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I. Streitig ist, ob Aufwendungen des
Klägers und Revisionsklägers (Kläger) für den
Unterhalt seiner in Bosnien-Herzegowina lebenden Ehefrau als
außergewöhnliche Belastungen nach § 33a des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr 2006 geltenden
Fassung zu berücksichtigen sind.
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Der Kläger ging vom 13. März bis
zum 30.11.2006 einer nichtselbständigen Tätigkeit in der
Bundesrepublik Deutschland nach und erzielte hieraus Einkünfte
aus nichtselbstständiger Arbeit. In der übrigen Zeit
hielt er sich im Streitjahr bei seiner Familie im Ausland auf.
Seine Ehefrau lebte mit den gemeinsamen Söhnen E (im
Streitjahr in der Ausbildung als Autospengler ohne eigene
Einkünfte) und A (Schüler) in
Bosnien-Herzegowina.
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Der Kläger machte in seiner
Steuererklärung für das Streitjahr Unterhaltsleistungen
für bedürftige Personen als außergewöhnliche
Belastungen geltend. Dabei gab er an, für seine Ehefrau und
die beiden Söhne viermal jeweils 1.857 EUR (insgesamt 7.428
EUR) bei Familienheimfahrten am 17. April, am 25. Mai, am 3. August
sowie am 24.11.2006 mitgenommen zu haben. Nach den Angaben in einer
vom Kläger vorgelegten Unterhaltsbescheinigung war die Ehefrau
nicht beruflich tätig und verfügte weder über
Einkommen noch über Vermögen.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) berücksichtigte die Unterhaltszahlungen an
die Ehefrau nicht. Nach § 33a EStG könnten
Unterhaltsaufwendungen nur abgezogen werden, wenn die
unterstützte Person gesetzlich unterhaltsberechtigt und
bedürftig sei. Bei der Prüfung der Bedürftigkeit sei
für Personen in erwerbsfähigem Alter grundsätzlich
davon auszugehen, dass sie ihren Lebensunterhalt durch eigene
Arbeit verdienten. Insoweit bestehe eine so genannte
Erwerbsobliegenheit. Eine derartige Erwerbsobliegenheit bestehe im
Streitfall, da die Ehefrau des Klägers in erwerbsfähigem
Alter sei und wichtige Gründe, durch welche die Ehefrau
möglicherweise an einer ihren Lebensunterhalt sicherstellenden
Erwerbstätigkeit gehindert gewesen sei, weder geltend gemacht
worden noch ansonsten ersichtlich seien. Die Bescheinigungen der
Heimatorte enthielten keine Angaben darüber, ob sich die
Ehefrau eventuell erfolglos um eine Erwerbstätigkeit
bemüht habe.
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Der Kläger wandte sich dagegen nach
erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Klage. Das Finanzgericht
(FG) wies die Klage mit den in EFG 2009, 398 = SIS 09 04 04
veröffentlichten Gründen ab.
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Mit der Revision rügt der Kläger
die unzutreffende Anwendung von § 33a EStG.
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Der Kläger beantragt, das Urteil des
FG Berlin-Brandenburg vom 6.11.2008 aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid 2006 vom 13.6.2007, geändert durch
Bescheid vom 20.7.2007, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
10.12.2007 dahingehend abzuändern, dass Aufwendungen des
Klägers für seine Ehefrau in Höhe von 1.920 EUR als
außergewöhnliche Belastungen nach § 33a Abs. 1 EStG
anerkannt werden.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision des Klägers ist
begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und der
Klage stattgegeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Zahlungen des Klägers an
die in Bosnien-Herzegowina lebende Ehefrau können als
Unterhaltszahlungen i.S. von § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG in
Höhe von 1.920 EUR vom Gesamtbetrag der Einkünfte
abgezogen werden.
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Das FG hat die Unterhaltszahlungen an die in
Bosnien-Herzegowina lebende Ehefrau des Klägers zu Unrecht
nicht als außergewöhnliche Belastung
berücksichtigt.
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1. Die steuerliche Berücksichtigung der
einem Steuerpflichtigen erwachsenden Aufwendungen zum Unterhalt
einer Person, für die weder der Steuerpflichtige noch eine
andere Person Anspruch auf einen Kinderfreibetrag oder auf
Kindergeld hat, setzt nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG u.a.
voraus, dass die unterhaltene Person gegenüber dem
Steuerpflichtigen gesetzlich unterhaltsberechtigt ist. Die
Beantwortung der Frage, ob ein Unterhaltsanspruch vorliegt, richtet
sich nach inländischem Recht, d.h. nach den Vorschriften des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Dies gilt nach § 33a Abs.
