Glücksspiel mit Geldeinsatz, Fun-Game, USt-Freiheit: 1. Ein "Glücksspiel mit Geldeinsatz" i.S. des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG erfordert die Einräumung einer Gewinnchance an den Leistungsempfänger (Spieler) und im Gegenzug die Hinnahme des Risikos durch den Leistenden (Geräteaufsteller), die Gewinne auszahlen zu müssen. - 2. Die Gewinnchance muss in der Chance auf einen Geldgewinn bestehen. - 3. Spiele, die dem Spieler lediglich die Möglichkeit einräumen, seinen Geldeinsatz wiederzuerlangen (sog. "Fun-Games"), erfüllen diese Voraussetzungen nicht. - Urt.; BFH 29.5.2008, V R 7/06; SIS 08 33 16
Gründe
I. Streitig ist die
Steuerpflicht der Umsätze aus dem Betrieb von
Unterhaltungsgeräten (sog. „Fun-Games“).
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft mit
beschränkter Haftung (GmbH). Gegenstand ihres Unternehmens ist
die Aufstellung, Wartung und Pflege von Automaten aller Art und der
Betrieb von Spielhallen.
Die Klägerin
betrieb im Streitjahr (2001) Unterhaltungsgeräte, mit denen
gegen Entgelt sog. „Tokenspiele“ gespielt werden
konnten. Das Tokenspiel ermöglicht dem Spieler, entweder
seinen Einsatz zurückzugewinnen oder eine
Weiterspielmöglichkeit zu erhalten, wobei die
Weiterspielmöglichkeit auch zeitversetzt, d.h. nicht
unmittelbar im Anschluss an das vorherige Spiel, bestehen kann. Der
Spieler hat aber keine Möglichkeit, einen Gewinn zu erzielen,
der seinen Einsatz übersteigt.
Das von der
Klägerin angebotene Tokenspiel mit einem Tokenmanager
funktioniert nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wie
folgt:
-
|
Geld wird in einen sog. Tokenmanager eingeworfen. Der
Tokenmanager ist eine vom Tokenspielgerät getrennte
Zahlstelle—ein Kassenautomat - .
|
|
|
-
|
Der eingeworfene Betrag wird im Tokenmanager auf einer Chipkarte
gespeichert.
|
|
|
-
|
Der Spieler erhält Token (Wertmünzen) im Gegenwert des
eingeworfenen Geldbetrags.
|
|
|
-
|
Für die in das Tokenspielgerät eingeworfenen Token
erhält der Spieler am Tokenspielgerät Spielpunkte
gutgeschrieben.
|
|
|
-
|
Der Spieler kann sich die Spielpunkte am Tokenspielgerät in
Token auszahlen lassen (z.B. 100 Punkte = 1 Token = 5 EUR).
|
|
|
-
|
Die Token kann der Spieler am Tokenmanager in Geld
zurücktauschen, wobei der Rücktausch auf die Höhe
des auf der Chipkarte gespeicherten Einzahlungsbetrags
beschränkt ist.
|
|
|
-
|
Die Spieldauer
beträgt regelmäßig drei Sekunden. Bei der
Klägerin war im Streitjahr die Chance auf einen
„Rückgewinn“ zeitlich auf ein halbes Jahr
und der Höhe nach auf 50 EUR beschränkt.
|
Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt—FA - ) schätzte die
Besteuerungsgrundlagen zur Umsatzsteuer für 2001 wegen
Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung und setzte die
Umsatzsteuer für 2001 mit Bescheid vom 28.7.2003 und sodann
nach Eingang der Umsatzsteuerjahreserklärung durch
Änderungsbescheid vom 25.9.2003 fest.
Der Einspruch hatte
keinen Erfolg (Einspruchsbescheid vom 30.3.2004).
Hiergegen erhob die
Klägerin Klage, mit der sie u.a. geltend machte, dass die
ausgeführten Umsätze aus dem Betrieb der
Tokenspielgeräte gemäß Art. 13 Teil B Buchst. f der
Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei seien, da es sich um
„Glücksspiele mit Geldeinsatz“ im Sinne der
Richtlinienbestimmung handele.
