Lohnsteuerhilfeverein, Schließung einer Beratungsstelle, kein Klagerecht des Beratungsstellenleiters: 1. Der Leiter der Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins ist wegen der Schließung der Beratungsstelle nicht klagebefugt. - 2. Eine Anfechtungsklage ist, wenn dem Kläger die Klagebefugnis fehlt, auch dann als unzulässig abzuweisen, wenn dessen Einspruch mangels Beschwer verworfen worden ist. - 3. Ist eine Klage offensichtlich unzulässig, bedarf es keiner notwendigen Beiladung Dritter, die von dem angefochtenen Verwaltungsakt betroffen sind. - Urt.; BFH 8.12.2006, VII B 243/05; SIS 07 04 76
I. Der Kläger und
Beschwerdeführer (Kläger) ist Rechtsanwalt und Leiter
einer Beratungsstelle eines Lohnsteuerhilfevereins. Mit Bescheid
vom Dezember 2004 ordnete die Beklagte und Beschwerdegegnerin
(Oberfinanzdirektion - OFD - ) gegenüber dem Verein die
Schließung der vom Kläger geleiteten Beratungsstelle an,
weil zu vermuten sei, dass dieser in den Räumen der
Beratungsstelle auch seine Rechtsanwaltskanzlei unterhalte, was dem
Verbot einer anderweitigen wirtschaftlichen Tätigkeit in
Verbindung mit der Hilfeleistung in Steuersachen durch einen
Lohnsteuerhilfeverein zuwiderlaufe. Den hiergegen eingelegten
Einspruch des Klägers verwarf die OFD als unzulässig,
weil er durch die Schließungsanordnung nicht beschwert
sei.
Die dagegen erhobene Klage wies das
Finanzgericht (FG) als unbegründet ab, wobei es den Antrag des
Klägers, das Verfahren zum Ruhen zu bringen, in den
Gründen des angefochtenen Urteils ablehnte. Von der weiteren
Darstellung der Entscheidungsgründe sah das FG ab und bezog
sich stattdessen auf die Gründe der
Einspruchsentscheidung.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in
diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, welche
er auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung
(§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ) und
auf Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO)
stützt.
II. Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 FGO) ist
unbegründet.
1. Der Lohnsteuerhilfeverein war zu dem
Verfahren nicht beizuladen (§ 60 Abs. 3 FGO).
Eine Beiladung ist notwendig, wenn an dem
streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass
die Entscheidung auch ihnen gegenüber einheitlich ergehen
muss. Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)
dann der Fall, wenn die Entscheidung notwendigerweise und
unmittelbar Rechte Dritter gestaltet, bestätigt,
verändert oder zum Erlöschen bringt (BFH-Beschlüsse
vom 11.1.1994 VII B 100/93, BFHE 173, 207, BStBl II 1994, 405 = SIS 94 16 84; vom 8.10.2002 III B 74/02, BFH/NV 2003, 195 = SIS 03 08 59). Die Erfolgsaussichten der Klage haben bei der Entscheidung
über die Beiladung grundsätzlich außer Betracht zu
bleiben; denn maßgeblich ist nicht, wie, sondern ob das
Gericht über eine einheitlich zu entscheidende Frage zu
befinden hat (BFH-Urteil vom 27.11.1990 VIII R 206/84, BFH/NV 1991,
692; BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 195 = SIS 03 08 59). Ist
allerdings eine Klage offensichtlich unzulässig, etwa weil dem
Kläger die Klagebefugnis fehlt (BFH-Urteil vom 15.12.2004 I R
42/04, BFH/NV 2005, 1073 = SIS 05 25 96), kann eine Beiladung im
Allgemeinen unterbleiben (BFH-Urteil vom 9.5.1979 I R 100/77, BFHE
128, 142, BStBl II 1979, 632 = SIS 79 03 20).
So liegt es hier. Die Klage ist
unzulässig, weil dem Kläger die Klagebefugnis fehlt
(§ 40 Abs. 2 FGO). Nach dieser Vorschrift ist eine
Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend
macht, durch den Verwaltungsakt, gegen den die Klage gerichtet ist,
in seinen Rechten verletzt zu sein. Diese Rechtsschutzbehauptung
reicht für die Zulässigkeit einer Klage allerdings nur
aus, wenn sie nicht in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht
in dem Sinne unschlüssig ist, dass die vom Kläger als
verletzt behaupteten Rechte offensichtlich und eindeutig nach
keiner Betrachtungsweise bestehen oder ihm zustehen können
(Senatsurteil vom 3.2.1987 VII R 116/82, BFHE 149, 362, BStBl II
1987, 346 = SIS 87 08 48, m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteil vom
21.10.1970 I R 81, 82, 92-94/68, BFHE 100, 295, 297, BStBl II 1971,
30 = SIS 71 00 18). Die Vorschrift bezweckt u.a. den Ausschluss von
sog. Interessentenklagen, d.h. der Klagen von Personen, die zwar
ein gewisses Interesse an den durch den Verwaltungsakt geregelten
Rechtsbeziehungen haben, selbst durch den Verwaltungsakt aber nicht
in einer Weise betroffen sind, die sich als eine Verletzung eigener
Rechte darstellen könnte (vgl. Senatsurteile in BFHE 149, 362,
BStBl II 1987, 346 = SIS 87 08 48; vom 19.10.1982 VII R 45/80, BFHE
136, 449, 451, BStBl II 1983, 51 = SIS 82 23 35).
