Antrag auf USt-Vergütung, Unterschrift, EuGH-Vorlage: Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: - 1. Ist der Begriff der "Unterschrift", der in dem Muster lt. Anhang A der Richtlinie 79/1072/EWG zur Stellung eines Antrags auf Vergütung der Umsatzsteuer gemäß Art. 3 Buchst. a dieser Richtlinie verwendet wird, ein einheitlich auszulegender gemeinschaftsrechtlicher Begriff? - 2. Falls die Frage zu 1. bejaht wird: Ist der Begriff der "Unterschrift" dahin zu verstehen, dass der Vergütungsantrag zwingend von dem Steuerpflichtigen persönlich oder bei einer juristischen Person von dem gesetzlichen Vertreter unterschrieben werden muss, oder genügt die Unterschrift eines Bevollmächtigten (z.B. eines steuerlichen Vertreters oder Arbeitnehmers des Steuerpflichtigen). - Urt.; BFH 13.8.2008, XI R 19/08; SIS 08 37 65
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine in den Niederlanden
ansässige Gesellschaft (BV). Sie beantragte am 30.6.2006 eine
Vergütung der Vorsteuerbeträge für den Zeitraum von
Januar bis Dezember 2005 auf dem dafür in der Bundesrepublik
Deutschland vorgesehenen amtlichen Vordruck. Dieser Vordruck sieht
in Feld 9 die „Eigenhändige Unterschrift und
Firmenstempel“ vor. In einem Begleitschreiben wiesen die in
der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Rechtsanwälte
der Klägerin, die in dem Vordruck auch als
Zustellungsvertreter benannt sind, darauf hin, dass der
Vergütungsantrag von ihnen im Auftrag der Mandantin
unterzeichnet worden sei. Dem Schreiben war als Anlage eine von dem
Vertretungsberechtigten der Klägerin ausgestellte
„Vollmacht für das
Vorsteuervergütungsverfahren“ beigefügt. Die
Rechtsanwälte sind darin bevollmächtigt, die
Klägerin in anhängigen und anhängig werdenden
Vorsteuervergütungsverfahren rechtsverbindlich zu
vertreten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Bundeszentralamt für Steuern - BZSt - ) lehnte den Antrag mit
der Begründung ab, dass er entgegen § 18 Abs. 9 des
Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) nicht eigenhändig
unterschrieben sei.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) folgte der Auffassung des BZSt. Es
entschied, § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG verstoße nicht gegen
Art. 3 und 6 der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom
6.12.1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren zur
Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige
Steuerpflichtige (Richtlinie 79/1072/EWG). Das der Richtlinie
79/1072/EWG als Anhang A beigefügte Muster verlange eine
„Unterschrift“. Bei zutreffender Auslegung könne
es sich dabei nur um eine eigenhändige Unterschrift handeln.
Selbst wenn dies anders wäre, bestünde für den
deutschen Gesetzgeber nach Art. 249 Unterabs. 3 des Vertrags zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) eine
Durchführungsautonomie. Das Urteil ist in EFG 2008, 1164 = SIS 08 18 97 veröffentlicht.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher
Bedeutung zugelassenen Revision macht die Klägerin im
Wesentlichen geltend, das FG habe den Begriff der
„Unterschrift“ in dem Muster, das der Richtlinie
79/1072/EWG als Anhang A beigefügt ist, fehlerhaft ausgelegt.
So ließen beispielsweise Österreich, die Niederlande,
Frankreich, Finnland und Großbritannien ausdrücklich die
Unterschrift durch einen Vertreter zu. Die umstrittene Frage, ob
die Unterschrift durch einen Bevollmächtigten geleistet werden
könne, sei entgegen der Auffassung des FG in der Gemeinschaft
einheitlich und damit letztlich vom Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu entscheiden.
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung und des
angefochtenen Bescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung das
BZSt zu verpflichten, den Erstattungsbetrag in Höhe von
4.221,49 EUR festzusetzen.
Das BZSt beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Der Senat legt dem EuGH die bezeichneten
Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts vor und setzt das
Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus.
1. Nationales Recht
a) Rechtlicher Rahmen
Die Vergütung der Vorsteuer an im Ausland
ansässige Unternehmer ist in § 18 Abs. 9 UStG geregelt.
