Umlaufvermögen, vor dem 1.1.2005 ausgeführte Umsätze, Vorsteuerberichtigung: Für vor dem 1.1.2005 ausgeführte Umsätze, die zur Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern führen, die nur einmalig zur Ausführung eines Umsatzes verwendet werden ("Umlaufvermögen"), besteht auch unter Berücksichtigung von Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG kein Anspruch auf Vorsteuerberichtigung nach § 15 a UStG. - Urt.; BFH 12.2.2009, V R 85/07; SIS 09 15 29
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) betreibt seit 2001 einen landwirtschaftlichen
Betrieb, dessen Umsätze zunächst der Besteuerung nach den
Durchschnittssätzen des § 24 des Umsatzsteuergesetzes
1999 (UStG 1999) unterlagen. Mit Wirkung zum Beginn des Streitjahrs
2003 erklärte der Kläger gemäß § 24 Abs.
4 UStG, dass seine Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften
des UStG besteuert werden sollen. Im Rahmen einer
Außenprüfung machte der Kläger neben weiteren
Vorsteuerberichtigungen auch eine Vorsteuerberichtigung für
Gegenstände des Umlaufvermögens
„Feldinventar“ geltend, die er im Jahr 2002 für
die einmalige Ausführung von Umsätzen erworben hatte. Es
handelte sich dabei um Saatgut, Düngemittel,
Pflanzenschutzmittel, sonstige Spezialaufwendungen, Maschinenmiete
und Lohnarbeiten sowie um Treib- und Schmierstoffe. Gegen den
aufgrund der Betriebsprüfung ergangenen
Umsatzsteueränderungsbescheid 2003 vom 9.2.2006, der die vom
Kläger hierfür geltend gemachte Vorsteuerberichtigung in
Höhe von 2.565,78 EUR nicht enthielt, legte der Kläger
erfolglos Einspruch ein.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Zwar könne der Kläger die Vorsteuerberichtigung für
Umlaufvermögen nicht nach § 15a UStG beanspruchen. Der
Klageanspruch sei aber nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten
Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche
steuerpflichtige Bemessungsgrundlage - (Richtlinie 77/388/EWG)
begründet.
Das Urteil des FG ist in EFG 2008, 262
(vgl. SIS 08 06 72) veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt der Beklagte
und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) Verletzung
materiellen Rechts. Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG sei
nicht einschlägig. Als spezielle Bestimmung sei Art. 20 Abs. 6
der Richtlinie 77/388/EWG zu beachten. Beiden Bestimmungen komme
keine unmittelbare Wirkung zu.
Das FA beantragt sinngemäß, das
Urteil des FG aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2003 vom
9.2.2006 in Form der Einspruchsentscheidung vom 14.5.2007 zu
bestätigen.
Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG
stelle nicht das „Ob“ sondern nur das „Wie“
der Berichtigung in das Ermessen der Mitgliedstaaten. Die
Bestimmung sei nicht auf Wirtschaftsgüter des
Anlagevermögens beschränkt. Es komme eine analoge
Anwendung des § 15a UStG a.F. in Betracht. Der Wechsel der
Besteuerungsform stelle auch im Hinblick auf das
Umlaufvermögen eine geänderte Verwendungsabsicht
dar.
II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ), da dem Kläger ein Anspruch
auf Vorsteuerberichtigung für die im Jahr 2002 angeschafften
Gegenstände des Umlaufvermögens weder nach § 15a
UStG noch - entgegen der Auffassung des FG - nach
Gemeinschaftsrecht zusteht.
1. Das FG geht zu Recht davon aus, dass die
Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a
UStG im Streitjahr 2003 nicht vorlagen.
a) Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG in der
im Streitjahr geltenden Fassung war, wenn sich bei einem
Wirtschaftsgut innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der
erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen
Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse änderten,
für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch
eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder
Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen.
Diese Vorschrift erfasst nur die Änderung der für den
Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse bei
Gegenständen des Anlagevermögens, nicht aber auch bei
Gegenständen des Umlaufvermögens (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20.12.2001 V R 8/98, BFHE 197, 347,
BStBl II 2002, 557 = SIS 02 05 31), um die es im Streitfall
geht.
b) Ein Anspruch auf Vorsteuerberichtigung
ergibt sich auch nicht aus § 15a Abs. 2 Satz 1 UStG 2005.
Danach ist eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs vorzunehmen, wenn
sich bei einem Wirtschaftsgut, das nur einmalig zur Ausführung
eines Umsatzes verwendet wird, die für den ursprünglichen
Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse ändern.
