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I. Streitig ist, ob Aufwendungen für
den Unterhalt der in der Türkei lebenden Schwiegermutter als
außergewöhnliche Belastungen nach § 33a des
Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG) zu
berücksichtigen sind.
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Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) lebte im Streitjahr (2005)
von ihrem Ehemann dauernd getrennt und wurde einzeln zur
Einkommensteuer veranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr machte die Klägerin
Unterhaltszahlungen an ihre in der Türkei lebende,
verheiratete Schwiegermutter in Höhe von 3.928 EUR als
außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) lehnte einen Abzug der
Aufwendungen ab, weil die Klägerin gegenüber der Mutter
ihres getrennt lebenden Ehemannes nicht gesetzlich
unterhaltsverpflichtet sei.
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Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wandte
sich die Klägerin dagegen mit der Klage. Im Klageverfahren
reduzierte sie ihr Klagebegehren. Das Finanzgericht (FG) wies die
Klage mit den in EFG 2010, 796 = SIS 10 10 47 veröffentlichten
Gründen ab.
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Mit der Revision rügt die
Klägerin die unzutreffende Anwendung von § 33a
EStG.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom
20.1.2010 14 K 14112/08 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid
2005 vom 7.8.2006 und die Einspruchsentscheidung vom 22.4.2008
dahingehend zu ändern, dass zusätzlich 2.464 EUR als
außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33a
EStG berücksichtigt werden.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision der Klägerin ist
begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung
und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Entgegen der Auffassung des FG
können Unterhaltszahlungen an die Schwiegermutter der
Klägerin berücksichtigt werden, obwohl die
Voraussetzungen einer Ehegattenveranlagung nach §§ 26 ff.
EStG aufgrund Getrenntlebens der Ehegatten nicht vorliegen.
Allerdings kann der Senat mangels Feststellungen nicht
abschließend erkennen, ob auch die weiteren Voraussetzungen
des § 33a EStG erfüllt sind.
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1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen
Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen
oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich
unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die
Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen
bis zu 7.680 EUR im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der
Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG).
Bei Unterhaltszahlungen an nicht unbeschränkt steuerpflichtige
Empfänger bestimmt § 33a Abs. 1 Satz 5 1. Halbsatz EStG
zusätzlich, dass die Aufwendungen nur abgezogen werden, soweit
sie nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates der
unterhaltenen Person notwendig und angemessen sind. Der
Höchstbetrag von 7.680 EUR mindert sich danach bei
Aufwendungen für den Unterhalt von in der Türkei lebenden
unterhaltsberechtigten Personen auf 1/2, also auf 3.840 EUR pro
unterhaltener Person (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs vom
2.12.2004 III R 49/03, BFHE 208, 531, BStBl II 2005, 483 = SIS 05 16 99 unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen vom 17.11.2003 IV C 4 - S 2285 - 54/03, BStBl I 2003, 637
= SIS 03 50 27).
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a) Ob der Steuerpflichtige zum Unterhalt
gesetzlich verpflichtet ist, ist nach inländischen
Maßstäben zu beurteilen (§ 33a Abs. 1 Satz 5 2.
Halbsatz EStG; Senatsurteil vom 5.5.2010 VI R 5/09, BFHE 230, 9,
BStBl II 2011, 115 = SIS 10 23 02, m.w.N.). Dies gilt auch im Fall
einer Unterhaltspflicht nach ausländischem Recht, wenn die
Unterhaltspflicht nach internationalem Privatrecht (im Streitjahr
Art. 18 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen
Gesetzbuch) im Inland verbindlich ist. Die Beschränkung der
steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen auf die
Fälle, in denen Unterhaltspflichten erfüllt werden, die
„inländischen Maßstäben“
entsprechen, ist insbesondere aus Gründen der
Praktikabilität und Missbrauchsabwehr gerechtfertigt. Ein
Verstoß gegen das Gebot der Besteuerung nach der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit oder gegen Art. 3 Abs. 1
des Grundgesetzes (GG) i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG liegt nicht vor
(Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.5.2005 2 BvR
1683/02, BFH/NV 2005, Beilage 4, 361).
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Gesetzlich unterhaltsberechtigt sind danach
diejenigen Personen, denen gegenüber der Steuerpflichtige nach
dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) unterhaltsverpflichtet ist.
Dies sind insbesondere nach § 1601 BGB Verwandte in gerader
Linie i.S. des § 1589 Satz 1 BGB, wie z.B. Kinder, Enkel,
Eltern und Großeltern, nicht hingegen Verwandte in der
Seitenlinie oder verschwägerte Personen; gesetzlich
unterhaltsberechtigt sind ferner nach §§ 1360 ff. BGB
Ehegatten untereinander.
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b) Die Unterhaltsberechtigung muss
gegenüber „dem Steuerpflichtigen oder seinem
Ehegatten“ bestehen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes
stellt § 33a Abs. 1 EStG damit auf den zivilrechtlichen
Bestand eines Eheverhältnisses ab. Dem Wortlaut ist nicht zu
entnehmen, dass darüber hinaus auch die Voraussetzungen
für eine Ehegattenveranlagung nach den §§ 26 Abs. 1
Satz 1, 26a, 26b, 26c EStG gegeben sein müssen. Eine
einschränkende Auslegung des § 33a Abs. 1 EStG
dahingehend, dass der Normzweck der Vorschrift den Abzug von
Unterhaltszahlungen an verschwägerte Personen nur bei einer
intakten Ehe geböte, kommt nicht in Betracht.
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Für eine teleologische Reduktion des
§ 33a Abs. 1 EStG besteht nach Auffassung des erkennenden
Senats keine Notwendigkeit. Denn das Abstellen auf den
zivilrechtlichen Bestand eines Eheverhältnisses dient
letztlich der Verwaltungsvereinfachung. So muss nicht danach
differenziert werden, ob und bis zu welchem Zeitpunkt eine intakte
Ehe aufgrund einer Unterhalts-, Haushalts- und
Wirtschaftsgemeinschaft bestanden hat. Eine Aufteilung der
Unterhaltsleistungen nach Zahlungen während des Bestehens der
Unterhalts-, Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft, und damit
grundsätzlich abzugsfähigen Zahlungen, und solchen, die
nicht abzugsfähig wären, da sie geleistet wurden,
während die eheliche Gemeinschaft nicht mehr bestand,
lässt sich so vermeiden.
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Im Übrigen ist das Veranlagungswahlrecht
nach § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG ohnehin schon dann gegeben, wenn
die Voraussetzungen für eine Ehegattenveranlagung zu
irgendeinem Zeitpunkt innerhalb des Veranlagungszeitraums für
eine logische Sekunde gleichzeitig vorgelegen haben (Schneider, in:
Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 26 Rz B 90). Ein
zusätzliches Abstellen auf die Voraussetzungen einer
Ehegattenveranlagung gewährleistet damit nicht, dass im
Zeitpunkt der Unterhaltszahlung die Unterhalts-, Haushalts- und
Wirtschaftsgemeinschaft zwischen den Ehegatten noch bestand.
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2. Das FG ist von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Das Urteil ist daher
aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Das FG wird im
weiteren Rechtsgang auch dazu Feststellungen zu treffen haben, ob
der Schwiegervater der Klägerin seiner vorrangigen
Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Schwiegermutter der
Klägerin nach § 1608 BGB nachkommen konnte.
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