Spielerleihe über die Grenze, Steuerabzug: Einnahmen eines ausländischen Sportvereins aus einer Transfervereinbarung mit einem inländischen Verein in der Form der sog. Spielerleihe sind keine - eine beschränkte Steuerpflicht auslösenden - Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung durch die zeitlich begrenzte Überlassung eines Rechts. Eine Steuerabzugspflicht des inländischen Vereins nach § 50 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1990 besteht nicht. (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 7.1.2010, IV C 3 - S 2411/07/10013, BStBl 2010 I S. 44 = SIS 10 00 18) - Urt.; BFH 27.5.2009, I R 86/07; SIS 09 25 63
I. Streitig ist, ob Vergütungen, die
ein inländischer Sportverein an ausländische Vereine
für das „Leihen“ eines Sportlers gezahlt hat, als
inländische Einkünfte der Vergütungsgläubiger
nach § 49 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1990) dem
Steuerabzug gemäß § 50a Abs. 4 EStG 1990
unterliegen.
Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist ein eingetragener Verein, dessen
Lizenzspielermannschaft in der deutschen Fußball-Bundesliga
spielt. Er zahlte im Jahr 1995 als
„Leihtransferzahlung“ für den Spieler X einen
Gesamtbetrag von ... DM an zwei ausländische Vereine (den
spanischen Fußballclub A und den portugiesischen
Fußballclub B). X war für den Kläger während
der „Leihzeit“ auf der Grundlage eines
eigenständigen Arbeitsvertrages als Lizenzspieler tätig,
nachdem er eine Spielberechtigung nach dem Verbands-Reglement des
Deutschen Fußball-Bundes erhalten hatte.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) erließ (u.a.) zu diesem Zahlbetrag einen
(Sammel-)Haftungsbescheid gemäß § 50a Abs. 5 EStG
1990 i.V.m. § 73g der
Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV 1990) über
Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschläge. Darin
war - auf der Grundlage der bis dahin vorliegenden Erkenntnisse des
FA - unter Hinweis auf „1995 (Leihgebühr [X])“ A
als Vergütungsgläubiger bezeichnet; der Haftungsbetrag
belief sich unter Anwendung eines Steuersatzes von 41,61 % zzgl.
Solidaritätszuschlag von 3,12 % insoweit auf ... DM
(Gesamtbetrag der Haftungssumme des Haftungsbescheids: ... DM). Ein
für A als Vergütungsgläubiger beim vormaligen
Bundesamt für Finanzen (BfF) gestellter Freistellungsantrag
nach dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen
gemäß § 50d Abs. 2 EStG 1990 ist wegen fehlender
Vorlage einer Bestätigung durch die ausländischen
Steuerbehörden durch das BfF abgelehnt worden. Das FA half dem
Einspruchsbegehren des Klägers (nur) insoweit ab, als es den
der Berechnung der Haftungssumme zugrunde gelegten Steuersatz auf
15 % (der Vergütung zzgl. Umsatzsteuer) minderte und insoweit
die Haftungssumme auf Körperschaftsteuer von ... DM zzgl.
Solidaritätszuschlag von ... DM berechnete (geänderter
Haftungsbescheid vom 26.7.2001).
Im Klageverfahren teilte der Kläger
mit, die „Leihgebühr“ sei zu einem Teil an B
gezahlt worden. A habe X seinerseits mit Vertrag vom 2.9.1994 bis
zum 30.6.1995 von B ausgeliehen (mit einer Kaufoption).
Anschließend habe A mit Vertrag vom 6.1.1995 seine Rechte an
X für ... US-$ bis zum 30.6.1995 an den Kläger
übertragen. Von einem ihm in diesem Vertrag eingeräumten
Optionsrecht, X endgültig zu verpflichten, habe der
Kläger keinen Gebrauch gemacht. Er habe X vielmehr auf Grund
eines Vertrages vom 13.7.1995 für die (Folge-)Zeit vom
1.7.1995 bis 30.6.1996 für ... US-$ von B ausgeliehen. Weitere
Zahlungen an A, insbesondere eine im Vertrag vom 6.1.1995
vorgesehene Zahlung von ... US-$ für den Fall, dass X in der
Saison 1995/1996 beim Kläger spielen sollte, ohne dass dieser
von dem ihm eingeräumten Optionsrecht auf Verpflichtung des X
Gebrauch gemacht habe, seien nicht mehr erfolgt. Ab 1.7.1996 sei X
von einem anderen ausländischen Verein verpflichtet worden.
