Typischer Unterhaltsbedarf, Abgrenzung: 1. Aufwendungen für den typischen Unterhaltsbedarf - insbesondere Ernährung, Kleidung, Wohnung, Hausrat, Versicherungen - einer dem Steuerpflichtigen gegenüber unterhaltsberechtigten Person können nur nach § 33 a Abs. 1 EStG abgezogen werden; Unterhaltsleistungen, mit denen ein besonderer und außergewöhnlicher Bedarf abgedeckt wird - z.B. Krankheits- oder Pflegekosten - dagegen nach § 33 EStG. - 2. Die Abgrenzung der typischen von den untypischen Unterhaltsaufwendungen richtet sich nach deren Anlass und Zweckbestimmung, nicht nach deren Zahlungsweise. Die Abfindung der Unterhaltsansprüche des geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten fällt daher auch dann unter § 33 a Abs. 1 EStG, wenn der Steuerpflichtige dazu verpflichtet ist. - Urt.; BFH 19.6.2008, III R 57/05; SIS 08 36 20
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) war seit 1974 in erster Ehe verheiratet. Am 27.1.1999
schloss er mit seiner damaligen Ehefrau im Hinblick auf die
bevorstehende Ehescheidung einen notariellen Vertrag, in dem unter
anderem Gütertrennung, Regelungen über den
Zugewinnausgleich, ein Erbverzicht, die Freistellung der Ehefrau
von Verbindlichkeiten und das Einverständnis der Eheleute in
eine Scheidungsklage vereinbart wurden. Weiterhin verpflichtete
sich der Kläger für den Fall der rechtskräftigen
Scheidung an seine Ehefrau eine einmalige Zahlung von 1.458.000 DM
zu leisten. Der Betrag wird in dem notariellen Vertrag als
Unterhaltszahlung bezeichnet. In diesem Betrag war eine einmalige
Zahlung von 600.000 DM enthalten, die am 1.2.1999 fällig sein
sollte. Die übrigen Beträge waren bei Vertragsabschluss
bereits durch Zahlung bzw. Verrechnung getilgt. Im Hinblick auf die
Zahlungsverpflichtung des Klägers verzichteten die Eheleute
einvernehmlich auf gegenseitige Unterhaltsansprüche.
Die Ehe wurde noch in demselben Jahr - 1999
- geschieden. Den von ihm entsprechend dem notariellen Vertrag
gezahlten Betrag von 600.000 DM finanzierte der Kläger mittels
eines Darlehens, für das im Streitjahr 1999 Schuldzinsen in
Höhe von 27.416,67 DM anfielen.
Seit dem 14.9.1999 ist der Kläger mit
der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin)
verheiratet. In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung
für 1999 machte er neben seinen Scheidungskosten in Höhe
von 9.690 DM den im notariellen Vertrag als Unterhaltsleistung
bezifferten Betrag in Höhe von 1.458.000 DM und die für
die Finanzierung des Teilbetrags von 600.000 DM aufgewendeten
Schuldzinsen als außergewöhnliche Belastung nach §
33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) berücksichtigte
lediglich die Scheidungskosten. Der Einspruch blieb insoweit ohne
Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) zog - entsprechend
dem Hilfsantrag der Kläger - Unterhaltszahlungen in Höhe
von 27.000 DM als Sonderausgaben ab (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
Im Übrigen wies es die Klage, mit der die
Berücksichtigung des im notariellen Vertrag als
Unterhaltsleistung bezeichneten Betrags von 1.458.000 DM und der
Zinsen für die Finanzierung des Teilbetrags von 27.416,67 DM
als außergewöhnliche Belastungen gemäß §
33 EStG erstrebt wurde, ab (Urteil vom 10.11.2004 14 K 3586/02, EFG
2006, 414 = SIS 06 05 61). Es entschied, Kapitalabfindungen
für künftigen Unterhalt seien als typische
Unterhaltsaufwendungen zu beurteilen. Diese könnten nur nach
§ 33a EStG abgezogen werden, ein Abzug nach § 33 EStG sei
wegen § 33a Abs. 5 EStG ausgeschlossen. Die Voraussetzungen
des § 1585 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)
lägen nicht vor. Die von den Klägern genannten
Gründe - Krebserkrankungen sowohl des Klägers wie auch
der damaligen Ehefrau sowie der mögliche Verlust der
gutdotierten Stellung des Klägers - seien nicht als wichtiger
Grund i.S. des § 1585 Abs. 2 BGB anerkannt. Der Abzug der
einzelnen Positionen scheitere zudem daran, dass es sich bei diesen
Beträgen nicht um Unterhalt handele, sondern um den
Vermögens- und Zugewinnausgleich zwischen dem Kläger und
der ehemaligen Ehefrau.
Mit der Revision tragen die Kläger
vor, die Abfindung künftiger Unterhaltsansprüche des
geschiedenen Ehegatten sei zwar grundsätzlich nicht
zwangsläufig (Senatsurteil vom 26.2.1998 III R 59/97, BFHE
185, 409, BStBl II 1998, 605 = SIS 98 17 04). § 33 EStG bleibe
aber anwendbar, wenn die Kapitalabfindung unfreiwillig erfolge.
