Verschmelzung, Übergang des Verlustabzugs: 1. Der Übergang des verbleibenden Verlustabzugs nach § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 setzt nur voraus, dass zum Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister die übertragende Körperschaft (irgend-)einen Geschäftsbetrieb unterhält, der das übertragende Unternehmen noch als wirtschaftlich aktiv erscheinen lässt. Nicht erforderlich ist, dass dieser Geschäftsbetrieb mit dem Betrieb, der die Verluste verursacht hat, identisch ist und einen vergleichbaren Umfang aufweist (Abgrenzung vom BMF-Schreiben vom 25.3.1998, BStBl 1998 I S. 268 = SIS 98 09 38 Tz. 12.19 f.). - 2. Der übergegangene Verlustabzug kann von der übernehmenden Körperschaft in dem Veranlagungszeitraum abgezogen werden, in dem der steuerliche Übertragungsstichtag liegt (Bestätigung des BMF-Schreibens vom 25.3.1998, BStBl 1998 I S. 268 = SIS 98 09 38 Tz. 12.16). - Urt.; BFH 29.11.2006, I R 16/05; SIS 07 10 13
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt ein
Unternehmen, das den Verlag, die Herausgabe und den Druck von
Zeitungen, Zeitschriften, Büchern und sonstigen
Druckerzeugnissen aller Art, die Entwicklung und den Betrieb
elektronischer Kommunikationsmittel aller Art sowie publizistische
Dienstleistungen zum Gegenstand hat.
Sie war seit 1991 alleinige
Gesellschafterin der X-GmbH (X). Unternehmensgegenstand der X, die
ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 30. Juni hatte,
waren im Wesentlichen der Verlag, die Herausgabe, der Vertrieb und
der Druck von Zeitschriften und Zeitungen der Y. Der Sitz des
Verlages und der Redaktion der X befand sich auf einem
Grundstück in Z-Stadt, das im Eigentum der X stand. Zum Zwecke
des Vertriebs der Zeitungen hielt die X Beteiligungen in Höhe
von je 1 v.H. an 18 Pressevertriebsgesellschaften.
Nachdem die Herausgabe mehrerer Zeitungen
im Jahr 1992 eingestellt worden war, gab die X ab 1993 nur noch die
„C-Zeitung“ heraus. Wegen nachhaltiger Verluste stellte
die X Mitte 1994 auch diese Zeitung ein. Die mit der Herstellung
und der Herausgabe der Zeitung beschäftigten Mitarbeiter
wurden entlassen. Von den im Jahr 1994 beschäftigten zwei
Geschäftsführern und durchschnittlich ca. 200
Angestellten verblieben zum 30. Juni des Streitjahres 1995 ein
Geschäftsführer sowie zwei kaufmännische
Angestellte. Das bewegliche Anlagevermögen wurde
vollständig verkauft. Die Klägerin behielt das
Betriebsgrundstück.
Nach Einstellung der
„C-Zeitung“ stand das mehrstöckige
Betriebsgebäude zunächst leer. Mit Mietvertrag vom
5.5.1995 vermietete die X eine Etage für zunächst drei
Jahre. Die Beteiligungen an den Vertriebsgesellschaften behielt die
X. Ausweislich der Gesellschaftsverträge dieser
Vertriebsgesellschaften richtete sich die Beteiligung am Gewinn
bzw. Verlust unabhängig von der Kapitalbeteiligung nach dem
Verhältnis der Vertriebsumsätze mit Presseerzeugnissen
der jeweiligen Anteilseigner.
Mit Vertrag vom 4./5.7.1995 übernahm
die X das Geschäft mit der Vermarktung von Werbeartikeln
für die Klägerin. Hierfür bediente sie sich eines
Dienstleisters. Der X oblag es dabei, die von ihr
auszuwählenden Werbeartikel einzukaufen, den Prospekt
zusammenzustellen und für dessen Verbreitung und
Bekanntmachung zu sorgen. Insgesamt erzielte die X aus diesem
Geschäftszweig Umsätze von ca. 300.000 DM in 1995 und ca.
200.000 DM im Jahr 1996.
Durch Vertrag vom 21.11.1995 wurde die X
mit steuerlicher Wirkung vom 1.7.1995 auf die Klägerin
verschmolzen. Die Anträge auf Eintragung in die
zuständigen Handelsregister wurden jeweils am 25.11.1995
gestellt. Die Eintragungen selbst erfolgten am 12.3.1996 bzw. am
28.3.1996.
Der verbleibende Verlustabzug der X i.S.
des § 10d Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG
1990) belief sich zum 30.6.1995 auf ca. ... Mio. DM. Den
Verlustvortrag nahm die Klägerin im Streitjahr und in den
Folgejahren durch Verrechnung mit ihren Gewinnen in
Anspruch.
Das Betriebsgrundstück der X stand in
der Folgezeit bis auf die vermietete Etage weiterhin leer. Im Juni
1999 wurde es nach einem Um- und Ausbau von der neu
gegründeten Redaktion und dem Verlag der B-Zeitung bezogen.
