Hinzugezogener, Klagebefugnis: 1. Die Rechte des zum Einspruchsverfahren Hinzugezogenen sind (i.S. des § 40 Abs. 2 FGO) verletzt, wenn die Einspruchsentscheidung den Hinzugezogenen formell und materiell beschwert. - 2. Der Hinzugezogene ist klagebefugt, wenn das FA dem Einspruch des Einspruchsführers in der Einspruchsentscheidung abhilft, dem Hinzugezogenen die Einspruchsentscheidung bekanntgegeben worden ist und in der Einspruchsentscheidung (bindende) Feststellungen getroffen sind, die gemäß § 174 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 AO im Folgeänderungsverfahren für den Hinzugezogenen zu einer nachteiligen Korrektur führen können. - 3. Das FA ist materiell beschwert (und damit zur Revision befugt), wenn durch ein klageabweisendes Prozessurteil gegen einen Hinzugezogenen der Einspruchsentscheidung die Bindungswirkung für das Folgeänderungsverfahren abgesprochen wird. - Urt.; BFH 29.4.2009, X R 16/06; SIS 09 21 16
I. Streitig ist in der Sache, ob der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) bei dem
Steuerpflichtigen F im Streitjahr 2000 weitere Einnahmen anzusetzen
hat, von denen der Kläger und Revisionsbeklagte - Kläger
- (im Folgenden: R) behauptet, er habe sie F für geschuldete
Unterprovisionen in bar zugewendet. Die behaupteten
Provisionszahlungen hat R in einer Selbstanzeige über
unversteuert vereinnahmte Provisionseinkünfte im Zusammenhang
mit Wertpapierverkäufen als Betriebsausgaben geltend
gemacht.
Nach einer Kontrollmitteilung schätzte
das FA in einem gegenüber F erlassenen
Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr
Einkünfte aus Gewerbebetrieb hinzu.
Hiergegen erhob F Einspruch. Im
Einspruchsverfahren zog das FA R gemäß § 174 Abs. 5
der Abgabenordnung (AO) hinzu. F bestritt, die Provisionseinnahmen
erhalten zu haben, während R in seiner Stellungnahme im
Einspruchsverfahren vortrug, er habe die Beträge an F in bar
übergeben.
Das FA gab dem Einspruch des F statt. Es
setzte in der Einspruchsentscheidung vom 2.10.2003 die Steuer
für das Streitjahr ohne die zuvor hinzugeschätzten
Einkünfte fest. In der Begründung würdigte das FA
den Sachverhalt und gelangte zu der Feststellung, R habe an F kein
Bargeld übergeben. R könne weder einen Nachweis für
den Empfang des Geldes durch F vorlegen noch sei erkennbar,
für welche Gegenleistung R an F habe Unterprovisionen zahlen
müssen.
Die Einspruchsentscheidung wurde R mit
Rechtsbehelfsbelehrung und dem Hinweis bekanntgegeben, diese
Entscheidung entfalte ihm gegenüber Bindungswirkung.
R erhob Klage beim Finanzgericht (FG). F
wurde vom FG nicht zum Klageverfahren beigeladen.
Das FG wies die Klage durch Prozessurteil
als unzulässig ab. R sei nicht klagebefugt gemäß
§ 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), weil die
Abhilfeentscheidung zugunsten des F ihm gegenüber keine
Bindungswirkung entfalte. Ihm könne nicht eine weitergehende
Befugnis zur Klage zustehen, als dem Einspruchsführer F, der
nicht beschwert sei. Die Entscheidung ist in EFG 2005, 1509 = SIS 05 39 08 veröffentlicht.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA.
Helfe es dem Einspruch des Steuerpflichtigen in der
Einspruchsentscheidung ab, binde diese Entscheidung auch den
Hinzugezogenen. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), die
eine Bindungswirkung des Hinzugezogenen und dessen Klagebefugnis
verneine, wenn ein Abhilfebescheid ohne dessen ausreichende
verfahrensmäßige Beteiligung ergehe, sei im Streitfall
nicht einschlägig.
Das FA beantragt, das Urteil des FG
München, Außensenate Augsburg, vom 22.6.2005 10 K
4445/03 aufzuheben und die Klage zur Entscheidung in der Sache an
das FG zurückzuverweisen.
R beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Im Verfahren vor dem BFH erging unter dem
27.2.2006 ein Änderungsbescheid gegenüber F, der dem R
nicht bekanntgegeben wurde. Die streitigen Provisionseinkünfte
werden dem F in diesem Änderungsbescheid weiterhin nicht
zugerechnet.