Dies werde insbesondere im Falle des § 1585 Abs. 2 BGB
angenommen, dessen Voraussetzungen im Streitfall erfüllt seien
(z.B. Schmidt/Loschelder, EStG, 27. Aufl., § 33a Rz 5), was
das FG rechtsfehlerhaft verkannt habe. Das
„Auseinandersetzungspaket“ habe der geschiedenen
Ehefrau - zusammen mit dem Versorgungsausgleich - eine
selbstständige Lebensstellung verschafft. Ihre Ansprüche
seien auch i.S. des § 1585 Abs. 2 BGB gefährdet gewesen.
Die Kapitalabfindung sei in voller Höhe und nicht lediglich in
Höhe der Addition der Höchstbeträge nach § 33a
Abs. 1 EStG für die betroffenen Jahre abziehbar.
Die Kläger beantragen, das FG-Urteil
aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids
für 1999 in der Fassung der Einspruchsentscheidung 1.485.416
DM als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG
abzuziehen und die Einkommensteuer auf Null DM
festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet, denn
Unterhaltsaufwendungen können nur dann nach § 33 EStG
abgezogen werden, wenn sie atypischen Unterhaltsbedarf abdecken
(1.). Der Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, ob die
Kapitalisierung zwangsläufig war (2.).
1. Der Kläger wurde durch die
Abfindungszahlung nicht i.S. des § 33 EStG
außergewöhnlich belastet, weil sie für den
typischen Unterhaltsbedarf der ehemaligen Ehefrau geleistet
wurde.
a) Aufwendungen für den Unterhalt einer
dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber
unterhaltsberechtigten Person können nach § 33a Abs. 1
EStG bis zu 7.680 EUR - im Streitjahr 1999 bis zu 13.020 DM - vom
Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. § 33a Abs. 1
EStG erfasst nur übliche, typische Aufwendungen zur
Bestreitung des Lebensunterhaltes (ständige Rechtsprechung,
z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22.7.1988 III R
253/83, BFHE 154, 111, BStBl II 1988, 830 = SIS 88 18 03, m.w.N.,
und vom 22.9.2004 III R 25/03, BFH/NV 2005, 523 = SIS 05 15 75;
Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 33a Rz 7; Kanzler
in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33a EStG Rz 38; Blümich/
Heger, § 33a EStG Rz 100). Dazu gehören insbesondere
Aufwendungen für Ernährung, Kleidung, Wohnung, Hausrat
sowie notwendige Versicherungen (BFH-Urteile vom 31.10.1973 VI R
206/70, BFHE 110, 547, BStBl II 1974, 86 = SIS 74 00 49, betr.
Krankenversicherung, und vom 5.9.1980 VI R 75/80, BFHE 131, 475,
BStBl II 1981, 31 = SIS 81 05 03), und zwar ohne Rücksicht
darauf, ob mit den Zuwendungen ein einfacher Lebensstil oder
gehobene Ansprüche finanziert werden (Senatsbeschluss vom
17.12.1990 III B 209/90, BFH/NV 1991, 308). Der von § 33a Abs.
1 EStG umfasste Bereich ist insofern enger als der den
„gesamten Lebensbedarf“ und damit z.B. auch
Krankheitskosten umfassende (vgl. § 1610 Abs. 2 BGB)
Unterhaltsbegriff des bürgerlichen Rechts (Senatsurteil vom
18.6.1997 III R 60/96, BFH/NV 1997, 755 = SIS 97 22 06). Diese
für den typischen Lebensunterhalt des Empfängers
bestimmten Unterhaltsaufwendungen können nur bis zum
gesetzlichen Höchstbetrag des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG
abgezogen werden, sie sind vom Anwendungsbereich des § 33 EStG
ausgeschlossen (§ 33a Abs. 5 EStG).
Untypische Unterhaltsleistungen, mit denen ein
besonderer und außergewöhnlicher Bedarf abgedeckt wird -
z.B. die Übernahme von Krankheits- oder Pflegekosten -,
können dagegen nach § 33 EStG abgezogen werden, wenn der
Unterhaltsberechtigte nicht in der Lage ist, diese Aufwendungen
selbst zu tragen (Senatsurteile in BFHE 154, 111, BStBl II 1988,
830 = SIS 88 18 03; vom 11.7.1990 III R 111/86, BFHE 162, 231,
BStBl II 1991, 62 = SIS 91 01 04; Kanzler in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 33a EStG Rz 38 zieht insoweit die
Parallele zur zivilrechtlichen Unterscheidung von laufendem
Unterhalt und Sonderbedarf, z.B. nach § 1613 Abs. 2 BGB).
Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung von
Angehörigen im Altenpflegeheim fallen deshalb unter § 33
EStG, während Aufwendungen für deren altersbedingte
Heimunterbringung nur nach § 33a Abs. 1 EStG
berücksichtigt werden können (Senatsurteil vom 24.2.2000
III R 80/97, BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294 = SIS 00 07 50).
b) Die Abgrenzung der typischen von den
untypischen Unterhaltsaufwendungen richtet sich nach deren Anlass
und Zweckbestimmung, nicht aber danach, ob sie
regelmäßig oder einmalig anfallen, und ob sie für
den Bedarf des laufenden Veranlagungszeitraumes bestimmt sind oder
- wie im Streitfall - im Voraus zur Abgeltung künftigen
Bedarfs bzw. künftiger Ansprüche geleistet werden (so
schon BFH-Urteil vom 22.1.1971 VI R 47/69, BFHE 101, 384, BStBl II
1971, 325 = SIS 71 01 80; vgl. auch Senatsbeschluss vom 25.2.2005
III B 77/04, BFH/NV 2005, 1276 = SIS 05 31 85, m.w.N.; Arndt in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz B 68; Pust in
Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 33a
Rz 115; a.A. Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 33a Rz 5).
aa) Dies folgt aus der Entstehungsgeschichte
und dem Zweck des § 33a EStG. Der Abzug von
Unterhaltsaufwendungen nach § 33a Abs. 1 EStG durch das Gesetz
zur Neuordnung von Steuern vom 16.12.1954 (BGBl I 1954, 373, BStBl
I 1954, 575) wurde geschaffen, um die in der Regel höhere
Ermäßigung nach § 33 EStG zu verhindern und den
Abzug an die Steuerermäßigung für
Familienangehörige (§ 32 EStG 1953) anzugleichen
(BTDrucks II/481 S. 92; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, §
33a EStG Rz 2 und 38). Dementsprechend orientiert sich der
Höchstbetrag nach § 33a Abs. 1 EStG am Grundfreibetrag
(§ 32a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).
§ 33 EStG berücksichtigt
Situationen, in denen das Existenzminimum des Steuerpflichtigen
infolge zwangsläufig größerer und existentiell
notwendiger privater Aufwendungen gegenüber dem Normalfall
erhöht ist. Würde diese Anforderung nicht auf den
Empfänger der Unterhaltszahlungen übertragen, d.h.
könnten kapitalisierte Unterhaltsabfindungen über die
durch § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG gezogenen Grenzen hinaus unter
besonderen Voraussetzungen (z.B. Kapitalisierung) auch dann nach
§ 33 EStG abgezogen werden, wenn sie für den
üblichen Lebensbedarf bestimmt sind, käme es zu einem
Wertungswiderspruch: Der Transfer von Einkünften vom
unterhaltsverpflichteten auf den unterhaltsberechtigten
geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten ist nach
§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG auf 13.805 EUR - im Streitjahr 1999
27.000 DM - beschränkt. Damit stünde nicht im Einklang,
wenn der Unterhaltsverpflichtete stattdessen Aufwendungen für
den typischen Lebensunterhalt des Unterhaltsberechtigten auch dann
steuerlich abziehen könnte, wenn sie den Grundfreibetrag des
Empfängers um ein Vielfaches übersteigen, und ohne dass
dies - wie beim begrenzten Realsplitting (§ 10 Abs. 1 Nr. 1
i.V.m. § 22 Nr. 1a EStG) - durch eine Besteuerung beim
Empfänger ausgeglichen würde.
Zudem hinge die Abziehbarkeit einer hohen
Unterhaltszahlung davon ab, ob diese nur den laufenden Bedarf
abdeckt oder auch den Unterhalt künftiger Jahre, obwohl dies
für die nach dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung
maßgebliche steuerliche Leistungsfähigkeit des
Verpflichteten im Jahr der Zahlung ohne Bedeutung ist.
bb) Die Zahlungsweise ist auch kein geeignetes
Merkmal für die Einordnung typischer Unterhaltszahlungen.
Diese grundsätzlich dem § 33a Abs. 1 EStG zu
unterstellen, bei erzwungener Vorauszahlung oder Abfindung aber
§ 33 EStG anzuwenden, wäre nicht überzeugend. Beide
Vorschriften setzen die Zwangsläufigkeit der Belastung voraus:
§ 33 EStG durch die Formulierung des Tatbestandes
(„zwangsläufig größere Aufwendungen als
der überwiegenden Mehrzahl ...“), und § 33a
Abs. 1 EStG wegen der gesetzlichen Unterhaltsberechtigung des
Empfängers. Die Verpflichtung, den Unterhalt nicht - wie
üblich - monatlich, sondern in einer Summe vorauszuzahlen,
kann danach keine die Anwendung des § 33 EStG gebietende
gesteigerte Zwangslage begründen. Erfüllen die
Unterhaltsleistungen den Tatbestand des § 33a Abs. 1 Satz 1
EStG, so bleibt es bei der Ausschlusswirkung des § 33a Abs. 5
EStG.
2. Unerheblich ist danach sowohl, ob die
ehemalige Ehefrau - wie die Kläger im Gegensatz zum FG meinen
- einen Anspruch nach § 1585 Abs. 2 BGB hatte und die
Abfindung ihrer Unterhaltsansprüche deshalb zwangsläufig
war, als auch, ob es sich bei der Abfindung - wie die Kläger
meinen - vollen Umfangs um Unterhalt oder - wie das FG entschied -
teilweise um die Erfüllung der Zugewinnausgleichsverpflichtung
handelte.