Cash-Pool, Darlehenszinsen: Wer einen als Darlehen empfangenen Geldbetrag nicht dazu nutzt, Aufwendungen im Zusammenhang mit seiner Vermietungstätigkeit zu begleichen, sondern ihn in einen Cash-Pool einbringt, aus dem heraus er später seine Kosten bestreitet, kann Schuldzinsen aus diesem Darlehen nicht als Werbungskosten von seinen Einnahmen aus Vermietung abziehen. - Urt.; BFH 29.3.2007, IX R 10/06; SIS 07 21 32
I. Die Beteiligten streiten über den
Werbungskostenabzug von Zinsen aufgrund von Darlehen, die in ein
Cash-Pool-Verfahren eingebracht wurden.
Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) waren Gesellschafter einer mittlerweile - im Wege der
Übernahme aller Anteile durch die Klägerin zu 1 -
beendeten GbR, die ein in den Jahren 1968 bis 1971 errichtetes
Bürohochhaus vermietete und verwaltete. Die Anschaffungs- und
Herstellungskosten in Höhe von ca. 34 Mio. DM wurden teilweise
fremdfinanziert.
Die GbR gehörte zu einer Firmengruppe,
in der ein Cash-Pool-Verfahren praktiziert wurde. Auf der Grundlage
eines Generaldarlehensvertrags aus dem Jahr 1970 zwischen der D
GmbH (ab 1986 D KG - im Folgenden: D) und zwölf Firmen des
Verbundes, darunter die GbR, wurden alle Salden der Bankkonten der
Gruppe täglich auf einem Konto der D zusammengeführt,
indem Guthaben abgezogen und Schulden ausgeglichen wurden. Nahmen
Gruppenmitglieder Darlehen auf, wurde die Darlehensvaluta am Ende
des Auszahlungstags automatisch abgezogen und am Ende des Tages, an
dem die entsprechende Ausgabe getätigt wurde, wieder
zurück überwiesen, sofern das Ausgabenkonto in das
Cash-Pool-Verfahren einbezogen war. Für den Zeitraum zwischen
Darlehensauszahlung und Rücküberweisung wurde bei den
Verbundunternehmen eine Forderung gegen D ausgewiesen, die im Falle
der GbR nicht verzinst werden sollte.
Die GbR hatte in den Streitjahren 1982 und
1983 bei einer Lebensversicherung mehrere Darlehen aufgenommen. Die
Darlehensvaluten wurden nach Abzug von Zinsen und Gebühren
ausgezahlt (z.B. im Streitjahr 1982 ein Betrag von 312.882,40 DM),
flossen kurze Zeit später aber von dem Konto der GbR auf ein
Konto der D (z.B. im Streitjahr 1982 ein Betrag von 320.000 DM). Im
Streitjahr 1985 gewährte eine Landesbank der GbR zwei Darlehen
über 2,4 Mio. DM (Darlehen 001) und über 2,3 Mio. DM
(Darlehen 002). Die Valuta des Darlehens 001 wurde an die GbR
ausgezahlt und am gleichen Tag auf das Konto der D umgebucht. Mit
dem Darlehen 002 wurde zunächst ein Kredit der
Landesbausparkasse abgelöst, der Rest floss über ein
Girokonto der GbR auf das Konto der D.
Die GbR machte die Zinsaufwendungen in
allen Streitjahren (1982 bis 1987) als Werbungskosten bei den
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) kürzte
den Aufwand um Schuldzinsen aufgrund solcher Darlehen, deren
Valuten im Cash-Pool-Verfahren an die D weitergeleitet wurden.
Hierdurch sah das FA im Anschluss an eine Außenprüfung
den Veranlassungszusammenhang zu der Einkunftsart Vermietung und
Verpachtung als gelöst an. Es änderte die
Feststellungsbescheide der Streitjahre 1982 bis 1986 nach §
173 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) und den
Feststellungsbescheid für das Streitjahr 1987 nach § 164
Abs. 2 AO.
Die Klage blieb erfolglos. Das
Finanzgericht (FG) bejahte in seinem in EFG 2006, 565 = SIS 06 23 28, veröffentlichten Urteil sowohl die Änderungsbefugnis
des FA als auch seine Berechtigung, die als Werbungskosten geltend
gemachten Schuldzinsen entsprechend zu kürzen.
Hiergegen richtet sich die Revision der
Kläger, die sie auf Verletzung materiellen Rechts
stützen:
Das FA habe die Feststellungen für die
Streitjahre 1982 bis 1986 nicht nach § 173 Abs. 1 AO
ändern dürfen. Das FA hätte aufgrund der
eingereichten Unterlagen, insbesondere des Vermögensstatus den
Sachverhalt näher überprüfen müssen. Es gehe
aus dem Status hervor, dass z.B. im Streitjahr 1985 der Grad der
Verschuldung angestiegen sei und eine Umschuldung stattgefunden
habe. Dies hätte das FA veranlassen müssen, näher zu
überprüfen, womit die Entnahmen finanziert worden
seien.
