1
|
I. Die Antragstellerin und
Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist ein Leasing-Fonds in
der Rechtsform der GmbH & Co. KG, an der ca. ... Kommanditisten
unmittelbar oder mittelbar über einen Treuhänder
beteiligt waren. Den im Streitjahr 2003 entstandenen Gewinn aus der
Veräußerung des verleasten Flugzeugs behandelte der
Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA - ) nach
einer Außenprüfung abweichend von der bisherigen
Gewinnfeststellung als nicht tarifbegünstigten laufenden
Gewinn. Gegen den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid hatte
die Antragstellerin Einspruch erhoben und die Aussetzung der
Vollziehung (AdV) des Bescheids beantragt. Nach Ablehnung des
Antrags durch das Finanzgericht (FG) blieb auch die Beschwerde ohne
Erfolg; sie wurde durch Beschluss des Senats vom 24.9.2010 IV B
34/10 (BFH/NV 2011, 241 = SIS 11 00 69)
zurückgewiesen.
|
|
|
2
|
Mit Schriftsatz vom 26.11.2010 begehrt die
Antragstellerin eine gerichtliche Festsetzung des Streitwerts.
Hierzu trägt sie vor, von der pauschalen Ermittlung des
Streitwerts für Gewinnfeststellungen mit 25 % des Gewinns oder
Verlusts sei abzuweichen, wenn ohne besondere Ermittlungen
erkennbar sei, dass der Satz den einkommensteuerlichen Auswirkungen
nicht gerecht werde. Zwar lasse sich hier der genaue Steuereffekt
nicht ermitteln. Es sei aber erkennbar, dass es von dem Ausgang des
Verfahrens positiv und negativ betroffene Gesellschafter gebe.
Negativ betroffen seien diejenigen, die nicht mehr von der
Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 3 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) Gebrauch machen könnten, was
maximal einen Steuersatznachteil von 24 % ausmache. Negativ seien
auch Gesellschafter betroffen, die von der Anrechnung der
Gewerbesteuer nach § 35 EStG keinen oder keinen umfassenden
Gebrauch machen könnten. Positiv wirke sich der Ausgang des
Rechtsstreits demgegenüber auf solche Gesellschafter aus, die
ursprünglich nicht in den Genuss der tarifbegünstigten
Besteuerung eines Veräußerungsgewinns gekommen
wären, jetzt aber von der Anrechnung nach § 35 EStG
Gebrauch machen könnten und daraus ggf. sogar eine
Überkompensation erreichen würden. Der Anteil von
Verlierern und Gewinnern unter den Gesellschaftern lasse sich aus
dem Abstimmungsverhalten zu dem Beschluss darüber ablesen, ob
ein Rechtsbehelf gegen den geänderten
Gewinnfeststellungsbescheid eingelegt werden solle. An dem
betreffenden Beschluss hätte sich etwa die Hälfte der
Gesellschafter beteiligt, wovon wiederum ca. 50 % für einen
Rechtsbehelf gestimmt hätten. Demnach sei der Streitwert
folgendermaßen zu ermitteln: Gewinn ... Mio. EUR x 25 %
pauschaler Streitwert x 21 % Steuersatznachteil unter
Berücksichtigung der Gewerbesteueranrechnung x 50 %
abstimmende Gesellschafter x 50 % zustimmende Gesellschafter.
Daraus ergebe sich ein Streitwert im Hauptsacheverfahren von rund
... EUR.
|
|
|
3
|
Die Antragstellerin beantragt, den
Streitwert des Verfahrens IV B 34/10 auf ... EUR
festzusetzen.
|
|
|
4
|
Das FA beantragt, den Streitwert für
das Verfahren IV B 34/10 auf mindestens ... EUR
festzusetzen.
|
|
|
5
|
Es trägt vor, der Antrag auf
Streitwertfestsetzung sei zulässig, weil unterschiedliche
Auffassungen über die Höhe des Streitwerts
bestünden. Nach der Rechtsprechung werde der Streitwert im
Gewinnfeststellungsverfahren unabhängig von den
persönlichen Verhältnissen der Gesellschafter mit 25 %
des Gewinns bemessen. Betreffe der Streit die Höhe eines
Veräußerungsgewinns, seien allerdings im Regelfall nur
15 % des Gewinns anzusetzen. Hier sei jedoch nicht die Höhe,
sondern die Qualifikation des Gewinns streitig. Dafür seien 10
% bis 25 % bei sehr hohen Gewinnen anzusetzen. Ein derart hoher
Gewinn sei bereits bei einem Betrag von ca. 327.000 DM angenommen
worden (FG Köln, Beschluss vom 9.2.2009 10 Ko 2120/08, 10 Ko
2598/08, EFG 2009, 978 = SIS 09 11 62). Hier sei deshalb von 25 %
auszugehen, so dass der Streitwert in einem Hauptsacheverfahren ...
