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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) beantragte im Juli 2005
für ihren im Dezember 1962 geborenen Sohn (M)
Kindergeld.
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M ist behindert. Im April 1985 stellte das
Versorgungsamt bei M eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von
50 %, im Oktober 1989 einen Grad der Behinderung von 60 % fest;
Merkzeichen wurden nicht vergeben. Daneben wurde M im
März/Juli 1989 arbeitsamtsärztlich untersucht. Der
Gutachter beurteilte M - mit Einschränkungen - als
grundsätzlich arbeitsfähig. Es folgten weitere
arbeitsamtsärztliche Untersuchungen des M im April 1992, im
Dezember 1995/Februar 1996 und im Januar 2000.
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M absolvierte keine Berufsausbildung, stand
jedoch zeitweise in verschiedenen
Beschäftigungsverhältnissen. In der Zeit von September
1979 bis November 1982 war er als Hilfsarbeiter beschäftigt,
anschließend bis Januar 1983 arbeitsunfähig erkrankt. Im
Januar 1983 meldete sich M arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld,
dann Arbeitslosenhilfe. In den Monaten August und September 1985
absolvierte M zur Verbesserung seiner Vermittlungsaussichten eine
Maßnahme gemäß § 41a des
Arbeitsförderungsgesetzes. Danach war er wieder arbeitslos und
bezog Arbeitslosenhilfe. In der Zeit von März 1997 bis
September 1998 war er als Montierer beschäftigt. Im Juli 1998
wurde M wegen „krankheitsbedingter
Leistungsunfähigkeit“ gekündigt. Danach bezog M bis
Oktober 2002 Arbeitslosenhilfe. In der Zeit von Oktober 2002 bis
November 2003 und von Mai bis Juli 2005 arbeitete M in
Werkstätten für psychisch Behinderte. Mit Wirkung ab dem
1.3.2003 erhielt M von der LVA eine Erwerbsminderungsrente.
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Die Beklagte und Revisionsbeklagte
(Familienkasse) lehnte den Antrag auf Kindergeld mit Bescheid vom
5.9.2005 ab, weil die Voraussetzungen des
Berücksichtigungstatbestandes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr.
3 des Einkommensteuergesetzes in der für den Streitzeitraum
geltenden Fassung (EStG) nicht vorliegen würden. Der Einspruch
blieb erfolglos.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab
(EFG 2008, 1638 = SIS 08 37 15). Zur Begründung führte es
im Wesentlichen an, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG erfordere
nicht nur, dass die Behinderung des Kindes, sondern auch dessen
behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt vor
Vollendung des 27. Lebensjahres vorgelegen habe. Im Streitfall sei
zwar die Behinderung des M vor diesem Zeitpunkt eingetreten. Er sei
aber nicht vor Vollendung des 27. Lebensjahres behinderungsbedingt
unfähig zum Selbstunterhalt gewesen, weil seine
Arbeitsfähigkeit nur im Hinblick auf bestimmte
Tätigkeiten Einschränkungen unterlegen habe.
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Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die unzutreffende Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz
1 Nr. 3 EStG. Das FG lege diese Vorschrift klar gegen ihren
Wortlaut aus. Zudem würde das Gesetzesverständnis des FG
falsche Anreize und Missbrauchsgefahren begründen. Man
würde diejenigen Eltern honorieren, deren Kinder sich nicht
ernsthaft um einen Arbeitsplatz bemühten, und nicht
diejenigen, deren Kinder ein finanziell unabhängiges Leben
durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu führen
versuchten. Unbeachtet bliebe auch der Umstand, dass sich das
Krankheitsbild oft erst im Erwachsenenalter voll entwickele.
Außerdem führe die Auffassung des FG zu einem
Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Im
Übrigen sei das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom
26.7.2001 VI R 56/98 (BFHE 196, 161, BStBl II 2001, 832 = SIS 01 13 69), wonach auch die behinderungsbedingte Unfähigkeit zum
Selbstunterhalt vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten
sein müsse, zu einer älteren Gesetzeslage
ergangen.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das angefochtene Urteil, den
Ablehnungsbescheid vom 5.9.2005 und die dazu ergangene
Einspruchsentscheidung vom 27.9.2005 aufzuheben und die
Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für M in
gesetzlicher Höhe ab Juni 2005 zu gewähren.
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Die Familienkasse beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
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Nach zutreffender Auffassung der
Klägerin - so die Familienkasse - müsse zwar nur die
Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres des Kindes
vorgelegen haben. Das FG habe aber noch nicht geklärt, ob M im
Streitzeitraum behinderungsbedingt unfähig zum Selbstunterhalt
gewesen sei.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur
Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur
Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG.