1 Satz 5 EStG auch für in der Bundesrepublik Deutschland
lebende ausländische Steuerpflichtige, die ihre
Angehörigen im In- oder Ausland unterstützen (Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4.7.2002 III R 8/01, BFHE 199, 407,
BStBl II 2002, 760 = SIS 02 95 22, und vom 2.12.2004 III R 49/03,
BFHE 208, 531, BStBl II 2005, 483 = SIS 05 16 99).
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Der Kläger ist nach inländischem
Recht seiner Ehefrau gegenüber gesetzlich
unterhaltsverpflichtet. Die Unterhaltsverpflichtung des
Klägers folgt aus §§ 1360, 1360a BGB. Danach sind
die Ehegatten einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit
ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Ist
einem Ehegatten die Haushaltsführung überlassen, so
erfüllt er seine Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der
Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des
Haushalts (§ 1360 BGB). Nach dem Leitbild des Gesetzes
trägt in einer intakten Ehe jeder Ehegatte entsprechend der
vereinbarten Rollenverteilung in seiner jeweiligen Funktion zum
Familieneinkommen bei. Die Verpflichtung zum Familienunterhalt nach
§§ 1360, 1360a BGB schließt jedoch ein, dass beide
Ehegatten für den angemessenen Unterhalt auch ihre eigene
Arbeitskraft einsetzen müssen (vgl. Palandt/Brudermüller,
Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl., § 1360 Rz 7). Dies
ist aber dann nicht der Fall, wenn die Ehegatten ihre
Lebensgemeinschaft - wie im Streitfall - darauf angelegt haben,
dass ein Partner sich auf den häuslichen Bereich
beschränkt, während der andere Partner die finanzielle
Basis für die Lebensgemeinschaft erwirtschaftet (vgl.
Oberlandesgericht Nürnberg, Urteil vom 20.8.2007 10 UF 662/07,
Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 2008, 788). Eine
Erwerbsverpflichtung besteht nur in Notfällen, wenn die
Arbeitskraft eines Ehegatten zur Deckung des Familienunterhalts
nicht ausreicht (Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1360 Rz
13; MünchKommBGB/Weber-Monecke, 5. Aufl., § 1360 Rz 17).
Ein Notfall ist vorliegend jedoch weder vorgetragen noch
ersichtlich.
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2. Die Vorentscheidung beruht auf einer
anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Das FG hat
verkannt, dass Ehegattenunterhalt anders als Verwandtenunterhalt
gemäß § 1601 BGB auch jenseits der
Bedürftigkeit geschuldet wird (Staudinger/Voppel, Kommentar
zum BGB, § 1360 Rz 13, m.w.N.). Ein Verwandter, nicht aber der
haushaltsführende Ehegatte, ist nach § 1602 BGB
verpflichtet, zunächst seine Arbeitskraft zu verwerten (sog.
Erwerbsobliegenheit, vgl. Palandt/ Diederichsen, a.a.O., §
1602 Rz 7).
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3. Die Sache ist spruchreif. Da die weiteren
Voraussetzungen für den Abzug von Unterhaltsaufwendungen nach
§ 33a Abs. 1 EStG zwischen den Beteiligten nicht streitig
sind, ist der Klage stattzugeben. Die Unterhaltsleistungen an die
Ehefrau des Klägers sind in der geltend gemachten Höhe
vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen. Zu Recht geht der
Kläger davon aus, dass sich der in § 33a Abs. 1 Satz 1
EStG geregelte Höchstbetrag von 7.680 EUR bei Aufwendungen
für den Unterhalt von in Bosnien-Herzegowina lebenden
unterhaltsberechtigten Personen auf 1/4, also auf 1.920 EUR pro
unterhaltener Person mindert. Die vom Bundesministerium der
Finanzen im Schreiben vom 17.11.2003 IV C 4 - S 2285 - 50/03 (BStBl
I 2003, 637 = SIS 03 50 27) für Unterhaltszahlungen ins
Ausland erlassene sog. Ländergruppeneinteilung ist rechtlich
nicht zu beanstanden, da sie die Notwendigkeit und Angemessenheit
von Aufwendungen nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates
i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 5 1. Halbsatz EStG zutreffend
abbildet (BFH-Urteil in BFHE 208, 531, BStBl II 2005, 483 = SIS 05 16 99, m.w.N.).
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