|
|
1
|
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Halter eines Kraftfahrzeugs vom Typ Opel
ASTRA-F-LFW. Das Fahrzeug hat werksseitig keine hinteren Sitze und
eine Trennwand zwischen dem Fahrgastraum und der Ladefläche.
Befestigungspunkte für Sicherheitsgurte und Sitze fehlen im
Bereich der Ladefläche. Das Fahrzeug hat zwei Türen und
eine Heckklappe. Die hinteren Seitenfenster sind verblecht. Das
zulässige Gesamtgewicht beträgt 1.595 kg und die Nutzlast
458 kg. Die der Personenbeförderung dienende Fläche hat
das Finanzgericht (FG) mit 1,68 qm, die Ladefläche mit 2,16 qm
ermittelt.
|
|
|
2
|
Mit Bescheid vom 12.10.2005 setzte der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die
Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit ab dem 16.8.2005 ausgehend
von der Fahrzeugart PKW auf jährlich 464 EUR fest.
|
|
|
3
|
Einspruch und Klage, mit denen sich der
Kläger gegen die Einordnung seines Fahrzeugs als PKW wandte,
blieben ohne Erfolg. Das FG kam zu dem Ergebnis, dass nach der
objektiven Beschaffenheit des Fahrzeugs dessen Eignung und
Bestimmung zur Lastenbeförderung die Eignung und Bestimmung
zur Personenbeförderung nicht deutlich überwiege.
Die Größe der Nutzfläche und die erlaubte Zuladung
seien nicht nur im Verhältnis zu der Gesamtfläche bzw.
zum Gesamtgewicht des zu beurteilenden Fahrzeugs zu sehen; vielmehr
müssten auch die absolute Größe der Ladefläche
und die absolut erlaubte Zuladung in die Gesamtwürdigung der
Beschaffenheitsmerkmale des Fahrzeugs einbezogen werden. Diesen
Merkmalen komme ein besonderes Gewicht zu, weil sie
maßgeblich auf die Eignung und Bestimmung des Fahrzeugs zur
Lastenbeförderung Einfluss hätten.
|
|
|
4
|
Mit der Revision rügt der Kläger
fehlerhafte Anwendung des § 8 Nr. 2 des
Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG). Entgegen der Auffassung des
FG sei bei der Gesamtbetrachtung aller entscheidungserheblichen
Merkmale davon auszugehen, dass sein Fahrzeug als LKW einzustufen
sei. Entscheidend seien hier die werksseitige Verblechung der
Fenster im Fondbereich, die Abtrennung des Fahrgastraumes zum
Laderaum, fehlende Befestigungspunkte für Sitze und Gurte im
Laderaum, das Verhältnis von Laderaum zum Fahrgastraum sowie
die Transportmöglichkeiten.
|
|
|
5
|
Der Kläger beantragt, das Urteil des
FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 12.12.2007 sowie die
Einspruchsentscheidung des FA vom 7.7.2006 aufzuheben und sein
Fahrzeug als LKW zu besteuern.
|
|
|
6
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
7
|
Das Bundesministerium der Finanzen ist dem
Verfahren beigetreten. Es hat auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt,
dass es bei der kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Behandlung des
Fahrzeugs des Klägers von Bundesland zu Bundesland eine sehr
unterschiedliche Rechtsanwendungspraxis gebe. Solche Fahrzeuge
würden überwiegend als LKW, häufig aber auch als PKW
besteuert. Seiner Auffassung nach handele es sich bei dem Fahrzeug
des Klägers um einen PKW, weil die an dem Fahrzeug
vorgenommenen Modifikationen dem Grundmodell (PKW) keinen neuen
Charakter verliehen.
|
|
|
8
|
II. Die Revision des Klägers ist
unbegründet und deswegen zurückzuweisen (§ 126 Abs.
2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
|
|
|
9
|
1. Das FG hat ohne Rechtsverstoß
entschieden, dass das Fahrzeug des Klägers nicht als
„anderes Fahrzeug“ i.S. des § 8 Nr. 2
KraftStG (hier als LKW) nach dem Gewicht zu besteuern ist, sondern
als PKW der emissionsbezogenen Hubraumbesteuerung gemäß
§ 8 Nr. 1 KraftStG unterliegt. Es hat zutreffend erkannt, dass
für die Abgrenzung zwischen LKW und PKW dem Fahrzeuggewicht
sowie der Zuladung maßgebliche Bedeutung zukommt.
|
|
|
10
|
a) Das KraftStG enthält keine
ausdrückliche Definition des PKW; es verweist in § 2 Abs.