Die Sätze 3 bis 5 der Vorschrift in der im Streitjahr
gültigen Fassung lauten:
„Der Vergütungsantrag ist binnen
sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der
Vergütungsanspruch entstanden ist. Der Unternehmer hat die
Vergütung selbst zu berechnen und die Vorsteuerbeträge
durch Vorlage von Rechnungen und Einfuhrbelegen im Original
nachzuweisen. Der Vergütungsantrag ist vom Unternehmer
eigenhändig zu unterschreiben.“
§ 61 Abs. 1 der
Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 2005 in der für den
Streitfall maßgeblichen Fassung bestimmt:
„Der Unternehmer hat die
Vergütung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck bei dem
Bundeszentralamt für Steuern oder bei dem nach § 5 Abs. 1
Nr. 8 Satz 2 des Finanzverwaltungsgesetzes zuständigen
Finanzamt zu beantragen.“
§ 79 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO), der
die Überschrift „Handlungsfähigkeit“
trägt, bestimmt u.a.:
„Fähig zur Vornahme von
Verfahrenshandlungen sind:
1.
|
natürliche Personen, die nach
bürgerlichem Recht geschäftsfähig sind,
|
2.
|
...
|
3.
|
juristische Personen, Vereinigungen oder
Vermögensmassen durch ihre gesetzlichen Vertreter oder durch
besonders Beauftragte,
|
4.
|
...“
|
§ 150 Abs. 3 AO, der die Form und den
Inhalt der Steuererklärungen regelt, lautet:
„Ordnen die Steuergesetze an, dass
der Steuerpflichtige die Steuererklärung eigenhändig zu
unterschreiben hat, so ist die Unterzeichnung durch einen
Bevollmächtigten nur dann zulässig, wenn der
Steuerpflichtige infolge seines körperlichen oder geistigen
Zustands oder durch längere Abwesenheit an der Unterschrift
gehindert ist. Die eigenhändige Unterschrift kann
nachträglich verlangt werden, wenn der Hinderungsgrund
weggefallen ist.“
b) Würdigung
Nach nationalem Recht hat die Klägerin im
Streitfall keinen wirksamen Antrag auf Vergütung der
Vorsteuerbeträge gestellt. Denn der am letzten Tag der
Ausschlussfrist des § 18 Abs. 9 Satz 3 UStG eingegangene
Antrag war nicht „eigenhändig“ i.S. des
§ 18 Abs. 9 Satz 5 UStG unterschrieben.
Bei einer juristischen Person wie der
Klägerin liegt die nach § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG
erforderliche eigenhändige Unterschrift nur vor, wenn ihr
gesetzlicher Vertreter unterschrieben hat. Soweit nach § 79
Abs. 1 Nr. 3 AO Verfahrenshandlungen auch durch „besonders
Beauftragte“ vorgenommen werden können, bezieht sich
dies nicht auf juristische Personen, die gesetzliche Vertreter
haben, sondern auf nichtrechtsfähige Personenvereinigungen und
Vermögensmassen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom
15.10.1998 III R 58/95, BFHE 187, 141, BStBl II 1999, 237 = SIS 99 04 93).
Zwar gilt als eigenhändige Unterschrift
i.S. des § 126 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch
die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten. Diese
Vorschrift gilt aber nicht für Steuererklärungen. Hier
bestimmt § 150 Abs. 3 AO, dass dann, wenn die Steuergesetze
anordnen, dass der Steuerpflichtige die Steuererklärung
eigenhändig zu unterschreiben hat, die Unterzeichnung durch
einen Bevollmächtigten nur zulässig ist, wenn der
Steuerpflichtige infolge seines körperlichen oder geistigen
Zustands oder durch längere Abwesenheit an der Unterschrift
gehindert ist.
Bei dem der Richtlinie 79/1072/EWG als Anhang
A beigefügten Muster handelt es sich um ein Formular für
eine Steuererklärung i.S. des § 150 AO. Dafür
spricht, dass der Unternehmer in Feld 9 des Musters verschiedene,
für die Festsetzung der Steuervergütung erforderliche
Erklärungen abzugeben hat. Dass das Ziel dieser
Erklärungen nicht eine Steuerfestsetzung, sondern eine
Steuervergütung (§§ 37, 43 AO) ist, steht einer
Qualifizierung als Steuererklärung nicht entgegen. Denn nach
§ 155 Abs. 4 AO sind die für die Steuerfestsetzung
geltenden Vorschriften auf die Festsetzung einer
Steuervergütung sinngemäß anzuwenden.
Die tatsächlichen Voraussetzungen, unter
denen nach § 150 Abs. 3 AO eine Steuererklärung
ausnahmsweise von einem Bevollmächtigten unterschrieben werden
darf, sind im Streitfall unstreitig nicht erfüllt.
Danach wäre die Revision der
Klägerin nach nationalem Recht unbegründet.
