abs.
4 des Gewerbesteuerrahmengesetzes vom 30.6.1935 (RGBl I, S. 830)
zurückgeht und die später in § 115 der
Reichsabgabenordnung (RAO) übernommen wurde. Anlass für
die Einführung des Haftungstatbestands war die
Befürchtung, dass die Beitreibung einer Gewerbesteuerschuld
gegenüber einem Unternehmer sich deswegen als unmöglich
erweisen könnte, weil alle pfändbaren, dem Betrieb
dienenden Gegenstände einem anderen als dem Unternehmer
gehören, insbesondere wenn der Unternehmer mit gepachteten
Betriebsmitteln wirtschaftet (BFH-Urteil vom 27.6.1957 V 298/56 U,
BFHE 65, 122, BStBl III 1957, 279 = SIS 57 01 88). In solchen
Fällen sollte eine Beitreibung der Steuerschuld wenigstens
dann ermöglicht werden, wenn der Eigentümer der dem
Betrieb dienenden Gegenstände wesentlich an dem Unternehmen
beteiligt ist.
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Die Beschränkung der Haftung auf
bestimmte Steuerverbindlichkeiten und auf die überlassenen
Gegenstände deutet darauf hin, dass der eigentliche Grund der
Haftung nicht die rechtliche Beteiligung am Unternehmen ist,
sondern der objektive Beitrag, den der Gesellschafter durch die
Bereitstellung von Gegenständen, die dem Unternehmen dienen,
für die Weiterführung des Gewerbes leistet (Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 14.12.1966 1 BvR 496/65, BVerfGE 21,
6, BStBl III 1967, 166; Senatsurteil vom 13.11.2007 VII R 61/06,
BFHE 220, 289, BStBl II 2008, 790 = SIS 08 31 19). Entscheidendes
Kriterium ist die Parallelität des - durch die wesentliche
Beteiligung vermittelten - Einflusses auf die unternehmerische
Tätigkeit des Unternehmens und des Einsatzes des (eigenen)
Vermögens für diese Tätigkeit (BFH-Urteil in BFHE
139, 242, BStBl II 1984, 127 = SIS 83 24 37).
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cc) Aufgrund dieser Zielsetzung erscheint bei
der Bestimmung des Gegenstands der Haftung i.S. des § 74 AO
eine Differenzierung zwischen körperlichen Sachen und
immateriellen Wirtschaftsgütern jedenfalls dann nicht
sachgerecht, wenn in solches Vermögen vollstreckt werden kann.
Denn in beiden Fällen wird dem Unternehmen ein Wirtschaftsgut
überlassen, das die Aufnahme oder die Fortsetzung des
Geschäftsbetriebs ermöglicht und das einer Verwertung im
Rahmen einer Zwangsvollstreckung zugänglich ist. Die
Möglichkeit der Vollstreckung in ein Grundstück, z.B.
durch die Eintragung einer Zwangshypothek oder durch
Zwangsversteigerung, steht außer Frage. Auch ein Erbbaurecht,
d.h. das Recht auf oder unter der Oberfläche eines
Grundstücks ein Bauwerk zu haben, unterliegt als
grundstücksähnliche Berechtigung nach § 864 Abs. 1
der Zivilprozessordnung (ZPO) der Immobiliarvollstreckung. Nach
§ 11 Abs. 1 des Gesetzes über das Erbbaurecht (ErbbauRG)
finden die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften mit
Ausnahme der §§ 925, 927 und 928 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs sowie die Vorschriften über Ansprüche aus dem
Eigentum grundsätzlich entsprechende Anwendung. Das auf Grund
des Erbbaurechts errichtete Bauwerk gilt als wesentlicher
Bestandteil des Erbbaurechts (§ 12 Abs. 1 ErbbauRG). Diese
Vorschriften belegen die Annäherung des Erbbaurechts an das
Recht eines Grundstückseigentümers. Es ist kein
hinreichender Grund ersichtlich, warum ein an einem Unternehmen
wesentlich Beteiligter, der die Aufnahme des Geschäftsbetriebs
durch Verpachtung eines Grundstücks ermöglicht, der
Haftung des § 74 AO unterliegt, während ein ebenso
Beteiligter, der den Bau eines Betriebsgebäudes und damit
ebenfalls die Aufnahme des Geschäftsbetriebs durch die
Einräumung eines Erbbaurechts ermöglicht, nicht dem mit
§ 74 AO verbundenen Haftungsrisiko ausgesetzt sein sollte.