Der Kläger habe in diesem Zusammenhang keine
Transferentschädigung erhalten. Die Klage blieb erfolglos
(Finanzgericht - FG - München, Urteil vom 13.11.2007 2 K
2892/03).
Der Kläger rügt mit seiner
Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts und
beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den angefochtenen
Haftungsbescheid dahin abzuändern, dass die Haftungsschuld um
... DM Körperschaftsteuer und um ... DM
Solidaritätszuschlag herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Das dem Verfahren beigetretene
Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat sich dem FA in der Sache
angeschlossen, aber keinen Antrag gestellt.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
antragsgemäßen Abänderung des angefochtenen
Bescheids (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung
- FGO - ). Das FA hat den Kläger in dem
streitgegenständlichen Umfang zu Unrecht gemäß
§ 50a Abs. 5 EStG 1990, § 73g Abs. 1 EStDV 1990 in
Haftung genommen.
1. Nach § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG 1990
haftet der Schuldner von Vergütungen i.S. des § 50a Abs.
4 EStG 1990 für die Einbehaltung und Abführung einer im
Wege des Steuerabzugs zu erhebenden Steuer des beschränkt
steuerpflichtigen Gläubigers dieser Vergütungen. Im
Streitfall haben die in Spanien bzw. Portugal ansässigen
Fußballvereine als Vergütungsgläubiger weder ihre
Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland; sie sind daher mit
ihren inländischen Einkünften i.S. des § 49 EStG
1990 beschränkt steuerpflichtig (§ 2 Nr. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes - KStG -, §§ 10, 11 der
Abgabenordnung). Die Inanspruchnahme des Klägers als
Vergütungsschuldner durch Haftungsbescheid (§ 73g Abs. 1
EStDV 1990) ist aber rechtswidrig, da eine Steuerabzugspflicht des
Klägers auf der Grundlage des § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3
i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1990 nicht bestand. Die von A
(vertragliche Vereinbarung vom 6.1.1995) und von B (vertragliche
Vereinbarung vom 13.7.1995) bezogenen Vergütungen
(„Leihgebühr“) begründen keine
inländischen Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 6
EStG 1990 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG, da sie nicht für die
zeitlich begrenzte Überlassung von in einer inländischen
Betriebsstätte verwerteten Rechten i.S. des § 21 Abs. 1
Satz 1 Nr. 3 EStG 1990 geleistet wurden.
a) Nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1990 sind
inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten
Steuerpflicht Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§
21 EStG 1990), wenn der Gegenstand der Einkünfteerzielung
einen bestimmten (im Gesetz beschriebenen) Inlandsbezug aufweist.
§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 1990 erfasst Einkünfte aus
zeitlich begrenzter Überlassung von Rechten, insbesondere von
schriftstellerischen, künstlerischen und gewerblichen
Urheberrechten, von gewerblichen Erfahrungen und von
Gerechtigkeiten und Gefällen. Dabei ist anerkannt, dass der
Wortlaut des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 1990 keine
abschließende, sondern nur eine beispielhafte Aufzählung
der überlassenen Rechte enthält (ständige
Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 28.1.2004 I R 73/02, BFHE
205, 174, BStBl II 2005, 550 = SIS 04 17 30; vom 19.12.2007 I R
19/06, BFHE 220, 160 = SIS 08 12 26). Allerdings muss auch bei
einer anderen - vergleichbaren - Berechtigung ein Fortbestand
dieser eigenständigen Rechtsposition (Hidien in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 49 Rz I 61) beim
Überlassenden gewährleistet sein, um den Tatbestand einer
zeitlichen Nutzungsüberlassung (s. insoweit Gosch in Kirchhof,
EStG, 8. Aufl., § 49 Rz 140; M. Klein in
Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 49 EStG Rz 926) zu
erfüllen.
