Nichtärztlicher Logotherapeut, USt: Die Umsätze eines nichtärztlichen Logotherapeuten sind nicht gemäß § 4 Nr. 14 UStG 1991/1993 umsatzsteuerfrei. - Urt.; BFH 23.8.2007, V R 38/04; SIS 07 36 03
I. Streitig ist, ob die Umsätze des
Klägers und Revisionsklägers (Kläger) aus seiner
Tätigkeit als Logotherapeut in den Streitjahren 1992 bis 1994
gemäß § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes 1991 und
1993 (UStG) umsatzsteuerfrei waren.
Der Kläger ist promovierter Theologe.
Er ist selbständig tätig und betreibt ein Institut
für Existenzanalyse und Logotherapie.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) lehnte die Anwendung des § 4 Nr. 14 UStG
auf die Umsätze des Klägers aus dieser Tätigkeit ab,
da der Kläger keine den in dieser Vorschrift genannten
Heilberufen ähnliche Tätigkeit ausübe; es fehle
bereits an einer vergleichbaren gesetzlichen Berufszulassungs- und
Berufsausübungsregelung.
Die hiergegen gerichteten Einsprüche
des Klägers waren erfolglos. Das Finanzgericht (FG) lehnte die
Anwendung des § 4 Nr. 14 UStG auf die streitigen Umsätze
des Klägers ab und ließ dementsprechend
zusätzliche, unstreitige Vorsteuerbeträge, die das FA
bisher nicht berücksichtigt hatte, zum Abzug zu.
Das FG führte aus, § 4 Nr. 14
UStG sei auf die Umsätze des Klägers aus Logotherapie und
Existenzanalyse nicht anzuwenden. Es komme darauf an, dass die
Tätigkeit des Klägers ihrer Art nach von den
Sozialversicherungsträgern finanziert werde. Diesen Nachweis
habe der Kläger nicht erbracht.
Das Urteil ist in EFG 2005, 1567 = SIS 05 42 79 abgedruckt.
Mit der Revision rügt der Kläger
Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger trägt vor, bereits in
den Streitjahren ausgebildeter Psychotherapeut mit der Fachrichtung
Logotherapie gewesen zu sein. Er habe das European Certificate of
Psychotherapy erhalten. Inzwischen sei ihm von der …
Psychotherapieakademie eine Professur verliehen worden und er lehre
an der Privatuniversität … Psychotherapie. Ferner legte
er eine Bescheinigung vor, wonach er in Österreich seit dem
12.4.2007 zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie
berechtigt ist. Daher ist der Kläger der Auffassung,
psychotherapeutische Umsätze auszuführen.
Deren Befreiung nach § 4 Nr. 14 UStG
ergebe sich daraus, dass für Psychotherapie allgemein und
nicht speziell für die Logotherapie eine Kostenübernahme
durch die Sozialversicherungsträger in Betracht komme. Auf die
Methode der Psychotherapie und darauf, ob diese Methode in den
Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen worden
sei, komme es nicht an.
Ferner meint der Kläger, der Grundsatz
der steuerlichen Neutralität sei verletzt, wenn seine
Umsätze aus Logotherapie steuerpflichtig, die gleichen
Umsätze eines Arztes allerdings steuerfrei seien.
Der Kläger beantragt
sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die
streitigen Umsätze von der Umsatzsteuer zu befreien,
hilfsweise die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision des Klägers ist
unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126
Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Zu Recht hat das FG entschieden, dass die
Umsätze des Klägers aus der Tätigkeit als
Logotherapeut nicht gemäß § 4 Nr. 14 UStG
steuerbefreit sind.
Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 der in den
Streitjahren geltenden Fassungen des UStG sind „die
Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt,
Heilpraktiker, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer
ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i.S. des § 18
Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes“ steuerfrei.
a) Diese Vorschrift setzt bei
richtlinienkonformer Auslegung voraus, dass der Unternehmer eine
Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche
oder arztähnliche Leistungen erbringt und dass er dafür
die erforderliche Qualifikation besitzt (vgl. Urteile des
Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom
6.11.2003 Rs. C-45/01, Christoph-Dornier-Stiftung, UR 2003, 585 =
SIS 04 01 38 Rz 5; vom 27.4.2006 C-443/04 und C-444/04, Solleveld
u.a., BFH/NV Beilage 2006, 299, UR 2006, 587 = SIS 06 24 66 Rz 24,
37; Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7.7.2005 V R 23/04,
BFHE 211, 69, BStBl II 2005, 904 = SIS 05 42 05; vom 18.8.2005 V R
71/03, BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143 = SIS 06 01 79).
aa) Heilbehandlungen im Bereich der
Humanmedizin i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten
Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) umfassen Tätigkeiten, die
zum Zweck der Vorbeugung, der Diagnose, der Behandlung und, soweit
möglich, der Heilung von Krankheiten oder
Gesundheitsstörungen für bestimmte Patienten
ausgeführt werden (BFH-Urteile vom 30.6.2005 V R 1/02, BFHE
210, 188, BStBl II 2005, 675 = SIS 05 36 35; vom 13.7.2006 V R
7/05, BFH/NV 2006, 2387, DStR 2006, 1982 = SIS 06 42 39,
m.w.N.).
bb) Im Urteil „Solleveld“
in BFH/NV Beilage 2006, 299, UR 2006, 587 hat der EuGH die
Grundsätze für die Definition der
„arztähnichen Berufe“ durch die
Mitgliedstaaten präzisiert:
Die Mitgliedstaaten haben nach Art. 13 Teil A
Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG bei der Definition der
arztähnlichen Berufe ein Ermessen, das sich nicht nur auf die
für die Ausübung dieser Berufe erforderliche
Qualifikation, sondern auch auf die Festlegung der spezifischen
Heiltätigkeiten bezieht, die zu diesen Berufen gehören
(Rz 29, 30). Die Mitgliedstaaten können einzelne Berufe von
den arztähnlichen Berufen ausnehmen, selbst wenn sie
hinsichtlich bestimmter Aspekte im nationalen Recht besonders
geregelt sind (Rz 33).
