Brauereidarlehen, Weitergabe durch Getränkegroßhändler an Gastwirt, Dauerschuld: Darlehen, die einem Getränkegroßhändler von Brauereien zur Weitergabe an Gastwirte gewährt werden, sind Dauerschulden i.S. des § 8 Nr. 1 GewStG a.F., wenn mit den weitergereichten Darlehen eine Getränkebezugsverpflichtung verbunden ist. - Urt.; BFH 15.5.2008, IV R 77/05; SIS 08 27 68
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen Groß-
und Einzelhandel mit Getränken. In den Streitjahren (1992 bis
1996) erhielt und gewährte sie mit einer
Bierbezugsverpflichtung verbundene Darlehen. Die der Klägerin
von Brauereien gewährten Darlehen hatten eine mehrjährige
Laufzeit und sollten zur Beschaffung von Inventar für
bestimmte Gaststätten von Kunden der Klägerin dienen. Mit
einem solchen Darlehen war eine Bezugsverpflichtung für
bestimmte Biersorten der Brauerei verbunden. Unter Verwendung der
erhaltenen Darlehensmittel gewährte die Klägerin
anschließend ihren Kunden mehrjährige verzinsliche
Darlehen für den Inventarkauf, die zum einen wiederum mit
einer Bierbezugsverpflichtung über die Klägerin, aber zum
anderen auch mit einer Verpflichtung zur Abnahme aller anderen
Getränke von der Klägerin verbunden waren. Der
Darlehenszins entsprach in der Regel dem Zins, den die
Klägerin selbst an die Brauerei zahlen musste. Eine die
Verwaltungskosten der Klägerin übersteigende Zinsmarge
gab es nicht.
Nach einer Außenprüfung
erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA
- ) am 1.8.2000 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO)
geänderte Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag und
die Gewerbesteuer für die Streitjahre und berücksichtigte
dabei die Zinsaufwendungen für Brauereidarlehen als
Dauerschuldzinsen. Hiergegen erhob die Klägerin
Einsprüche, die aber in Bezug auf die Hinzurechnungen im
Zusammenhang mit den Brauereidarlehen erfolglos blieben.
Die anschließend erhobene Klage wies
das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Das Urteil ist in
EFG 2005, 1371 = SIS 05 33 93 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die
Klägerin eine Verletzung des § 8 Nr. 1 des
Gewerbesteuergesetzes in der für die streitigen
Erhebungszeiträume geltenden Fassung (GewStG a.F.).
Sie beantragt, das Urteil des FG sowie die
Einspruchsentscheidung vom 15.7.2002 aufzuheben und die Bescheide
über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer 1992
bis 1996 vom 1.8.2000 mit der Maßgabe zu ändern, dass
statt der bisher berücksichtigten Dauerschuldzinsen und
Dauerschulden von folgenden Werten auszugehen ist:
Erhebungs-
zeitraum
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Dauer-
schuldzinsen
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Dauer-
schulden
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1992
|
67.007 DM
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424.068 DM
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1993
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133.183 DM
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3.002.193 DM
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1994
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198.644 DM
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3.412.583 DM
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1995
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128.092 DM
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2.418.583 DM
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1996
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93.729 DM
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2.648.210 DM
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend
auf mündliche Verhandlung verzichtet.
II. Die Revision ist nicht begründet und
war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Die Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen nach
§ 8 Nr. 1 GewStG a.F. bzw. Dauerschulden nach § 12 Abs. 2
Nr. 1 GewStG a.F. ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Nach § 8 Nr. 1 GewStG a.F. werden dem
Gewinn aus Gewerbebetrieb die Hälfte der Entgelte für
Schulden, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung
des Betriebskapitals dienen, wieder hinzugerechnet, soweit sie bei
der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. Eine Schuld dient
nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)
grundsätzlich der nicht nur vorübergehenden
Verstärkung des Betriebskapitals, wenn ihr Gegenwert das
Betriebskapital länger als ein Jahr verstärkt (vgl. z.B.
BFH-Urteil vom 29.1.2003 I R 50/02, BFHE 202, 74, BStBl II 2003,
768 = SIS 03 33 83).
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird jedoch
einerseits für durchlaufende Kredite gemacht. Um solche
handelt es sich, wenn dem Steuerpflichtigen aus der Kreditaufnahme
und der Weitergabe des Kredits kein über die Verwaltungskosten
hinausgehender Nutzen erwächst und der Steuerpflichtige den
Kredit nicht im eigenen, sondern im fremden Interesse aufgenommen
hat (vgl. BFH-Urteil vom 7.7.2004 XI R 65/03, BFHE 207, 340, BStBl
II 2005, 102 = SIS 05 02 11, m.w.N.). Das ist dann der Fall, wenn
das weiterleitende Unternehmen keinen eigenen wirtschaftlichen
Nutzen aus der Weitergabe der Kreditmittel ziehen kann (BFH-Urteil
vom 11.12.1997 IV R 92/96, BFH/NV 1998, 1222 = SIS 98 18 37), wenn
also z.B. der Kreditnehmer die Kreditmittel zu einem
ausschließlich außerhalb seines Betriebs liegenden
Zweck an einen Dritten weiterleitet (BFH-Urteil vom 24.1.1996 I R
160/94, BFHE 180, 160, BStBl II 1996, 328 = SIS 96 14 34,
m.w.N.).
