Kind, Friedensdienst im Ausland: 1. Kinder, die einen Freiwilligendienst leisten, werden steuerrechtlich nur berücksichtigt, wenn der Dienst die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG in Verbindung mit der jeweiligen Verweisungsnorm erfüllt. Die Vorschrift ist nicht analog auf andere freiwillige soziale Dienste anwendbar. - 2. Dienste i.S. des § 14 b ZDG sind Dienste im Ausland, die das friedliche Zusammenleben der Völker fördern, von einem nach § 14 b Abs. 3 ZDG anerkannten Träger durchgeführt werden und von einem anerkannten Kriegsdienstverweigerer unentgeltlich anstelle des Zivildienstes geleistet werden. Es verstößt nicht gegen Art. 3 GG, dass andere Kinder, die einen vergleichbaren Friedensdienst im Ausland erbringen, nicht berücksichtigt werden. - Urt.; BFH 18.3.2009, III R 33/07; SIS 09 19 64
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) bezog für seine im Jahr 1984 geborene Tochter
(T) Kindergeld. Nach dem Ende ihrer Schulausbildung im Juli 2004
nahm T von August 2004 bis August 2005 an einem von der
„Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V.“ (ASF)
durchgeführten sozialen Friedensdienst in Norwegen teil. Sie
betreute psychisch kranke Menschen bei einem örtlichen
sozialen Träger. Neben freier Unterkunft und Verpflegung
erhielt sie ein monatliches Taschengeld in Höhe von 120
EUR.
Mit Bescheid vom 28.7.2004 hob die Beklagte
und Revisionsbeklagte (Familienkasse) die Festsetzung des
Kindergeldes ab August 2004 auf, weil der von T geleistete Dienst
nicht die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst.
d des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für den streitigen
Zeitraum 2004 und 2005 geltenden Fassung erfülle. Der
Einspruch des Klägers blieb erfolglos.
Mit der Klage machte er geltend, der
mehrfach erweiterte § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG
enthalte keine abschließende Aufzählung. Die
Aufzählung sei insofern lückenhaft, als bestimmte
unentgeltlich geleistete soziale Dienste (noch) nicht gesetzlich
normiert seien. Zur Schließung dieser Lücke sei die
Regelung entsprechend auf alle Fälle auszudehnen, in denen
unterhaltsberechtigte Kinder unentgeltlich soziale Dienste im
Ausland leisteten. Zudem sei die ASF anerkannter Träger i.S.
des § 14b des Zivildienstgesetzes (ZDG). Das von T in Norwegen
absolvierte Programm orientiere sich inhaltlich an Programmen i.S.
des § 14b ZDG. Es werde nur wegen der hohen
Sozialversicherungskosten für Auslandsdienste nicht als
freiwilliges soziales Jahr im Ausland angeboten. Angesichts der
inhaltsgleichen Programme sei es mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht
zu vereinbaren, weibliche Teilnehmer im Hinblick auf die
Kindergeldberechtigung anders zu behandeln als männliche
Teilnehmer (Zivildienstleistende).
Das Finanzgericht (FG) wies mit Urteil vom
24.10.2006 6 K 1734/05 Kg (EFG 2007, 1610 = SIS 07 26 53) die Klage
ab.
Mit seiner Revision rügt der
Kläger, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG sei auf
den Streitfall analog anzuwenden, da der von T geleistete Dienst
einem Dienst im Ausland i.S. des § 14b ZDG entspreche. T sei
lediglich nicht als Kriegsdienstverweigerin anerkannt. Dies
könne eine Ungleichbehandlung aber nicht
rechtfertigen.
Der Kläger beantragt
sinngemäß, den Bescheid vom 28.7.2004 und die dazu
ergangene Einspruchsentscheidung vom 30.3.2005 aufzuheben.
Die Familienkasse beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und wird
zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ).
Zu Recht hat das FG die Gewährung von
Kindergeld abgelehnt.
