Nichtselbständige Arbeit, Liebhaberei: 1. Die Einkunftserzielungsabsicht kann auch bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit fehlen, so dass von einer einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Liebhaberei auszugehen ist. - 2. Beurteilungseinheit für die Überschusserzielungsabsicht bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ist das einzelne Dienstverhältnis. Fiktive weitere Einkünfte aus anderen Beschäftigungsverhältnissen, die sich im Anschluss an das jeweilige Dienstverhältnis ergeben könnten, sind für die Totalüberschussprognose nicht zu berücksichtigen. - 3. In die Totalüberschussprognose ist das zu erwartende Ruhegehalt des Steuerpflichtigen und eine etwaige Hinterbliebenenversorgung seines Ehegatten mit den nach der aktuellen Sterbetafel des Statistischen Bundesamts zu bestimmenden und nicht abzuzinsenden Verkehrswerten einer lebenslänglichen Leistung einzubeziehen. - Urt.; BFH 28.8.2008, VI R 50/06; SIS 08 44 53
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) wurden im Streitjahr (...) als Ehegatten zur
Einkommensteuer zusammenveranlagt. ...
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) setzte die Einkommensteuer für das
Streitjahr zunächst mit 0 DM fest, weil er der Einkommensteuererklärung der Kläger
folgte. Darin hatte der Kläger vorweggenommene Werbungskosten
in Höhe von insgesamt ... DM bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit
geltend gemacht, die zu einem negativen Gesamtbetrag der
Einkünfte führten.
Nach einer Außenprüfung erging
der von den Klägern angefochtene geänderte
Einkommensteuerbescheid.
II. Die Revision ist begründet; das
angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht (FG)
zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zu Recht hat das FG von einer
Besteuerung des Spekulationsgewinns abgesehen; seine Entscheidung
zur Einkunftserzielungsabsicht hält einer revisionsrechtlichen
Prüfung jedoch nicht stand.
1. Soweit das FG der Klage hinsichtlich der
Spekulationsgewinne stattgegeben hat, entspricht dies den
Folgerungen, die die Finanzverwaltung aus dem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 9.3.2004 2 BvL 17/02 (BVerfGE 110,
94, BStBl II 2005, 56 = SIS 04 13 59) gezogen hat. Danach
nämlich ist in anhängigen gerichtlichen Verfahren ein
Änderungsbescheid zu erlassen und eine Besteuerung der
Einkünfte aus privaten
Wertpapierveräußerungsgeschäften
rückgängig zu machen (Schreiben des Bundesministeriums
der Finanzen - BMF - vom 19.3.2004 IV D 2 - S 0338 - 11/04, BStBl I
2004, 361 = SIS 04 13 65).
2. Mit dem FG geht der erkennende Senat weiter
davon aus, dass es auch bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit an der
Einkunftserzielungsabsicht fehlen kann und daher von einer
einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Liebhaberei auszugehen ist
(gl.A. Raupach/Schencking in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, §
2 EStG Rz 444, m.w.N.). Zutreffend ist die Vorinstanz ferner davon
ausgegangen, dass die nicht durch das angestrebte ...amt
veranlassten Aufwendungen dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes unterliegen und daher nicht in die
erforderliche Überschussprognose einzubeziehen waren. Dies
gilt sowohl für die Aufwendungen, deren berufliche
Veranlassung vom Kläger nicht nachgewiesen werden konnte, als
auch für die Beträge, die erst nach dem Zeitpunkt des
Verzichts auf das angestrebte Amt aufgewendet wurden.
Waren danach die
übrigen Aufwendungen von ... DM nur abziehbar, wenn der
Kläger die Absicht hatte, durch die Erzielung von
Einkünften aus der ...tätigkeit einen Überschuss zu
erzielen, so erforderte dies nach den Grundsätzen der
Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom
25.6.1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 = SIS 84 21 08) objektiv eine Totalüberschussprognose und subjektiv die
Feststellung, dass der Kläger die Verluste nicht aus
persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen hat. Die
Vorentscheidung beruht zwar auf einer negativen
Überschussprognose. Diese hält einer rechtlichen
Prüfung jedoch nicht stand. Im
Übrigen fehlt es völlig an Feststellungen zu
persönlichen Gründen oder Neigungen des Klägers in
Bezug auf sein Ausgabeverhalten, so dass der Senat auch insoweit
nicht abschließend beurteilen kann, ob der Kläger mit
Überschusserzielungsabsicht gehandelt hat.