Das FG stellte durch
Zwischenurteil gemäß § 99 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) fest, „dass der Umsatz aus den
von der Klägerin betriebenen Unterhaltungsgeräten
steuerpflichtig“ sei. Es führte zur Begründung u.a.
aus, die von der Klägerin angebotenen „Fun-Games“
(Tokenspiele) seien kein „Glücksspiel“ i.S. von
Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG. Bei einem
Tokenspiel finde keine tatsächliche Vermögensverschiebung
vom Geräteaufsteller zum Spieler unter Zwischenschaltung eines
Vermögens- bzw. Verrechnungspools statt. Vielmehr
beschränke sich die Verwirklichung der Gewinnchance auf die
Rückzahlung des Einsatzes. Eine weitergehende
Gewinnmöglichkeit sei durch Tokenmanager und Speicherkarte
ausgeschlossen. Die Möglichkeit eines über den Einsatz
hinausgehenden Geldgewinns sei typisch für das
Glücksspiel. Dies zeige auch der Vergleich zu den in der
Richtlinienbestimmung genannten „Wetten und Lotterien“.
Das Urteil ist in EFG 2006, 447 = SIS 06 18 31
veröffentlicht.
Mit ihrer Revision
rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (Art. 13
Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG). Sie meint, die
Betrachtung des FG sei zu oberflächlich und lasse viele Fragen
offen. Bei einem „Fun-Game“ wie dem Tokenspiel komme es
entgegen der Auffassung des FG zu einer Vermögensverschiebung.
Auch die unterschiedliche deutsche, englische und französische
Sprachfassung des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie
77/388/EWG ließen als zweifelhaft erscheinen, ob im
Streitfall entgegen der Auffassung des FG nicht doch ein
Glücksspiel im Sinne dieser Bestimmung zu bejahen sei.
Die Klägerin
beantragt, das Zwischenurteil des FG aufzuheben.
Darüber hinaus
regt die Klägerin an, das Verfahren auszusetzen und dem
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH)
gemäß Art. 234 des Vertrages zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft (EG) die Frage vorzulegen, ob ein
Glücksspiel nur dann anzunehmen ist, wenn das Spiel so
ausgestaltet ist, dass der Spieler mehr Bargeld gewinnen als
verlieren kann.
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision der
Klägerin ist zulässig, jedoch als unbegründet
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
A. 1.
Die Revision ist statthaft. Zwischenurteile i.S. des § 99 Abs.
2 FGO sind selbständig mit der Revision anfechtbar
(§§ 115 Abs. 1, 36 Nr. 1 FGO), da diese Entscheidungen
keiner Rechtsmittelbeschränkung unterliegen, wie sie etwa in
§ 67 Abs. 3 FGO für ein Zwischenurteil nach § 97 FGO
über die Zulässigkeit der Klageänderung vorgesehen
ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs—BFH—vom
25.11.2004 IV R 51/03, BFH/NV 2005, 547 = SIS 05 15 91).
2. Die Voraussetzungen für
den Erlass eines Zwischenurteils gemäß § 99 Abs. 2
FGO lagen im Streitfall vor.
a) Nach
§ 99 Abs. 2 FGO kann das Gericht durch Zwischenurteil
über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage
entscheiden, wenn dies sachdienlich ist und nicht der Kläger
oder der Beklagte widerspricht. Entscheidungserheblich sind solche
Vorfragen, ohne deren Beantwortung ein Urteil über die geltend
gemachte Rechtsbeeinträchtigung nicht möglich ist (vgl.
BFH-Urteil vom 4.2.1999 IV R 54/97, BFHE 187, 418, BStBl II 2000,
139 = SIS 99 09 18).
b) Die
Frage, ob die durch das Tokenspiel ausgeführten Umsätze
der Klägerin aufgrund der Richtlinienbestimmung des Art. 13
Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sind, ist
entscheidungserheblich. Eine Vorabentscheidung hierzu durch ein
Zwischenurteil war sachdienlich, wie das FG näher dargelegt
hat. Auch haben die Beteiligten dem Erlass eines Zwischenurteils
nicht widersprochen.
B. Die
Revision ist jedoch unbegründet.
Die durch das Tokenspiel
ausgeführten Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des
Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG 1999) der Klägerin sind weder
nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG 1999 noch nach Art. 13 Teil B
Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei.
