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I. Streitpunkt ist, ob die Klägerin
und Revisionsklägerin (Klägerin) trotz Befreiung von der
Gewerbesteuerpflicht im Hinblick auf den von einer
Tochtergesellschaft an sie abgeführten Gewinn
gewerbesteuerpflichtig ist.
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Die Klägerin ist eine GmbH, die im
Streitjahr (2005) ein Senioren- und Pflegeheim betrieb, das
gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. c des
Gewerbesteuergesetzes (GewStG 2002) von der Gewerbesteuer befreit
war. Sie war alleinige Gesellschafterin der C-GmbH, die sich mit
der Zubereitung von Speisen und Getränken für die
Bewohner des von der Klägerin betriebenen Heims sowie der
Reinigung des Heimgebäudes befasste und diese Tätigkeiten
ausschließlich für die Klägerin erbrachte. Im
Dezember 2003 schlossen die Klägerin und die C-GmbH einen
Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag, durch den sich
die C-GmbH verpflichtete, ihren gesamten Gewinn an die
Klägerin abzuführen, während die Klägerin die
Verpflichtung übernahm, Jahresfehlbeträge der C-GmbH
auszugleichen.
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Die Klägerin gab für das
Streitjahr keine Gewerbesteuererklärung ab. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) rechnete
demgegenüber den der Höhe nach unstreitigen Gewerbeertrag
der C-GmbH der Klägerin zu und setzte dieser gegenüber
einen entsprechenden Gewerbesteuermessbetrag für das
Streitjahr fest. Die deswegen erhobene Klage blieb erfolglos; das
Niedersächsische Finanzgericht (FG) hat sie mit Urteil vom
19.3.2009 6 K 441/08 als unbegründet abgewiesen. Das Urteil
ist in EFG 2009, 1853 = SIS 09 31 29 veröffentlicht.
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Gegen das Urteil richtet sich die auf
Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der
Klägerin.
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Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil
sowie den angefochtenen Gewerbesteuermessbescheid vom 27.4.2007 und
den Einspruchsbescheid des FA vom 8.9.2008 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Entscheidung ergeht gemäß
§ 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält
einstimmig die Revision für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die
Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit
zur Stellungnahme.
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Das FA hat gegenüber der Klägerin zu
Recht einen auf dem Gewerbeertrag der C-GmbH basierenden
einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt. Denn in Bezug
auf den von der C-GmbH im Streitjahr erzielten Gewerbeertrag ist
die Klägerin gewerbesteuerpflichtig.
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1. Die von der C-GmbH im Streitjahr erzielten
Erträge sind gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG
2002 gewerbesteuerpflichtig. Die Tätigkeit einer
Kapitalgesellschaft gilt stets und in vollem Umfang als
Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG 2002). Anders als die
Klägerin erwägt, greift im Hinblick auf die C-GmbH keiner
der Befreiungstatbestände des § 3 Nr. 20 GewStG 2002, der
bestimmte Einrichtungen (z.B. Krankenhäuser, Alten- und
Pflegeheime) unter den dort genannten Voraussetzungen von der
Gewerbesteuerpflicht befreit. Denn die C-GmbH hat keine der in
§ 3 Nr. 20 GewStG 2002 beschriebenen Einrichtungen betrieben.
Dass sie im Auftrag der Klägerin entgeltlich Dienstleistungen
in deren Alten- und Pflegeheim ausgeführt hat, reicht für
eine Steuerbefreiung nicht aus; die Befreiungstatbestände des
§ 3 Nr. 20 GewStG 2002 begünstigen vielmehr
ausschließlich den Betreiber der Einrichtung (vgl. von
Twickel in Blümich, Einkommensteuergesetz,
Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 3 GewStG
Rz 102; Güroff in Glanegger/ Güroff, Gewerbesteuergesetz,
7. Aufl., § 3 Nr. 20 Rz 208).
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2. Aufgrund des Beherrschungs- und
Ergebnisabführungsvertrages bestand im Streitjahr zwischen der
Klägerin als Organträgerin und der C-GmbH als
Organgesellschaft eine gewerbesteuerliche Organschaft.
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a) Ist eine Kapitalgesellschaft
Organgesellschaft i.S. der § 14, § 17 oder § 18 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002), so gilt sie
gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 2002
gewerbesteuerrechtlich als Betriebsstätte des
Organträgers (gewerbesteuerrechtliche Organschaft). Nach den
Feststellungen des FG und nach übereinstimmender Auffassung
der Beteiligten, gegen die aus Sicht des Senats nichts zu erinnern
ist, lagen die Voraussetzungen einer körperschaftsteuerlichen
Organschaft gemäß § 14 i.V.m. § 17 KStG 2002
im Verhältnis zwischen der Klägerin und der C-GmbH im
Streitjahr vor.