a) Da im Streitfall
nur der Abzug vorweggenommener Werbungskosten begehrt wird, setzt
sich der für die Prüfung der
Überschusserzielungsabsicht maßgebliche erzielbare
Totalüberschuss allein aus den künftig zu erwartenden
laufenden Einnahmen und Ausgaben aus der angestrebten
...tätigkeit zusammen. Zutreffend ist das FG insoweit davon
ausgegangen, dass der Überschussprognose nur das Gehalt und
die weiteren Gehaltsbestandteile (Zulagen, Ortszuschlag und
Dienstaufwandsentschädigung) und die dem Amtsinhaber
zustehenden ...gelder zu Grunde zu legen sind. Zu Recht hat es das
FG auch abgelehnt, fiktive weitere Einkünfte aus anderen
Beschäftigungsverhältnissen in die Prognose
einzubeziehen, die sich im Anschluss an eine ...tätigkeit
ergeben könnten. Ein hinreichend konkreter
Veranlassungszusammenhang zu solchen Einkünften besteht nicht.
Entgegen der Auffassung der Kläger kann daher
Beurteilungseinheit für die Überschusserzielungsabsicht
bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nur das
einzelne Dienstverhältnis sein (gl.A. Raupach/Schencking in
HHR, § 2 EStG Rz 390 und 444).
b) Da eine
Totalüberschussprognose zu stellen ist, gehen die Beteiligten
im Übrigen zutreffend davon aus, dass auch das zu erwartende
Ruhegehalt aus der angestrebten ...tätigkeit in die
Zukunftsbetrachtung einzubeziehen war. Allerdings ist der Wert der
mit Vollendung des ... Lebensjahrs zu zahlenden Pension weder nach
§ 14 des Bewertungsgesetzes (BewG) i.V.m. Anlage 9 zum BewG zu
ermitteln, noch abzuzinsen.
Zu Recht haben die
Kläger darauf hingewiesen, dass die Tabelle in Anlage 9 zum
BewG zur Berechnung des Kapitalwerts einer Pension nicht in
Betracht kommt. Bei § 14 BewG handelt es sich
nämlich um eine Vorschrift zur Ermittlung des Steuerwerts
einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung, die keinen
Rechtsgedanken enthält, der auch bei der Bestimmung des
Verkehrswerts einer lebenslänglichen Leistung auf einen
bestimmten Stichtag zu beachten wäre (so BFH-Urteile vom
15.6.1956 III 156/54 U, BFHE 63, 143, BStBl III 1956, 252 = SIS 56 01 77, und vom 17.10.2001 II R 72/99, BFHE 196, 296, BStBl II 2002,
25 = SIS 02 02 24, m.w.N.). Sie ist auch deshalb zur Bestimmung des
Verkehrswerts einer lebenslänglichen Leistung ungeeignet, weil
sie auf einer veralteten Sterbetafel
beruht. Anzuwenden ist daher die aktuelle Sterbetafel des
Statistischen Bundesamtes, die für das Streitjahr einen
Vervielfältiger von ... und damit auch einen höheren Wert
bei vollendetem .... Lebensjahr ausweist (Statistisches Jahrbuch
2000 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 74), als den, der
von den Klägern zu Grunde gelegt wurde.
Zu Recht haben sich die Kläger auch gegen
eine Abzinsung des Werts der Pension gewandt. Der erkennende Senat
folgt insoweit der Rechtsprechung des X. Senats des BFH, wonach der
Totalüberschussprognose keine abgezinsten Werte zu Grunde zu legen sind (BFH-Urteil
vom 15.12.1999 X R 23/95, BFHE 190, 460, BStBl II 2000, 267 = SIS 00 04 81). Mit der Berücksichtigung abgezinster Werte
in solchen Fällen würde das Nominalwertprinzip
unterlaufen, weil Einnahmen und Ausgaben nicht (unabhängig von
ihrer zeitlichen Zuordnung) mit derselben Maßgröße
erfasst würden.
c) Bei der Feststellung der
Überschusserzielungsabsicht des Klägers war
schließlich auch ein etwaiges Ruhegehalt der Klägerin zu
berücksichtigen. Ihr Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung
ist ebenfalls Ausfluss des angestrebten ...amts und damit Teil der
Beurteilungseinheit „Arbeitsverhältnis“.