Materiell-rechtlich sei der
Veranlassungszusammenhang der Schuldzinsen mit der Einkunftsart
Vermietung und Verpachtung durch das Cash-Pool-Verfahren nicht
unterbrochen gewesen. Das Cash-Pool-Konto bei D sei wie ein
Girokonto der GbR zu verstehen. Die GbR habe von ihren Bankkonten
Ausgaben getätigt, die unstreitig als Werbungskosten zu
beurteilen seien. Diese Ausgaben hätten zu negativen Salden
geführt, die durch Rückflüsse aus dem Cash-Pool
ausgeglichen worden seien.
Die Kläger beantragen, das
angefochtene Urteil und die geänderten Bescheide über die
einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte der
ehemaligen GbR für die Streitjahre in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 6.9.2000 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet.
Zutreffend hat das FG die als Werbungskosten
bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend
gemachten Schuldzinsen insoweit nicht als abziehbar beurteilt, als
die an die GbR ausgezahlten Darlehensvaluten in das
Cash-Pool-Verfahren einbezogen waren (1.) und das FA für
berechtigt angesehen, die Feststellungsbescheide in diesem Umfang
zu ändern (2.).
1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1
Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Aufwendungen zur
Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dies gilt auch
für Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in
wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1
EStG).
a) Als abziehbare Werbungskosten müssen
Schuldzinsen für eine Verbindlichkeit geleistet worden sein,
die durch die Einkünfteerzielung - hier aus Vermietung und
Verpachtung - veranlasst ist. So verhält es sich nur, wenn der
Steuerpflichtige ein Darlehen tatsächlich dazu verwendet, um
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, z.B.
indem er damit Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines der
Einkünfteerzielung dienenden Gebäudes oder solche
Aufwendungen finanziert, die während der Vermietungszeit als
sofort abziehbare Werbungskosten zu beurteilen waren (ständige
Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Großen Senats
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4.7.1990 GrS 2-3/88, BFHE 161,
290, BStBl II 1990, 817 = SIS 90 21 11, unter C. II. 2., und vom
8.12.1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193 = SIS 98 03 26, unter B. I. 1. und 2.; BFH-Urteil vom 8.4.2003 IX R 36/00, BFHE
202, 280, BStBl II 2003, 706 = SIS 03 31 92, m.w.N.).
b) Ein derartiger Zusammenhang zwischen
aufgenommenem Darlehen und finanzierten Aufwendungen ist nicht
gegeben, wenn ein am Cash-Pool-Verfahren teilnehmendes Unternehmen
- wie im Streitfall die GbR - den vom Darlehensgeber empfangenen
Geldbetrag auf das Zentralkonto des den Pool betreibenden
Unternehmens überweist und seine Ausgaben aus dem Cash-Pool
deckt.
aa) Cash-Pooling wird - wie auch hier - dazu
genutzt, Finanzierungskosten zu verringern, indem die Salden der
einzelnen Konten der verschiedenen Gruppen- oder
Konzerngesellschaften (sog. Ursprungskonten) täglich auf einem
einzigen Konto, dem sog. Zentral- oder Zielkonto
zusammengeführt und miteinander verrechnet werden. Inhaberin
des Zielkontos kann die Konzernmutter selbst oder ein von ihr zu
diesem Zweck eingeschaltetes Tochterunternehmen
(Betreibergesellschaft) sein. Die Geldbewegungen zwischen Ziel- und
Ursprungskonten im Cash-Pool werden als Darlehen qualifiziert
(Bundesgerichtshof - BGH - Urteil vom 16.1.2006 II ZR 76/04, BGHZ
166, 8, NJW 2006, 1736; vgl. auch BFH-Beschluss vom 10.12.2001 I B
43, 44/01, BFH/NV 2002, 536 = SIS 02 58 82). Das bedeutet:
Überträgt eine am Cash-Pool beteiligte Gesellschaft -
hier die GbR - von ihrem Konto (Ursprungskonto) einen Soll-Saldo
(also liquide Mittel) auf das Zielkonto, so gewährt sie der
den Cash-Pool verwaltenden Gesellschaft (hier D) ein Darlehen i.S.
des § 488 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Umgekehrt
kommt es bei der Übertragung eines Haben-Saldos - also dann,
wenn das Konzernunternehmen zur Deckung seines
Liquiditätsbedarfs seinerseits Mittel aus dem Cash-Pool
erhält - zu einem Darlehen an die das Ursprungskonto
innehabende Gesellschaft, hier die GbR (einhellige Auffassung im
zivilrechtlichen Schrifttum, vgl. eingehend H.-J. Hellwig in
Festschrift für Peltzer, S. 163, 165; Cahn, ZHR 166 (2002),
278, 280; Ränsch in Freundesgabe für Döser, S. 557,
558, jeweils m.w.N.; Sieger/Hasselbach, BB 1999, 645, 646;
Jäger, DStR 2006, 1653).