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b) Der Annahme einer daraus abzuleitenden
gewerbesteuerlichen Organschaft steht nicht entgegen, dass nach den
tatrichterlichen Feststellungen die Klägerin ein Alten- und
Pflegeheim betrieben hat, das im Streitjahr die Voraussetzungen des
§ 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG 2002 erfüllt hat und deshalb
von der Gewerbesteuer befreit war.
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aa) Zwar setzt § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Satz 1 KStG 2002 für die körperschaftsteuerliche
Organschaft voraus, dass der Organträger nicht steuerbefreit
ist. Daraus könnte der Schluss gezogen werden, dass die
gewerbesteuerliche Organschaft nur mit einem Organträger
möglich ist, der nicht von der Gewerbesteuer befreit ist (vgl.
Sterner in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuergesetz,
Körperschaftsteuergesetz, § 14 KStG Rz 155; Sarrazin in
Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 3 Rz 6).
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bb) Jedoch ist mit der die Organschaft
ausschließenden Steuerbefreiung i.S. von § 14 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG 2002 nur eine persönliche
Steuerbefreiung gemeint, die - wie z.B. in den Fällen von
§ 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 KStG 2002 bzw. § 3 Nr. 1 und
Nr. 2 GewStG 2002 - den Rechtsträger als solchen insgesamt von
der Steuerpflicht ausschließt (unbeschränkte
persönliche Steuerbefreiung). Körperschaften, die nur im
Hinblick auf einen bestimmten Teil ihrer Tätigkeit oder ihres
Ertrags von der Steuerpflicht ausgenommen sind (sog.
beschränkte persönliche oder sachliche Steuerbefreiungen,
vgl. Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 3 Rz 1;
Sarrazin in Lenski/ Steinberg, a.a.O., § 3 Rz 4), kommen
demgegenüber als Organträger grundsätzlich in
Betracht, soweit nicht die Beteiligung an der Organgesellschaft den
steuerbefreiten Aktivitäten zuzuordnen ist (vgl. Walter in
Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, § 14 Rz 267;
Neumann in Gosch, Körperschaftsteuergesetz, 2. Aufl., §
14 Rz 96; Sterner in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 14 KStG
Rz 155, Erle/Heurung in Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz,
3. Aufl., § 14 Rz 57). Denn der Zweck des § 14 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG 2002, der verhindern soll, dass auf der
Ebene der Organgesellschaft grundsätzlich steuerpflichtiges
Einkommen durch eine Organschaft auf der Ebene des
Organträgers der Besteuerung entgehen kann (vgl. Walter in
Ernst & Young, a.a.O., § 14 Rz 266), erfordert in diesen
Fällen nicht den Ausschluss der Wirkungen einer
Organschaft.
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cc) Bei der im Streitfall in Rede stehenden
Befreiung der Klägerin von der Gewerbesteuer gemäß
§ 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG 2002 handelt es sich nicht um eine
unbeschränkte persönliche Steuerbefreiung. Von der
Gewerbesteuer wird nicht der Träger der in § 3 Nr. 20
Buchst. c GewStG 2002 benannten Einrichtungen mit seinem gesamten
Gewerbeertrag befreit; begünstigt werden vielmehr nur die aus
dem Betrieb der Einrichtung resultierenden Erträge. Soweit der
Träger der Einrichtung außerhalb derselben Erträge
erzielt, unterliegen diese der Gewerbesteuer (vgl. zum Verkauf von
Speisen, Getränken, Postkarten oder Andenken an Patienten oder
Dritte Senatsurteil vom 20.9.1966 I R 34/66, BFHE 87, 215, BStBl
III 1967, 90 = SIS 67 00 49; von Twickel in Blümich, a.a.O.,
§ 3 GewStG Rz 102; Güroff in Glanegger/ Güroff,
a.a.O., § 3 Nr. 20 Rz 209).