2 Satz 1 lediglich auf die „jeweils geltenden
verkehrsrechtlichen Vorschriften, wenn nichts anderes bestimmt
ist“. Die verkehrsrechtlichen Vorschriften enthalten
keine ausdrücklichen Bestimmungen des Begriffs des PKW oder
des LKW. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat insoweit mehrfach
entschieden, dass sich weder aus der Richtlinie 2001/116/EG der
Kommission vom 20.12.2001 zur Anpassung der Richtlinie 70/156/EWG
des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für
Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger an den technischen
Fortschritt noch aus anderen verkehrsrechtlichen Vorschriften
entsprechende Begriffsbestimmungen ergeben (Entscheidungen vom
1.10.2008 II R 63/07, BFHE 222, 100, BStBl II 2009, 20 = SIS 08 40 73; vom 23.2.2007 IX B 222/06, BFH/NV 2007, 1351 = SIS 07 20 52;
vom 21.8.2006 VII B 333/05, BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721 = SIS 06 37 92, und vom 28.11.2006 VII R 11/06, BFHE 215, 568, BStBl II
2007, 338 = SIS 07 04 77, jeweils m.w.N.).
|
|
|
11
|
Der höchstrichterlichen Rechtsprechung
liegt vielmehr ein eigenständiger
kraftfahrzeugsteuerrechtlicher PKW-Begriff zugrunde, der auf die
ursprüngliche Begriffsbestimmung in § 10 Abs. 2 des
KraftStG i.d.F. vom 30.6.1955 (BGBl I 1955, 418, 420)
zurückgreift und der nunmehr in § 4 Abs. 4 Nr. 1 des
Personenbeförderungsgesetzes enthalten ist (BFH-Urteil in BFHE
222, 100, BStBl II 2009, 20 = SIS 08 40 73). Danach ist ein PKW ein
Fahrzeug mit vier oder mehr Rädern, das nach seiner Bauart und
Einrichtung zur Personenbeförderung (zunächst
höchstens sieben, heute höchstens neun Personen
einschließlich Fahrer) geeignet und bestimmt ist
(BFH-Beschlüsse in BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721 = SIS 06 37 92, und vom 30.10.2008 II B 60/08, nicht amtlich
veröffentlicht). Diese auf historischer Betrachtung beruhende
Rechtsanwendung wahrt die verfassungsrechtlichen Grenzen der
richterlichen Rechtsfindung und stellt eine anerkannte Methode der
Gesetzesauslegung dar (Nichtannahmebeschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 31.8.2009 1 BvR 3227/08, BFH/NV 2009,
2124 = SIS 10 06 72).
|
|
|
12
|
Der Eignung und Bestimmung zur
Personenbeförderung steht es dabei grundsätzlich nicht
entgegen, dass Fahrzeuge neben der Beförderung von Personen
auch dem Transport von Gepäck oder anderer Güter im
privaten oder gewerblichen Bereich dienen oder zu dienen bestimmt
sind, wie dies z.B. bei Kombinationskraftwagen der Fall ist.
Bestandteil des Regelungsplans des historischen Gesetzgebers war es
nämlich, unter bestimmten Voraussetzungen auch solche
Kraftfahrzeuge als PKW zu bezeichnen, die nach ihrer Bauart und
Einrichtung geeignet und bestimmt waren, nicht nur Personen
(einschließlich ihres üblichen Gepäcks) zu
befördern, sondern einem weiteren Hauptzweck zu dienen
(BFH-Urteil vom 22.6.1983 II R 64/82, BFHE 138, 493, BStBl II 1983,
747 = SIS 83 17 01).
|
|
|
13
|
Die Abgrenzung zwischen LKW und PKW ist nach
der objektiven Beschaffenheit des Fahrzeugs vorzunehmen. Als
für die Einstufung bedeutsame Merkmale sind von der
Rechtsprechung z.B. die Zahl der Sitzplätze, die
verkehrsrechtlich zulässige Zuladung, die Größe der
Ladefläche, die Ausstattung mit Sitzbefestigungspunkten und
Sicherheitsgurten, die Verblechung der Seitenfenster, die
Beschaffenheit der Karosserie und des Fahrgestells, die
Motorisierung und die damit erreichbare Höchstgeschwindigkeit,
das äußere Erscheinungsbild und bei Serienfahrzeugen die
Konzeption des Herstellers anerkannt worden (vgl. hierzu
BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1351 = SIS 07 20 52, und BFH-Urteil
in BFHE 222, 100, BStBl II 2009, 20 = SIS 08 40 73).
|
|
|
14
|
An dieser Rechtsprechung hält der Senat
grundsätzlich fest, präzisiert diese aber dahin, dass
für die Abgrenzung zwischen einem PKW und einem LKW dem
verkehrsrechtlich zulässigen Gesamtgewicht sowie der Zuladung
(Nutzgewicht) eines Fahrzeugs jedenfalls dann eine besondere und
entscheidende Bedeutung zukommt, wenn bei serienmäßig
hergestellten Fahrzeugen durch werksseitige oder nachträglich
vorgenommene Modifikationen oder Ausstattungen (wie z.B. Verzicht
auf eine zweite Sitzreihe, Verblechung der hinteren Seitenscheiben,
Trennwand zwischen Fahrgastraum und Ladezone) die
Möglichkeiten zur Personenbeförderung eingeschränkt
werden, die Fahrzeuge aber nach ihrem äußeren
Erscheinungsbild (Karosserieform) sowie ihrer technischen
Ausstattung (Fahrgestell und Motorisierung) einem annähernd
baugleichen PKW-Typ (gegebenenfalls in der Karosserieform eines
Kombinationskraftwagens) entsprechen.