II. Die Revision des FA ist zulässig und
begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Die Sache ist
nicht entscheidungsreif und wird an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs.
3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
1. Die Revision des FA ist zulässig. Das
FA ist materiell beschwert, weil das FG in der Vorentscheidung die
Bindungswirkung der Einspruchsentscheidung gegenüber dem R
verneint hat.
Zu den im Revisionsverfahren erforderlichen
Zulässigkeitsvoraussetzungen gehört die Beschwer,
für die der Tenor des angefochtenen Urteils maßgeblich
ist (vgl. BFH-Beschluss vom 4.4.2008 IV R 91/06, BFH/NV 2008, 1298
= SIS 08 28 01; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl.,
Vor § 115 Rz 12). Wird - wie im Streitfall - die Klage
entsprechend dem Antrag des beklagten FA abgewiesen, ist dessen
materielle Beschwer erforderlich (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O.,
Vor § 115 Rz 14, m.w.N., zur ständigen Rechtsprechung des
BFH). Die Bindungswirkung eines (rechtskräftigen)
Prozessurteils des FG ist unter Heranziehung der Urteilsgründe
zu ermitteln. Dazu ist festzustellen, über welche
Sachurteilsvoraussetzung das FG entschieden hat (Gräber/von
Groll, a.a.O., § 110 Rz 15).
Das FA ist im Streitfall durch die
Vorentscheidung materiell beschwert, weil das FG in seinem
Prozessurteil der Einspruchsentscheidung die Bindungswirkung
gegenüber R für das Folgeänderungsverfahren
abspricht. Würde die Vorentscheidung mit diesem Inhalt
rechtskräftig, hätte sich das FA mit der Hinzuziehung
gemäß § 174 Abs. 5 AO zwar gegenüber R die
Korrekturmöglichkeit gemäß § 174 Abs. 4 AO
eröffnet. Es wären aber die Feststellungen des
Einspruchsverfahrens im Folgeänderungsverfahren gegenüber
R unter Hinzuziehung des F dann nochmals zu treffen, obwohl das FA
mit der Hinzuziehung des R zum Einspruchsverfahren des F und der
Würdigung seines Beteiligtenvortrags in der
Einspruchsentscheidung alles getan hat, um eine einheitliche
Behandlung des Sachverhalts zu gewährleisten. Dieser Wirkung
eines rechtskräftigen Prozessurteils kann das FA mit der
Revision entgegentreten.
2. Die Revision des FA ist begründet. Das
FG hat den F zum Klageverfahren nicht beigeladen, obwohl ein Fall
der notwendigen Beiladung vorliegt (§ 60 Abs. 3 FGO), so dass
das FG-Urteil auf einem Verfahrensmangel beruhen kann. Eine
Nachholung der Beiladung im Revisionsverfahren (§ 123 Abs. 1
Satz 2 FGO) kommt nicht in Betracht.
a) Das FG hat den F zum Klageverfahren des R
zu Unrecht nicht beigeladen.
aa) Die unterbliebene notwendige Beiladung
(§ 60 Abs. 3 FGO) stellt trotz der Regelung in § 123 Abs.
1 Satz 2 FGO einen Verstoß gegen die Grundordnung des
Verfahrens dar. Die Vorschriften über die notwendige Beiladung
regeln eine unverzichtbare Sachentscheidungsvoraussetzung. Die
angefochtene Entscheidung kann deshalb auf dem Verfahrensmangel
beruhen (vgl. Senatsbeschluss vom 17.7.2003 X B 28/03, BFH/NV 2003,
1539 = SIS 03 49 34; BFH-Beschluss vom 8.5.2008 IV B 138/07, BFH/NV
2008, 1499 = SIS 08 31 96, m.w.N.).
bb) Der Rechtsbehelfsführer des
außergerichtlichen Vorverfahrens und Inhaltsadressat des
angefochtenen Steuerbescheids (hier: der Einspruchsführer F)
ist zur Wahrung seiner Rechte im anschließenden, von dem zum
Einspruchsverfahren Hinzugezogenen als Kläger betriebenen
finanzgerichtlichen Klageverfahren (hier: R) gemäß
§ 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen (vgl. Senatsbeschluss vom
4.10.2006 X B 114/06, nicht veröffentlicht).
b) Der Verfahrensmangel wird durch den
erkennenden Senat nicht im Wege der nachgeholten Beiladung
geheilt.