bb) Steuerrechtlich folgt daraus: Nimmt das am
Cash-Pool-Verfahren beteiligte Unternehmen ein Darlehen auf, um
damit Ausgaben im Zusammenhang mit seiner Vermietungstätigkeit
zu finanzieren (Darlehen 1), wird die ausgezahlte Darlehensvaluta
jedoch - systemtypisch - auf das Zielkonto überwiesen, so
gewährt das Unternehmen der den Cash-Pool verwaltenden
Gesellschaft ein Darlehen (Darlehen 2). Es kann Zinsen aus dem
Darlehen 1 als Werbungskosten steuerrechtlich nur geltend machen,
soweit es seinerseits aus dem Darlehen 2 Einkünfte in Gestalt
von Zinsen erzielt. Nimmt das beteiligte Unternehmen zur Deckung
seines Liquiditätsbedarfs seinerseits Mittel aus dem Cash-Pool
in Anspruch (Darlehen 3), um damit Aufwendungen im Zusammenhang mit
seiner Vermietungstätigkeit zu begleichen, so kann es nur
Zinsen aus diesem Darlehen - dem Darlehen 3 - als Werbungskosten
bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend
machen. Denn es verwendet lediglich den Geldbetrag, der ihm durch
die den Cash-Pool betreibende Gesellschaft aufgrund dieses
Darlehens zur Verfügung gestellt wird, dazu, seine
Aufwendungen zu begleichen. Der Zusammenhang des Darlehens 1 mit
der den (finanzierten) Aufwand bedingende Einkünfteerzielung
ist hingegen durch das Einbringen des Geldbetrags in das
Cash-Pool-Verfahren aufgehoben. Es können andere Mittel als
das Darlehen 1 sein (z.B. Eigenkapital oder weitere Darlehen von
gruppenzugehörigen Unternehmen), aus denen sich das
tatsächlich in Anspruch genommene Darlehen 3 speist.
c) Nach diesen Grundsätzen kann die GbR
Schuldzinsen nur in gewährtem Umfang als Werbungskosten im
Zusammenhang mit der Vermietung des Bürohochhauses geltend
machen. Denn nach den den BFH nach § 118 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) bindenden Feststellungen des FG hat die
GbR mit den Darlehen, um die es hier geht, am Cash-Pool-Verfahren
der D teilgenommen. Daraus resultierende Zinsen kann sie insoweit
nicht als Werbungskosten geltend machen, als die Geldbeträge
auf das bei D geführte Zielkonto überwiesen wurden. Da
dieses - der D gewährte - Darlehen nach dem
Generaldarlehensvertrag nicht zu verzinsen ist, erzielt die GbR
keine Einkünfte, in deren Zusammenhang sie die - ihr
entstandenen - Schuldzinsen ihrerseits als Werbungskosten geltend
machen kann. Deshalb kann der Senat auch unerörtert lassen, ob
die Darlehensverträge innerhalb des Cash-Pools dem Grunde und
der Höhe nach steuerrechtlich anzuerkennen sind (vgl. zur
Anwendbarkeit der Grundsätze des Fremdvergleichs bei
beherrschender Gesellschafterstellung Ränsch, a.a.O., S. 568
f., m.w.N.).
Einen Zusammenhang mit der
Vermietungstätigkeit der GbR hat das FG zutreffend verneint;
denn die GbR hat nicht die von ihr aufgenommenen Darlehen -
jedenfalls nicht im begehrten Umfang - dazu eingesetzt, ihre mit
der Einkünfteerzielung zusammenhängenden Aufwendungen zu
begleichen, sondern Mittel aus dem Cash-Pool.
Nach den dargestellten Zusammenhängen des
Cash-Pool-Verfahrens ist es ausgeschlossen, mit der
Revisionsbegründung das Zielkonto wirtschaftlich wie ein
normales Girokonto bei der Bank zu beurteilen. Dies ist auch
deshalb nicht angezeigt, weil nach den vom FG festgestellten Inhalt
des Generaldarlehensvertrags allein der D die volle
Dispositionsfreiheit eingeräumt wurde. Nur sie konnte auch
entscheiden, welche Mittel sie einsetzt, um den Kapitalbedarf der
GbR zu befriedigen.
2. Das FA war auch berechtigt, die
Feststellungsbescheide der Streitjahre entsprechend zu ändern.
Es ist ihm erst im Zuge der Außenprüfung und damit
nachträglich i.S. von § 173 Abs. 1 AO bekannt geworden,
dass die Darlehensvaluten in einen Cash-Pool eingestellt waren.
Dieser Sachverhalt war aus den Unterlagen zu den jeweiligen
Feststellungserklärungen der GbR selbst nach den Darlegungen
in der Revisionsbegründung nicht zu entnehmen, so dass das FG
zutreffend eine entsprechende Ermittlungspflicht des FA abgelehnt
hat. Ob der Sachverhalt dem FA bekannt geworden wäre, wenn es
die Finanzierung der Entnahmen überprüft hätte, kann
dahinstehen. Denn im Bereich der Einkünfteermittlung aus
Privatvermögen kommt es - anders als bei der Ermittlung des
Gewinns nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG - auf Entnahmen nicht
an.