„Fun-Games“ in Form von
„Tokenspielen“ wie im Streitfall sind keine
„Glücksspiele mit Geldeinsatz“ i.S. des
Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG.
I. Die
Umsätze der Klägerin aus dem Tokenspiel sind nicht nach
§ 4 Nr. 9 Buchst. b UStG 1999 steuerfrei. Nach dieser
Vorschrift sind die Umsätze steuerfrei, die unter das
Rennwett- und Lotteriegesetz fallen, sowie die Umsätze der
zugelassenen öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb
der Spielbank bedingt sind.
Die Voraussetzungen dieser
Vorschrift sind nicht erfüllt, da die streitigen Umsätze
zum einen nicht unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen und
die Klägerin zum anderen auch keine öffentliche Spielbank
betreibt (vgl. hierzu bereits BFH-Urteile vom 12.5.2005 V R 7/02,
BFHE 210, 164, BStBl II 2005, 617 = SIS 05 33 28, und vom 19.5.2005
V R 50/01, BFH/NV 2005, 1881 = SIS 05 41 37:
Nachfolgeentscheidungen zum EuGH-Urteil vom 17.2.2005 in den
verbundenen Rs. C-453/02 und C-462/02, Linneweber und Akritidis,
Slg. 2005, I-1131, BFH/NV Beilage 2005, 94 = SIS 05 16 75, UR 2005,
194 = SIS 05 16 75).
II. Die
Umsätze der Klägerin aus dem Tokenspiel sind auch nicht
nach Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG
steuerbefreit.
Nach dieser Bestimmung befreien
die Mitgliedstaaten unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften
unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer
korrekten und einfachen Anwendung der Befreiungen sowie zur
Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehungen und
etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer u.a.:
„Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit
Geldeinsatz unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von
jedem Mitgliedstaat festgelegt werden.“
1. Zwar
kann sich ein Veranstalter oder Betreiber von
„Glücksspielen mit Geldeinsatz“ auf die
Steuerfreiheit seiner Umsätze nach Art. 13 Teil B Buchst. f
der Richtlinie 77/388/EWG in dem Sinn berufen, dass die Vorschrift
des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG 1999 keine Anwendung findet (vgl.
EuGH-Urteil, Linneweber und Akritidis, in Slg. 2005, I-1131, BFH/NV
Beilage 2005, 94, UR 2005, 194 = SIS 05 16 75, Randnr. 30, und
BFH-Urteile in BFHE 210, 164, BStBl II 2005, 617 = SIS 05 33 28,
und in BFH/NV 2005, 1881 = SIS 05 41 37).
2. Das
von der Klägerin betriebene Tokenspiel ist aber kein
„Glücksspiel mit Geldeinsatz“ im Sinne
dieser Bestimmung.
a) Ein
„Glücksspiel mit Geldeinsatz“
erfordert—ebenso wie die in dieser Vorschrift erfassten
„Wetten“ und
„Lotterien“—die Einräumung einer
Gewinnchance an den Leistungsempfänger und im Gegenzug die
Hinnahme des Risikos durch den Leistenden, diese Gewinne auszahlen
zu müssen.
Dies hat der EuGH
bereits—ungeachtet der von der Klägerin in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat aufgezeigten Unterschiede
in den jeweiligen Sprachfassungen des Art. 13 Teil B Buchst. f der
Richtlinie 77/388/EWG—zu dem ebenfalls in dieser Vorschrift
erfassten Wettumsatz entschieden (EuGH-Urteil vom 13.7.2006 Rs. C-89/05, United Utilities plc, Slg. 2006, I-6813,
BFH/NV Beilage 2006, 462 = SIS 06 33 38, Randnr. 26).
