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I. Streitig ist, ob der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) freiberuflich oder gewerblich
tätig war.
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Der Kläger absolvierte nach der
mittleren Reife eine Ausbildung an der höheren Handelsschule
mit dem Wahlpflichtbereich Datenverarbeitung (DV) und legte dort im
Jahr 1981 erfolgreich die Prüfung zum staatlich geprüften
Wirtschaftsassistenten DV ab. Anschließend war er in
angestellter Position bis 1986 zunächst als Organisations- und
dann als Systemprogrammierer tätig.
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Ab 1986 war der Kläger
selbständig auf dem Gebiet der elektronischen
Datenverarbeitung (EDV) berufstätig. Er nahm, wie schon
bisher, an einschlägigen Lehrgängen und Seminaren
teil.
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Während der Streitjahre 1998 und 1999
war der Kläger zunächst für die Firma A, eine
Tochtergesellschaft des B Technologiekonzerns, als Subunternehmer
tätig. Grundlage der Zusammenarbeit waren eine
Rahmenvereinbarung und Einzelprojektverträge. Danach hatte der
Kläger für das Projekt C Media Server eine Systemberatung
zu erbringen. Diese Aufgabe umfasste u.a. die fachliche Leitung des
Projekts, die Auswahl und Einweisung neuer Projektmitarbeiter, die
Überprüfung der Leistungen und Sicherstellung des
wöchentlichen Reportings, das Erstellen von Projektplänen
und die Leitung von Besprechungen sowie die Mitarbeit bei der
Definition und der vertraglichen Vereinbarung der Folgephasen. Bei
dem C-Projekt waren fünf Lieferanten von DV-Komponenten zu
koordinieren, um Kataloge (später auch einen WEB-Auftritt)
bestehend aus Textvorgaben des Einkaufs und Bildern des
Werbebereichs zu erstellen. Als Subunternehmer der Firma A war der
Kläger des Weiteren als Gesamtprojektleiter für die
D-Bank tätig. Hier ging es darum, etwa 6.000 neue
Personalcomputer und Notebooks zu tauschen und diese
Hardwareeinheiten über Verteilungsskripte mit Software
auszustatten. Eine weitere Subunternehmertätigkeit entfaltete
der Kläger schließlich für die Firma E. Seine
Aufgabe bestand darin, die Projektleitung eines aus E und dem
E-Kunden, der Firma F Business Services, gebildeten Teams zur
genauen Ausarbeitung eines Service-Level-Agreements zu
übernehmen. Dieses Projekt diente der Entwicklung eines SAN
(Storage Area Network).
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) stufte die Tätigkeiten des Klägers als
gewerblich ein. Das Finanzgericht (FG) schloss sich mit seinem in
EFG 2007, 421 = SIS 07 01 46, veröffentlichten Urteil dieser
Qualifikation im Ergebnis an. Es sah die Tätigkeit des
Klägers als Leiter komplexer Datenverarbeitungsprojekte nicht
als ingenieurähnlich an. Die Tätigkeit als Projektmanager
stelle einen eigenständigen, von § 18 Abs. 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht erfassten Beruf dar.
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Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Der Bundesfinanzhof
(BFH) habe den Bereich der als ingenieurähnlich anerkannten
Systemtechnik eigens definiert und der vom Gericht bestellte
Sachverständige habe bestätigt, dass seine Tätigkeit
in diesen Bereich falle. Gerade Tätigkeiten als
IT-Projektleiter seien als besonders hochwertige
Ingenieurleistungen einzuordnen.
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Der Kläger beantragt, die Bescheide
über den Gewerbesteuermessbetrag 1998 und 1999 vom 17.12.2001,
die Einspruchsentscheidung vom 21.1.2003 und das Urteil des FG
München vom 18.10.2006 9 K 763/03 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen. Es schließt sich den
Ausführungen im angegriffenen Urteil an.
