Rente als Gegenleistung für Grundstückserwerb: Muss der Steuerpflichtige als Kaufpreis für ein vermietetes Grundstück eine Rente auf Lebenszeit des Verkäufers leisten, so kann er nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG 1990/1997 (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG) auch dann nur den Ertragsanteil als Werbungskosten absetzen, wenn die Vertragsparteien eine Mindestlaufzeit der Rente vereinbart haben, diese aber kürzer ist als die durchschnittliche Lebensdauer des Bezugsberechtigten. - Urt.; BFH 19.8.2008, IX R 56/07; SIS 08 43 40
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt und
erzielten in den Streitjahren (1996 bis 1999) u.a. Einkünfte
aus der Vermietung eines im Jahr 1979 erworbenen bebauten
Grundstücks. Als Kaufpreis für dieses Grundstück
mussten die Kläger einen Betrag von 100.000 DM in bar leisten
und verpflichteten sich überdies zur Zahlung einer monatlichen
- wertgesicherten - Rente von 1.500 DM an die bei Abschluss des
Kaufvertrages 58-jährige Verkäuferin auf deren
Lebenszeit. Bei ihrem Ableben sollte die Rente bis zum Ablauf von
10 Jahren an ihre Erben gezahlt werden.
Die Kläger ermittelten im Rahmen ihrer
Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre den in den
Rentenzahlungen enthaltenen Zinsanteil im Wege der
Gegenüberstellung der Rentenbarwerte (Barwertminderung) und
setzten den so ermittelten Zinsanteil als Werbungskosten ab. Der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) akzeptierte
zunächst dieses Vorgehen in den unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheiden der
Streitjahre. Nach einer Außenprüfung vertrat es die
Auffassung, die Rente stelle ungeachtet der Mindestlaufzeit von 10
Jahren eine Leibrente dar mit der Folge, dass nach § 9 Abs. 1
Satz 3 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung der
Streitjahre (EStG) nur der auch den Erhöhungsbetrag aufgrund
der Wertsicherungsklausel umfassende Ertragsanteil der Rente (hier:
35 %) als Werbungskosten abziehbar sei. Dementsprechend
änderte das FA die Einkommensteuerbescheide der
Streitjahre.
Die hiergegen - nach erfolglosem Einspruch
- erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit in EFG 2008, 210,
veröffentlichtem Urteil als unbegründet ab. Die Rente sei
eine Leibrente, und zwar trotz ihrer Mindestzeit von 10 Jahren,
denn diese liege erheblich unter der durchschnittlichen Lebensdauer
der Verkäuferin. Auch der Erhöhungsbetrag der Rente sei
nur mit dem Ertragsanteil als Werbungskosten anzusetzen.
Hiergegen richtet sich die Revision der
Kläger, die sie auf Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr.
1, § 22 Nr. 1 Satz 3a EStG stützen. Eine Mindestzeitrente
mit einer Mindestzeit von 10 Jahren könne nicht einer
Leibrente gleichgesetzt werden, selbst wenn die statistische
Lebenserwartung des Berechtigten in etwa doppelt so hoch sei wie
die Mindestlaufzeit. Überdies widerspreche die Vorentscheidung
dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21.10.1999 X R 75/97
(BFHE 190, 197, BStBl II 2002, 650 = SIS 00 01 06), dem sich die
Finanzverwaltung angeschlossen habe.
Die Kläger beantragen, das
angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom 31.3.2003
aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1996
bis 1998 vom 6.3.2002 und den Einkommensteuerbescheid für das
Jahr 1999 vom 8.8.2002 dahingehend zu ändern, dass bei den
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im
Veranlagungszeitraum 1996 weitere 12.738 DM, im
Veranlagungszeitraum 1997 weitere 12.792 DM, im
Veranlagungszeitraum 1998 weitere 14.019 DM und im
Veranlagungszeitraum 1999 weitere 13.925 DM als Werbungskosten
anerkannt werden und die Einkommensteuer 1996 bis 1999 entsprechend
herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist nach § 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen, denn sie ist
unbegründet. Zutreffend hat das FG lediglich den Ertragsanteil
der Rente als Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und
Verpachtung abgesetzt.
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind
Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung
von Einnahmen, die bei der Einkunftsart abzusetzen sind, bei der
sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG). Gemäß
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG rechnen zu den Werbungskosten
u.a. auch auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende
Renten und dauernde Lasten, soweit sie mit einer Einkunftsart im
Zusammenhang stehen. Bei Leibrenten kann nur der in § 22 Nr. 1
Satz 3 Buchst. a EStG näher geregelte Ertragsanteil abgezogen
werden.