Diese Rechtsprechung des EuGH
ist auf den in Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG
enthaltenen Begriff der „Glücksspiele mit
Geldeinsatz“ übertragbar, denn die Einräumung
einer Gewinnchance an den Leistungsempfänger ist allen
„Glücksspielen mit Geldeinsatz“ eigen.
b)
Diese „Gewinnchance“ muss in einer Chance auf
einen Geldgewinn—wenn auch nur in relativ geringer
Höhe—bestehen. Das ergibt sich aus den Urteilen des EuGH
vom 21.9.1999 Rs. C-124/97, Läärä (Slg. 1999,
I-6067, EuZW 2000, 148 Randnr. 17) und vom 26.10.2006 Rs. C-65/05,
Kommission/Hellenische Republik (Slg. 2006, I-10341, EWS 2006, 560
Randnr. 36).
aa) Der
EuGH führt in Randnr. 17 des Urteils Läärä (in
Slg. 1999, I-6067, EuZW 2000, 148) aus:
|
„In der vorliegenden
Rechtssache geht es dagegen nach den Feststellungen des nationalen
Gerichts um ein Glücksspiel. Die betreffenden Apparate bieten
gegen ein speziell für ihre Benutzung bestimmtes Entgelt die
Chance eines Geldgewinns. Die relativ geringe Höhe der
Einsätze und Gewinne, die von den Klägern des
Ausgangsverfahrens geltend gemacht wird, verhindert, wie die
meisten am vorliegenden Verfahren beteiligten Regierungen betont
haben, keineswegs, dass insbesondere aufgrund der Zahl in der
Betracht kommenden Spieler und der Neigung der meisten von diesen,
wegen der Kürze des Spiels und seines Fortsetzungscharakters
sehr viele Spiele hintereinander zu spielen, durch den Betrieb
dieser Apparate erhebliche Beträge eingenommen werden
können.“
|
Hier betrachtet der
EuGH—entgegen der Ansicht der Klägerin—nicht
allein die Höhe der einzunehmenden Beträge aus Sicht des
Veranstalters schon als maßgebliches Kennzeichen eines
Glücksspiels, ungeachtet des Umfanges der Gewinnchance.
Entscheidend ist vielmehr, dass der Benutzer der Apparate die
„Chance eines Geldgewinns“ hat.
bb) Die
dort getroffene Auslegung des Begriffs
„Glücksspiel“ bestätigte der EuGH in
seinem Urteil Kommission/Hellenische Republik, in Slg. 2006,
I-10341, EWS 2006, 560 Randnr. 36).
Dieses Urteil betraf das
nationale Verbot elektrischer, elektromechanischer, elektronischer
Spiele und Spiele für elektronische Rechner durch ein
nationales Gesetz. Der EuGH führte im Rahmen der Prüfung,
ob die Beschränkung i.S. des Art. 28 EG nach Art. 30 EG
gerechtfertigt ist, aus:
|
„36. Das vorliegende
Verfahren unterscheidet sich jedoch von den beiden Rechtssachen,
die zu den Urteilen Schindler und Läärä u.a.
geführt haben, insoweit, als es sich im vorliegenden Fall
unstreitig um elektrische, elektromechanische und elektronische
Spiele handelt, die keine Merkmale aufweisen, die denjenigen der in
jenen Rechtssachen streitigen Spiele vergleichbar sind. Die Spiele,
die Gegenstand des in Artikel 2 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 3037/2002
ausgesprochenen Verbotes sind, sind ihrer Natur nach keine
Glücksspiele, denn sie bieten keine Chance auf einen
Geldgewinn (vgl. im Umkehrschluss Urteil Läärä u.a.,
Randnr. 17).“
|
Hier spricht der EuGH ebenfalls
von einem (erforderlichen) Geldgewinn. Diese Aussage ist eindeutig.
Sie wird entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dadurch
relativiert, dass der EuGH im ersten Satz dieser Randnummer auf
mehrere „Merkmale“ hinweist.
cc) Die
Grundsätze der genannten Urteile lassen sich auch für die
Auslegung des Tatbestandsmerkmals
„Glücksspiel“ in Art. 13 Teil B Buchst. f
der Richtlinie 77/388/EWG heranziehen, denn auch diese Bestimmung
erfasst aufgrund ihres Wortlauts „Glücksspiele mit
Geldeinsatz“ (vgl. EuGH-Urteil, Linneweber, Akritidis, in
Slg. 2005, I-1131, BFH/NV Beilage 2005, 94, UR 2005, 194 = SIS 05 16 75).
dd) Aus
dem von der Klägerin angeführten EuGH-Urteil vom
18.10.2007 Rs. C-195/06, KommAustria (EuZW 2007, 734) ergibt sich
nichts anderes. Zudem befasst sich das Urteil des EuGH in diesem
Fall mit dem Begriff des „Gewinnspiels“ und
nicht mit dem des „Glücksspiels“.
ee) Dem
von der Klägerin ferner genannten EuGH-Urteil vom 11.9.2003
Rs. C-6/01, Anomar (Slg. 2003, I-8621, GewArch 2004, 26) kann nicht
entnommen werden, dass bei Geldspielautomaten nicht auf die
Möglichkeit eines Geldgewinns abzustellen sei, um sie als
Glücksspiel im Sinne des Gemeinschaftsrechts zu
qualifizieren.