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II. Die Revision ist begründet. Der Senat
entscheidet gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Sache und gibt der
Anfechtungsklage statt. Die angefochtenen
Gewerbesteuermessbescheide sind rechtwidrig. Der Kläger
unterhielt in den Streitjahren keinen Gewerbebetrieb (§ 15
Abs. 1 EStG), sondern er war freiberuflich tätig.
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1. Eine freiberufliche Tätigkeit i.S. von
§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG übt auch aus, wer einem dem
Ingenieurberuf ähnlichen Beruf nachgeht. Der ähnliche
Beruf muss dem Beruf des Ingenieurs sowohl hinsichtlich der
erforderlichen Berufsausbildung als auch hinsichtlich der
tatsächlich entfalteten Tätigkeit im Wesentlichen
gleichen (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH-Urteil vom
9.2.2006 IV R 27/05, BFH/NV 2006, 1270 = SIS 06 25 73, m.w.N.).
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a) Nach den von den Beteiligten nicht
angegriffenen und damit bindenden tatsächlichen Feststellungen
des FG verfügte der Kläger als Autodidakt über
Kenntnisse und Fähigkeiten, die in Breite und Tiefe denen
eines Diplom-Informatikers entsprachen. Er erfüllte damit die
in der Rechtsprechung konkretisierten Anforderungen an eine
vergleichbare Berufsausbildung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 16.12.2008
VIII R 27/07, HFR 2009, 898).
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b) Der Kläger war in den Streitjahren
auch wie ein Ingenieur tätig. Die für seinen Beruf
prägenden Tätigkeiten waren mit für den Beruf eines
Informatik-Ingenieurs typischen Tätigkeiten im Wesentlichen
vergleichbar. Welche Aufgaben für den Beruf des Ingenieurs
i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG typisch sind, bestimmt sich
nach der Verkehrsanschauung und unterliegt insoweit umfassender
revisionsrechtlicher Nachprüfung. Hingegen ist die
Feststellung, ob die vom Steuerpflichtigen tatsächlich
entfaltete Tätigkeit in diesem Sinne ingenieurtypisch
geprägt ist, Aufgabe des FG (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), an
dessen tatsächliche Feststellungen der BFH grundsätzlich
gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO).
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aa) Eine Tätigkeit als Ingenieur zeichnet
sich dadurch aus, dass sie durch die Wahrnehmung von für den
Ingenieurberuf typischen Aufgaben geprägt wird. Zu den
Aufgaben eines Ingenieurs gehört es, auf der Grundlage
naturwissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse und unter
Berücksichtung wirtschaftlicher Belange technische Werke zu
planen, zu konstruieren und ihre Fertigung zu überwachen
(BFH-Urteil vom 5.6.2003 IV R 34/01, BFHE 202, 336, BStBl II 2003,
761 = SIS 03 37 79, m.w.N.). Typisch für den Beruf des
Ingenieurs sind aber auch überwachende, kontrollierende und
rein beratende Tätigkeiten, soweit sie nicht auf bloße
Absatzförderung gerichtet sind (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV
2006, 1270 = SIS 06 25 73). Kernbereiche des Ingenieurberufs sind
danach Forschung und Lehre, Entwicklung, Konstruktion, Planung,
Fertigung, Montage, Inbetriebnahme und Instandhaltung, Vertrieb,
Beratung, Versuchs- und Prüfungswesen, technische Verwaltung
und Betriebsführung, Produktions- und Prozesssteuerung,
Sicherheit, Patent- und Normenwesen (vgl. BFH-Urteile vom 11.6.1985
VIII R 254/80, BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584 = SIS 85 18 16; vom
7.9.1989 IV R 156/86, BFH/NV 1991, 359; Brockhaus
Enzyklopädie, 21. Aufl., Stichwort
„Ingenieur“; www.wikipedia.de, Stichwort
„Ingenieur“, Abschn. Berufsbild).
