Sozialpädagogische Lebensgemeinschaft, Aufwendungen für Gemeinschaftsräume, Aufteilungsmaßstab: Bei einer sozialpädagogischen Lebensgemeinschaft sind die Aufwendungen für Gemeinschaftsräume, die sowohl der eigenen Wohnnutzung des Steuerpflichtigen und seiner Familie wie auch der (entgeltlichen) Betreuung der in die Familie integrierten fremden Kinder dienen, regelmäßig nach der Zahl der der Haushaltsgemeinschaft zugehörigen Personen aufzuteilen. - Urt.; BFH 25.6.2009, IX R 49/08; SIS 09 33 73
I. Die im Streitjahr 2003 zusammen zur
Einkommensteuer veranlagten Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) leben seit September 2003 nicht nur mit ihren beiden
leiblichen Kindern im gemeinsamen Haushalt, sondern mit drei
weiteren Kindern. Mit diesen gründete die Klägerin als
Heilpädagogin eine sozialpädagogische Lebensgemeinschaft
(SPLG). Hieraus erzielt sie Einkünfte aus selbständiger
Arbeit. Im Rahmen einer derartigen SPLG sollen junge Menschen mit
erheblichen familiären Problemen unter Betreuung von
Fachkräften in eine intakte Familie einbezogen werden, um
ihnen Zukunftsperspektiven zu eröffnen sowie eine schulische,
berufliche und soziale Integration zu ermöglichen. Träger
der SPLG der Klägerin ist das ... heilpädagogische
Kinderheim mit Sitz in X. Für jedes betreute Kind wird eine
monatliche Abrechnung für das zuständige Jugendamt
erstellt. Das Betreuungshonorar beinhaltet u.a. anteilige
Raumkosten. Dieser Kostensatz wird in Anlehnung an den
„Rahmenvertrag I NRW“ über eine Aufteilung der
gesamten Wohnkosten nach Köpfen ermittelt.
Die Kläger trugen dem gestiegenen
Wohnbedarf durch die Gründung der SPLG in der Weise Rechnung,
dass der Kläger im Juni 2003 ein Einfamilienhaus erwarb,
bestehend aus fünf Kinderzimmern, zwei Badezimmern, einem
Elternschlaf- und Arbeitszimmer, einer Küche, einem Wohnzimmer
und einem Keller. Elternschlafzimmer und Arbeitszimmer befinden
sich im Dachgeschoss und sind durch Regale als Raumteiler
voneinander getrennt.
Mit Vertrag vom August 2003 vermietete ab
September 2003 der Kläger der Klägerin drei Kinderzimmer,
das von den Projektkindern genutzte Bad sowie das Arbeitszimmer im
Dachgeschoss. Des Weiteren wurde in dem Mietvertrag die
Mitbenutzung der Gemeinschaftsräume (Küche, Wohn- und
Essbereich sowie Diele und Garten) eingeräumt.
Die Kläger machten für das
Streitjahr u.a. bei den Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte
des Klägers aus Vermietung und Verpachtung anteilige
Absetzungen für Abnutzung (AfA) für die gemeinschaftlich
genutzten Räume geltend. Als Aufteilungsmaßstab wurde
die Relation der betreuten Kinder (drei) zur Gesamtbewohnerzahl des
Hauses (sieben) gewählt. Im Einzelnen ergab sich für die
an die SPLG vermieteten Räume ein Nutzungsanteil von 30,76 %
an der Gesamtwohnfläche des Hauses (60 qm von 195 qm). Aus der
Aufteilung der gemeinsam genutzten Flächen ergab sich ein auf
die Vermietung entfallender Nutzungsanteil von 19,12 % (37,29 qm
von 195 qm). Insgesamt machte der Kläger im Rahmen der
AfA-Berechnung einen Anteil an der Gesamtfläche von 49,89 %
geltend. Für die anteilige Nutzungszeit im Streitjahr (vier
Monate) ermittelte der Kläger eine Gesamt-AfA von 1.591 EUR.
Davon ordnete er 794 EUR den Werbungskosten bei den Einkünften
aus Vermietung und Verpachtung zu. Ferner machte der Kläger
AfA in Höhe von 535,32 EUR für die Möblierung der
Küche, die Beschaffung von Kücheninventar, Kellerregale,
Essgruppe sowie Regale im Wohnzimmer geltend, welche wegen
erhöhter Beanspruchung auf acht Jahre abzuschreiben
seien.
Im Einkommensteuerbescheid für das
Streitjahr berücksichtigte der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) bei den Werbungskosten
zu den Einkünften des Klägers aus Vermietung und
Verpachtung die auf die Gemeinschaftsräume sowie die
angeschafften Einrichtungsgegenstände entfallenden
Werbungskosten nicht. Der Einspruch blieb insoweit ohne
Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) erachtete die Klage
insoweit für begründet, als bei der Ermittlung der
Werbungskosten zu den Einkünften des Klägers aus
Vermietung und Verpachtung - wie von den Klägern erklärt
- von einem anteiligen auf die Vermietung entfallenden
Nutzungsanteil von 49,89 %, d.h. auch unter Berücksichtigung
der gemeinsam genutzten Räume und Einrichtungsgegenstände
auszugehen sei. § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) stehe einer solchen Aufteilung nicht entgegen (EFG 2009, 475
= SIS 09 13 66).