b) Die vom Kläger an A und B gezahlten
Vergütungen beziehen sich nicht auf eine
„Überlassung“ von Rechten i.S. des §
21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 1990.
aa) Das FG hat festgestellt, dass nach
nationalen und internationalen Verbandsregeln die
„Leihe“ eines Spielers seinem Transfer
gleichbehandelt wird (Art. 31 FIFA-Reglement). Damit erhält
der „entleihende“ Verein die Möglichkeit,
auf der Grundlage eines mit dem Spieler abzuschließenden
Arbeitsvertrages eine Spielerlaubnis für diesen
„entliehenen“ Spieler beim Sportverband zu
beantragen und - bei einer zustimmenden Entscheidung - damit
zugleich den Bestand einer Spielerlaubnis für einen anderen
(insbesondere dem „verleihenden“, eine
„Freigabe“ aussprechenden) Verein
auszuschließen.
bb) Grundlage für ein
Transfergeschäft ist nach den Feststellungen des FG und dem
übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten eine
(arbeits-)rechtliche Bindung des Spielers an einen Verein (s. auch
Senatsurteil vom 26.8.1992 I R 24/91, BFHE 169, 163, BStBl II 1992,
977 = SIS 92 21 20). Diese Bindung kann bei einem
übereinstimmenden Interesse beider Parteien in der Weise
modifiziert werden, dass dem Spieler Gelegenheit geboten wird, sich
(gegebenenfalls nur vorübergehend) an einen anderen Verein zu
binden und dort - auf der Grundlage des von ihm dort
abgeschlossenen Arbeitsvertrages - eine Spielerlaubnis des
Sportverbandes zu erhalten. Der abgebende Verein verzichtet damit
endgültig (Transfer i.e.S.) oder für eine bestimmte Dauer
(„Spielerleihe“) darauf, unter Hinweis auf eine
(frühere) arbeitsvertragliche Bindung des Spielers eine
Spielerlaubnis für sich zu beanspruchen; die Möglichkeit,
eine solche Erlaubnis zu beantragen, ist nunmehr dem aufnehmenden
Verein eröffnet.
Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung
zwischen den Vereinen, die zivilrechtlich einen Vertrag eigener Art
darstellt, ist damit weder die Übertragung eines Rechts
(bisherige Spielerlaubnis) noch die Überlassung der eigenen
Spielerlaubnis zur Nutzung beim Vertragspartner, insbesondere auch
nicht eine Arbeitnehmerüberlassung (es kommt zum Abschluss
eines Arbeitsvertrages beim aufnehmenden Verein) oder eine
besondere Dienstleistung (eine sportliche Darbietung durch den
Spieleinsatz des Sportlers). Das Entgelt des aufnehmenden Vereins
bezieht sich vielmehr auf die beschriebene Möglichkeit, mit
dem Spieler einen auf die „Leihzeit“ befristeten
Arbeitsvertrag abzuschließen und auf dieser Grundlage - durch
die Verbandsregeln abgesichert - eine (neue) Spielerlaubnis zu
beantragen (zu den zivil- und verbandsrechtlichen Grundlagen
ausführlich Bohnau, Der Vereinswechsel des
Lizenzfußballspielers in arbeitsrechtlicher Betrachtung,
Dissertation Bielefeld 2003, S. 181 ff.).
cc) Der abgebende Verein überlässt
sonach nicht ein eigenständiges und fortbestehendes Recht (als
Inhaber dieses Rechts) zur Nutzung. Vielmehr erlischt die
Möglichkeit des abgebenden Vereins, auf der Grundlage eines
mit dem Spieler abgeschlossenen Arbeitsvertrages eine
Spielerlaubnis bei seinem Sportverband zu beantragen, durch den
Vollzug der Vereinbarung, während der aufnehmende Verein durch
den Vertragsabschluss mit dem Spieler eine entsprechende
Möglichkeit neu erwirbt.