§ 123 Abs. 1 Satz 2 FGO eröffnet dem
BFH die Möglichkeit, eine notwendige Beiladung im
Revisionsverfahren nachzuholen. Der Senat übt das ihm in
dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen dahingehend aus, die
unterbliebene Beiladung nicht nachzuholen und die Sache zur
erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurückzuverweisen. Dies ist im Streitfall
zweckmäßig und ermessensgerecht, weil das FG die Klage
des R zu Unrecht als unzulässig abgewiesen (vgl. unten c) und
keine Feststellungen in der Sache getroffen hat. Damit könnte
der Senat auch im Fall einer nachgeholten Beiladung des F im
Revisionsverfahren nicht zu einer Sachentscheidung kommen.
c) Das FG hat im Streitfall zu Unrecht die
Klagebefugnis des R verneint. R ist Verfahrensbeteiligter des
Einspruchsverfahrens zwischen F und dem FA und durch die ihm
bekanntgegebene Einspruchsentscheidung materiell und formell
beschwert.
aa) Nach § 40 Abs. 2 FGO ist eine
Anfechtungsklage - wie im Streitfall - nur zulässig, wenn der
Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen
Rechten verletzt zu sein.
aaa) Die Hinzuziehung zum Einspruchsverfahren
durch die Finanzbehörde kann gemäß § 174 Abs.
5 Satz 2 AO erfolgen. Der hinzugezogene Dritte erlangt im
Einspruchsverfahren die Stellung eines Verfahrensbeteiligten
(§§ 359 Nr. 2, 360 Abs. 1 und 4 AO). Weder die
Hinzuziehung als solche noch die unterbliebene Hinzuziehung
begründen für sich betrachtet die Klagebefugnis des
Hinzugezogenen (vgl. BFH-Entscheidungen vom 20.7.1988 I R 174/85,
BFHE 154, 495, BStBl II 1989, 87 = SIS 89 05 56; vom 28.2.1990 I R
156/86, BFHE 160, 123, BStBl II 1990, 696 = SIS 90 16 50; vom
29.5.2001 VIII R 10/00, BFHE 195, 486, BStBl II 2001, 747 = SIS 01 11 90; Senatsbeschluss vom 5.7.2006 X B 114/05 BFH/NV 2006, 1869 =
SIS 06 38 71; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, § 360 AO Rz 9 und 11; von Wedel in
Beermann/ Gosch, AO § 360 Rz 18; Klein/Brockmeyer, AO, 9.
Aufl., § 360 Rz 19; Birkenfeld in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 360 AO Rz 62-64; Dumke in
Schwarz, AO, § 360 Rz 27).
bbb) Eine Rechtsverletzung des Hinzugezogenen
i.S. des § 40 Abs. 2 FGO wird aber nach allgemeiner Ansicht
bejaht, wenn eine materiell-rechtliche Beschwer aufgrund der
Bindungswirkung der Entscheidung der Finanzbehörde zu seinen
Lasten und seine formelle Beschwer (wegen zurückgewiesener
eigener Anträge im Einspruchsverfahren) vorliegen (vgl.
BFH-Urteile vom 22.7.1980 VIII R 114/78, BFHE 131, 429, BStBl II
1981, 101 = SIS 81 06 54; vom 3.8.1988 I R 115/84, BFH/NV 1989,
482; Senatsurteil vom 26.7.1995 X R 45/92, BFH/NV 1996, 195).
Wird in einem Verfahren, an dem der
Hinzugezogene beteiligt ist, der gegenüber dem
Steuerpflichtigen ergangene Steuerbescheid geändert, dann hat
dies grundsätzlich zur Folge, dass damit in verbindlicher
Weise gegenüber dem Hinzugezogenen entschieden ist, welche die
diesem gegenüber zu ziehenden „richtigen steuerlichen
Folgen“ gemäß § 174 Abs. 4 und 5 AO sind
(vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1996, 195).
Korrekturbescheide müssen dem
Hinzugezogenen bekanntgegeben werden, damit ihm die
Möglichkeit eines Rechtsbehelfs hiergegen bleibt, um den
Eintritt der Bindungswirkung als Folge der Bestandskraft zu
verhindern (vgl. BFH-Urteil vom 11.4.1991 V R 40/86, BFHE 164, 176,
BStBl II 1991, 605 = SIS 91 16 58; Senatsurteil in BFH/NV 1996,
195). Die Bindungswirkung, die eine bestandskräftige
Einspruchsentscheidung ihm gegenüber hätte, kann der
Hinzugezogene nach allgemeiner Ansicht mit der Klage hiergegen
verhindern (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 7.2.2007 IV B 210/04,
BFH/NV 2007, 869 = SIS 07 61 44; aus dem Schrifttum Brandis in
Tipke/Kruse, a.a.O., § 360 AO Rz 9; Klein/Brockmeyer, a.a.O.,
§ 360 Rz 19; Dumke in Schwarz, a.a.O., § 360 Rz 27; von
Wedel in Beermann/Gosch, a.a.O., § 360 Rz 18, 21; a.A.