Nicht der dauernden Verstärkung des
Betriebskapitals dienen andererseits trotz einer Laufzeit von mehr
als einem Jahr auch Schulden, die in wirtschaftlichem Zusammenhang
mit laufenden Geschäftsvorfällen stehen und in der nach
Art des jeweiligen Geschäftsvorfalls üblichen Frist
getilgt werden. Dabei handelt es sich insbesondere um Kredite, die
ein Unternehmen zur Finanzierung der Anschaffungs- oder
Herstellungskosten eines bestimmten Wirtschaftsguts des
Umlaufvermögens aufnimmt und die aus dem bei der
Veräußerung dieses Wirtschaftsguts erzielten Erlös
zu tilgen sind (BFH-Urteile vom 7.8.1990 VIII R 40/87, BFHE 162,
122, BStBl II 1990, 1077 = SIS 90 22 22, und vom 18.4.1991 IV R
6/90, BFHE 164, 381, BStBl II 1991, 584 = SIS 91 14 38). Ihnen
gleichgestellt werden Verbindlichkeiten zur Finanzierung von
Gegenständen, die einen Grenzfall zwischen Anlage- und
Umlaufvermögen darstellen und deren Anschaffung bzw.
Herstellung zu den immer wiederkehrenden, den Gegenstand des
Unternehmens ausmachenden üblichen
Geschäftsvorfällen gehört (BFH-Urteil vom 9.4.1981
IV R 24/78, BFHE 133, 67, BStBl II 1981, 481 = SIS 81 17 24).
b) Die von der Klägerin bei Brauereien
aufgenommenen Kredite sind weder durchlaufende Kredite noch stehen
sie in dem erwähnten Sinn mit laufenden
Geschäftsvorfällen in Zusammenhang.
Die Aufnahme der Darlehen von Brauereien war
für die Klägerin nützlich, auch wenn sie per Saldo
mit der Verwendung der Darlehensmittel zur Vergabe ihrerseits von
Darlehen an Kunden keinen unmittelbaren Gewinn erzielte. Ein
Vorteil für die Klägerin ergab sich einerseits daraus,
Kunden nicht nur an die Brauerei, sondern zugleich an sich als
Großhändler der Brauereiprodukte binden zu können.
Darüber hinaus legte sie den Kunden auch eine Bindung für
andere Getränke auf, die nicht mit der Brauerei und damit auch
nicht mit dem von der Brauerei gewährten Kredit
zusammenhingen. Auch solche mittelbar mit der Darlehensaufnahme in
Zusammenhang stehenden Vorteile sind für die Annahme eines
durchlaufenden Kredits schädlich, denn die Kreditmittel werden
nicht nur zu einem außerhalb des Betriebs liegenden Zweck an
einen Dritten weitergeleitet.
Die Darlehen wurden auch nicht zur
Finanzierung der Beschaffung von Wirtschaftsgütern des
Umlaufvermögens oder wiederkehrender Anschaffungen von
Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens eingesetzt. Sie
dienten vielmehr nur der Mittelbeschaffung für die Vergabe von
Darlehen an Kunden. Demgemäß waren auch keine im
Zusammenhang mit Umsatzerlösen stehenden
Darlehensrückzahlungen vereinbart, sondern langfristige
Tilgungen. Die Darlehen dienten so der langfristigen Stärkung
des Betriebskapitals.
c) Soweit die Klägerin geltend macht, das
FG habe nur eine Gesamtbetrachtung aller Darlehensverträge an
Stelle der notwendigen Einzelbetrachtung jedes Vertrags
vorgenommen, ist dieser Einwand revisionsrechtlich unbeachtlich. Da
die Klägerin keine ordnungsgemäße
Verfahrensrüge erhoben hat, ist das Revisionsgericht nach
§ 118 Abs. 2 FGO an die Feststellungen des FG gebunden. Danach
übertrug die Klägerin in allen Fällen eine
Verpflichtung zum Bezug von bestimmten Brauereiprodukten auf ihre
Darlehensnehmer und ergänzte dies um eine Abnahmeverpflichtung
für andere Getränke. Im Übrigen wäre selbst
dann von einem eigenbetrieblichen Interesse an der
Darlehensgewährung und damit dem Fehlen einer Voraussetzung
für einen durchlaufenden Kredit auszugehen, wenn ein
Brauereidarlehen zu denselben Konditionen an einen Kunden
weitergereicht worden wäre und nur eine Abnahmeverpflichtung
in Bezug auf Produkte dieser Brauerei vereinbart worden wäre.
Denn die Klägerin hätte auch in diesem Fall einen Vorteil
aus der Großhandelsmarge für die aufgrund des Vertrags
abzunehmenden Getränke.
d) Eine analoge Anwendung des § 19 der
Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung kommt nicht in Betracht.
Diese Regelung ist nach ihrem Wortlaut, aber auch nach dem Umfang
der Verordnungsermächtigung in § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst.
e GewStG auf Dauerschulden von Kreditinstituten und solchen
Gewerbebetrieben, die ausschließlich Finanzgeschäfte
betreiben, beschränkt. Dass Gewerbebetriebe, die neben anderen
Tätigkeiten auch Kreditgeschäfte betreiben, von der
Regelung nicht erfasst werden, kann nicht als planwidrige
Regelungslücke, sondern nur als bewusste Entscheidung des
Gesetzgebers angesehen werden. Die Unterscheidung ist auch
sachgerecht, denn für das Kreditgewerbe käme es
anderenfalls typischerweise zu einer Doppelbelastung mit
Gewerbesteuer.