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bb) Auf dem Gebiet der EDV und der
Informationstechnik gehören zu den Tätigkeiten von
Ingenieuren nicht nur die Entwicklung und Konstruktion von Hard-
und Software. Die Tätigkeit eines Ingenieurs umfasst auch die
Entwicklung von Betriebssystemen und ihre Anpassung an die
Bedürfnisse des Kunden, die rechnergestützte Steuerung,
Überwachung und Optimierung industrieller Abläufe, den
Aufbau, die Betreuung und Verwaltung von Firmennetzwerken und
-servern, die Anpassung vorhandener Systeme an spezielle
Produktionsbedingungen und Organisationsstrukturen sowie die
Bereitstellung qualifizierter Dienstleistungen, wie etwa
Benutzerservice und Schulung. Informatik-Ingenieure arbeiten u.a.
auch in der Netz- und Systemadministration, sie beurteilen die
Leistungsfähigkeit von Rechnernetzen oder bewerten die
Energieeffizienz bestehender Systeme (zum Ganzen:
Berufsinformationen der Bundesagentur für Arbeit, abrufbar
unter www.berufenet.arbeitsagentur.de, Berufe „Ingenieur -
Elektrotechnik/technische Informatik“ und
„Ingenieurinformatik“).
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cc) Für die tatsächliche
Ausübung eines ähnlichen Berufs gilt nichts anderes. Der
Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob eine
vergleichbare Tätigkeit auch vorliegt, wenn die
Berufstätigkeit des Steuerpflichtigen nicht in jeder Hinsicht
derjenigen eines Ingenieurs entspricht und welche Anforderungen in
diesem Fall an die erforderliche Ähnlichkeit zu stellen
sind.
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2. Das FG ist von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Der Senat entscheidet in der
Sache selbst, weil die tatsächlichen Feststellungen des FG das
Ergebnis tragen, dass der Kläger in den Streitjahren einen
ingenieurähnlichen Beruf ausgeübt hat.
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a) Der Kläger war auf einem typischen
Betätigungsfeld von Informatik-Ingenieuren, nämlich der
IT-Projektleitung berufstätig. Bei den vom Kläger
betreuten Projekten handelte es sich um hoch komplexe
Datenverarbeitungsprojekte. Dabei ging es in erster Linie um die
technische Realisierung der Vorhaben. Der Kläger hatte die
technische Oberleitung der Arbeiten und die Verantwortung für
die technische Realisierung. Dem FG-Urteil ist zu entnehmen, dass
diese Aufgabe nur einer Person anvertraut werden konnte, die
über besonders fundierte Fachkenntnisse und ein entsprechendes
Fachwissen im Bereich der EDV verfügte. Der Kläger ist
damit wie ein projektleitender Ingenieur tätig geworden (zu
diesem Berufsbild vgl. die Berufsinformationen der Bundesagentur
für Arbeit, abrufbar unter www.berufenet.arbeitsagentur.de,
Beruf „Projektingenieur“).
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b) Dass die vom Kläger geleiteten
Projekte wegen ihres Umfangs und aufgrund ihrer Schwierigkeit von
einem Team bearbeitet wurden, ist unschädlich. Freiberufliche
Leistungen können grundsätzlich im Wege der Teamarbeit
erbracht werden (vgl. BFH-Urteil vom 28.10.2008 VIII R 69/06, BFHE
223, 206, BStBl II 2009, 642 = SIS 09 06 88, m.w.N.). Die
Anerkennung freiberuflicher Teamarbeit setzt voraus, dass der -
eigenverantwortlich und leitend i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1
Satz 3 EStG tätige - Projektverantwortliche neben
Fachkenntnissen über weitere Fähigkeiten verfügt,
die nicht auf fachlichem oder technischem Gebiet liegen. Dass von
einem IT-Projektleiter oder einem Projektingenieur
zusätzlich Managementleistungen und soziale wie
kommunikative Fähigkeiten verlangt werden, macht ihn nicht zum
Gewerbetreibenden.
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