Beruflich genutzter Raum im Eigenheim, Abgrenzung zum Arbeitszimmer: 1. Ein Raum ist als häusliches Arbeitszimmer von anderen beruflich genutzten Zimmern im häuslichen Bereich abzugrenzen. - 2. Räumlichkeiten, die ihrer Ausstattung und Funktion nach nicht einem Büro entsprechen, sind auch dann nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers zuzuordnen, wenn sie ihrer Lage nach mit dem Wohnraum des Steuerpflichtigen verbunden und so in dessen häusliche Sphäre eingebunden sind. - 3. Ist eine Zuordnung zum Typus des häuslichen Arbeitszimmers nicht möglich, sind die durch die berufliche Nutzung veranlassten Aufwendungen grundsätzlich unbeschränkt als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar. - Urt.; BFH 26.3.2009, VI R 15/07; SIS 09 16 13
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer
veranlagt. Der Kläger ist als Diplom-Ingenieur für die
Firma A (Arbeitgeber) nichtselbständig tätig. Er ist dort
für die Beratung, den Verkauf und die Betreuung
zuständig. Seine Tätigkeit führt er
ausschließlich von seinem Wohnsitz aus. Dabei handelt es sich
um ein Zweifamilienhaus in der Größe von 216 qm, dessen
Obergeschoss die Kläger zu Wohnzwecken nutzen.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr (2003) machten die Kläger neben Kosten
für Arbeitsmittel (2.310 EUR) auch Aufwendungen für ein
Arbeitszimmer in Höhe von 3.325 EUR als Werbungskosten bei den
Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit
geltend. Bei dem Arbeitszimmer handelt es sich um die im
Erdgeschoss des Zweifamilienhauses gelegenen Räume. Die ca. 70
qm große Etage, die bis 2001 von der Mutter des Klägers
bewohnt worden war, besteht neben einem Eingangsbereich (3,6 qm)
und Treppenhaus (8,4 qm) aus weiteren fünf Räumen,
nämlich einem Büro (15,60 qm), einem Kaminzimmer (9,45
qm), einem Besprechungszimmer (13,50 qm), einem Archiv (9,80 qm)
und einem Bad (9,90 qm).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) berücksichtigte die Kosten für das
Arbeitszimmer gemäß § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs.
5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 des Einkommensteuergesetzes in
der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) nur in Höhe von
1.250 EUR. Die Aufwendungen für Arbeitsmittel ließ das
FA in Höhe von 677 EUR zum Abzug zu. Im Einspruchsverfahren
vertraten die Kläger die Auffassung, dass die das
Arbeitszimmer betreffenden Kosten unbeschränkt abziehbar
seien, da der Kläger das gesamte Erdgeschoss
ausschließlich beruflich nutze. Anlässlich einer
Ortsbesichtigung stellte das FA fest, dass eine private Nutzung des
Erdgeschosses ausscheide. Ein überwiegender Wohncharakter sei
in den Räumen nicht erkennbar.
Das FA wies den Einspruch als
unbegründet zurück.
Die Klage hatte nur teilweise Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) ließ Aufwendungen für das
Arbeitszimmer in Höhe von 1.271 EUR zum Abzug als
Werbungskosten zu. Es kam zwar zu dem Ergebnis, dass das
häusliche Arbeitszimmer entgegen der Auffassung des FA den
Mittelpunkt der beruflichen Betätigung des Klägers
darstelle. Es sei jedoch nur bezüglich der als Büro und
Archiv bezeichneten Räume davon überzeugt, dass diese
ganz überwiegend als Arbeitszimmer beruflich genutzt
würden. Hinsichtlich der übrigen Zimmer habe eine
ausschließlich beruflich veranlasste Nutzung nicht
festgestellt werden können, weil diese zahlreiche
bürofremde Ausstattungsmerkmale aufwiesen, die Ausstattung
somit in ihrem Gesamtcharakter einer typischen Büroausstattung
nicht entspreche. Der Eingangsbereich und das Treppenhaus
gehörten nicht zu den als Arbeitsraum genutzten Räumen.
Denn sie dienten auch dem Zugang zum privaten Bereich im
Obergeschoss. Das Urteil des FG ist in EFG 2007, 746 = SIS 07 22 40
veröffentlicht.
Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung
des angefochtenen Urteils den Einkommensteuerbescheid 2003 vom
17.9.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5.7.2005
dahingehend zu ändern, dass zusätzliche Werbungskosten in
Höhe von 3.572 EUR bei den Einkünften des Klägers
aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt
werden.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision der Kläger ist
begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung
und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.
3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Die Feststellungen des FG ermöglichen
keine Entscheidung dazu, ob die Aufwendungen für die nicht als
häusliches Arbeitszimmer qualifizierten Räume
gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbare
Werbungskosten sind.
1. Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5
Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen
für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten
abziehen. Dies gilt nach Satz 3 der letztgenannten Vorschrift dann
nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten
betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.
a) Der Begriff des häuslichen
Arbeitszimmers ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Der
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zufolge erfasst die
Bestimmung das häusliche Büro, d.h. einen Arbeitsraum,
der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die
häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist
und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder
verwaltungstechnischer Arbeiten dient (ständige
Rechtsprechung, s. etwa BFH-Urteile vom 19.9.2002 VI R 70/01, BFHE
200, 336, BStBl II 2003, 139 = SIS 03 07 27; vom 20.11.2003 IV R
30/03, BFHE 204, 176, BStBl II 2004, 775 = SIS 04 06 09; vom
18.8.2005 VI R 39/04, BFHE 211, 447, BStBl II 2006, 428 = SIS 06 13 18; vom 22.11.2006 X R 1/05, BFHE 216, 110, BStBl II 2007, 304 =
SIS 07 07 62). Der Nutzung entsprechend ist das häusliche
Arbeitszimmer typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet,
wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale
Möbelstück darstellt (BFH-Urteile vom 16.10.2002 XI R
89/00, BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185 = SIS 03 09 01; vom
20.11.2003 IV R 3/02, BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203 = SIS 04 21 41).
Räumlichkeiten, die ihrer Ausstattung und
Funktion nach nicht einem Büro entsprechen, sind auch dann
nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers zuzuordnen, wenn
sie ihrer Lage nach mit dem Wohnraum des Steuerpflichtigen
verbunden und deswegen in dessen häusliche Sphäre
eingebunden sind. Dies trifft u.a. auf als Lager, Werkstatt,
Arztpraxis oder Ausstellungsraum genutzte Räume zu
(BFH-Urteile vom 19.3.2003 VI R 40/01, BFH/NV 2003, 1163 = SIS 03 36 90; in BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139 = SIS 03 07 27; in BFHE
205, 46, BStBl II 2005, 203 = SIS 04 21 41; vom 5.12.2002 IV R
7/01, BFHE 201, 166, BStBl II 2003, 463 = SIS 03 19 04; vom
26.6.2003 VI R 10/02, BFH/NV 2003, 1560 = SIS 03 49 48; in BFHE
201, 27, BStBl II 2003, 185 = SIS 03 09 01; in BFHE 204, 176, BStBl
II 2004, 775 = SIS 04 06 09). Im Einzelfall ist das häusliche
Arbeitszimmer von anderen beruflich oder betrieblich genutzten
Zimmern im häuslichen Bereich abzugrenzen.
b) Ob ein Raum als häusliches
Arbeitszimmer anzusehen ist, lässt sich nur aufgrund einer
Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls entscheiden
(BFH-Urteil in BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185 = SIS 03 09 01).
Ist eine Zuordnung zum Typus des häuslichen Arbeitszimmers
nicht möglich, so sind die durch die berufliche Nutzung
veranlassten Aufwendungen grundsätzlich unbeschränkt als
Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG
abziehbar. Nach allgemeinen Grundsätzen ist aber
zusätzlich erforderlich, dass die betreffenden
Räumlichkeiten nahezu ausschließlich beruflich genutzt
werden (BFH-Urteile in BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203 = SIS 04 21 41; in BFHE 216, 110, BStBl II 2007, 304 = SIS 07 07 62).
Begehrt der Steuerpflichtige den
Werbungskostenabzug für mehrere in seine häusliche
Sphäre eingebundene Räume, ist die Qualifizierung als
häusliches Arbeitszimmer grundsätzlich für jeden
Raum gesondert vorzunehmen. Eine gemeinsame Qualifizierung kommt
dann in Betracht, wenn die Räume eine funktionale Einheit
bilden. Diese liegt aber nur vor, wenn verschiedene Räume
nahezu identisch genutzt werden (BFH-Urteile in BFHE 204, 176,
BStBl II 2004, 775 = SIS 04 06 09; in BFHE 205, 46, BStBl II 2005,
203 = SIS 04 21 41). Insoweit kann insbesondere auch ein als Archiv
genutzter Raum unter Berücksichtigung seiner Ausstattung, Lage
und Funktion als Teil des häuslichen Arbeitszimmers anzusehen
sein (BFH-Urteil in BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139 = SIS 03 07 27).
