Arzt, kein Vorsteuerabzug für gemischtgenutztes Gebäude: Ein Unternehmer, der ein gemischtgenutztes Gebäude zum Teil für steuerfreie Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt und zum Teil für private Wohnzwecke verwendet, hat auch für die Zeit ab dem 1.4.1999 keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten des Gebäudes (vgl. für die Zeit bis zum 1.4.1999 BFH-Urteil vom 8.10.2008 XI R 58/07). - Urt.; BFH 11.3.2009, XI R 69/07; SIS 09 13 43
I. Streitig ist, ob die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) bei Verwendung eines Teils
eines gemischtgenutzten Gebäudes für steuerfreie
Umsätze hinsichtlich der Anschaffungskosten eines zu eigenen
Wohnzwecken genutzten Gebäudeteils zum Vorsteuerabzug
berechtigt ist.
Die Klägerin war in den Streitjahren
Eigentümerin eines mit einem Gebäude bebauten
Grundstücks. Sie nutzte das Gebäude zu 74,12 % für
private Wohnzwecke und zu 25,88 % als Praxis für ihre
ärztliche Tätigkeit als Psychotherapeutin.
Am 12.3.2004 reichte die Klägerin
Umsatzsteuererklärungen u.a. für die Streitjahre 1999,
2000 und 2003 ein. Darin machte sie Vorsteuerbeträge aus den
Anschaffungskosten des Gebäudes geltend, soweit diese auf den
zu privaten Wohnzwecken genutzten Gebäudeteil
entfielen.
Mit Bescheiden vom 13.5.2004 setzte der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die
Umsatzsteuer auf jeweils 0 EUR fest. Er begründete dies damit,
dass der Klägerin wegen der Ausführung von steuerfreien
Umsätzen i.S. des § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes
1999 (UStG) kein Vorsteuerabzug zustehe und daher die private
Nutzung eines Teils des Hauses keine steuerbare unentgeltliche
Wertabgabe i.S. des § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG sei. Die
hiergegen eingelegten Einsprüche wies das FA als
unbegründet zurück.
Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Die
Voraussetzungen des § 3 Abs. 9a UStG seien nicht erfüllt.
Das Gebäude der Klägerin sei zwar dem Unternehmen
zugeordnet, habe aber nicht zum vollen oder teilweisen
Vorsteuerabzug berechtigt. Das Urteil ist in EFG 2008, 495 = SIS 08 19 07 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie trägt
hierzu vor, eine - vom Finanzgericht (FG) angenommene -
Abhängigkeit des Vorsteuerabzugs von dem Vorsteuerabzug des
betrieblich genutzten Gebäudeteils sei nicht aus § 3 Abs.
9a Satz 1 Nr. 1 UStG herzuleiten.
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben sowie die
Bescheide vom 13.5.2004 in Form der Einspruchsentscheidung vom
14.9.2004 dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer
für 1999, 2000 und 2003 gemäß dem Klagebegehren
festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die
Verwendung eines Gebäudeteils zu privaten Wohnzwecken im
Streitfall kein Recht auf Abzug von Vorsteuern eröffnet.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG
kann ein Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG
gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige
Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen
ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.
Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist vom
Vorsteuerabzug ausgeschlossen die Steuer für die Lieferungen
sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur
Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet.
1. Im Streitfall war die Klägerin bei der
Anschaffung des Gebäudes nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt,
weil die (beabsichtigte) unternehmerische Nutzung für die
Tätigkeit als Ärztin gemäß § 4 Nr. 14
Satz 1 UStG steuerfrei war. Der Vorsteuerabzug für
hierfür bezogene Leistungen ist daher nach § 15 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen.
2. Auch die teilweise Nutzung des
Gebäudes zu privaten Wohnzwecken berechtigt nicht zum
Vorsteuerabzug.
Nach Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie
77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
(Richtlinie 77/388/EWG) ist der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug
befugt, „soweit die Gegenstände und Dienstleistungen
für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet
werden“.
Der Senat hat zu einem Sachverhalt, der mit
dem des Streitfalls vergleichbar ist, mit Urteil vom 8.10.2008 XI R
58/07 (BFH/NV 2009, 519 = SIS 09 05 12) entschieden, dass eine
teilweise Nutzung zu privaten Wohnzwecken keinen Anspruch auf
Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten des Gebäudes
begründet, wenn die Umsätze aus der unternehmerischen
Nutzung steuerfrei sind. Denn dann führt auch die Nutzung zu
privaten Wohnzwecken nicht zu einem „besteuerten
Umsatz“. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird
zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt dieses Urteils
Bezug genommen.
Für den Streitfall ergibt sich ein
anderes Ergebnis nicht daraus, dass in dem BFH-Urteil in BFH/NV
2009, 519 = SIS 09 05 12 die Privatnutzung zu einem nach § 4
Nr. 28 Buchst. b UStG 1993 steuerfreien Eigenverbrauch i.S. des
§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b UStG 1993 geführt hatte
und die letztgenannte Vorschrift mit Wirkung ab dem 1.4.1999
aufgehoben worden ist (vgl. Art. 7 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb
i.V.m. Art. 18 Abs. 2 des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002
vom 24.3.1999 - StEntlG 1999/2000/2002 -, BGBl I 1999, 402).
Denn auch nach dem ab 1.4.1999
maßgeblichen Recht für die Streitjahre 1999, 2000 und
2003 führt die Nutzung zu privaten Wohnzwecken nicht zu einem
besteuerten Umsatz i.S. des Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie
77/388/EWG, wenn die unternehmerische Nutzung steuerfrei ist.
Gemäß § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1
UStG wird einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt
„die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten
Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug
berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die
außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten
Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten
vorliegen“. Die Vorschrift gilt mit Wirkung ab dem
1.4.1999 (vgl. Art. 7 Nr. 2 Buchst. c i.V.m. Art. 18 Abs. 2 StEntlG
1999/2000/2002).
Sie beruht auf Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a
der Richtlinie 77/388/EWG. Danach werden den Dienstleistungen gegen
Entgelt gleichgestellt „die Verwendung eines dem
Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf
des Steuerpflichtigen ... oder allgemein für
unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder
teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat“.
Danach führt - wie der Senat bereits in
seinem Urteil in BFH/NV 2009, 519 = SIS 09 05 12 entschieden hat -
die unentgeltliche Nutzung eines unternehmerischen Gegenstands
für den privaten Bedarf nur unter der Voraussetzung zu einem
„besteuerten Umsatz“ i.S. des Art. 17 Abs. 2 der
Richtlinie 77/388/EWG, dass der verwendete Gegenstand bei seinem
Erwerb oder seiner Herstellung wegen der beabsichtigten
unternehmerischen Nutzung zum Abzug der Vorsteuerbeträge
berechtigt hat.
Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt,
wenn die Umsätze aus der unternehmerischen Verwendung - wie im
Streitfall - steuerfrei sind.