14
|
Unter dem
22.6.2005 erließ das FA erstmalig einen
Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003. Der Bescheid erging
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. In den Einkünften
aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... EUR war der Gewinn in
Höhe von ... EUR aus der Beteiligung an der OHG enthalten.
Unter dem 15.2.2006 erging ein
Änderungsbescheid.
|
|
|
15
|
Das Finanzgericht
(FG) gab der Klage statt; das Urteil ist in EFG 2007, 824 = SIS 07 18 59 veröffentlicht. Nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. Urteil vom 20.1.1965 I 12/62 U, BFHE
82, 139, BStBl III 1965, 296 = SIS 65 01 74) sei es eine
außerhalb des einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahrens
liegende Frage, wann bzw. für welchen Veranlagungszeitraum der
festgestellte Gewinn bei den einzelnen Mitunternehmern der
Personengesellschaft besteuert werde. Hierüber sei erst in dem
Veranlagungsverfahren, in das die festgestellten Gewinnanteile
einmündeten, zu entscheiden.
|
|
|
16
|
Nach § 4a
Abs. 2 Nr. 2 EStG sei bei Gewerbetreibenden, deren Wirtschaftsjahr
vom Kalenderjahr abweiche, der Gewinn bei der Ermittlung des
Einkommens in folgender Weise zu berücksichtigen: Der Gewinn
des Wirtschaftsjahres gelte als in dem Kalenderjahr bezogen, in dem
das Wirtschaftsjahr ende. Das Wirtschaftjahr 2003/04 der OHG habe
am 29.2.2004 geendet. Das Ausscheiden eines Gesellschafters aus
einer nach seinem Ausscheiden weiterbestehenden
Personengesellschaft zwinge nicht zur Bildung eines
Rumpfwirtschaftsjahres (vgl. BFH-Urteil vom 19.4.1994 VIII R 48/93,
BFH/NV 1995, 84).
|
|
|
17
|
Aus dem Wortlaut
des § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG und aus der Gesetzesbegründung
(vgl. BTDrucks 2/3509, S. 3; 2/3510, S. 7 ff., und 7/2180, S. 17)
ergäben sich keine Hinweise, die die Auffassung des FA
stützten, dass § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG im Streitfall nicht
anzuwenden sei. Auch nach dem Zweck der Norm, die Vorschriften
hinsichtlich der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage zu
vereinfachen und Schwierigkeiten abzubauen (vgl. BTDrucks 2/3510,
S. 7 ff.), erscheine es sinnvoll, die Vorschrift des § 4a Abs.
2 Nr. 2 EStG auf alle „Gewerbetreibende“ mit
abweichendem Wirtschaftsjahr anzuwenden und aus
Vereinfachungsgründen keine Ausnahmen
zuzulassen.
|
|
|
18
|
Mit der Revision
macht das FA geltend:
|
|
|
19
|
Die Auslegung des
§ 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG durch das FG führe zu einem
wirtschaftlich unvernünftigen und nicht gewollten Ergebnis
(ebenso FG Nürnberg, Urteil vom 26.3.2003 V 10/2003, DStRE
2003, 1063 = SIS 03 35 30, bei Beendigung der Beteiligung durch Tod
eines Gesellschafters).
|
|
|
20
|
Der zum 2.12.2003
ermittelte Gewinn sei zu diesem Zeitpunkt realisiert gewesen. Auch
das Prinzip der Abschnittsbesteuerung spreche für eine
Besteuerung im Veranlagungszeitraum 2003; der Gewinnanteil des
Klägers sei im Jahr 2003 erwirtschaftet worden; er habe auch
die Möglichkeit gehabt, über seine Erträge zu
verfügen.
|
|
|
21
|
Das FA beantragt
sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
|
|
|
22
|
Der Kläger
beantragt, die Revision zurückzuweisen.
|
|
|
23
|
Die Aussage des
FA, dass der Gewinnanteil entgegen den Bestimmungen des
Gesellschaftsvertrags (durch einen Zwischenabschluss) ermittelt
worden sei, sei falsch; das Wirtschaftsjahr der
Personengesellschaft laufe vom 1. März bis zum 28. Februar des
Folgejahres.
|
|
|
24
|
Der
voraussichtliche Gewinnanteil sei zunächst geschätzt
worden; dabei habe man es belassen, da eine zeitanteilige
Aufteilung des handelsrechtlichen Ergebnisses zu keinen
wesentlichen Änderungen geführt
hätte.
|
|
|
25
|
Das FA hat
während des Revisionsverfahrens den Einkommensteuerbescheid
geändert, zuletzt mit Bescheid vom 15.6.2009.
|
|
|
26
|
II. Die Revision des
FA ist gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet; das angefochtene Urteil
wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
|
|
|
27
|
1. Gemäß
§ 4a Abs. 1 Satz 1 EStG ist bei Gewerbetreibenden der Gewinn
nach dem Wirtschaftsjahr zu ermitteln; gemäß § 4a
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG ist bei Gewerbetreibenden, deren Firma im
Handelsregister eingetragen ist, Wirtschaftsjahr der Zeitraum,
für den sie regelmäßig Abschlüsse machen.