Anschließend nahm die Klägerin die verlegerische
Tätigkeit an diesem Standort auf.
Nach einer Außenprüfung versagte
der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die von
der Klägerin geltend gemachte Verrechnung mit dem
Verlustvortrag der X. Zum Zeitpunkt der Eintragung der Umwandlung
ins Handelsregister sei der Geschäftsbetrieb der X bereits
eingestellt gewesen, so dass nach § 12 Abs. 3 Satz 2 des
Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG 1995) eine Übertragung des
Verlustvortrages ausgeschlossen sei.
Die dagegen gerichtete Klage wies das
Hessische Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 9.12.2004 4 K 3458/03
(veröffentlicht in EFG 2005, 827 = SIS 05 22 86) ab.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts (§ 12 Abs. 3
Satz 2 UmwStG 1995).
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die
angefochtenen Steuerbescheide unter Anerkennung des Übergangs
des Verlustabzugs der X in Höhe von ... DM zu
ändern.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Unrecht
entschieden, dass der bei der X festgestellte verbleibende
Verlustabzug nicht durch die Verschmelzung auf die Klägerin
übergegangen ist.
1. Nach § 12 Abs. 3 UmwStG 1995 tritt im
Fall der Verschmelzung einer Körperschaft (übertragende
Körperschaft) auf eine andere Körperschaft
(übernehmende Körperschaft) die übernehmende
Körperschaft bezüglich der Absetzungen für Abnutzung
(AfA) und verschiedener anderer Besteuerungsmerkmale in die
Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein (Satz
1). Für einen verbleibenden Verlustabzug i.S. des § 10d
Abs. 3 Satz 2 EStG 1990 gilt dies jedoch nur dann, wenn die
übertragende Körperschaft im Zeitpunkt der Eintragung des
Vermögensübergangs im Handelsregister ihren
Geschäftsbetrieb noch nicht eingestellt hatte (Satz 2).
2. Die X hatte im Zeitpunkt der Eintragung der
Verschmelzung im Handelsregister ihren Geschäftsbetrieb nicht
eingestellt.
a) Der Begriff „Einstellung des
Geschäftsbetriebs“ wird gesetzlich nicht definiert.
Wie der Senat in seinem Urteil vom 5.6.2003 I R 38/01 (BFHE 202,
507, BStBl II 2003, 822 = SIS 03 42 89) ausgeführt hat, stimmt
§ 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 seinem Inhalt nach in diesem
Punkt mit § 8 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG
1991) überein, der eine Verlustabzugsbeschränkung
für den Fall vorsah, dass eine Kapitalgesellschaft im
Anschluss an einen Wechsel der Anteilseigner „ihren
Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem
Betriebsvermögen wieder aufnimmt“. Die
„Wiederaufnahme“ setzt eine vorherige
Einstellung des Geschäftsbetriebs voraus, so dass letztere
auch von § 8 Abs. 4 KStG 1991 gefordert wurde (Senatsurteil in
BFHE 202, 507, BStBl II 2003, 822 = SIS 03 42 89, m.w.N.). Zudem
verfolgen beide Regelungen gleichermaßen das Ziel, den Handel
mit Verlustvorträgen zu begrenzen. Angesichts dessen sind sie,
was die Voraussetzung der Einstellung des Geschäftsbetriebs
betrifft, übereinstimmend auszulegen.
b) Eine Kapitalgesellschaft hat ihren
Geschäftsbetrieb i.S. des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995
eingestellt, wenn sie im wirtschaftlichen Ergebnis aufgehört
hat, werbend tätig zu sein. Diese Voraussetzung ist nach
Auffassung der Finanzverwaltung und der überwiegenden
Auffassung im Schrifttum erfüllt, wenn die werbende
Tätigkeit entweder insgesamt aufgegeben wird oder die
verbleibende Tätigkeit im Verhältnis zur bisherigen nur
noch unwesentlich ist (Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen - BMF - vom 25.3.1998, BStBl I 1998, 268, 304 = SIS 98 09 38 Tz. 12.19, sowie weitere Nachweise im Senatsurteil in BFHE 202,
507, BStBl II 2003, 822 = SIS 03 42 89).
Auch nach Auffassung des Senats führt
nicht jegliche Betätigung der übertragenden Gesellschaft
- unabhängig von ihrem Umfang - zum Übergang des
Verlustabzugs. Hierzu bedarf es vielmehr einer Betätigung, die
zwar nicht einen gegenüber einem früheren Zeitpunkt
gleich bleibenden Umfang aufweist, wohl aber ins Gewicht fällt
und das Unternehmen als wirtschaftlich aktiv erscheinen lässt
(so bereits Senatsurteil in BFHE 202, 507, BStBl II 2003, 822 = SIS 03 42 89). Ob dies der Fall ist, ist unabhängig von der Art
und dem Umfang der bisherigen Tätigkeit, die den Verlust
verursacht hat, zu entscheiden.