2. Zur Anrufung des EuGH
Der Senat hat Zweifel, ob diese nationale
Rechtslage im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht steht.
a) Rechtlicher Rahmen
Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 79/1072/EWG
lautet:
„Um die Erstattung zu erhalten,
muß ein in Artikel 2 genannter Steuerpflichtiger, der im
Inland keine Gegenstände liefert oder Dienstleistungen
erbringt, a) bei der in Artikel 9 bezeichneten zuständigen
Behörde nach dem in Anhang A aufgeführten Muster einen
Antrag stellen, dem die Originale der Rechnungen oder
Einfuhrdokumente beizufügen sind. Die Mitgliedstaaten stellen
den Antragstellern eine Erläuterung zur Verfügung, die
auf jeden Fall die Mindestinformationen laut Anhang C enthalten
muß; ...“
Art. 6 der Richtlinie 79/1072/EWG
bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten dürfen den
in Artikel 2 genannten Steuerpflichtigen außer den Pflichten
nach den Artikeln 3 und 4 keine anderen Pflichten auferlegen als
die, in Sonderfällen die Auskünfte zu erteilen, die
erforderlich sind, um beurteilen zu können, ob der
Erstattungsantrag begründet ist.“
Das in der deutschen Fassung in Anhang A der
Richtlinie 79/1072/EWG aufgeführte Muster sieht in der letzten
Zeile neben Ort und Datum eine „Unterschrift“
vor.
b) Würdigung
(1) Der Senat möchte die Frage zu 1., ob
der Begriff der „Unterschrift“, der in dem der
Richtlinie 79/1072/EWG als Anhang A beigefügten Muster
verwendet wird, ein gemeinschaftsrechtlicher Begriff ist, so dass
er einheitlich ausgelegt werden muss, bejahen. Zwar bestimmt Art.
249 EG, dass die Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den
sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels
verbindlich ist, jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der
Form und der Mittel überlässt. Letzteres kann aber nach
Ansicht des Senats dann nicht gelten, wenn Zweck der Richtlinie
gerade die Harmonisierung des Verfahrens in den Mitgliedstaaten
ist. Dies trifft für die Richtlinie 79/1072/EWG zu (vgl. auch
EuGH-Urteil vom 15.3.2007 Rs. C-35/05 - Reemtsma -, Slg. 2007,
I-2425 = SIS 07 10 88, Randnr. 26). Wenn eine Richtlinie für
einen bestimmten Antrag ausdrücklich ein bestimmtes Muster
vorsieht, wie es in Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 79/1072/EWG in
Verbindung mit dem Anhang A geschehen ist, dann kann der mit der
Richtlinie verfolgte Zweck der Harmonisierung des Verfahrens nur
erreicht werden, wenn die in dem Muster verwendeten Begriffe in den
Mitgliedstaaten dieselbe Bedeutung haben. In einem solchen Fall
ermächtigt auch der Grundsatz der Verfahrensautonomie (vgl.
dazu EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-2425, Randnr. 40) die
Mitgliedstaaten nicht, die in dem Muster enthaltenen Begriffe
unterschiedlich umzusetzen.
Folgt man dieser Auffassung, kommt es nicht
mehr darauf an, ob darin, dass in § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG die
Eigenhändigkeit der Unterschrift gefordert wird,
möglicherweise auch ein Verstoß gegen Art. 6 der
Richtlinie 79/1072/EWG liegen könnte.
(2) Der in dem Muster des Anhangs A der
Richtlinie 79/1072/EWG verwendete Begriff der
„Unterschrift“ enthält nicht den Zusatz der
„Eigenhändigkeit“. Bis zur Änderung
des § 18 Abs. 9 UStG durch das Jahressteuergesetz 1996 vom
11.10.1995 (BGBl I 1995, 1250) hat dementsprechend auch die
deutsche Finanzverwaltung nicht zwingend die Eigenhändigkeit
der Unterschrift i.S. des § 150 Abs. 3 AO verlangt, sondern
die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten, der zur
Hilfeleistung in Steuersachen zugelassen war, als ausreichend
erachtet (vgl. Abschn. 243 Abs. 7 der Umsatzsteuer-Richtlinien
1992). Der Senat hat Zweifel, ob der deutsche Gesetzgeber mit der
in § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG verlangten
„Eigenhändigkeit“ der Unterschrift Art. 3
Buchst. a der Richtlinie 79/1072/EWG in Verbindung mit dem in
Anhang A aufgeführten Muster gemeinschaftskonform umgesetzt
hat.
3. Rechtsgrundlage für die Anrufung des
EuGH ist Art. 234 Satz 3 EG. Die Aussetzung des Verfahrens beruht
auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der
Finanzgerichtsordnung.