Gemäß § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG gilt bei
Gewerbetreibenden der Gewinn des Wirtschaftsjahres als in dem
Kalenderjahr bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endet.
|
|
|
28
|
2. Im Fall von
Mitunternehmerschaften gelten Besonderheiten, die sich aus der
Rechtsnatur der Mitunternehmerschaft ergeben.
|
|
|
29
|
a) § 4a Abs. 2
Nr. 2 EStG trifft keine Zuweisungsentscheidung für Gewinne von
Mitunternehmern, die während des abweichenden
Wirtschaftsjahres aus der Mitunternehmerschaft ausscheiden; deren
Gewinne sind daher im Jahr des Ausscheidens zu erfassen
(Blümich/Wittwer, § 4a EStG Rz 52; Schmidt/Wacker, EStG,
29. Aufl., § 16 Rz 441; a.A. Schmidt/Heinicke, a.a.O., §
4a Rz 23; Fink in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4a EStG Rz 8;
Jahndorf, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4a Rz C
51; Heinicke/Heuser, DB 2004, 2655).
|
|
|
30
|
b) Für die
Mitunternehmerschaft als solche gelten die allgemeinen Regeln. Bei
Ausscheiden eines Mitunternehmers aus einer mehrgliedrigen
Mitunternehmerschaft bleibt deren Wirtschaftsjahr unberührt
(BFH-Urteil vom 28.11.1989 VIII R 40/84, BFHE 159, 410, BStBl II
1990, 561 = SIS 90 10 21); in diesem Fall entsteht kein
Rumpfwirtschaftsjahr. Etwas anderes gilt nur bei Auflösung der
Mitunternehmerschaft, die zur Entstehung eines
Rumpfwirtschaftsjahres führt (BFH-Beschluss vom 3.6.1997 VIII
B 73/96, BFH/NV 1997, 838 = SIS 97 19 31).
|
|
|
31
|
c) Der
„Gewinnermittlungszeitraum“ für den
einzelnen Mitunternehmer wird hingegen durch den
„Einkunftserzielungszeitraum“ bestimmt, der
durch die Dauer der Beteiligung begrenzt ist und der für den
im Lauf des Wirtschaftsjahres ausscheidenden Mitunternehmer mit
dessen Ausscheiden endet. In ähnlicher Weise kann die
Veranlagung sofort durchgeführt werden, wenn der
Steuerpflichtige vor Ablauf des Kalenderjahres stirbt
(Schmidt/Seeger, a.a.O., § 25 Rz 16). Beendet der
Mitunternehmer seine Beteiligung bei abweichendem Wirtschaftsjahr
der Mitunternehmerschaft im ersten Kalenderjahr, ist sein Gewinn in
diesem Kalenderjahr zu erfassen, ungeachtet des Umstandes, dass in
Bezug auf die Mitunternehmerschaft und die verbleibenden
Mitunternehmer kein Rumpfwirtschaftsjahr entsteht (s.o. unter
II.1.). Für ausscheidende Mitunternehmer ist § 4a Abs. 2
Nr. 2 EStG nicht anzuwenden, da diese Norm von dem Fortbestand der
„Einkunftsquelle“ ausgeht; der Gewinnbezug endet
spätestens mit dem Wegfall der
„Einkunftsquelle“.
|
|
|
32
|
d) In vergleichbarer
Weise entsteht bei Betriebsveräußerung ein
Rumpfwirtschaftsjahr (vgl. Schmieszek, in Bordewin/Brandt, §
4a EStG Rz 50), so dass der Gewinn im Kalenderjahr der
Veräußerung zu erfassen ist.
|
|
|
33
|
e) Die unter a bis c
dargelegte Auffassung entspricht der Position des IV. Senats des
BFH. So hat der IV. Senat zuletzt im Beschluss vom 22.9.1997 IV B
113/96 (BFH/NV 1998, 454) ausgeführt:
|
|
|
34
|
„Allerdings
hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 155, 255, BStBl II 1989,
312, 314 = SIS 89 07 20 (unter 3.) unter Bezug auf das Senatsurteil
vom 14.9.1978 IV R 49/74 (BFHE 126, 262, BStBl II 1979, 159 = SIS 79 00 84) ausgeführt, der Feststellungsbescheid müsse
für einen ausgeschiedenen Gesellschafter eine Feststellung
über die Höhe seines Anteils am laufenden Gewinn und
seines Veräußerungsgewinns sowie über die Dauer
seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft enthalten, damit das
Veranlagungsfinanzamt erkennen kann, welchem Veranlagungszeitraum
der festgestellte Gewinn zuzurechnen ist.“
|
|
|
35
|
Diese
Ausführungen setzen unausgesprochen voraus, dass der Gewinn
ggf. im ersten Veranlagungszeitraum zu erfassen ist. Anderenfalls -
bei Zuordnung zum Veranlagungszeitraum, in dem das Wirtschaftsjahr
endet - wäre dieser Hinweis nicht notwendig.