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Entgegen der Auffassung des FG setzt § 32
Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nicht voraus, dass neben der Behinderung
auch die dadurch bedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt vor
Vollendung des 27. Lebensjahres vorliegen muss. Im Übrigen
fehlen tatsächliche Feststellungen, um beurteilen zu
können, ob M im Streitzeitraum (beginnend ab Juni 2005) wegen
der Behinderung außerstande gewesen ist, sich selbst zu
unterhalten.
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1. Gemäß § 62 Abs. 1, §
63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3
EStG besteht für ein volljähriges Kind Anspruch auf
Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder
seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu
unterhalten. Die Behinderung muss - wie der Wortlaut eindeutig
erkennen lässt („wegen“) - für die
fehlende Fähigkeit zum Selbstunterhalt ursächlich sein.
Mit dem Gesetz zur Familienförderung (FamFördG) vom
22.12.1999 (BGBl I 1999, 2552, BStBl I 2000, 4) ist dem § 32
Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG mit Wirkung ab dem 1.1.2000 ein zweiter
Halbsatz angefügt worden, in dem als weitere Voraussetzung
ausdrücklich verlangt wird, dass die Behinderung des Kindes -
wie im Streitfall für M - vor Vollendung des 27. Lebensjahres
eingetreten sein muss.
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a) Die Frage, ob nur die Behinderung oder auch
die dadurch bedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt vor
Vollendung des 27. Lebensjahres vorgelegen haben muss, wird in
Rechtsprechung und Fachschrifttum nicht einheitlich
beantwortet.
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aa) Die wohl herrschende Auffassung geht -
insbesondere unter Berufung auf den Wortlaut des zweiten Halbsatzes
des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG - davon aus, dass allein die
Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten sein
muss. Diese Ansicht wird von mehreren Finanzgerichten (Urteil des
FG Baden-Württemberg vom 3.4.2002 14 K 46/00, EFG 2002, 1100 =
SIS 02 90 09; Urteil des FG Nürnberg vom 13.6.2002 VII
290/2000, EFG 2003, 867 = SIS 03 29 89, dazu kritisch Kanzler, FR
2004, 98; Urteil des Sächsischen FG vom 23.2.2006 2 K 2679/04
(Kg)), weiten Teilen des Fachschrifttums (Schmidt/Loschelder, EStG,
30. Aufl., § 32 Rz 47; Grönke-Reimann in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 EStG Rz 117; Dürr in
Frotscher, EStG, 6. Aufl., Freiburg 1998 ff., § 32 Rz 76;
Greite in Korn, § 32 EStG Rz 58; Jachmann, in:
Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 32 Rz C 30; Pust in
Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 32
EStG Rz 471; Seiler in Kirchhof, EStG, 10. Aufl., § 32 Rz 15)
und von der Verwaltung (Abschn. 63.3.6.1 Abs. 5 Satz 2 der
Dienstanweisung zur Durchführung des
Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des
Einkommensteuergesetzes - DA-FamEStG -, BStBl I 2004, 742, 771;
Abschn. 63.3.6.1 Abs. 2 Satz 2 DA-FamEStG, BStBl I 2009, 1030, 1068
= SIS 09 30 63) vertreten.
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bb) Nach anderer Auffassung muss auch die
behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt vor
Vollendung der maßgeblichen Altersgrenze vorgelegen haben
(Urteil des Sächsischen FG vom 26.6.2008 5 K 288/08 (Kg),
juris = SIS 09 19 98, nicht rkr., Az. des BFH: III R 24/09; Helmke
in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I.
Kommentierung, § 32 Rz 113; Felix, Kindergeldrecht, § 63
EStG Rz 150).
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cc) Die bisher zur Streitfrage ergangene
höchstrichterliche Rechtsprechung liefert kein eindeutiges
Ergebnis. In dem Beschluss des BFH vom 23.9.2003 VIII B 286/02
(nicht veröffentlicht - juris - ) wird zwar - allerdings ohne
nähere Begründung - angeführt, der BFH habe in dem
Urteil in BFHE 196, 161, BStBl II 2001, 832 = SIS 01 13 69 zum
Ausdruck gebracht, es müsse nicht nur die Behinderung, sondern
auch die dadurch bedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt vor
Vollendung des 27. Lebensjahres vorgelegen haben. Das eben genannte
Urteil erging aber noch zur Rechtslage vor Inkrafttreten des
zweiten Halbsatzes des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG und
enthält lediglich die ausdrückliche Feststellung, dass
die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten
sein muss.