Zumindest bei grundstücksähnlichen Berechtigungen, wie
z.B. dem Erbbaurecht, dem Bergwerkseigentum oder der
Abbaugerechtigkeit, gebieten Sinn und Zweck der Ausfallhaftung eine
Auslegung des Gegenstandsbegriffs des § 74 AO, die den
Anwendungsbereich der Haftungsnorm auch auf solche Rechte
erstreckt.
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b) Die Haftung nach § 74 AO ist nicht
deshalb ausgeschlossen, weil das Erbbaurecht nicht dem Kläger
selbst, sondern der A-KG zustand.
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Die Haftung nach § 74 AO setzt voraus,
dass der am Unternehmen wesentlich Beteiligte zugleich
Eigentümer des dem Unternehmen dienenden Gegenstands ist. Im
Streitfall war nicht der Kläger, sondern die A-KG
erbbauberechtigt und als solche im Grundbuch eingetragen. Das
Erbbaurecht befand sich somit im Gesamthandsvermögen der A-KG.
Für den Fall der Zugehörigkeit des einem Unternehmen
dienenden Gegenstands zu einem Gesamthandsvermögen einer GbR
hat der BFH zu § 115 RAO entschieden, dass dieser Umstand
für die Haftung dann ohne Bedeutung ist, wenn Träger
dieses Gesamthandsvermögens nur die am Unternehmen wesentlich
beteiligten Personen sind, weil diese Personen als Personengruppe
die Gegenstände zu Eigentum haben. Denn die
haftungsbegründende Interessenparallelität könne
nicht dahinter zurückstehen, dass ein Gegenstand dem
Unternehmen diene, über den alle wesentlich beteiligten
Gesellschafter des Unternehmens nur gemeinschaftlich verfügen
könnten (BFH-Urteil in BFHE 139, 242, BStBl II 1984, 127 = SIS 83 24 37).
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Bei dieser Betrachtung kann es nicht
entscheidend auf die Rechtsform der Gesellschaft ankommen, in deren
Vermögen sich der dem Unternehmen überlassene Gegenstand
befindet. Ausschlaggebend ist vielmehr der Umstand, dass die
Verfügungsberechtigung ausschließlich bei Personen
liegt, die über ihre jeweiligen Beteiligungen entscheidenden
Einfluss auf die Gesellschaft ausüben und über deren
Wirtschaftsgüter verfügen können, so dass die
Überlassung eines Gegenstands an ein Unternehmen nur ihnen
zugerechnet werden kann. Daher lassen sich die vom BFH für die
GbR entwickelten Grundsätze unter bestimmten Umständen
auf eine KG übertragen. Sind an einer solchen Gesellschaft als
Kommanditisten und Gesellschafter der
Komplementär-Gesellschaft ausschließlich Personen
beteiligt, die eine wesentliche Beteiligung an dem Unternehmen
halten, dem der Gegenstand überlassen worden ist, bedarf es
keiner zusätzlichen Beteiligung der
Komplementär-Gesellschaft, um den Haftungstatbestand des
§ 74 AO zu erfüllen. Denn aufgrund der
gesellschaftsrechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse
sind die an der KG beteiligten natürlichen Personen jedenfalls
als wirtschaftliche Eigentümer des Gegenstands i.S. des §
74 AO anzusehen. Dies gilt erst recht, wenn der Gegenstand nicht im
Eigentum der Komplementär-Gesellschaft, sondern im alleinigen
Eigentum der Kommanditisten steht. Denn in diesem Fall decken sich
die Anteile der Kommanditisten am Gesamthandsvermögen mit den
Anteilen am überlassenen Gegenstand.
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Nach den Feststellungen des FG war der
Kläger in mehrfacher Hinsicht an der A-KG beteiligt. Zum einen
war er zusammen mit K als Kommanditist zu 50 % an ihr beteiligt;
zum anderen war er zusammen mit K auch zu 50 % an der A-GmbH, der
Komplementärin der A-KG, beteiligt. Das
Gesamthandsvermögen der A-KG bestand lediglich aus dem
Erbbaurecht, das nur den Kommanditisten zustand; die A-GmbH hatte
keinen eigenen Kapitalanteil. Wie bereits ausgeführt, sind bei
dieser Fallkonstellation die in Haftung genommenen Kommanditisten
als Eigentümer des Erbbaurechts anzusehen, so dass die
Haftungsvoraussetzungen des § 74 AO erfüllt sind.
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c) Der Erlass des angefochtenen
Haftungsbescheids war nicht deshalb unzulässig, weil auf
dessen Grundlage keine Vollstreckung hätte erfolgen
können.