Fichtelmann, FR 1971, 260; Beck, Steuer und Wirtschaft 1977,
47).
ccc) Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn keine
hinreichende „Beteiligung“ des Hinzugezogenen
i.S. des § 174 Abs. 5 AO im Ausgangsverfahren gegeben ist und
demzufolge die Entscheidung der Finanzbehörde gegenüber
dem Hinzugezogenen keine Bindungswirkung entfaltet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH
muss der Hinzugezogene im Einspruchsverfahren in der Lage gewesen
sein, sich rechtliches Gehör zu verschaffen und auf dieses
einzuwirken; anderenfalls ist der Eintritt der materiellen
Bindungswirkung zu seinen Lasten nicht gerechtfertigt (Senatsurteil
in BFH/NV 1996, 195). Entscheidet die Finanzbehörde durch
einen Abhilfebescheid statt durch Einspruchsentscheidung
(§§ 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, 367 Abs. 2 Satz 3 AO),
ist die ausreichende verfahrensrechtliche Beteiligung des
Hinzugezogenen nur gewährleistet, wenn der Hinzugezogene der
Änderung zugestimmt oder sie beantragt hat. Ist dies nicht der
Fall, tritt auch keine Bindungswirkung zu seinen Lasten ein. Eine
Klage des Hinzugezogenen gegen einen solchen Abhilfebescheid
zugunsten des Steuerpflichtigen ohne Bindungswirkung für den
Hinzugezogenen ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH
unzulässig (vgl. BFH-Entscheidungen in BFHE 164, 176, BStBl II
1991, 605 = SIS 91 16 58; vom 20.5.1992 III R 176/90, BFH/NV 1993,
74; vom 5.5.1993 X R 111/91, BFHE 171, 400, BStBl II 1993, 817 =
SIS 93 24 24; vom 4.7.2001 VI B 301/98, BFHE 195, 50, BStBl II
2001, 729 = SIS 01 12 82).
bb) Im Streitfall ist R nach den vorgenannten
Grundsätzen gemäß § 40 Abs. 2 FGO entgegen der
Auffassung des FG klagebefugt. R ist durch die
Einspruchsentscheidung materiell und formell beschwert.
aaa) R ist durch die Einspruchsentscheidung
formell beschwert, da das FA entgegen seinem konkludenten Antrag im
Einspruchsverfahren, den Einspruch des F als unbegründet
zurückzuweisen, in der Einspruchsentscheidung den
Einkommensteueränderungsbescheid zugunsten des F geändert
hat.
bbb) R ist durch die Einspruchsentscheidung
auch materiell beschwert.
Das FA hat den R im Einspruchsverfahren i.S.
des § 174 Abs. 5 AO „beteiligt“ und damit
die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Feststellungen
des Einspruchsverfahrens für das Folgeänderungsverfahren
gegenüber R mit Bestandskraft bindend werden können. R
wurde im Einspruchsverfahren des F rechtliches Gehör
gewährt, seine Einwände wurden in der
Einspruchsentscheidung gewürdigt und der Sachverhalt vom FA
festgestellt.
Die Einspruchsentscheidung enthält im
Streitfall auch materiell belastende Feststellungen für R. Bei
Bestandskraft der Einspruchsentscheidung stünde gegenüber
R bindend fest, dass er dem F kein Bargeld übergeben
hätte. Gemäß § 174 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 4
AO hat sich die Finanzverwaltung die Möglichkeit geschaffen,
gegenüber R im Folgeänderungsverfahren aus dieser
Feststellung die „richtigen steuerlichen
Folgerungen“ ziehen zu können (vgl. hierzu
Senatsentscheidung vom 18.9.2003 X R 152/97, BFHE 203, 337, BStBl
II 2007, 749 = SIS 03 51 75; ebenso BFH-Urteil vom 18.2.2009 V R
81/07, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt). Ein
„bestimmter Lebenssachverhalt“ i.S. des §
174 Abs. 4 Satz 1 AO liegt auch vor, wenn beim Steuerpflichtigen
eine abziehbare Ausgabe und beim Dritten eine Einnahme oder
umgekehrt - wie im Streitfall - in Betracht kommen
(BFH-Entscheidungen vom 24.11.1987 IX R 158/83, BFHE 152, 203,
BStBl II 1988, 404 = SIS 88 14 47; vom 2.12.1999 II B 17/99, BFH/NV
2000, 679 = SIS 00 55 06). Im Fall einer bestandskräftigen
Einspruchsentscheidung droht dem R demnach, dass er sich die ihn
belastenden Feststellungen entgegenhalten lassen muss, das für
ihn zuständige FA ihm gegenüber im
Folgeänderungsverfahren nach § 174 Abs. 4 AO nachteilige
Folgerungen zieht und den Betriebsausgabenabzug für die
geltend gemachten Unterprovisionen verneint.
