Verschmelzung, Bewertungswahlrecht: Im Falle einer Verschmelzung darf die übertragende Kapitalgesellschaft das übergehende Betriebsvermögen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 1995 mit seinem Buchwert oder mit einem höheren Wert ansetzen (entgegen BMF-Schreiben vom 25.3.1998, BStBl 1998 I S. 268 = SIS 98 09 38 Tz. 03.01, 11.01). - Urt.; BFH 5.6.2007, I R 97/06; SIS 07 32 96
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine GmbH, auf die durch Vertrag vom 6.8.1999
eine andere GmbH, die K-GmbH, zum 30.12.1998 im Wege der
Verschmelzung durch Aufnahme gemäß § 2 Nr. 1 und
§§ 46 ff. des Umwandlungsgesetzes (UmwG 1995)
übergegangen ist. Der Verschmelzung wurde die Schlussbilanz
der K-GmbH zum Verschmelzungsstichtag zugrunde gelegt. In dieser
wurde dabei das Betriebsgrundstück mit einem höheren Wert
(3.100.556,32 DM) als dem in der Handelsbilanz ausgewiesenen
Buchwert (1.133.123,32 DM) angesetzt und wurden damit in Höhe
des Unterschiedsbetrages stille Reserven aufgedeckt. Der Beklagte
und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) folgte dem unter
Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF)
vom 25.3.1998 (BStBl I 1998, 268 = SIS 98 09 38, Tz. 03.01 und
11.01) nicht. Er verminderte dementsprechend den Steuerbilanzgewinn
der K-GmbH. Zugleich berichtigte er die Wertansätze in der
Bilanz der Klägerin als übernehmende Rechtsträgerin
und setzte dieser gegenüber die Körperschaftsteuer
für das Streitjahr 1998 hiernach unter Erhöhung des nach
§ 12 Abs. 2 des Umwandlungsteuergesetzes (UmwStG 1995) nicht
abzugsfähigen Übernahmeverlustes fest.
Die anschließende Klage war
erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) Köln gab ihr durch Urteil
vom 20.9.2006 13 K 6307/02 statt. Das Urteil ist in EFG 2007, 309 =
SIS 07 05 27 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA
Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet.
1. Das Vermögen der K-GmbH ist mit der
Eintragung der Verschmelzung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2
Nr. 1 UmwG 1995) im Handelsregister des übernehmenden
Rechtsträgers auf die Klägerin als übernehmende
Rechtsträgerin übergegangen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG
1995). Für die der Anmeldung der Verschmelzung zum
Handelsregister beizufügende Schlussbilanz (§ 16, §
17 Abs. 2 Satz 1 UmwG 1995) gelten nach § 17 Abs. 2 Satz 2
UmwG 1995 die Vorschriften über die Jahresbilanz und deren
Prüfung entsprechend. Nach den damit angesprochenen Regeln der
§§ 238 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB) sind die
handelsrechtlichen Buchwerte grundsätzlich fortzuführen.
Stille Reserven können handelsrechtlich nur aufgedeckt werden,
wenn ein Gewinnrealisierungstatbestand vorliegt. Ein über dem
Buchwert liegender Wertansatz ist im Übrigen nur im Rahmen der
Wertaufholung gemäß § 280 HGB möglich. Ein
Wahlrecht für den Ansatz der Buch-, Zwischen- oder Teilwerte
besteht daher handelsrechtlich nicht. Ob der Anmeldung der
Verschmelzung zum Handelsregister eine diesen Voraussetzungen
genügende handelsrechtliche Umwandlungsbilanz beigefügt
war, ist für den Eintritt der zivilrechtlichen Wirkungen der
Eintragung ohne Belang (Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht,
§ 24 UmwG Rz 159; siehe dort auch Vossius, § 20 UmwG Rz
373 f.).
2. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 und 3 UmwStG
1995 können demgegenüber in der steuerlichen
Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft die
übergegangenen Wirtschaftsgüter mit einem über dem
Buchwert liegenden Wert angesetzt werden, soweit der Teilwert nicht
überschritten wird. In diesem Rahmen halten sich nach den
Feststellungen des FG die in der steuerlichen Schlussbilanz der
K-GmbH zum 30.12.1998 ausgewiesenen Zwischenwertansätze, die
insoweit von den in der Handelsbilanz zum 31.12.1998 angesetzten
Buchwerten abweichen. Damit hat die K-GmbH als
Rechtsvorgängerin der Klägerin zulässigerweise das
ihr in § 11 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 1995 eingeräumte
Wahlrecht ausgeübt. Die Frage der einheitlichen Ausübung
des Bewertungswahlrechts in Bezug auf alle stille Reserven
enthaltenden Wirtschaftsgüter (vgl. dazu Dötsch in
Dötsch/Jost/Pung/ Witt, Die Körperschaftsteuer, § 11
UmwStG Rz 10) ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich, da
sich hieraus nur von der Höhe der Absetzungen für
Abnutzung abhängige Einkommensauswirkungen bei der Besteuerung
der übernehmenden Gesellschaft ergeben können.