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b) Der erkennende Senat schließt sich
der herrschenden Meinung an, wonach nur die Behinderung, nicht auch
die dadurch bedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt vor
Erreichen der maßgeblichen Altersgrenze vorgelegen haben
muss. Maßgeblich für diese Auslegung ist der
objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem
Gesetzeswortlaut und aus dem Sinnzusammenhang der in Rede stehenden
Vorschrift ergibt (zur Auslegung von Steuergesetzen vgl. BFH-Urteil
vom 14.5.1991 VIII R 31/88, BFHE 164, 516, BStBl II 1992, 167 = SIS 91 19 17).
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aa) Der Wortlaut des angefügten zweiten
Halbsatzes des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG setzt für
die Berücksichtigung des Kindes allein den Eintritt der
Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres voraus. Er
enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass auch noch andere
Voraussetzungen als die eben genannte vor Erreichen der
maßgeblichen Altersgrenze vorgelegen haben müssen.
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bb) Aber selbst wenn es - wie das FG und
einzelne Stimmen im Fachschrifttum (so Helmke in Helmke/Bauer,
a.a.O., § 32 Rz 113) meinen - noch vom möglichen Wortsinn
der Regelung umfasst sein könnte, unter einer Behinderung im
Sinne des zweiten Halbsatzes des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG
eine im Sinne seines ersten Halbsatzes zu verstehen, die bereits
zum Verlust der Selbstunterhaltungsfähigkeit geführt hat,
würden einer derart extensiven Auslegung die
Entstehungsgeschichte und der Zweck des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr.
3 Halbsatz 2 EStG entgegenstehen.
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Mit der Neuregelung des
Familienleistungsausgleichs im Jahressteuergesetz 1996 vom
11.10.1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) sollten das
sozialrechtliche Kindergeldrecht (Bundeskindergeldgesetz - BKGG - )
und das einkommensteuerrechtliche Kinderfreibetrags- (§ 32
EStG) bzw. Kindergeldrecht (§ 62 ff. EStG), insbesondere die
in beiden Rechtsbereichen für volljährige Kinder
bestehenden Berücksichtigungstatbestände, harmonisiert
werden (vgl. BTDrucks 13/1558, S. 155, 160, 164). Dass der
Gesetzgeber dabei - jedenfalls im Anwendungsbereich des § 32
Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG - an die frühere Sozialrechtsprechung
anknüpfen wollte, kommt insbesondere dadurch deutlich zum
Ausdruck, dass er der eben genannten Regelung durch das
FamFördG vom 22.12.1999 (BGBl I 1999, 2552, BStBl I 2000, 4)
den zweiten Halbsatz angefügt hat. Nach der
Gesetzesbegründung sollte hierdurch ausgeschlossen werden,
dass z.B. eine 80-jährige Mutter für ihren Sohn, der im
Alter von 60 Jahren einen Schlaganfall erleidet und
pflegebedürftig wird, Kindergeld erhalten kann; dies
entspreche der ständigen Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) zum BKGG (BTDrucks 14/1513, S. 14).
Dabei war nach der Rechtsprechung des BSG eine lebenslange
Berücksichtigung behinderter Kinder nur dann möglich,
wenn die vor Erreichen der maßgeblichen Altersgrenze
eingetretene Behinderung zum Verlust der
Selbstunterhaltungsfähigkeit führte (BSG-Urteile vom
14.8.1984 10 RKg 6/83, BSGE 57, 108; vom 23.6.1977 8/12 RKg 7/77,
BSGE 44, 106). Gleichwohl hat der Gesetzgeber in Kenntnis dieser
Rechtsprechung des BSG formuliert, dass vor Erreichen der
maßgeblichen Altersgrenze allein die Behinderung eingetreten
sein muss. Dies spricht dafür, dass er die
Kindergeldgewährung nicht zusätzlich davon abhängig
machen wollte, dass bis zu diesem Zeitpunkt auch die
behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt
vorgelegen haben muss. Aber selbst wenn es der subjektive Wille des
Gesetzgebers gewesen sein sollte, die Kindergeldberechtigung
zusätzlich vom Verlust der Selbstunterhaltungsfähigkeit
vor Vollendung des 27. Lebensjahres abhängig zu machen,
hätte gerade mit Blick auf seine Kenntnis von vorstehend
genannter BSG-Rechtsprechung erwartet werden dürfen, dass
dieser Wille einen hinreichend deutlichen Niederschlag im
Gesetzeswortlaut gefunden hätte. Hieran fehlt es.