Um eine solche (unzulässige)
Interessentenklage handelt es sich im Streitfall. § 26 Abs. 2
des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) und die auf diese Vorschrift
i.V.m. § 28 Abs. 3 StBerG gestützte
Schließungsanordnung der OFD richten sich
ausschließlich an den Lohnsteuerhilfeverein und betreffen
allein dessen Befugnis zur Leistung von Hilfe in Steuersachen
gemäß § 4 Nr. 11 StBerG. Es ist nicht ersichtlich,
dass der Kläger durch die gegenüber dem
Lohnsteuerhilfeverein ergangene Schließungsanordnung in einer
Weise betroffen ist, die sich als Verletzung eigener Rechte
darstellen könnte. Durch die Schließungsanordnung wird -
anders als der Kläger meint - nicht ihm die Tätigkeit als
Beratungsstellenleiter oder Rechtsanwalt untersagt oder ihm die
Vorlage einer anwaltlichen Versicherung eines bestimmten Inhalts
aufgegeben, sondern dem Verein verboten, eine Beratungsstelle in
den Räumen zu unterhalten, in denen der Kläger auch seine
Rechtsanwaltskanzlei unterhält. Dass der Kläger
möglicherweise ein Interesse daran hat, seine Tätigkeiten
als Rechtsanwalt und Leiter einer Beratungsstelle eines
Lohnsteuerhilfevereins in den gleichen Räumen auszuüben,
ändert nichts daran, dass ihn die Schließungsanordnung
allenfalls mittelbar betrifft. Insoweit befindet er sich in keiner
anderen Lage als ggf. sonstige Vertragspartner oder Arbeitnehmer
des Vereins, denen die Sorge um den Verlust des Arbeitsplatzes in
einer von einer Schließung bedrohten Beratungsstelle
ebenfalls keine Klagebefugnis gegen die Schließungsanordnung
vermittelt.
Hieran ändert auch die gegenüber dem
Kläger ergangene Einspruchsentscheidung nichts. Die lediglich
formelle Beschwer des Klägers, die sich daraus ergibt, dass
sein Einspruch erfolglos war, reicht für die Bejahung der
Klagebefugnis nicht aus, weil sie nicht zur Folge hat, dass der
Kläger durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen
Rechten verletzt sein könnte. Die
Rechtsschutzmöglichkeiten eines Bürgers, der durch die
öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, werden
dadurch nicht verkürzt. Derjenige, dessen Einspruch zu Unrecht
als unzulässig verworfen wurde, erhält - nicht anders als
wenn sein Einspruch als unbegründet zurückgewiesen worden
wäre - eine Sachentscheidung des Gerichts, wenn er geltend
machen kann, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen
Rechten verletzt zu sein. Es gibt daher keinen Grund, die zu
Streitigkeiten über die Sachurteilsvoraussetzungen der
Beteiligten- oder Prozessfähigkeit, der
Postulationsfähigkeit bzw. Prozessvollmacht ergangene
Rechtsprechung, nach der in bestimmten Konstellationen die
streitige Prozessvoraussetzung für ein Rechtsmittelverfahren
als gegeben unterstellt wird (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 2.7.1969 I
R 190/67, BFHE 96, 335, BStBl II 1969, 656 = SIS 69 04 21; vom
3.12.1971 III R 44/68, BFHE 105, 230, BStBl II 1972, 541 = SIS 72 03 19; vom 10.8.1989 V R 36/84, BFH/NV 1990, 386), auf den Fall der
fehlenden Klagebefugnis zu übertragen (a.A. FG Hamburg, Urteil
vom 6.4.1994 I 28/92, EFG 1994, 842).
Sofern das FG die Klage, wie sein Urteil den
Anschein erweckt („Die Klage ist unbegründet.