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dd) Die Beteiligung an der C-GmbH ist nicht
dem gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG 2002 von der
Gewerbesteuer befreiten Tätigkeitsbereich der Klägerin
zuzuordnen. Denn wenn die Klägerin selbst eine Tätigkeit
wie die der C-GmbH ausgeübt hätte - die entgeltliche
Erbringung von Dienstleistungen gegenüber einem Alten- und
Pflegeheim -, wäre nach dem zuvor Gesagten der daraus erzielte
Ertrag nicht von der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Buchst. c
GewStG 2002 umfasst. Somit war die Klägerin geeignete
Organträgerin für eine gewerbesteuerliche Organschaft mit
der C-GmbH.
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3. Die gewerbesteuerliche Organschaft bewirkt,
dass die persönliche Gewerbesteuerpflicht der C-GmbH der
Klägerin zugerechnet wird. Zwar bilden trotz der
Betriebsstättenfiktion des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 2002
Organgesellschaft und Organträger kein einheitliches
Unternehmen. Sie bleiben vielmehr selbständige
Gewerbebetriebe, die einzeln für sich bilanzieren und deren
Gewerbeerträge getrennt zu ermitteln sind (sog. gebrochene
oder eingeschränkte Einheitstheorie, s. zur insoweit
ständigen Rechtsprechung des Senats die Urteile vom 4.6.2003 I
R 100/01, BFHE 203, 171, BStBl II 2004, 244 = SIS 03 46 53, m.w.N.;
vom 14.1.2009 I R 47/08, BFHE 224, 126 = SIS 09 09 86). Die
Organschaft führt aber dazu, dass die persönliche
Gewerbesteuerpflicht der Organgesellschaften für die Dauer der
Organschaft dem Organträger zugerechnet wird (Senatsurteile
vom 27.6.1990 I R 183/85, BFHE 161, 157, 160, BStBl II 1990, 916,
918 = SIS 90 19 26; in BFHE 203, 171, BStBl II 2004, 244 = SIS 03 46 53). Deshalb ist der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag allein
gegenüber dem Organträger festzusetzen.
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4. Die Befreiung des von der Klägerin
betriebenen Alten- und Pflegeheims von der Gewerbesteuerpflicht
nach Maßgabe des § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG 2002
umfasst nicht den der Klägerin aufgrund der Organschaft
zuzurechnenden Gewerbeertrag der C-GmbH. Denn die diesen Ertrag
generierenden Tätigkeiten fallen weder bei Ausführung
durch die C-GmbH (oben II.1.) noch bei einer Zurechnung zur
Klägerin (oben II.2.b dd) unter den
Steuerbefreiungstatbestand. Im Übrigen müssen die
tatbestandlichen Voraussetzungen einer gesetzlichen Steuerbefreiung
von der jeweiligen Organgesellschaft selbst erfüllt werden
(vgl. Senatsurteil in BFHE 203, 171, BStBl II 2004, 244 = SIS 03 46 53 zur Unbeachtlichkeit der Steuerbefreiung einer Organgesellschaft
für die Besteuerung des Gewerbeertrags einer nicht befreiten
Organgesellschaft desselben Organkreises).
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Aus dem Umstand, dass die C-GmbH nach dem
Vorbringen der Klägerin aus rein betriebswirtschaftlichen
Gründen zu dem Zweck gegründet wurde, die Kostenkontrolle
beim Betrieb des Heims zu verbessern und dass sie ihre Leistungen
ausschließlich gegenüber der Klägerin und nicht
auch für Dritte erbracht hat, folgt kein anderes Ergebnis. Mit
der Ausgliederung der Verpflegungs- und Reinigungsaktivitäten
aus dem Bereich des allgemeinen Heimbetriebs in eine
Tochtergesellschaft, die diese Leistungen gegen Entgelt erbringt,
hat die Klägerin ihre Aktivitäten bewusst auf zwei
unterschiedliche Körperschaften verteilt, deren
Leistungsaustausch nicht als betriebsinterner Vorgang gewertet
werden kann. Den daraus folgenden steuerrechtlichen Konsequenzen
kann sich die Klägerin nicht in vollem Umfang durch die
Begründung einer Organschaft entziehen. Die Vorschriften
über die gewerbesteuerliche Organschaft sehen eine
vollständige Aufhebung der rechtlichen Trennung der zum
Organkreis gehörenden Steuersubjekte nicht vor. Insbesondere
ist die Organschaft - wie die Bestimmung des § 14 Abs. 1 Satz
1 Nr. 2 Satz 1 KStG 2002 zeigt (dazu oben II.2.b bb) - kein
geeignetes Mittel, um steuerpflichtiges Einkommen der
Organgesellschaft auf der Ebene des Organträgers der
Besteuerung zu entziehen.
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