EUR betragen würde.
|
|
|
6
|
Im Verfahren wegen AdV belaufe sich der
Streitwert auf 10 % bis 25 % des Streitwerts im
Hauptsacheverfahren. Der höhere Satz werde für
gerechtfertigt gehalten, wenn sich die Bedeutung des Verfahrens
nicht in einer späteren Steuerzahlung erschöpfe. Unter
diesem Aspekt könne der Streitwert sogar bis zum Wert des
Hauptsacheverfahrens angehoben werden. Hier habe der
Bundesfinanzhof (BFH) umfassend zur im Hauptsacheverfahren
streitigen Rechtsfrage Stellung genommen, so dass der Streitwert
mit 25 % des Hauptsachestreitwerts zu bemessen sei. Insgesamt
betrage der Streitwert deshalb ... EUR.
|
|
|
7
|
II. 1. Der Antrag auf Streitwertfestsetzung
ist zulässig.
|
|
|
8
|
Nach § 63 Abs. 2 Satz 2 des
Gerichtskostengesetzes (GKG) setzt in der Finanzgerichtsbarkeit das
Prozessgericht den Wert des Streitgegenstandes durch Beschluss
fest, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung
beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Nach
ständiger Rechtsprechung des BFH muss für den Antrag ein
besonderes Rechtsschutzbedürfnis bestehen (vgl. z.B.
Beschlüsse vom 17.11.1987 VIII R 346/83, BFHE 152, 5, BStBl II
1988, 287 = SIS 88 10 53; vom 14.7.2009 VI S 10/09, Zeitschrift
für Steuern und Recht 2009, R866). Dieses fehlt in der Regel,
wenn sich die Höhe des Streitwerts aus den Anträgen der
Beteiligten und der bisherigen Rechtsprechung des BFH zur Bemessung
des Streitwerts in gleichartigen Fällen eindeutig ermitteln
lässt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 2.10.1980 IV R
235/75, BFHE 131, 288, BStBl II 1981, 38 = SIS 81 25 05; vom
23.5.2001 IV S 1/01, BFH/NV 2001, 1431 = SIS 01 77 67).
|
|
|
9
|
Es ist zwar geklärt, dass der Streitwert
im Falle eines Streits über die Höhe des festzustellenden
Veräußerungsgewinns im Regelfall 15 % des streitigen
Betrags beträgt und bei sehr hohen
Veräußerungsgewinnen in angemessenem Umfang anzuheben
ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 14.2.2007 IV E 3/06, BFH/NV 2007,
1155 = SIS 07 15 99, m.w.N.). Betrifft der Rechtsstreit nicht die
Höhe, sondern die Qualifikation des Gewinns als
Veräußerungsgewinn, ist der Streitwert unter
Berücksichtigung des einkommensteuerlichen Vorteils aus der
Tarifvergünstigung zu bemessen. Auf der Grundlage einer
Tarifvergünstigung von 50 % des Regelsteuersatzes hat die
Rechtsprechung in der Vergangenheit einen pauschalen Streitwert von
20 % (BFH-Beschluss vom 7.12.1988 IV E 2/88, BFH/NV 1990, 51) bzw.
10 % bis 25 % (Beschluss des FG Köln in EFG 2009, 978)
für angemessen gehalten. Zur im Streitfall maßgeblichen
Rechtslage, nach der die Tarifvergünstigung in erster Linie in
Gestalt der sog. Fünftel-Regelung des § 34 Abs. 1 EStG zu
gewähren ist, hat der BFH noch nicht Stellung genommen.
|
|
|
10
|
2. Der Streitwert für ein Verfahren, in
dem um die Qualifikation gesondert und einheitlich festgestellter
Gewinne als der Fünftel-Regelung unterliegende
außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr.
1 EStG gestritten wird, ist pauschal mit 10 % des streitigen
Gewinns zu bemessen, wenn nicht Anhaltspunkte dafür vorliegen,
dass die betroffenen Mitunternehmer zu einem Großteil die
Tarifvergünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG beanspruchen
können.
|
|
|
11
|
Die Höhe des Streitwerts ist
gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag
des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach
Ermessen zu bestimmen. Die Zuordnung eines Gewinns zu den
außerordentlichen Einkünften i.S. des § 34 Abs. 2
Nr. 1 EStG bedeutet für den Steuerpflichtigen, dass dieser
Gewinn mit dem Steuersatz des § 34 Abs. 1 EStG belastet wird,
wenn nicht ein Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG gestellt werden
kann und gestellt wird. Nach § 34 Abs. 1 EStG beträgt die
für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende
Einkommensteuer das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen
der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte
verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu
versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das
verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines
Fünftels dieser Einkünfte. Diese sog.