Hiergegen richtet sich die Revision des FA,
mit der es die Verletzung materiellen Rechts (§ 12 Nr. 1 Satz
2 EStG) rügt. Eine schematische Pro-Kopf-Aufteilung sei im
Streitfall kein geeignetes objektives Merkmal zur Aufteilung der
gemischten Aufwendungen für die gemeinsam genutzten Räume
und Einrichtungsgegenstände.
Das FA
beantragt, das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als bei der
Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus Vermietung und
Verpachtung auf der Grundlage einer anteiligen, auf die Vermietung
entfallenden Nutzfläche in Höhe von 49,89 % weitere
Werbungskosten in Höhe von 304 EUR (Gebäude-AfA) und 267
EUR (AfA für angeschaffte Einrichtungsgegenstände)
berücksichtigt worden seien, und die Klage auch insoweit als
unbegründet zurückzuweisen.
Die Kläger haben keinen Antrag
gestellt.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zutreffend hat das FG die
streitige, auf die Gemeinschaftsräume sowie die angeschafften
Einrichtungsgegenstände entfallende AfA zum
Werbungskostenabzug bei den Einkünften des Klägers aus
Vermietung und Verpachtung zugelassen.
1. Die vom Kläger vermieteten
Gemeinschaftsräume und Einrichtungsgegenstände dienen
sowohl der privaten Wohnnutzung des Klägers und seiner Familie
als auch als Vermietungsgegenstand und insoweit der
Einkünfteerzielung des Klägers (§ 21 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 EStG hinsichtlich der Gemeinschaftsräume sowie § 21
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG hinsichtlich der
Einrichtungsgegenstände).
§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG verbietet zur
Wahrung der steuerlichen Gerechtigkeit die Aufteilung und damit den
Abzug von Aufwendungen, die sowohl der privaten Lebensführung
als auch der Einkünfteerzielung dienen. Die Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) hat das Aufteilungs- und Abzugsverbot nach
§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG seit jeher aber nicht angewandt, wenn
und soweit sich der der Einkünfteerzielung dienende Teil der
Aufwendungen nach objektiven Maßstäben mit Sicherheit
und leicht - ggf. im Wege der Schätzung - abgrenzen
lässt, d.h. eine gerechte und der Sachlage entsprechende
Aufteilung nach objektiven und leicht nachprüfbaren
Maßstäben möglich erscheint (BFH-Beschluss vom
20.7.2006 VI R 94/01, BFHE 214, 354, BStBl II 2007, 121 = SIS 06 37 91, mit umfassenden Nachweisen zur Rechtsprechung sowie zur Kritik
in der Literatur).
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG in
nicht zu beanstandender Weise die AfA für die streitbefangenen
Gemeinschaftsräume und Einrichtungsgegenstände als
abziehbare Werbungskosten des Klägers im Rahmen seiner
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 9 Abs. 1 Satz
3 Nr. 7 Satz 1 EStG) behandelt.
Die Aufteilung nach der Zahl der Nutzer einer
Wohnung stellt einen objektiven Maßstab dar, der eine sichere
und leichte Abgrenzung einer steuerbaren Raumnutzung von der
privaten Wohnnutzung ermöglicht. Dabei kommt es nicht darauf
an, welche Person welche konkreten in qm messbaren
Flächenanteile der Wohnräume oder Teile der
Einrichtungsgegenstände mit welcher Intensität und
welchen Zeitanteilen pro Tag nutzt. Um die durch die
Einkünfteerzielung - im Zusammenhang mit den aufgenommenen
Kindern und deren Betreuung - einerseits von der durch die private
Wohnnutzung andererseits verursachte Abnutzung abzugrenzen, stellt
die Anzahl der Personen, die sich aus privaten Gründen oder im
einkommensteuerbaren Bereich in der Wohnung als ihrem
Lebensmittelpunkt in einer Hausgemeinschaft aufhalten, einen
objektiven Maßstab dar. Hierfür ist entgegen der Ansicht
des FA weder eine „statische Nutzung“
erforderlich noch müssen einzelne Lebensgewohnheiten
nachvollzogen werden.
Die Würdigung des FG, die zu erfassende
Inanspruchnahme der Räume und Einrichtungsgegenstände im
Rahmen einer reinen Wohnnutzung sei für jeden
Haushaltsangehörigen als gleich zu erachten, bindet den Senat
nach § 118 Abs. 2 FGO, da sie zumindest möglich ist
(BFH-Urteil vom 27.10.2005 IX R 76/03, BFHE 212, 360, BStBl II
2006, 359 = SIS 06 11 15, m.w.N.). Außergewöhnliche
Umstände, die ggf. eine Abweichung von der vom FG zugrunde
gelegten Typik rechtfertigen würden - etwa der Bedarf an
besonderen technischen Einrichtungen zur Fortbewegung, um deren AfA
es ginge -, sind im Streitfall nicht festgestellt und auch nicht
ersichtlich.
Der Aufteilung steht auch, anders als das FA
meint, nicht eine fehlende Überprüfbarkeit entgegen. Dem
Merkmal der Überprüfbarkeit kommt lediglich
ergänzende Bedeutung zu; es hindert jedoch nicht eine
Aufteilung gemischter Aufwendungen nach objektiven
Maßstäben, wenn diese sich - wie im Streitfall - als
geeignet erweisen.