1. Im Streitzeitraum 2004/2005 wird ein Kind,
welches das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 27. Lebensjahr
vollendet hat, nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2
i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
Buchst. d EStG für die Gewährung von Kindergeld
berücksichtigt, wenn es ein freiwilliges soziales Jahr im
Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen
Jahres in der Bekanntmachung der Neufassung vom 15.7.2002 (BGBl I
2002, 2596) - FSJG -, ein freiwilliges ökologisches Jahr im
Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen
ökologischen Jahres in der Bekanntmachung der Neufassung vom
15.7.2002 (BGBl I 2002, 2600) - FÖJG -, einen
Freiwilligendienst im Sinne des Beschlusses Nr. 1031/2000/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.4.2000 (Amtsblatt
der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - 2000 Nr. L 117, 1) -
EFD - oder einen anderen Dienst im Ausland i.S. von § 14b ZDG
leistet.
2. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d
EStG ist im Streitfall nicht unmittelbar anwendbar. Hiervon gehen
auch die Beteiligten aus. Die Voraussetzungen für eine
entsprechende Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d
EStG i.V.m. § 14b ZDG liegen entgegen der Auffassung des
Klägers nicht vor.
a) Eine Analogie setzt eine planwidrige
Regelungslücke voraus. Eine solche Regelungslücke liegt
vor, wenn eine Regelung gemessen an ihrem Zweck unvollständig,
d.h. ergänzungsbedürftig ist und wenn ihre Ergänzung
nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf
bestimmte Tatbestände widerspricht (ständige
Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 2.6.2005 III R 86/03, BFHE
210, 137, BStBl II 2005, 756 = SIS 05 39 63).
b) Wie das FG zutreffend ausgeführt hat,
lässt § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG keine
planwidrige Regelungslücke erkennen. Es sollen nur die Kinder
steuerrechtlich berücksichtigt werden, die einen
Freiwilligendienst leisten, der die Voraussetzungen des § 32
Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG in Verbindung mit der jeweiligen
Verweisungsnorm erfüllt.
Das Kindergeld dient der steuerlichen
Freistellung des Existenzminimums eines Kindes und, soweit es
dafür nicht erforderlich ist, der Förderung der Familie
(§ 31 Sätze 1 und 2 EStG). Ein Anspruch auf Kindergeld
besteht bis zur Volljährigkeit des Kindes
uneingeschränkt, weil der Gesetzgeber typisierend von einer
Belastung der Eltern durch Unterhaltsaufwendungen ausgeht, solange
die Kinder minderjährig sind. Volljährige Kinder werden
dagegen nur berücksichtigt, wenn sie einen der
Tatbestände des § 32 Abs. 4 und 5 EStG erfüllen, bei
denen der Gesetzgeber typisierend annimmt, dass den Eltern trotz
der Volljährigkeit Unterhaltsaufwendungen entstehen (vgl.
Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15.7.2003 VIII R 47/02, BFHE 203,
106, BStBl II 2003, 848 = SIS 03 45 49), wie z.B. bei einem
volljährigen Kind, das seine Ausbildung noch nicht beendet
hat. Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c EStG wird
daher u.a. Kindergeld gewährt, wenn sich das Kind in
Ausbildung oder in einer Übergangszeit zwischen zwei
Ausbildungsabschnitten von höchstens vier Monaten befindet
oder auf einen Ausbildungsplatz wartet, sofern seine Einkünfte
und Bezüge den maßgebenden Jahresgrenzbetrag (§ 32
Abs. 4 Satz 2 EStG) nicht übersteigen. In § 32 Abs. 4
Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG werden die im Einzelnen
aufgeführten freiwilligen Dienste der Ausbildung
gleichgestellt.
Entgegen der Auffassung des Klägers
enthält § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG keine zu
einer Analogie berechtigende ungewollte Regelungslücke. Aus
Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck der Vorschrift ergibt
sich, dass der Gesetzgeber die Kindergeldberechtigung bei
Freiwilligendiensten eines volljährigen Kindes auf die konkret
umschriebenen Dienste beschränken wollte. Die Dienste im Sinne
des FSJG und des FÖJG wie auch die EFD sind jugendpolitische
Bildungsangebote, die der beruflichen und persönlichen
Orientierung dienen. Sie werden pädagogisch begleitet und
sollen den Jugendlichen soziale, kulturelle und interkulturelle
Kompetenzen vermitteln und ihr Verantwortungsbewusstsein für
das Gemeinwohl stärken (vgl. z.B. Broschüre des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
Freiwilliges Soziales Jahr, Freiwilliges Ökologisches Jahr, 5.