Fünftel-Regelung bewirkt eine Tarifglättung, die je nach
individuellem progressivem Tarif zu einem meist deutlich hinter dem
Steuervorteil des ehemals halben Regelsteuersatzes
zurückbleibt und bei Erreichen des Spitzensteuersatzes bereits
aufgrund der regelbesteuerten Einkünfte keinen Steuervorteil
bedeutet.
|
|
|
12
|
Dies rechtfertigt nach Ansicht des Senats eine
Reduzierung des pauschalen Streitwerts gegenüber dem bisher
für nach dem halben Regelsteuersatz begünstigte Gewinne
verwendeten Satz von bis zu 25 %. Dabei ist auch zu
berücksichtigen, dass die Bemessung der Tarifbegünstigung
nach einem Prozentsatz des Regelsteuersatzes umso größer
ausfällt, je näher der Regelsteuersatz dem
Spitzensteuersatz kommt, während der Steuervorteil aus der
Fünftel-Regelung umgekehrt bei steigendem Steuersatz abnimmt.
Der Senat hält danach einen Satz von 10 % für angemessen.
Dieser ist nur auf bis zu 20 % anzuheben, wenn Anhaltspunkte
dafür bestehen, dass ein Großteil der
Feststellungsbeteiligten in den Genuss der antragsgebundenen
Tarifvergünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG kommen werden.
Derartige Anhaltspunkte gibt es im Streitfall jedoch nicht.
|
|
|
13
|
3. Der Streitwert in einem Verfahren wegen AdV
ist unter Fortsetzung der bisherigen Rechtsprechung des BFH
grundsätzlich mit 10 % des im Hauptsacheverfahren
anzusetzenden Streitwerts zu bemessen (vgl. zuletzt BFH-Beschluss
vom 14.12.2007 IX E 17/07, BFHE 220, 22, BStBl II 2008, 199 = SIS 08 05 60).
|
|
|
14
|
a) Der Senat hat zwar erwogen, von der
bisherigen Handhabung abzuweichen und den Streitwert auf 25 % des
Hauptsachestreitwerts festzusetzen. Er hält die von einigen
Finanzgerichten für eine Erhöhung genannten Gründe
für überzeugend und geht davon aus, dass eine vom BFH
vorgenommene Anhebung des Streitwerts auch zu einer
Vereinheitlichung der Rechtsprechung der Finanzgerichte beitragen
würde. Der Senat hat deshalb informell bei allen anderen
Senaten des BFH angefragt, ob sie der vorgeschlagenen Anhebung des
Streitwerts zustimmen würden. Mehrheitlich haben sich die
Senate jedoch dagegen ausgesprochen.
|
|
|
15
|
Eine Entscheidung durch den Großen Senat
des BFH kann nach Auffassung des beschließenden Senats nicht
erreicht werden. Da die Höhe des Streitwerts gemäß
§ 52 Abs. 1 GKG „nach Ermessen“ zu
bestimmen ist, würde der Senat mit der beabsichtigten Anhebung
des Streitwerts nicht i.S. des § 11 Abs. 3 der
Finanzgerichtsordnung von der Rechtsprechung anderer Senate
abweichen. Denn eine Abweichung in einer Rechtsfrage kommt insoweit
nicht in Betracht, als das Gericht im Rahmen des ihm durch die
Vorschrift eingeräumten Spielraums auf der Grundlage zur
Ermessensentscheidung tauglicher Gesichtspunkte entscheidet
(BFH-Beschluss vom 10.11.1971 I B 14/70, BFHE 104, 39, BStBl II
1972, 222 = SIS 72 01 34; zustimmend insoweit BFH-Beschluss vom
29.7.1976 VIII B 6/75, BFHE 120, 9, BStBl II 1977, 119 = SIS 77 00 71; Bartone in: Kühn/v. Wedelstädt, 19. Aufl., FGO,
§ 11 Rz 4; Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler,
§ 11 FGO Rz 58).
|
|
|
16
|
b) Angesichts der Unmöglichkeit, eine
bindende Entscheidung des Großen Senats des BFH
herbeizuführen, muss der Senat in eigener Verantwortung
über die Bemessung des Streitwerts entscheiden. Um die
Einheitlichkeit der Rechtsprechung des BFH zu wahren, hält es
der beschließende Senat angesichts der fehlenden Mehrheit
für eine Rechtsprechungsänderung im BFH für geboten,
an den bisherigen Grundsätzen festzuhalten. Er bemisst den
Streitwert für ein Verfahren betreffend AdV
demgemäß weiterhin mit 10 % des
Hauptsachestreitwerts.
|
|
|
17
|
4. Der Streitwert beläuft sich danach auf
... EUR (streitiger Gewinn ... EUR x 10 % [Streit über
Tarifvergünstigung] x 10 % [AdV]).
|