...“), als zulässig angesehen haben sollte und es
sich bei jener Wendung nicht lediglich um einen Schreib- oder
Diktatfehler handelt, wäre das angefochtene Urteil in dem
angestrebten Revisionsverfahren folglich mit der Maßgabe zu
bestätigen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen
wird. Von einer solchen Abweisung der Klage durch Prozessurteil
aber ist der Verein unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt
betroffen, so dass eine Nachholung der Beiladung nur noch ein
überflüssiger, durch ihren Zweck nicht gerechtfertigter
Formalismus wäre (vgl. BFH-Urteil vom 20.3.2001 VIII R 44/99,
BFH/NV 2001, 1133 = SIS 01 72 33).
2. Die weiteren Verfahrensrügen hat der
Kläger nicht schlüssig erhoben, wie dies § 116 Abs.
3 Satz 3 FGO verlangt.
a) Der Kläger hat nicht schlüssig
dargelegt, dass das FG eine Überraschungsentscheidung
getroffen und insbesondere seinen Anspruch auf rechtliches
Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des
Grundgesetzes) verletzt oder ihm die Gelegenheit zur Stellung
seiner Anträge (§ 92 Abs. 3 FGO) vorenthalten hat.
Aus der Sitzungsniederschrift geht hervor,
dass in der mündlichen Verhandlung beim FG u.a. die Frage
erörtert worden ist, ob der Kläger im eigenen Namen gegen
die Schließungsanordnung der OFD vorgehen kann. Danach hat er
Gelegenheit zur Stellung seiner Anträge erhalten, welche er
jedoch nur dazu genutzt hat, das Ruhen des Verfahrens zu
beantragen. Spätestens nachdem die OFD sich seinem Antrag
nicht angeschlossen und die Abweisung der Klage beantragt hatte,
musste er damit rechnen, dass das FG über seine Klage befinden
würde, ohne zuvor gesondert über das Ruhen des Verfahrens
zu entscheiden und ihm sodann erneut Gelegenheit zu weiterem
Sachvortrag und zur Stellung eines Sachantrages zu geben. Denn eine
Anordnung des Ruhens eines Verfahrens ist nach § 155 FGO
i.V.m. § 251 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung nur
möglich, wenn beide Parteien sie beantragen (vgl.
BFH-Beschluss vom 18.3.2002 I B 48/01, BFH/NV 2002, 1163 = SIS 02 87 12). Überdies ist nicht angegeben, was der Kläger
sonst noch hätte vortragen wollen und inwiefern dies zu einer
ihm günstigeren Sachentscheidung hätte führen
können. Der floskelhafte Hinweis, er habe zu seinem
„Feststellungsinteresse“ Stellung nehmen wollen
(auf welches es im Übrigen nicht ankommt), genügt
hierfür nicht.
b) Nicht schlüssig gerügt hat der
Kläger auch, dass es der Entscheidung an Gründen fehle,
die die Abweisung der Klage tragen. Ein Verfahrensmangel i.S. von
§ 119 Nr. 6 FGO, d.h. ein Verstoß gegen § 105 Abs.
2 Nr. 5 FGO, liegt nur dann vor, wenn die Urteilsgründe ganz
oder zum Teil fehlen und sie den Prozessbeteiligten keine Kenntnis
darüber vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen
und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht und den
Beteiligten daher die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene
Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu
überprüfen. Hingegen fehlt es an einem Verfahrensmangel,
wenn die Begründung zwar lückenhaft und
widersprüchlich sein mag, aber zu erkennen ist, welche
Überlegungen für das Gericht maßgeblich waren (vgl.
BFH-Beschlüsse vom 5.8.2004 II B 159/02, BFH/NV 2004, 1665 =
SIS 04 40 78; vom 2.2.1999 II R 91/97, BFH/NV 1999, 1106 = SIS 98 60 13, jeweils m.w.N.). Die gemäß § 105 Abs. 5 FGO
grundsätzlich zulässige Bezugnahme des FG auf die
Gründe der Einspruchsentscheidung lässt im Streitfall -
auch wenn § 350 der Abgabenordnung (AO 1977) im
finanzgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar ist - erkennen, dass
das FG die Klage deshalb abgewiesen hat, weil es der Auffassung
war, dass der Kläger unabhängig von der
Rechtmäßigkeit der angefochtenen
Schließungsanordnung jedenfalls durch diese nicht in seinen
Rechten verletzt ist.
3. Auch die behauptete grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache hat der Kläger nicht in
ausreichender Weise dargelegt. Abgesehen davon wäre die vom
Kläger offenbar als grundsätzlich bedeutsam angesehene
Rechtsfrage, ob ein Lohnsteuerhilfeverein eine Beratungsstelle in
den gleichen Räumen unterhalten darf, in denen der
Beratungsstellenleiter seine Rechtsanwaltskanzlei unterhält,
im Streitfall nicht klärungsfähig, da die Klage - wie
ausgeführt - als unzulässig abzuweisen wäre und eine
Sachentscheidung über das Klagebegehren daher nicht ergehen
könnte.