|
|
|
36
|
Ähnlich
heißt es in der Entscheidung vom 24.11.1988 IV R 252/84 (BFHE
155, 255, BStBl II 1989, 312 = SIS 89 07 20):
|
|
|
37
|
„Um den auf
den ausgeschiedenen Gesellschafter, nämlich den Kläger,
entfallenden Anteil am laufenden Gewinn sowie seinen
Veräußerungsgewinn zutreffend zu ermitteln, mußte
in dem das ganze Wirtschaftsjahr betreffenden Feststellungsbescheid
eine Feststellung über die Höhe seines Anteils am
laufenden Gewinn und seines Veräußerungsgewinns sowie
über die Dauer seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft
aufgenommen werden, damit das Veranlagungs-FA erkennen konnte,
welchem Veranlagungszeitraum der festgestellte Gewinn zuzurechnen
ist (Urteil in BFHE 126, 262, BStBl II 1979, 159 = SIS 79 00 84).“
|
|
|
38
|
Auch hier geht der
IV. Senat davon aus, dass eine Entscheidung über die
Zurechnung des Veräußerungsgewinns zum jeweiligen
Veranlagungszeitraum vorzunehmen ist.
|
|
|
39
|
3. Die Feststellung
des Zeitpunkts, bis zu dem der ausgeschiedene Mitunternehmer
beteiligt war, ist eine mit den Einkünften in Zusammenhang
stehende andere Besteuerungsgrundlage i.S. von § 180 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung, die einheitlich und gesondert
festzustellen ist. Der Zeitpunkt des Ausscheidens ist neben der
Höhe des anteiligen Gewinns im Feststellungsbescheid mit
Bindungswirkung für das nachfolgende Festsetzungsverfahren
festzustellen (BFH-Urteil in BFHE 155, 255, BStBl II 1989, 312 =
SIS 89 07 20; Blümich/Wittwer, § 4a EStG Rz
52).
|
|
|
40
|
Diese Beurteilung
bedeutet keine Abweichung von dem Urteil in BFHE 82, 139, BStBl III
1965, 296 = SIS 65 01 74. Dort war der umgekehrte Fall streitig.
Danach ist es - bei abweichendem Wirtschaftsjahr des
Mitunternehmers, im dortigen Fall einer Kapitalgesellschaft - eine
außerhalb des einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahrens
liegende Frage, wann bzw. für welchen Veranlagungszeitraum der
festgestellte Gewinn bei den einzelnen Mitunternehmern der
Mitunternehmerschaft besteuert wird.
|
|
|
41
|
4. Nach
Maßgabe der vorstehenden Rechtsausführungen ist im
Streitfall der bis zum Ausscheiden des Klägers entstandene
Gewinn im Veranlagungszeitraum 2003 zu erfassen.
|
|
|
42
|
a) In dem
Feststellungsbescheid vom 3.6.2005, der das Wirtschaftsjahr
1.3.2003 bis 29.2.2004 umfasst, wird festgestellt, dass der
Kläger zum 2.12.2003 aus der Mitunternehmerschaft ausgetreten
ist und dass seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb bei einer
Verteilungsquote ab 01.03.2003 (277 Tage) ... EUR
betragen.
|
|
|
43
|
b) Diese
Einkünfte sind auf der Ebene des Klägers im
Veranlagungszeitraum 2003 zu erfassen, da - wie dargelegt - die
Regelung des § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG auf einen ausgeschiedenen
Mitunternehmer nicht anwendbar ist.
|
|
|
44
|
Dieser Beurteilung
steht nicht entgegen, dass nach § 16 Nr. 4 Sätze 3, 4 des
Gesellschaftsvertrags der OHG der Ausscheidende am Gewinn und
Verlust des laufenden Geschäftsjahres noch mit so viel
Zwölfteln beteiligt ist, wie er volle Monate im Laufe des
Geschäftsjahres Gesellschafter gewesen ist, und dass der
Gewinn auch des ausscheidenden Gesellschafters danach aus seinem
zeitlichen Anteil am Gesamtgewinn besteht. Diese Regelung bestimmt
nur die Höhe des Gewinns, verhindert aber nicht, dass der
Gewinn des ausscheidenden Mitunternehmers spätestens zum
Zeitpunkt seines Ausscheidens zu erfassen ist.
|
|
|
45
|
Daher kommt bei
Ausscheiden eines Mitunternehmers § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG auch
dann nicht zur Anwendung, wenn sich der Gewinnanteil erst aus
Umständen berechnen lässt, die erst im zweiten (von dem
abweichenden Wirtschaftsjahr berührten) Kalenderjahr
entstehen.
|