Anteilstausch, Berücksichtigung einer Verfügungsbeschränkung: 1. Beim Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften sind Anteile, die der Tauschpartner im Gegenzug hingibt, nach dem gemeinen Wert (§ 9 BewG) zu bemessen. - 2. Eine Veräußerungsbeschränkung ist bei der Bewertung zu berücksichtigen, wenn sie im Wirtschaftsgut selbst gründet und für alle Verfügungsberechtigten gilt. - Urt.; BFH 28.10.2008, IX R 96/07; SIS 08 42 98
I. Mit Unternehmenskaufvertrag vom
25.9.1997 veräußerte die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) sämtliche Anteile (100
%) an der T GmbH (GmbH) im Nennwert von 50.000 DM an die S
Deutschland GmbH im Tausch gegen 180.000 nicht registrierte und
deshalb nicht an der Börse notierte Stammaktien der
amerikanischen Muttergesellschaft X Incorporated (X), deren Anteile
im Übrigen an der US-Börse NASDAQ gelistet waren und dort
am 25.9.1997 mit einem Kurswert von US $ 27,38 notierten. Der
Umrechnungskurs des Dollars betrug zu diesem Zeitpunkt 1,80 DM.
Nach dem Vertrag (Abschnitt 4.28 Buchstabe d) verpflichtete sich
die Klägerin, die Kaufpreisanteile ohne Registrierung nicht zu
veräußern. Hintergrund war: Veräußert wurde
nach amerikanischem Recht in Anwendung des sogenannten
„Pooling of Interests“-Verfahrens, das die
Übernahme der Anteile der GmbH durch die X
steuerbegünstigt ermöglichte. Voraussetzung hierfür
war eine Veräußerungsbeschränkung; die Anteile
(shares) unterlagen nach Rule 144 des Securities Act 1933 einer
einjährigen Veräußerungssperre.
In ihrer Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr (1997) erklärte die Klägerin
einen Veräußerungsgewinn nach § 17 des
Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG) von
5.742.671 DM, wobei sie im Hinblick auf die
Veräußerungsbeschränkung einen Abschlag zum
Börsenkurs von 65 % berücksichtigte. Dem folgte der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) nicht und
setzte nach einer Außenprüfung einen
Veräußerungsgewinn von 8.797.563 DM an.
Die Klage blieb erfolglos. In seinem in EFG
2007, 1161 = SIS 07 21 42 veröffentlichten Urteil leitete das
Finanzgericht (FG) den gemeinen Wert der als Gegenleistung für
die veräußerten Anteile empfangenen, nicht registrierten
Stammaktien aus den Kursnotierungen ab, ohne Wertabschläge
zuzulassen.
Hiergegen richtet sich die Revision der
Klägerin, die sie auf Verletzung materiellen Rechts
stützt. Zunächst sei der Veräußerungsgewinn im
Streitjahr noch nicht realisiert gewesen. Das wirtschaftliche
Eigentum sei wegen des Veräußerungshindernisses noch
nicht auf die Klägerin übergegangen; denn sie hätte
keinen Kursgewinn oder -verlust realisieren können. Selbst
wenn man vom Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ausgehe,
sei der Veräußerungsgewinn nachträglich zu
korrigieren. Ferner sei der Veräußerungspreis nach
§ 6 Abs. 6 Satz 1 EStG i.d.F. ab 1999 in analoger Anwendung zu
bewerten und daher ein Bewertungsabschlag zu machen.
Die Klägerin beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid
für das Streitjahr vom 16.1.2001 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 20.9.2004 dahin zu ändern, dass die
festgesetzte Einkommensteuer um 805.746,09 DM, die Zinsen um
84.603,39 DM und der Solidaritätszuschlag um 60.430,95 DM
ermäßigt werden.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet; das
angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuverweisen. Das FG hat
zwar zutreffend einen Veräußerungsgewinn erfasst, ihn
jedoch unter Verletzung von § 9 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 1
des Bewertungsgesetzes (BewG) falsch ermittelt.