dd) Zu Transferentschädigungen, die nach
den Vorschriften des Lizenzspielerstatuts des Deutschen
Fußball-Bundes bei dem Wechsel eines Spielers von einem
Verein der deutschen Fußball-Bundesliga zu einem anderen
Verein gezahlt werden, hat der erkennende Senat entschieden, dass
die Zahlung ihren wirtschaftlichen Grund in dem Vereinswechsel und
der damit verbundenen Möglichkeit, eine Spielerlaubnis zu
erhalten, hat (Senatsurteil in BFHE 169, 163, BStBl II 1992, 977 =
SIS 92 21 20; zustimmend z.B. Oberfinanzdirektion Frankfurt,
Verfügung vom 6.5.2008, ESt-Kartei HE § 5 EStG Fach 2
Karte 8). Die Zahlung trete wirtschaftlich an die Stelle einer
Gegenleistung für die Übertragung eines nach allgemeinen
Rechtsgrundsätzen nicht bestehenden „Rechts am
Spieler“. Letztlich entstehe beim aufnehmenden Verein ein
neues immaterielles Wirtschaftsgut
(„Spielerlaubnis“), das zu aktivieren sei. Diese
Entscheidung geht mithin gerade nicht von der
„Überlassung“ eines Rechts, sondern
vielmehr davon aus, dass ein solches Recht beim aufnehmenden Verein
neu entsteht; aus ihr kann daher - entgegen der Ansicht des FG -
eine Anwendbarkeit des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 1990 auf
die streitgegenständlichen Vorgänge nicht abgeleitet
werden.
ee) Entgegen der Ansicht des FA kann aus der
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu
Güterverkehrsgenehmigungen kein anderes Ergebnis folgen. Auch
wenn die in einem kontingentierten Markt erteilte Genehmigung als
eigenständiges und übertragbares immaterielles
Wirtschaftsgut anzusehen ist (z.B. Senatsurteil vom 4.12.1991 I R
148/90, BFHE 166, 472, BStBl II 1992, 383 = SIS 92 08 09),
lässt sich daraus im Streitfall nicht auf die (befristete)
Überlassung eines Wirtschaftsguts „Recht auf
Erteilung einer Spielerlaubnis“ schließen. Es kommt
insbesondere nicht in Betracht, auf der Grundlage einer
wirtschaftlichen Betrachtungsweise den durch die Verbandsstatuten
vorgegebenen Ablauf der Erteilung einer Spielerlaubnis
auszublenden, um den Vorgang auf diese Weise dem Tatbestand des
§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1990 unter Hinweis auf den
wirtschaftlichen Gehalt der Vereinbarung zu unterstellen.
2. Das FG hat zutreffend erkannt, dass A und B
als abgebende Vereine nicht sportliche Darbietungen (des X) im
Inland verwertet haben. Damit bestand auch keine Abzugspflicht des
Klägers nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 49
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG 1990. Schließlich ist mit der
Spielerleihe entgegen der Ansicht des FA schon wegen der
Unbestimmtheit des sportlichen Einsatzerfolges auch nicht eine
Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von
gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen und ähnlichen
Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten (z.B. Plänen,
Mustern und Verfahren) i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1990
verbunden. Auch ein - vom BMF angenommener - zeitlich befristeter
entgeltlicher Verzicht auf ein fortbestehendes Recht (aus dem
ursprünglichen Arbeitsvertrag oder den Statuten der nationalen
Verbände zur Sicherung der Spielerlizenz für den
abgebenden Verein) erfüllt den gegenüber § 22 Nr. 3
EStG 1990 eingegrenzten Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG
1990 nicht. Infolgedessen war der (Sammel-)Haftungsbescheid in dem
der Revision unterliegenden Umfang (zur rechtlichen
Selbständigkeit der einzelnen Haftungsansprüche s.
Senatsbeschluss vom 4.9.2002 I B 145/01, BFHE 199, 95, BStBl II
2003, 223 = SIS 02 97 52) aus materiell-rechtlichen Gründen
aufzuheben; die Haftungsschuld ist antragsgemäß um die
Körperschaftsteuer 1995 von ... DM und um den
Solidaritätszuschlag 1995 von ... DM auf ... DM/... EUR
herabzusetzen. Da die Revision schon aus diesem Grund Erfolg hat,
muss über die ebenfalls erhobenen formell-rechtlichen
Einwendungen des Klägers gegen den Haftungsbescheid nicht mehr
entschieden werden.