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Dieses Ergebnis wird vom Gesetzeszweck des
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG bestätigt. Das
Verfassungsrecht gebietet, der durch Unterhaltsleistungen für
Kinder geminderten Leistungsfähigkeit der Eltern Rechnung zu
tragen (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.5.1990
1 BvL 20/84 u.a., BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653 = SIS 90 14 01). Deshalb werden Kinder unter den Voraussetzungen des § 32
Abs. 4 Satz 1 EStG auch nach Volljährigkeit
berücksichtigt. Eine verminderte Leistungsfähigkeit der
Eltern behinderter Kinder liegt aber auch dann vor, wenn vor
Erreichen der maßgeblichen Altersgrenze zunächst nur die
Behinderung eingetreten ist, danach jedoch wegen dieser Behinderung
die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt hinzutritt.
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c) Nach alledem muss vor Vollendung des 27.
Lebensjahres lediglich die Behinderung eingetreten sein. Das
Vorliegen weiterer Voraussetzungen vor Erreichen dieser
Altersgrenze ist nicht erforderlich.
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2. Die Sache ist nicht spruchreif. Es fehlen
die erforderlichen Feststellungen, um prüfen zu können,
ob M im Streitzeitraum (beginnend ab Juni 2005) wegen seiner
bereits vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen
Behinderung außerstande gewesen ist, sich selbst zu
unterhalten.
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a) Das Tatbestandsmerkmal
„außerstande ist, sich selbst zu
unterhalten“ ist gegeben, wenn das Kind über keine
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, die zur
Bestreitung seines gesamten notwendigen Lebensunterhalts -
bestehend aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) und dem
individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf - ausreicht (vgl.
zum Ganzen Senatsurteil vom 19.11.2008 III R 105/07, BFHE 223, 365,
BStBl II 2010, 1057 = SIS 09 06 82, m.w.N.).
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b) Für den Fall, dass M im Streitzeitraum
arbeitslos gewesen sein sollte, wird zur Frage der
Ursächlichkeit der Behinderung für die fehlende
Fähigkeit zum Selbstunterhalt auf die Senatsurteile in BFHE
223, 365, BStBl II 2010, 1057 = SIS 09 06 82 und vom 22.10.2009 III
R 50/07 (BFHE 228, 17, BStBl II 2011, 38 = SIS 10 05 33)
hingewiesen.
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Nach diesen Entscheidungen ist eine
behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt zum einen
dann gegeben, wenn die Behinderung in erheblichem Umfang
mitursächlich für die Arbeitslosigkeit ist. Diese
Entscheidung hat das FG als Tatsacheninstanz unter
Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles und
unter Abwägung der für und gegen eine
Mitursächlichkeit sprechenden Indizien zu treffen (vgl. zum
Ganzen Senatsurteile in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057 = SIS 09 06 82; in BFHE 228, 17, BStBl II 2011, 38 = SIS 10 05 33). Zum
anderen kann eine behinderungsbedingte Unfähigkeit zum
Selbstunterhalt aber auch bei fehlender Mitursächlichkeit
für die Arbeitslosigkeit in Betracht kommen, nämlich
dann, wenn die vom behinderten Kind - trotz der Behinderung -
erzielbaren Einkünfte nicht dessen gesamten Lebensbedarf
(existenziellen Grundbedarf und behinderungsbedingten Mehrbedarf)
decken könnten. In diesen Fällen liegt die erforderliche
Ursächlichkeit z.B. dann vor, wenn das Kind
behinderungsbedingt nur eine zur Sicherung seines gesamten
Lebensbedarfs nicht ausreichende Teilzeittätigkeit
ausüben könnte (vgl. Senatsurteil in BFHE 228, 17, BStBl
II 2011, 38 = SIS 10 05 33).
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c) Der fehlende Nachweis der
behinderungsbedingten Unfähigkeit zum Selbstunterhalt geht im
Übrigen nach den Regeln der objektiven Beweislast
(Feststellungslast) zu Lasten des Kindergeldberechtigten.
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3. Die Streitsache wird nach § 126 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 FGO an das FG zurückverwiesen. Soweit der Senat
sich in seinem Urteil vom 2.6.2005 III R 66/04 (BFHE 210, 265,
BStBl II 2006, 184 = SIS 05 41 69; vgl. auch Senatsurteil vom
24.2.2010 III R 73/07, BFH/NV 2010, 1429 = SIS 10 21 15) an einer
entsprechenden Zurückverweisung an das FG gehindert sah, weil
das FG - auch bei rechtlich gebundenen Entscheidungen - von der
Verwaltung bisher noch nicht geprüfte Sachverhalte nicht
aufgreifen und durch eigene Ermittlungen klären dürfe,
hält er daran im Hinblick auf die Amtsermittlungspflicht des
FG (§ 76 Abs. 1 FGO) nicht mehr fest.
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