1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG
gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb unter
weiteren, hier nicht problematischen Voraussetzungen auch der
Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer
Kapitalgesellschaft. Das Tatbestandsmerkmal der
Veräußerung verwirklicht sich in dem Zeitpunkt, in dem
die Anteile nicht mehr dem Veräußerer, sondern nach
§ 39 der Abgabenordnung (AO) dem Erwerber zuzurechnen sind
(vgl. die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH
-, z.B. Urteil vom 17.2.2004 VIII R 28/02, BFHE 205, 426, BStBl II
2005, 46 = SIS 04 23 53). Veräußerungsgewinn ist nach
§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG der Betrag, um den der
Veräußerungspreis nach Abzug der
Veräußerungskosten die Anschaffungskosten
übersteigt. Veräußerungspreis ist die Gegenleistung
des Erwerbers. Diese ist bei einem Tausch der Wert des
Wirtschaftsguts, das der Tauschende erhält, beim Tausch von
Anteilen an Kapitalgesellschaften der Wert der Anteile, die der
Tauschpartner im Gegenzug hingibt (ständige Rechtsprechung,
vgl. BFH-Urteil vom 7.7.1992 VIII R 54/88, BFHE 169, 49, BStBl II
1993, 331 = SIS 92 22 25; K. Ebling, in Festschrift für Franz
Klein, 1994, S. 801 ff., m.w.N.).
a) Der Bewertungsmaßstab richtet sich
grundsätzlich nach § 9 ff. BewG. Für eine
entsprechende Anwendung des § 8 Abs. 2 EStG ist kein Raum.
§ 8 EStG ist nur anwendbar, wenn ein Überschuss der
Einnahmen über die Werbungskosten ermittelt werden soll, nicht
aber, wenn - wie bei § 17 Abs. 2 EStG - ein Gewinn als
Differenz von Veräußerungspreis,
Veräußerungskosten und Anschaffungskosten zu bestimmen
ist. Enthält aber das Einkommensteuergesetz keine eigene
Vorschrift, so gelten nach § 1 Abs. 1 BewG die allgemeinen
Bewertungsvorschriften der §§ 2 bis 16 BewG (so auch K.
Ebling, a.a.O., S. 813; Schneider, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 17 Rz C 65; offen
gelassen in BFH-Urteil vom 1.12.1992 VIII R 43/90, BFH/NV 1993, 520
= SIS 93 13 27; unentschieden auch Gosch in Kirchhof, EStG, 8.
Aufl., § 17 Rz 185). § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG
(eingefügt durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002
vom 24.3.1999, BGBl I, 402) ist im Streitjahr nicht anwendbar (dazu
Eilers/ R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 17 EStG Rz 29,
m.w.N.). Überdies ergäbe sich daraus nichts anderes (vgl.
Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 27. Aufl., § 17 Rz 138).
b) Nicht an der Börse notierte
Stammaktien sind nach § 11 Abs. 2 BewG mit dem gemeinen Wert
zu ermitteln, der grundsätzlich vom Börsenkurs der
börsenfähigen Aktien desselben Unternehmens abzuleiten
ist (BFH-Urteile vom 9.3.1994 II R 39/90, BFHE 173, 561, BStBl II
1994, 394 = SIS 94 11 24, und vom 21.4.1999 II R 87/97, BFHE 188,
431, BStBl II 1999, 810 = SIS 99 18 41; zu möglichen
Abschlägen vgl. BFH-Urteil vom 25.8.1972 III R 33/71, BFHE
107, 303, BStBl II 1973, 46 = SIS 73 00 27, und Beschluss des FG
München vom 5.6.2002 11 V 209/02, juris = SIS 05 20 95).
Besteht - wie hier - die Verpflichtung, die erlangten Anteile eine
gewisse Zeit nicht zu veräußern, rechtfertigt sich
daraus nur dann kein Bewertungsabschlag, wenn die Voraussetzungen
des § 9 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 BewG vorliegen
(vgl. BFH-Beschluss vom 22.1.2003 VIII B 61/02, BFH/NV 2003, 755 =
SIS 03 23 98; BFH-Urteil vom 17.10.1974 IV R 223/72, BFHE 113, 456,
BStBl II 1975, 58 = SIS 75 00 36). Denn nach diesen Vorschriften
sind Verfügungsbeschränkungen unberücksichtigt zu
lassen, wenn sie in der Person des Steuerpflichtigen oder seines
Rechtsvorgängers begründet sind (vgl. dazu Knittel in
Gürsching/Stenger, BewG und VStG, § 103 BewG Rz 103, mit
Beispielen einzelner Verfügungsbeschränkungen).