Begrenzt wird dieses Ermessen jedoch zum einen
durch das Ziel der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der
Richtlinie 77/388/EWG aufgestellten Voraussetzung, „dass
die Befreiung nur für Heilbehandlungen im Bereich der
Humanmedizin gilt, die von Personen erbracht werden, die die
erforderlichen beruflichen Qualifikationen ... besitzen. Daher sind
nicht alle Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin von der
Mehrwertsteuer befreit, sondern nur diejenigen, die unter
Berücksichtigung der beruflichen Ausbildung der Behandelnden
eine ausreichende Qualität aufweisen“. (Rz 37).
Zum anderen verbietet zwar der Grundsatz der
steuerlichen Neutralität, gleichartige und deshalb miteinander
im Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der
Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. „Bei der
Prüfung, ob Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin
gleichartig sind, sind jedoch die beruflichen Qualifikationen der
Behandelnden zu berücksichtigen.“ (Rz 40).
In Übereinstimmung mit diesen
Grundsätzen hängt der Nachweis der erforderlichen
Qualifikation nach der Rechtsprechung des Senats nicht
ausschließlich von einer berufsrechtlichen Regelung und deren
Erfüllung ab. Indizien für das Vorliegen einer
beruflichen Qualifikation sind die Zulassung des jeweiligen
Unternehmers oder die regelmäßige Zulassung seiner
Berufsgruppe gemäß § 124 Abs. 2 des Fünften
Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) durch die zuständigen Stellen
der gesetzlichen Sozialversicherung oder die Aufnahme der
betreffenden Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen
Krankenkassen nach § 92 SGB V (BFH-Urteil in BFHE 211, 69,
BStBl II 2005, 904 = SIS 05 42 05, m.w.N.). Weiteres Indiz ist,
dass der Behandelnde die Qualifikation hat, die in einem
Versorgungsvertrag gemäß § 11 Abs. 2, §§
40, 111 SGB V für Leistungen von Fachkräften zur
medizinischen Rehabilitation benannt ist (BFH-Urteil vom 25.11.2004
V R 44/02, BFHE 208, 80, BStBl II 2005, 190 = SIS 05 13 21, unter
II.2.c).
b) Nach diesen Grundsätzen sind die
streitigen Umsätze des Klägers nicht gemäß
§ 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit:
aa) Für Logotherapeuten bestand keine
berufsrechtliche Regelung. Die Logotherapie war nach Anlage 1 der
in den Streitjahren gültigen Richtlinien gemäß
§ 92 Abs. 1 SGB V über die Durchführung der
Psychotherapie in der kassenärztlichen Versorgung
(Psychotherapie-Richtlinien) von den Leistungen der gesetzlichen
Krankenkassen ausdrücklich ausgenommen. Da der Kläger
ausschließlich die Logotherapie praktizierte, ist - entgegen
seiner Auffassung - auf diese Methode und nicht allgemein auf
Psychotherapie abzustellen.
bb) Soweit der Kläger vorträgt,
bereits in den Streitjahren Psychotherapeut gewesen zu sein,
handelt es sich um neuen Sachvortrag, der im Revisionsverfahren
schon aufgrund der Bindung an die Feststellungen des FG nicht
berücksichtigt werden kann (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Denn
das FG stellte lediglich fest, dass der Kläger in den
Streitjahren Theologe war. Ebenfalls neu in diesem Sinne ist das
Vorbringen des Klägers, er sei Inhaber des …
Certificate of Psychotherapy, ihm sei eine Professur verliehen
worden und er lehre an der … Psychotherapie. Gleiches gilt
für die vom Kläger eingereichte Bescheinigung, wonach er
in Österreich seit dem 12.4.2007 zur selbständigen
Ausübung der Psychotherapie berechtigt ist.
cc) Entgegen der Auffassung des Klägers
ist der Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht verletzt,
wenn logotherapeutische Heilbehandlungen eines Arztes aufgrund
seiner breiten heilberuflichen Ausbildung nach § 4 Nr. 14 Satz
1 UStG steuerbefreit sein sollten, die Leistungen des Klägers
hingegen steuerpflichtig sind. Denn Heilbehandlungen sind nur
gleichartig und damit hinsichtlich der Mehrwertsteuer gleich zu
behandeln, wenn die Qualifikationen der Leistenden vergleichbar
sind (EuGH-Urteil Solleveld u.a. in BFH/NV Beilage 2006, 299, UR
2006, 587 = SIS 06 24 66 Rz 40 ff.). Der Kläger hatte aber
nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt in den Streitjahren
keine ähnlich breite heilberufliche Ausbildung wie ein Arzt,
sondern war Theologe.