Im Gegensatz zu § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG
1995 i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der
Unternehmenssteuerreform (UmwStG 1995 n.F.) vom 29.10.1997 (BGBl I
1997, 2590, BStBl I 1997, 928), der verlangt, dass der Betrieb oder
der Betriebsteil, der den Verlust verursacht hat, in einem nach dem
Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren
Umfang in den folgenden fünf Jahren fortgeführt wird,
fordert die im Streitfall anzuwendende Gesetzesfassung für den
Übergang des verbleibenden Verlustabzugs (§ 10d Abs. 3
Satz 2 EStG 1990) allein, dass zum Zeitpunkt der Eintragung der
Verschmelzung in das Handelsregister die übertragende
Körperschaft irgendeinen Geschäftsbetrieb unterhält.
Ist dies der Fall, geht der Verlustabzug auf die übernehmende
Körperschaft über, und zwar unabhängig davon, ob
dieser Geschäftsbetrieb die Verluste verursacht hat und ob er
nach Art und Umfang der bisherigen Tätigkeit entspricht
(gleicher Ansicht Blümich/Klingberg, § 12 UmwStG Rz 40;
Hörger/Neumayer, DStR 1996, 41; Widmann in Widmann/Mayer,
Umwandlungsrecht, § 12 UmwStG Rz 529 ff.; anders Dötsch
in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, §
12 UmwStG nF Rz 81). Eine Einschränkung kann sich allenfalls
im Einzelfall aus § 8 Abs. 4 KStG 1991 ergeben.
c) Nach diesen Maßstäben hatte die
X zum Verschmelzungsstichtag ihren Geschäftsbetrieb nicht
eingestellt. Sie hatte zwar ihre verlegerische Tätigkeit, aus
der die Verluste resultierten, aufgegeben. Mit der Übernahme
der Vermarktung von Werbeartikeln für die Klägerin im
Vertrag vom 4./5.7.1995 hatte sie jedoch einen neuen
Geschäftsbetrieb (Branchenwechsel) begründet, der zum
Zeitpunkt der Eintragung des Vermögensübergangs im
Handelsregister und auch in den Folgejahren noch fortbestand. Da
die X hieraus im Streitjahr Umsätze von ca. 300.000 DM und im
folgenden Jahr Umsätze von ca. 200.000 DM erzielte, handelte
es sich um eine Tätigkeit von wirtschaftlichem Gewicht, die
die X im Geschäftsverkehr schon von daher als wirtschaftlich
aktiv erscheinen lässt. Hinzu kommen noch die Betätigung
der Klägerin als Vermieterin der Büroetage und die
Beteiligungen an den Vertriebsgesellschaften. Dass diese
Geschäftsfelder ihren Umfängen nach hinter der
früheren, eigentlichen Verlagstätigkeit zurücktraten
und dass mit der tatsächlichen Ausführung des
Merchandising-Geschäfts Dritte beauftragt waren, ändert
daran nichts; § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 1995 enthält
insofern keine tatbestandlichen Vorbehalte.
d) Der verbleibende Verlustabzug der X ist
daher im Zeitpunkt des steuerlichen Verschmelzungsstichtages
gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 UmwStG 1995
auf die Klägerin übergegangen mit der Folge, dass er
bereits mit den Gewinnen der Klägerin im Streitjahr verrechnet
werden konnte. Der Senat folgt insoweit der Auffassung der
Finanzverwaltung (BMF-Schreiben in BStBl I 1998, 268 = SIS 98 09 38
Tz. 12.15 f.), die auch im Schrifttum (z.B. Streck/ Posdziech,
GmbHR 1995, 357, 359; Kröner, GmbHR 1996, 256, 259; Mildner,
GmbHR 2003, 644, 647; Frotscher in Frotscher/Maas,
Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, § 12
UmwStG Rz 76; Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., § 12 UmwStG Rz
563 f., jeweils m.w.N.; anders z.B. Orth, Steuer und Wirtschaft
1996, 306, 319 ff.) überwiegt, nach der der übergegangene
Verlust nicht nur im Wege eines (fortgeführten)
Verlustvortrags, sondern bereits durch Abzug im Jahr des
Verschmelzungsstichtages - hier dem Streitjahr -
berücksichtigt werden kann (noch offengelassen im Senatsurteil
vom 31.5.2005 I R 68/03, BFHE 209, 535, BStBl II 2006, 380 = SIS 05 30 37).
3. Das FG ist von anderen rechtlichen
Grundsätzen ausgegangen. Sein Urteil war daher aufzuheben. Die
Sache ist jedoch nicht spruchreif. Aus den Akten ist nicht
erkennbar, ob der übergegangene Verlustvortrag
tatsächlich - wie von der Klägerin geltend gemacht - ...
DM oder ob er, was Tz. 49 des Betriebsprüfungsberichts
nahelegt, lediglich ... DM beträgt.