Das FG hat die strittigen wiederkehrenden
Zahlungen, die als Teil des Kaufpreises für das (vermietete)
Grundstück grundsätzlich Werbungskosten bilden,
zutreffend als Leibrente beurteilt und deshalb lediglich den
Ertragsanteil als Werbungskosten erfasst.
a) Die Rente, um die es hier geht, ist eine
Leibrente. Darunter versteht man neben weiteren, hier nicht
problematischen Bedingungen, wiederkehrende Zahlungen, die für
die Dauer der Lebenszeit einer Bezugsperson gezahlt werden
(Beschluss des Großen Senats des BFH vom 15.7.1991 GrS 1/90,
BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78 = SIS 91 22 01, unter C.II.2.;
vgl. auch § 759 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches).
Erlischt die Rente erst nach einer Mindestzeit mit dem Tod des
Berechtigten, so hängt ihre einkommensteuerrechtliche
Behandlung davon ab, ob die laufenden Zahlungen mehr von den
begrifflichen Merkmalen einer Leibrente oder mehr von denjenigen
einer (Kaufpreis)-Rate geprägt werden (BFH-Urteil vom
29.10.1974 VIII R 131/70, BFHE 114, 79, BStBl II 1975, 173 = SIS 75 00 99). Eine - wie hier - einheitliche Rente ist nicht in eine
Zeitrente und in eine durch den Ablauf der Mindestlaufzeit
aufschiebend bedingte Leibrente aufzuspalten (so zutreffend
Blümich/Stuhrmann, § 22 EStG Rz 114, m.w.N.;
Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 27. Aufl., § 22 Rz 112, m.w.N.).
Da nach den Wertungen des Gesetzes bei einer Abhängigkeit der
Laufzeit von der voraussichtlichen durchschnittlichen Lebensdauer
der Bezugsperson der Ertragsanteil mittels der Tabelle zu ermitteln
ist, so auch dann, wenn die vereinbarte Mindestlaufzeit kürzer
ist als die durchschnittliche Lebensdauer (eingehend dazu P.
Fischer, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 22 Rz B
126). Denn hier ist die durch die Lebensdauer des Berechtigten
bestimmte Wagniskomponente gerade nicht zugunsten eines
vorausbestimmten Leistungsvolumens ausgeschaltet.
b) Nach diesen Grundsätzen ist die hier
streitige Rente eine Leibrente, so dass lediglich - wie geschehen -
der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG bestimmte
Ertragsanteil als Werbungskosten abgezogen werden kann. Die
durchschnittliche Lebenserwartung der Bezugsberechtigten
überstieg nach von der Revision nicht angegriffenen und damit
nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG die
vereinbarte Mindestzeit um mehr als das Doppelte.
Der Abzug des Ertragsanteils nach § 22
Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG als Rechtsfolge ergibt sich zwingend
aus § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 EStG, so dass es entgegen
dem Begehren der Kläger nicht auf eine Gegenüberstellung
der Rentenbarwerte (Barwertminderung) ankommt (vgl. zu
betrieblichen Renten BFH-Urteile vom 31.8.1994 X R 58/92, BFHE 176,
333, BStBl II 1996, 672 = SIS 95 07 04, unter 7., und vom 9.2.1994
IX R 110/90, BFHE 175, 212, BStBl II 1995, 47 = SIS 94 22 06, unter
3.).
2. Entgegen der Auffassung der Revision
widerspricht diese Beurteilung - worauf auch schon das FG
hingewiesen hat - nicht dem BFH-Urteil in BFHE 190, 197, BStBl II
2002, 650 = SIS 00 01 06 (dem folgend auch das Bundesministerium
der Finanzen, Schreiben vom 16.9.2004, BStBl I 2004, 922 ff. = SIS 04 37 77, Rz 59). Denn dort stand allein die hier nicht
problematische, weil im letzteren Sinn zu beantwortende Frage im
Mittelpunkt, ob eine Vermögensübergabe gegen
Versorgungsleistungen oder nicht vielmehr ein entgeltliches
Anschaffungsgeschäft vorliegt. Der BFH hat bei der
Vereinbarung einer bestimmten Mindestdauer den Charakter als
verrentete Gegenleistung als prägend angesehen (vgl. dazu auch
P. Fischer in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 22 Rz 14).
Demgegenüber geht es im Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1
Satz 3 Nr. 1 Satz 2 EStG nur um verrentete Anschaffungskosten
(siehe Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 216, m.w.N.) und
damit lediglich um die Frage, wie der Zinsanteil dieser
Gegenleistungsrente technisch ermittelt wird.
3. Dem FG ist auch darin beizupflichten, dass
die Veräußerungsrente auch insoweit nur mit dem
Ertragsanteil als Werbungskosten abziehbar ist, als sie auf einer
Wertsicherungsklausel beruht (ständige Rechtsprechung, vgl.
BFH-Urteil vom 10.7.1990 IX R 138/86, BFH/NV 1991, 227, m.w.N.).
Deshalb ist entgegen der Revision auch der Erhöhungs- oder
Mehrbetrag nur mit dem Ertragsanteil als Werbungskosten zu
berücksichtigen.