Zum einen verweist das Urteil in
Randnr. 46 auf die Randnr. 18 in dem EuGH-Urteil
Läärä (in Slg. 1999, I-6067, EuZW 2000, 148), nach
dessen Randnr. 17 ein Glücksspiel die Chance eines Geldgewinns
voraussetzt. Zum anderen führt das EuGH-Urteil, Anomar, in
Slg. 2003, I-8621, GewArch 2004, 26 Randnr. 47 aus:
|
„Diese Beurteilung ist
zu bestätigen, und alle Glücksspiele sind als
wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne von Artikel 2 EG zu
qualifizieren, denn sie erfüllen die beiden vom Gerichtshof in
seiner früheren Rechtsprechung zugrunde gelegten Kriterien,
nämlich die Erbringung einer bestimmen Dienstleistung gegen
Entgelt und die Erwartung eines Gewinns in Geld.“
|
ff) Der
Aussage des EuGH zur Bestimmung des Ortes der Dienstleistung i.S.
des Art. 9 Abs. 2 Buchst. c erster Gedankenstrich der Richtlinie
77/388/EWG in seinem Urteil vom 12.5.2005 Rs.
C-452/03, RAL (Channel Islands Ltd.) u.a. (Slg. 2005, I-3947,
BFH/NV Beilage 2005, 302 = SIS 05 30 20 Randnr. 31) dass das
Hauptziel der Tätigkeit in der Unterhaltung der Benutzer der
Geldspielautomaten besteht und nicht darin, ihnen einen Gewinn zu
verschaffen, kann—entgegen der Ansicht der
Klägerin—nicht entnommen werden, dass ein
Glücksspiel i.S. des Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie
77/388/EWG dann vorliegt, „wenn Gewinnen und Verlieren,
sei es auch nur in Form von Punkten, einen überwiegenden Teil
des Spielprinzips ausmacht“.
c)
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 23.11.2005 6 C 8.05
(Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts - Buchholz - 451.20, § 33c der
Gewerbeordnung (GewO) Nr. 6, DVBl 2006, 519) für die Auslegung
des gemeinschaftsrechtlichen Begriffs des
„Glücksspiels“ nicht maßgeblich.
aa)
Nach diesem Urteil ist zwar die gewerbsmäßige
Aufstellung von Tokenspielgeräten mit Tokenmanagern, die mit
einer den Spielausgang beeinflussenden technischen Vorrichtung
ausgestattet sind, gemäß § 33c Abs. 1 GewO
erlaubnispflichtig, weil Tokenspiele mit Tokenmanager „die
Möglichkeit eines Gewinns“ in Form des
„Rückgewinns des Einsatzes“
ermöglichen.
bb) Ob
ein bestimmter Umsatz der Mehrwertsteuer zu unterwerfen oder von
ihr zu befreien ist, kann aber nicht davon abhängen, wie er
nach nationalem Recht (hier: § 33c GewO) qualifiziert wird
(vgl. EuGH-Urteile vom 26.5.2005 Rs. C-498/03,
Kingscrest Associates und Montecello, Slg. 2005, I-4427, BFH/NV
Beilage 2005, 310 = SIS 05 30 13 Randnr. 25, und vom
14.6.2007 Rs. C-445/05, Haderer, BFH/NV Beilage 2007, 394, UR 2007,
592 = SIS 07 23 30 Randnr. 25). Denn nach der Rechtsprechung des
EuGH sind die Steuerbefreiungen des Art. 13 der Richtlinie
77/388/EWG autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe, die eine von
Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des
Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom
8.3.2001 Rs. C-240/99, Skandia, Slg. 2001, I-1951, BFH/NV Beilage
2001, 130 = SIS 01 06 69 Randnr. 23, und Haderer, in BFH/NV Beilage
2007, 394, UR 2007, 592 Randnr. 17).