Gründen Verfügungsbeschränkungen indes im
Wirtschaftsgut selbst, weil sie für alle
Verfügungsberechtigten gelten, ist § 9 Abs. 3 Satz 1 BewG
nicht anwendbar und der Minderwert ist bei der Bewertung des
belasteten Wirtschaftsguts zu berücksichtigen.
2. Nach diesen Maßstäben hat das FG
bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns unzutreffend
die Veräußerungsbeschränkung unberücksichtigt
gelassen. Deshalb ist das Urteil aufzuheben.
a) Zwar ist entgegen der Auffassung der
Revision ein Veräußerungsgewinn im Streitjahr
realisiert. Denn die veräußerten Anteile waren
ersichtlich nicht mehr der Klägerin zuzurechnen. Ihr sind die
von ihr durch Tausch erlangten Anteile an der amerikanischen
Muttergesellschaft bereits nach § 39 Abs. 1 AO zuzurechnen.
Für eine abweichende Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1
Satz 1 AO fehlen jegliche Anhaltspunkte. Allein die Verpflichtung,
die erhaltenen Anteile eine gewisse Zeit nicht zu
veräußern, schließt die Klägerin als
Eigentümerin nicht von der Einwirkung auf diese Anteile aus.
Ein Vergleich mit der Rechtsprechung des BFH zu
Arbeitnehmeroptionen geht fehl. Denn dort geht es um eine Auslegung
des hier (vgl. oben 1. a) nicht maßgeblichen § 11 Abs. 1
EStG. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH führt das
Innehaben von Ansprüchen oder Rechten den Zufluss von
Einnahmen regelmäßig noch nicht herbei (BFH-Urteil vom
23.6.2005 VI R 10/03, BFHE 209, 559, BStBl II 2005, 770 = SIS 05 35 98, - m.w.N. auf die Rechtsprechung des VI. Senats -, und vom
24.1.2001 I R 100/98, BFHE 195, 102, BStBl II 2001, 509 = SIS 01 08 94).
b) Dem FG ist aber nicht darin beizupflichten,
ein Abschlag von dem aus dem Börsenkurs abgeleiteten Wert der
Anteile sei nicht gerechtfertigt.
Nach den nicht angegriffenen Feststellungen
der Vorinstanz, die den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO binden, ist
als einzig möglicher, den Wert beeinflussender Faktor die
fehlende Registrierung der Anteile erkennbar, die zur Folge hat,
dass diese innerhalb eines Jahres nicht veräußert werden
konnten. Dies beruhte aber nicht - jedenfalls nicht
maßgeblich - auf den vertraglichen Vereinbarungen und damit
auf Umständen, die nach § 9 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 1
BewG nicht berücksichtigt werden können (vgl. dazu
BFH-Urteil vom 12.7.2005 II R 8/04, BFHE 210, 474, BStBl II 2005,
845 = SIS 05 44 27). Entscheidend hierfür war vielmehr die vom
FG festgestellte US-amerikanische Rechtslage. Die
Veräußerungsbeschränkung betraf nämlich die
Anteile (shares) selbst; sie unterlagen nach Rule 144 des
Securities Act 1933 einer einjährigen
Veräußerungssperre. Gründen diese Restriktionen
danach im Wirtschaftsgut und nicht in der Person des
Steuerpflichtigen oder seines Rechtsvorgängers, so ist
unerheblich, wenn die Vertragsparteien zusätzlich noch eine
deklaratorische Verpflichtung aufnehmen, die Anteile nicht zu
veräußern.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Weil das FG
zu Unrecht davon ausgegangen ist, die
Veräußerungsbeschränkung sei bei der Ermittlung des
gemeinen Werts nicht zu berücksichtigen, hat es - von seinem
Standpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft, inwieweit deshalb
ein Wertabschlag in Betracht kommt. Dies wird es in einer neuen
Verhandlung und Entscheidung nachzuholen haben. Es wird in diesem
Zusammenhang auch dem - unter Beweis gestellten - Vortrag
nachzugehen haben, dass die Vertragsparteien selbst bei der
Übertragung der nicht registrierten Anteile statt Geld
konkrete Wertvorstellungen für das veräußerte
Call-Center entwickelt hatten.