|
|
|
15
|
Angesichts der Vorprägung solcher
Fahrzeuge als PKW kommt ihre Besteuerung als LKW nach dem
Fahrzeuggewicht erst dann in Betracht, wenn diese den typischen
Gewichtsbereich und die regelmäßigen
Zuladungsmöglichkeiten eines PKW deutlich überschreiten.
Denn ein LKW wird maßgeblich durch die Möglichkeit
geprägt, Lasten von erheblichem Umfang zu befördern.
Diesem Gesichtspunkt entspricht die Besteuerung der LKW nach dem
höchst zulässigen Fahrzeuggewicht, mit der der
Gesetzgeber der durch das regelmäßig höhere
Fahrzeuggewicht von LKW progressiv ansteigenden Beanspruchung der
Straßen besondere Rechnung tragen will (BTDrucks 2/573 S.
9/10 – Begründung zum Verkehrsfinanzierungsgesetz 1954;
BTDrucks 3/1247 S. 8 – Begründung zum
Straßenbaufinanzierungsgesetz).
|
|
|
16
|
Diese gesetzgeberische Intention steht der
Annahme, es liege ein LKW vor, jedenfalls bei solchen Fahrzeugen
entgegen, die bauartbedingt weitgehend einem PKW entsprechen und
sich auch hinsichtlich des zulässigen Gesamtgewichts und der
Nutzlast von einem PKW nicht wesentlich unterscheiden. Eine
Besteuerung solcher Fahrzeuge als LKW nach dem Fahrzeuggewicht
kommt deshalb erst dann in Betracht, wenn sie den typischen
Gewichtsbereich und die gewöhnlichen
Zuladungsmöglichkeiten von PKW deutlich überschreiten.
Ein deutliches Überschreiten des gewöhnlichen
Gesamtgewichts und der gewöhnlichen
Zuladungsmöglichkeiten eines PKW liegt nur bei solchen
Fahrzeugen vor, die ein zulässiges Gesamtgewicht von mehr als
2.800 kg und eine Nutzlast von mehr als 800 kg haben. Denn
Limousinen oder Kombinationskraftwagen mit einem zulässigen
Gesamtgewicht von 2.500 bis 2.700 kg und einer Zuladung von 500 bis
650 kg sind heute keine Seltenheit. Fahrzeuge, die nach ihrem
äußeren Erscheinungsbild (Karosserieform) sowie ihrer
technischen Ausstattung (Fahrgestell und Motorisierung) einem
annähernd baugleichen PKW-Typ entsprechen und die nicht sowohl
ein zulässiges Gesamtgewicht von 2.800 kg als auch eine
Zuladung von 800 kg überschreiten, gelten mithin stets als PKW
und unterliegen wie diese der emissionsbezogenen Hubraumbesteuerung
gemäß § 8 Nr. 1 KraftStG.
|
|
|
17
|
Bei Fahrzeugen mit Ladepritsche sowie bei
Fahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als
2.800 kg und einer Nutzlast von mehr als 800 kg erfolgt die
Abgrenzung zwischen PKW und LKW weiterhin entsprechend der
bisherigen Rechtspraxis nach der objektiven Beschaffenheit des
Fahrzeugs und den von der Rechtsprechung dazu entwickelten
Kriterien (vgl. hierzu BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1351 = SIS 07 20 52, und BFH-Urteil in BFHE 222, 100, BStBl II 2009, 20 = SIS 08 40 73).
|
|
|
18
|
b) Bei dem Fahrzeug des Klägers, einem
Opel ASTRA-F-LFW, handelt es sich um ein Fahrzeug, welches durch
werksseitige Ausstattung nur eine auf die vordere Sitzreihe
beschränkte Möglichkeit zur Personenbeförderung
bietet, im Übrigen aber einem annähernd baugleichen
PKW-Typ entspricht. Es könnte deshalb nur dann nach dem
Gewicht als LKW besteuert werden, wenn es die unter II. 1. a
genannten Gewichts- und Zuladungswerte erreichen würde. Da
dies nicht der Fall ist, hat das FG im Ergebnis zutreffend eine
kraftfahrzeugsteuerrechtliche Behandlung des Fahrzeugs als LKW
abgelehnt.
|
|
|
19
|
Auf die nach Auffassung des Klägers
für das Vorliegen eines LKW sprechenden Kriterien wie
beispielsweise das Verhältnis der Flächen von Laderaum
und Fahrgastraum sowie die Transportkapazitäten und
Ähnliches kommt es nach den Ausführungen unter II. 1. a
nicht an.
|