Aufl. 2000; ABlEG 2000 Nr. L 217, 2). Der Gesetzgeber sieht diese
Dienste als - an Lernzielen ausgerichtete - Bildungsdienste an
(vgl. Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur
Förderung von Jugendfreiwilligendiensten, welches das FSJG und
das FÖJG zusammenfasst, BTDrucks 16/6519, 1, 12 ff.) und
ordnet sie deshalb den in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG
geregelten Tatbeständen der Ausbildung des Kindes zu (vgl.
Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach
A, I. Kommentierung, § 32 Rz 86).
Da bei diesen Diensten aber in der Regel keine
Kenntnisse und Fähigkeiten für den angestrebten Beruf
vermittelt werden, sondern die pädagogische Begleitung und die
vorgeschriebenen Seminare überwiegend der
Persönlichkeitsbildung und Orientierung der Jugendlichen
dienen, ist es verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten, das
Existenzminimum eines Kindes, das einen solchen Dienst leistet, bei
den Eltern von der Einkommensteuer freizustellen. Der Gesetzgeber
fördert diese Dienste unter anderem durch die
(Weiter-)Gewährung von Kindergeld (vgl. z.B. § 4 FSJG,
§ 4 FÖJG), um einen Anreiz für die Leistung solcher
Dienste zu schaffen und die damit verbundenen Nachteile
auszugleichen (vgl. BTDrucks 16/6519, 12). Es liegt im Rahmen
seines Gestaltungsspielraums, nur solche Dienste durch die
Gewährung von Kindergeld zu fördern, bei denen durch die
pädagogische Begleitung die mit der Förderung verfolgten
Ziele gewährleistet werden.
Von den ausbildungsähnlichen Diensten
nach dem FSJG und FÖJG sowie den EFD sind die Dienste im
Ausland i.S. des § 14b ZDG zu unterscheiden, die keine
pädagogische Begleitung erfordern und deren Absolvierung nur
bei Söhnen zu einem Kindergeldanspruch führen kann. Nach
§ 14b Abs. 1 ZDG werden anerkannte Kriegsdienstverweigerer
unter weiteren Voraussetzungen nicht zum Zivildienst herangezogen,
wenn sie unentgeltlich einen Dienst im Ausland leisten, der das
friedliche Zusammenleben der Völker fördern will und der
von einem nach § 14b Abs. 3 ZDG anerkannten Träger
durchgeführt wird. Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst.
d EStG i.V.m. § 14b ZDG zu berücksichtigen sind daher
lediglich nach § 1 des Wehrpflichtgesetzes (WpflG) zum
Wehrdienst verpflichtete Kinder (nur Männer vom vollendeten
18. Lebensjahr an), die aufgrund ihrer Anerkennung als
Kriegsdienstverweigerer nach § 3 WpflG ihre Wehrpflicht durch
den Zivildienst zu erfüllen haben und anstelle des
Zivildienstes einen Dienst im Ausland i.S. des § 14b ZDG
leisten. Aus der Bezugnahme auf das ZDG wird deutlich, dass der
Gesetzgeber Dienste im Ausland zur Förderung des friedlichen
Zusammenlebens der Völker nur dann als Tatbestand zur
Gewährung von Kindergeld anerkennen will, wenn dieser Dienst
anstelle des Zivildienstes geleistet wird. Andere Kinder, die einen
vergleichbaren Dienst leisten, sollen ersichtlich nicht
berücksichtigt werden.
3. Die Regelung ist nach der Überzeugung
des Senats verfassungsgemäß, so dass weder eine Vorlage
an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art. 100 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG) noch eine verfassungskonforme Auslegung in
Betracht kommt.