cc) Im
Übrigen führt das BVerwG in seinem Urteil (in Buchholz
451.20, § 33c GewO Nr. 6, DVBl 2006, 519, unter II.4. der
Entscheidungsgründe) aus, dass die Frage der Besteuerung der
Umsätze von gewerblichen Geräteaufstellern durch
Geldspielgeräte für die gewerberechtliche Beurteilung
„keine Bedeutung“ hat. Das gilt auch
umgekehrt.
d) Die
Beurteilung des FG, dass das Tokenspiel im Streitfall für den
Spieler keine Gewinnchance im Sinne einer Chance auf einen
Geldgewinn bietet, hält den Angriffen der Revision stand.
aa) Die
durch das Tokenspiel eingeräumte Möglichkeit, (lediglich)
seinen Geldeinsatz wiederzuerlangen, ist—wie das FG
zutreffend ausführt—keine Gewinnchance im Sinne der
Rechtsprechung des EuGH, denn sie eröffnet dem Spieler nach
Beendigung des Spiels maximal den Verbleib eines
ungeschmälerten Vermögens und damit die Verhinderung
eines Verlustes. Das Tokenspiel bietet daher nicht die Chance,
einen Gewinn im Sinne einer Vermögensmehrung zu erzielen.
Diese Möglichkeit wird durch den Tokenmanager und die
Speicherkarte vielmehr ausgeschlossen. Diese Würdigung ist
aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des FG möglich.
Sie verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen
Erfahrungssätze und bindet daher den Senat (§ 118 Abs. 2
FGO).
bb)
Soweit die Klägerin darauf hinweist, im vorliegenden Fall
bestehe die Möglichkeit, (zusätzlich) eine beliebige
Menge an Token zu gewinnen, ist dies unerheblich. Auch wenn Token
nicht eine bloße Weiterspielmöglichkeit, wie
beispielsweise ein reines „Freispiel“,
darstellen, stellt ihr Gewinn keinen Geldgewinn dar.
Der weitere Einwand der
Klägerin, ein Spielgerät, bei dem ein Spieler bereit sei,
einen Verlust von bis zu 480 EUR pro Stunde in Kauf zu nehmen,
könne keinen „reinen Unterhaltungswert“
haben, ändert nichts daran, dass auch in diesem Falle eine
Chance auf einen Geldgewinn ausgeschlossen ist.
cc) Wie
das FG weiterhin zutreffend ausführt, erfährt der
Leistungsempfänger keine unmittelbare Vermögensmehrung
seitens des Leistenden dadurch, dass er ggf. seinen Spieleinsatz
übersteigende Token an fremde Dritte außerhalb der
Leistungsbeziehung mit dem Leistenden veräußert. Etwas
anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn entsprechend der
Gestaltung des Spielvertrages dem jeweiligen Spieler von vornherein
die Möglichkeit eingeräumt wird, die Token gegen Geld
oder andere Gegenleistungen als die bloße
Weiterspielmöglichkeit zu tauschen (vgl. dazu Urteil des
Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 12.12.2002 5St RR 296/02,
GewArch 2003, 119, Juristische Rundschau 2003, 386). Dass die
Spielverträge der Klägerin derart gestaltet waren, dass
die Spieler von vornherein die Möglichkeit eines Umtausches
der Token über den Einsatz hinaus in Geld oder andere
Gegenleistungen hatten, ergibt sich aber nicht aus den
Feststellungen des FG.
3. Der
Senat ist nicht verpflichtet, die von der Klägerin angeregte
Vorabentscheidung durch den EuGH nach Art. 234 Abs. 3 EG
herbeizuführen.
Die von der Klägerin gestellte
Rechtsfrage, ob ein Glücksspiel i.S. des Art. 13 Teil B
Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG nur dann anzunehmen ist, wenn
das Spiel so ausgestaltet ist, dass es dem Spieler die Chance auf
einen den Einsatz übersteigenden Geldgewinn bietet, kann
anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung des EuGH (s. oben,
unter II.B.II.2.) zweifelsfrei bejaht werden.