cc) Der Auffassung des FG, der
Einspruchsentscheidung fehle im Streitfall - wie bei einem
Abhilfebescheid ohne hinreichende Verfahrensbeteiligung des
Hinzugezogenen - die Bindungswirkung, ist nicht zu folgen.
Die ständige Rechtsprechung des BFH (vgl.
unter II.2.c aa aaa), auf die sich das FG stützt, knüpft
nicht an die äußere Form der abschließenden
Entscheidung im Ausgangsverfahren an, sondern will den
Hinzugezogenen schützen. Maßgeblich ist nicht, ob ein
Abhilfebescheid als solcher oder in Form einer
Einspruchsentscheidung ergeht, sondern ob als Grundlage für
eine materielle Bindungswirkung der abschließenden
Entscheidung im Ausgangsverfahren zu Lasten des Hinzugezogenen
dessen ausreichende Verfahrensbeteiligung gewährleistet ist
(Senatsurteil in BFH/NV 1996, 195). Die vorrangig auf den
abhelfenden Inhalt der Einspruchsentscheidung abstellenden
Erwägungen des FG treffen daher nicht den hier entscheidenden
rechtlichen Gesichtspunkt.
Die Begründung des FG, dem Kläger
als Hinzugezogenem zum Einspruchsverfahren könnten
gemäß § 360 Abs. 4 AO nicht mehr Rechte zustehen,
als dem nicht zur Klage befugten Steuerpflichtigen (hier: dem
Einspruchsführer F), überzeugt nicht. Zwar hat der BFH in
BFHE 195, 486, BStBl II 2001, 747 = SIS 01 11 90 die
Akzessorietät der Verfahrensbeteiligung des Hinzugezogenen und
die vorrangige verfahrensrechtliche Dispositionsbefugnis des
Steuerpflichtigen betont. Er hat in dieser Entscheidung
ausgeführt, der Hinzugezogene habe auch bei möglicher
materieller Beschwer keine Befugnis, Klage gegen eine
Einspruchsentscheidung zu erheben, die den Einspruch des
Einspruchsführers als unzulässig abweise. Die im
Streitfall vorliegende Konstellation ist jedoch eine ganz andere,
weil hier der Einspruch des F zulässig war und es um den
Rechtsschutz des Hinzugezogenen gegen eine ihn materiell belastende
Einspruchsentscheidung geht (vgl. zur Abgrenzung auch BFH-Beschluss
in BFH/NV 2007, 869 = SIS 07 61 44).
d) Das FG hat in der Vorinstanz eine andere
Rechtsauffassung vertreten. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben.
Eine Sachentscheidung des Senats ist mangels Feststellungen des FG
zur Sache nicht möglich, so dass die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen
wird.
Der Änderungsbescheid gegenüber F,
der im Verfahren vor dem BFH ohne Änderung der hier streitigen
Besteuerungsgrundlagen ergangen ist, ist bislang nicht
gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens
geworden. § 68 FGO setzt unter anderem eine Identität der
Verfahrensbeteiligten und der Beteiligten des geänderten
Steuerbescheids voraus (vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., §
68 Rz 75). Da F mangels Beiladung nicht Beteiligter des
Klageverfahrens war (§§ 57 Nr. 3, 60 FGO), waren die
Voraussetzungen der Vorschrift bei Erlass des
Änderungsbescheids nicht erfüllt. Das FG wird im zweiten
Rechtszug den F gemäß § 60 Abs. 3 FGO zu dem
Verfahren notwendig beizuladen haben und darauf achten müssen,
dass dem R der Änderungsbescheid (unter Beachtung des
Steuergeheimnisses, vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1996, 195)
bekanntgegeben wird.
In der Sache wird das FG zu prüfen haben,
ob R dem F die behaupteten Bargeldbeträge übergeben hat
und ob bei F weitere Einkünfte anzusetzen sind.