3. a) Dass die Ausübung des
umwandlungssteuerrechtlichen Wahlrechts nicht in
Übereinstimmung mit den handelsrechtlichen Vorgaben
ausgeübt wird, ist unbeachtlich. Zwar bestimmt § 5 Abs. 1
Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997), dass
steuerrechtliche Wahlrechte bei der Gewinnermittlung in
Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Bilanz
auszuüben sind. Dieser Grundsatz der Maßgeblichkeit gilt
aber für die hier streitbefangene steuerliche
Umwandlungsbilanz gerade nicht. Vielmehr enthält das in §
11 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 1995 der übertragenden
Körperschaft eingeräumte Bewertungswahlrecht eine
Durchbrechung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes in Gestalt einer
speziellen und damit jenem Grundsatz vorgehenden gesetzlichen
Regelung.
Der Senat folgt insoweit der ganz
überwiegend herrschenden Auffassung (vgl. z.B. FG
Baden-Württemberg, Urteil vom 4.3.2004 6 K 103/99, EFG 2004,
858 = SIS 04 20 20; Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/ Witt,
a.a.O., § 3 UmwStG Rz 27, und § 11 UmwStG Rz 4 f.;
Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., § 3 UmwStG Rz 304, und
§ 11 UmwStG Rz 13; Gosch, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs
für die Praxis der Steuerberatung 2006, 171; Kilger/Mathias,
Der Konzern 2006, 230; Kempermann, FR 2006, 475; Breuninger, GmbHR
2006, 325; Kußmaul/Zabel, Zeitschrift für Steuern und
Recht 2006, 92; Blumers, Neue Wirtschafts-Briefe Fach 18, 4327;
Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, UmwStG, § 2 UmwStG Rz 12
f., und § 11 UmwStG Rz 23; Klingberg in Blümich, EStG,
KStG, GewStG, § 11 UmwStG Rz 30; Weber-Grellet in Schmidt,
EStG, 25. Aufl., § 5 Rz 46, jeweils m.w.N.) und gelangt damit
zu einem mit der Regelungslage bei der formwechselnden Umwandlung
nach § 25 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1995
übereinstimmenden Ergebnis (vgl. Senatsurteil vom 19.10.2005 I
R 38/04, BFHE 211, 472, BStBl II 2006, 568 = SIS 06 11 06; s. dazu
BMF-Schreiben vom 4.7.2006, BStBl I 2006, 445 = SIS 06 34 78).
b) Der gegenteiligen Auffassung der
Finanzverwaltung (BMF-Schreiben in BStBl I 1998, 268 = SIS 98 09 38, Tz 03.01 und 11.01) ist zwar zuzugeben, dass die in § 3
Satz 2 und § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 enthaltenen
Ausnahmen, wonach der Buchwertansatz auch zulässig ist, wenn
in der Handelsbilanz das eingebrachte Betriebsvermögen nach
handelsrechtlichen Vorschriften mit einem höheren Wert
angesetzt werden muss, dafür sprechen könnten, dem
Maßgeblichkeitsgrundsatz im Übrigen Geltungsvorrang
einzuräumen. Die Vorinstanz hat dem jedoch zu Recht die
Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des Gesetzes
entgegengestellt:
§ 3 Satz 1 und § 11 Abs. 1 Satz 2
UmwStG 1995 und damit die Einräumung der steuerlichen
Wahlrechte einerseits und § 17 Abs. 2 Satz 2 UmwG 1995
andererseits wurden vom Gesetzgeber zeitgleich beschlossen. Wenn
der Gesetzgeber aber ein steuerliches Wahlrecht für einen
Ansatz über dem Buchwert vorsieht, gleichzeitig jedoch
für die handelsrechtliche Schlussbilanz die Aufdeckung der
stillen Reserven bis auf den Ausnahmefall der Wertaufholung
verbietet, kann dies in der Gesamtschau nur so verstanden werden,
dass ein Ansatz oberhalb der steuerlichen Buchwerte von
handelsrechtlichen Vorgaben unbeeinflusst sein soll. Anderenfalls
hätte der Gesetzgeber gleichzeitig sich gegenseitig
ausschließende Regelungen beschlossen (Widmann in
Widmann/Mayer, a.a.O., § 3 UmwStG Rz 304). Das FG weist ebenso
zutreffend darauf hin, dass ein solches Regelungsverständnis
sinnwidrig wäre, weil die steuerlich explizit eröffneten
Wahlrechte in § 3 Satz 1 und § 11 Abs. 1 Satz 2 UmwStG
1995 andernfalls faktisch leerliefen. Wäre dies beabsichtigt
gewesen, hätte es näher gelegen, darauf zu verzichten,
auf die Bestimmung der steuerlichen Wahlrechte Bezug zu nehmen. Es
spricht nichts dafür, diese Wahlrechte allein auf die Ausnahme
der Wertaufholung zu beziehen. Das FG weist in diesem Zusammenhang
zu Recht auf das steuerliche Wertaufholungsgebot in § 6 Abs. 1
Nr. 1 Satz 4 EStG 1997 hin, das durch das Steuerentlastungsgesetz
1999/2000/2002 geschaffen wurde, ohne die in Rede stehenden
Bewertungswahlrechte des Umwandlungssteuergesetzes entfallen zu
lassen.