Entgegen der Auffassung des Klägers
verstößt § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG
nicht gegen Art. 3 Abs. 2 GG („Männer und Frauen sind
gleichberechtigt“) oder gegen Art. 3 Abs. 3 GG
(„Niemand darf wegen seines Geschlechtes ... benachteiligt
oder bevorzugt werden.“). Denn die unterschiedliche
Behandlung knüpft nicht an das Geschlecht an, sondern daran,
dass ein Kind zum Wehrdienst bzw. zum Zivildienst herangezogen
wird. Daher erhält der Kindergeldberechtigte auch für
einen Sohn, der einen Friedensdienst im Ausland leistet, nur dann
Kindergeld, wenn dieser den Friedensdienst anstelle des
Zivildienstes leistet, nicht aber, wenn er nicht einberufen wird
und deshalb auch nicht zum Zivildienst verpflichtet ist oder wenn
er den Friedensdienst zusätzlich zum Zivildienst erbringt
(vgl. Senatsurteil vom 17.12.2008 III R 62/06, BFH/NV 2009, 747 =
SIS 09 12 47).
Im Übrigen wäre eine auf der
Wehrpflicht beruhende unterschiedliche Behandlung von Söhnen
und Töchtern mit Art. 3 Abs. 2 oder Abs. 3 GG vereinbar. Denn
nach Art. 12a Abs. 1 GG dürfen nur Männer der allgemeinen
Wehrpflicht unterworfen und nur Wehrpflichtige, die aus
Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigern,
zum Zivildienst verpflichtet werden (Art. 12a Abs. 2 GG). Da Art.
12a GG den gleichen verfassungsrechtlichen Rang wie Art. 3 Abs. 2
und 3 GG hat, verstößt die Beschränkung der
Wehrpflicht auf Männer nicht gegen das Diskriminierungsverbot
(Urteil des BVerfG vom 13.4.1978 2 BvF 1/77 u.a., BVerfGE 48, 127;
Beschluss des BVerfG vom 27.3.2002 2 BvL 2/02, NJW 2002, 1709).
Daraus folgt, dass eine an die Wehrpflicht anknüpfende
unterschiedliche Berücksichtigung von Söhnen und
Töchtern beim Kindergeld ebenfalls verfassungsrechtlichen
Vorgaben entspräche.
Die unterschiedliche steuerrechtliche
Berücksichtigung von Kindern, die einen Friedensdienst im
Ausland leisten, verstößt auch nicht gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Einen Friedensdienst im Ausland sieht der
Gesetzgeber als eine angemessene, dem Zivildienst gleichwertige
Tätigkeit für anerkannte Kriegsdienstverweigerer an. Als
hoheitlicher staatlicher Dienst kann der Zivildienst aber nur auf
dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland geleistet werden. Deshalb
kann ein Dienst im Ausland nur durch Freistellung vom Zivildienst
berücksichtigt werden (Amtliche Begründung zu Art. 4 Nr.
5 des Gesetzes vom 13.6.1986, BRDrucks 483/85). Damit entfällt
auch der gesetzliche Anspruch auf Besoldung nach § 35 Abs. 1
ZDG i.V.m. § 2 ff. des Wehrsoldgesetzes (insbesondere
Wehrsold, Verpflegung und Unterbringung, Dienstbekleidung,
Heilfürsorge, besondere Zuwendung, Entlassungsgeld) und
gegebenenfalls Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfs nach dem
Unterhaltssicherungsgesetz (§ 78 ZDG). Da der Friedensdienst
im Ausland nach § 14b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZDG unentgeltlich zu
leisten ist, geht der Gesetzgeber davon aus, dass den Eltern
weiterhin Unterhaltsaufwendungen für den Sohn entstehen. Dies
gilt zwar für alle Eltern, deren Kinder einen Friedensdienst
im Ausland absolvieren. Die unterschiedliche Behandlung ist jedoch
dadurch gerechtfertigt, dass ein zum Wehrdienst herangezogenes
Kind, das den Kriegsdienst verweigert, zum Zivildienst oder an
dessen Stelle zu einem Friedensdienst im Ausland verpflichtet ist,
während andere Kinder - wie die Tochter des Klägers -
diesen Dienst freiwillig erbringen.