Entgegen der Auffassung des FA gibt es keinen Grundsatz, wonach die
Überschussprognose personenbezogen durchzuführen sei.
Für die Beurteilung der Einkunftserzielungsabsicht ist allein
der aus dem jeweiligen Dienstverhältnis realisierbare
Totalüberschuss entscheidend, so dass die Überschuss-
bzw. Totalgewinnprognose auch subjektübergreifend
durchzuführen ist, wenn dies wirtschaftlich geboten ist. So
ist die Prognose des Totalgewinns bei sog. Generationenbetrieben in
der Land- und Forstwirtschaft auch auf den Rechtsnachfolger
auszudehnen (BFH-Urteil vom 24.8.2000 IV R 46/99, BFHE 192, 542,
BStBl II 2000, 674 = SIS 00 14 20, unter 3.a). Diese
subjektübergreifende Sicht der Totalgewinnprognose hat der IV.
Senat des BFH in seiner jüngsten Entscheidung zur
Gewinnerzielungsabsicht bei einem landwirtschaftlichen Pachtbetrieb
bestätigt (BFH-Urteil vom 11.10.2007 IV R 15/05, BFHE 219,
508, BStBl II 2008, 465 = SIS 08 17 92). Ebenso ist bei den
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch die
mögliche Nutzung durch unentgeltliche Rechtsnachfolger des
Steuerpflichtigen in die Überschussprognose mit einzubeziehen
(BFH-Urteil vom 6.11.2001 IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II 2002,
726 = SIS 02 03 94, unter II.1.e cc). Auch die unter Ehegatten
übliche Vereinbarung von Hinterbliebenenversorgungen bei der
Begründung von Rentenansprüchen eines Ehegatten gebietet
eine erweiterte Totalüberschussprognose (BFH-Urteil vom
16.9.2004 X R 29/02, BFHE 208, 129, BStBl II 2006, 234 = SIS 05 12 83). Nichts anderes kann daher im Streitfall gelten, in dem eine
Hinterbliebenenversorgung gesetzlich vorgesehen ist und angesichts
der höheren Lebenserwartung der um zwei Jahre jüngeren
Klägerin auch mit der für eine Prognose ausreichenden
Wahrscheinlichkeit beansprucht werden könnte.
d) Allerdings sind bei der von der Revision
dargelegten positiven Totalüberschussprognose keine
Aufwendungen berücksichtigt, die während der
Ausübung des ...amts und amtsbezogen danach anfallen
könnten. Diese Aufwendungen hatte das FG ausdrücklich
außer Acht gelassen. Zu Unrecht folgert das FA jedoch daraus,
dass ein Totalüberschuss von ... DM ohne Weiteres durch den
Ansatz entsprechend hoher Werbungskosten aufgezehrt und ins
Negative verkehrt werden könne. Bei dieser Einschätzung
handelt es sich um eine bloße Vermutung, die kaum der
Lebenserfahrung entsprechen dürfte. Die gesamte Ausstattung
des Amts eines ... spricht vielmehr dafür, dass dem
Kläger nur Werbungskosten in geringem Umfang entstanden
wären, sofern man nicht von dem eher atypischen Fall einer
doppelten Haushaltsführung ausgeht.
3. Die Vorentscheidung beruht auf einer
anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann
jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Das
FG wird den dargelegten Grundsätzen folgend eine neue
Totalüberschussprognose zu erstellen haben, die auch die
mutmaßlichen Werbungskosten des Klägers einbezieht, die
ihm entstanden wären, wenn er das erstrebte Amt angetreten
hätte. Auch hierzu bedarf es konkreterer Feststellungen und
gegebenenfalls einer nachvollziehbaren Schätzung.
Sollte das FG bei erneuter Verhandlung
gleichwohl zu einer negativen Totalüberschussprognose
gelangen, so ist dem Kläger die
Überschusserzielungsabsicht nur dann abzusprechen, wenn aus
weiteren Beweisanzeichen die Feststellung möglich ist, dass er
die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner
Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder
Neigungen angestrebt hat (Beschluss des Großen Senats des BFH
in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 = SIS 84 21 08, zu C.IV.3.c bb
(1) der Entscheidungsgründe).