Zwar erfasst diese Vorschrift auch die bei Gegenständen des
Umlaufvermögens eintretende Änderung der
Verhältnisse. Die Vorschrift ist jedoch nach § 27 Abs. 11
UStG 2005 nur auf Vorsteuerbeträge anzuwenden, deren zugrunde
liegende Umsätze anders als im Streitfall erst nach dem
31.12.2004 ausgeführt wurden.
2. Entgegen der Auffassung des FG kann sich
der Kläger für die Vorsteuerberichtigung nicht auf Art.
20 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG berufen.
a) Nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. a der
Richtlinie 77/388/EWG setzt die Vorsteuerberichtigung voraus, dass
der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen
Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt ist. Nach Art. 20 Abs. 1
Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG ist der Vorsteuerabzug zu
berichtigen, „wenn sich die Faktoren, die bei der
Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrages berücksichtigt werden,
nach Abgabe der Erklärung geändert haben“. Der
Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, ob diese
Voraussetzungen vorliegen, insbesondere ob der Übergang von
der Besteuerung nach Durchschnittssätzen zur Regelbesteuerung
im Hinblick auf die für Umlaufvermögen entstandenen
Vorsteuerbeträge zu einer Änderung der bei der
Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrages berücksichtigten
Faktoren führt. Denn die Vorsteuerberichtigung nach Art. 20
Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 77/388/EWG steht unter dem
Vorbehalt der „von den Mitgliedstaaten festgelegten
Einzelheiten“. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom
12.6.1997 V R 36/95 (BFHE 182, 462, BStBl II 1997, 589 = SIS 97 17 51) entschieden hat, handelt es sich bei Art. 20 Abs. 1 der
Richtlinie 77/388/EWG im Hinblick auf die den Mitgliedstaaten
danach zustehende Regelungsbefugnis nicht um eine Bestimmung, die
einen Anwendungsvorrang zugunsten des Steuerpflichtigen
begründet, da sie weder inhaltlich unbedingt noch hinreichend
genau ist, sondern den Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum bei
ihrer Umsetzung in das nationale Recht belässt.
b) Weiter ist zu berücksichtigen, dass
die Mitgliedstaaten nach Art. 20 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG
die erforderlichen Bestimmungen erlassen können, um zu
gewährleisten, dass dem Steuerpflichtigen beim Übergang
von der normalen Mehrwertsteuerregelung zu einer Sonderregelung
oder umgekehrt weder ungerechtfertigte Vorteile noch
ungerechtfertigte Nachteile entstehen. Im nationalen Recht besteht
hierzu eine ausdrückliche Regelung erstmals seit Inkrafttreten
des § 15a Abs. 7 UStG 2005, wonach eine Änderung der
Verhältnisse i.S. von § 15a Abs. 1 bis 3 UStG auch beim
Übergang von der allgemeinen Besteuerung zur
Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG und umgekehrt
vorliegt, wobei auch diese Vorschrift gemäß § 27
Abs. 11 UStG 2005 nur auf Vorsteuerbeträge anzuwenden ist,
deren zugrunde liegende Umsätze nach dem 31.12.2004
ausgeführt wurden.
Zwar hat der Senat bereits vor Inkrafttreten
des UStG 2005 die Anwendung der im Streitjahr für
Anlagevermögen bestehenden Berichtigungsvorschrift des §
15a Abs. 1 UStG auf den Übergang von der Regelbesteuerung zur
Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG sowie für den
Umkehrfall bejaht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 16.12.1993 V R 79/91,
BFHE 173, 265, BStBl II 1994, 339 = SIS 94 12 36). Im Hinblick auf
das den Mitgliedstaaten in Art. 20 Abs. 1 und Abs. 6 der Richtlinie
77/388/EWG eingeräumte Ermessen ergibt sich aus dieser
Rechtsprechung aber beim Übergang von der
Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG zur
Regelbesteuerung kein aus dem Gemeinschaftsrecht ableitbarer
Anspruch auf Vorsteuerberichtigung für Wirtschaftsgüter
des Umlaufvermögens.
c) Entgegen der Auffassung des Klägers
kommt eine analoge Anwendung der im Streitjahr für
Anlagevermögen bestehenden Berichtigungsvorschrift des §
15a Abs. 1 UStG auf Umlaufvermögen nicht in Betracht. Dass der
nationale Gesetzgeber nach der Richtlinie bestehende
Regelungsmöglichkeiten nicht ausgeübt hat, rechtfertigt
nicht die Annahme einer für eine Analogie erforderlichen
Regelungslücke.
3. Die Sache ist spruchreif. Da dem
Kläger der geltend gemachte Berichtigungsanspruch unter keinem
denkbaren Gesichtspunkt zusteht, war die Klage abzuweisen.