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Wie bereits ausgeführt, unterliegt ein
Erbbaurecht als grundstücksähnliche Berechtigung nach
§ 864 Abs. 1 ZPO der Immobiliarvollstreckung. Im Streitfall
ist die A-GmbH am Gegenstand der Vollstreckung nicht beteiligt; das
Gesamthandsvermögen steht ausschließlich den
Kommanditisten der A-KG zu, die beide nach § 74 AO in Haftung
genommen worden sind. Deren Anteile am Gesamthandsvermögen
sind pfändbar, wobei sich die Haftung auf den Anteil des
jeweiligen Haftungsschuldners an dem überlassenen Gegenstand
beschränkt (Boeker in HHSp, § 74 AO Rz 14). Zu Recht
weist das FA darauf hin, dass im Falle einer Liquidation der A-KG
das Erbbaurecht auf die beiden Haftungsschuldner aufgeteilt werden
müsste, so dass weitere Vollstreckungsmöglichkeiten
eröffnet würden. Wie der BFH mit Urteil vom 22.11.2011
VII R 63/10 (BFHE 235, 126, BStBl II 2012, 223 = SIS 12 03 23)
entschieden hat, erstreckt sich die Haftung des Eigentümers
nach § 74 AO nicht nur auf den überlassenen Gegenstand,
sondern sie erfasst auch in Fällen der Weggabe oder des
Verlustes von Gegenständen nach der Haftungsinanspruchnahme
die erlangten Surrogate. Somit würde sich die Haftung auch auf
einen Anteil am Liquidationserlös erstrecken. Bei diesem
Befund ist die von der Revision behauptete Unzulässigkeit
einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme des Klägers infolge
einer gegenwärtigen oder zukünftigen Unmöglichkeit
der Vollstreckung nicht ersichtlich.
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2. Entgegen der Auffassung des Klägers
ist die Haftung für die Umsatzsteuer Dezember 2001 nicht
dadurch entfallen, dass das AG am 16.10.2001 nach § 21 Abs. 1,
Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 InsO einen vorläufigen
Insolvenzverwalter bestellt hat.
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Die Behauptung der Revision, infolge des
Wegfalls der unternehmerischen Handlungsmöglichkeiten durch
Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters habe eine
haftungsbegründende Interessenparallelität nicht mehr
bestanden, trifft nicht zu. Nach wie vor hat der Kläger durch
die Einräumung des Erbbaurechts einen objektiven Beitrag zur
Fortführung der Geschäfte der KG erbracht, an der er auch
weiterhin wesentlich beteiligt war. Aufgrund seiner Beteiligung
bestanden auch weiterhin Einflussmöglichkeiten auf die
Tätigkeit der KG. Denn im Fall der Bestellung eines
vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Anordnung eines
allgemeinen Verfügungsverbots (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1
InsO) verbleibt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis wie
auch die Prozessführungsbefugnis beim Schuldner (Haarmeyer in
Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Bd. 1, § 22 Rz
133, 184). Daran vermag auch der Zustimmungsvorbehalt nichts zu
ändern. Denn der vorläufige Insolvenzverwalter mit
allgemeinem Zustimmungsvorbehalt kann nicht als
Vermögensverwalter i.S. von § 34 Abs. 3 AO angesehen
werden (BFH-Beschluss vom 27.5.2009 VII B 156/08, BFH/NV 2009, 1591
= SIS 09 29 17). Deshalb wird der Schuldner auch nicht aus seiner
Pflichtenstellung verdrängt, so dass die ihm obliegenden
steuerlichen Pflichten nunmehr ausschließlich vom
Insolvenzverwalter zu erfüllen wären (vgl. Maus in
Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 22 Rz 188, m.w.N.).
Nach den Feststellungen des FG, gegen die der Kläger keine
Verfahrensrügen erhoben hat und die infolgedessen nach §
118 Abs. 2 FGO für den Senat bindend sind, sind sämtliche
haftungsrelevanten Steueransprüche vor der
Insolvenzeröffnung am 1.1.2002 entstanden. Zudem beruhen die
Umsatzsteuernachforderungen für Dezember 2001 auf
Vorsteuerberichtigungen wegen Zahlungsunfähigkeit, die sich
aufgrund einer im Februar 2002 durchgeführten
Umsatzsteuersonderprüfung ergaben. Die Behauptung des
Klägers, die Umsatzsteuerschuld aus Dezember 2001 habe der
vorläufige Insolvenzverwalter durch eigenes wirtschaftliches
Handeln zur Entstehung gebracht, findet damit keine Stütze in
den tatrichterlichen Feststellungen.
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