2. Das FG ist teilweise von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen, die Vorentscheidung ist daher
aufzuheben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif.
a) Das FG ist aufgrund der Würdigung
aller maßgeblichen Umstände zu dem Ergebnis gekommen,
dass der Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung des
Klägers zu Hause ist. Diese dem FG obliegende
Tatsachenwürdigung (vgl. dazu Schmidt/ Drenseck, EStG, 27.
Aufl., § 19 Rz 60 Stichwort Arbeitszimmer) lässt keinen
Rechtsfehler erkennen; sie ist daher für den Senat bindend
(§ 118 Abs. 2 FGO).
Nach den weiteren Feststellungen des FG, die
von den Klägern insoweit nicht in Frage gestellt werden, sind
die nicht als häusliches Arbeitszimmer gewerteten und noch
strittigen Räume nicht mit typischen Büromöbeln
ausgestattet und erfüllen deshalb jeweils nicht die Funktion,
die typischerweise einem häuslichen Arbeitszimmer zukommt, so
dass ein Abzug der entsprechenden Kosten nach § 9 Abs. 5
i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG ausscheidet. Die
Feststellungen des FG erlauben aber keine Entscheidung dazu, ob die
auf diese Räume entfallenden Aufwendungen gemäß
§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar sind. Dieser Frage ist das FG
nicht nachgegangen.
b) Wie dargestellt, kommt eine gemeinsame
Qualifizierung mehrerer Räume als häusliches Arbeitzimmer
nur in Betracht, wenn die Räume eine funktionale Einheit
bilden. Das ist hier nicht der Fall. Der Senat kann allerdings
nicht beurteilen, ob die in Frage stehenden Zimmer, wie von den
Klägern geltend gemacht, anderweitig so gut wie
ausschließlich beruflich, d.h. insbesondere für
Kundenpräsentationen und Kundengespräche, genutzt werden.
Das FG wird im zweiten Rechtsgang entsprechende Feststellungen zu
treffen haben. Dabei wird u.a. zu berücksichtigen sein, dass
Zeiten der Nichtnutzung nicht der außerberuflichen Nutzung
zugerechnet werden dürfen (BFH-Urteile in BFHE 205, 46, BStBl
II 2005, 203 = SIS 04 21 41; in BFHE 201, 166, BStBl II 2003, 463 =
SIS 03 19 04).
Zur Ermittlung der entscheidungserheblichen
Tatsachen kann sich das FG aller verfahrensrechtlich
zulässigen Beweismittel bedienen. Die Feststellungslast
tragen, soweit es um den Aspekt der beruflichen Nutzung der
Räume geht, die Kläger, denn es handelt sich im Hinblick
auf den begehrten Abzug der durch die Nutzung veranlassten
Werbungskosten um eine steuermindernde Tatsache (BFH-Urteil in BFHE
216, 110, BStBl II 2007, 304 = SIS 07 07 62). Die Feststellungslast
für eine mehr als unerhebliche außerberufliche Nutzung
trägt indes die Finanzbehörde (BFH-Urteil in BFHE 201,
166, BStBl II 2003, 463 = SIS 03 19 04).
c) Wird festgestellt, dass die noch im Streit
befindlichen Räume so gut wie ausschließlich beruflich
genutzt werden, sind die durch die Nutzung veranlassten
Aufwendungen einschließlich der noch im Streit befindlichen
Kosten für die Arbeitsmittel als Werbungskosten abziehbar.
Für die Berechnung der Raumkosten sind grundsätzlich die
nicht unmittelbar zuzuordnenden Kosten im Verhältnis der
Fläche dieser Räume zur Gesamtwohnfläche des
Gebäudes unter Außerachtlassung der auf die
häuslichen Arbeitszimmer entfallenden Fläche zu
verteilen. Allerdings wird das FG zu prüfen haben, ob in
Abhängigkeit vom Umfang der Nutzung der Räume für
die variablen Kosten ein anderer Aufteilungsmaßstab
erforderlich ist.