Änderung aufgrund Antrags oder Zustimmung, Wiederholung: 1. Die Bestandskraft eines nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a AO 1977 ergangenen Steueränderungsbescheids steht einer erneuten Änderung der Steuerfestsetzung nach dieser Vorschrift unter Berufung auf die vorausgegangene Zustimmung bzw. den vorausgegangenen Antrag entgegen. - 2. Die Ersetzungsregelung des § 365 Abs. 3 AO 1977 findet keine analoge Anwendung auf Änderungen nach §§ 172 ff. AO 1977 außerhalb eines Einspruchsverfahrens. - Urt.; BFH 7.11.2006, VI R 14/05; SIS 07 04 48
I. Im Streit ist, ob der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) befugt war, eine
nochmalige steuererhöhende Änderung der
Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr (1997) durch
Bescheid insbesondere nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a der
Abgabenordnung (AO 1977) vorzunehmen.
Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) wurden als Ehegatten bestandskräftig und
vorbehaltlos erklärungsgemäß unter
Berücksichtigung u.a. von Einkünften des Klägers aus
nichtselbständiger Arbeit zur Einkommensteuer
zusammenveranlagt. In der Folge teilten die Kläger mit
Schreiben vom 16.3.2000 mit, dass die dem Kläger als
beherrschendem Gesellschafter der X-GmbH zustehenden Tantiemen
für 1996 nicht bereits im Streitjahr als dem Jahr des
Jahresabschlusses und der arbeitsvertraglichen Fälligkeit
erklärt worden waren. Fälschlich seien zudem für die
Vorjahre die Tantiemen erst im jeweiligen Zuflusszeitpunkt erfasst
worden. Die Kläger beantragten deshalb die Änderung der
Steuerfestsetzung für 1997 nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2a AO 1977, wobei die Tantieme für 1996 vollständig in
Höhe von 707.300 DM erfasst werden sollte. Durch
Gegenüberstellung mit dem bis dahin bereits im erklärten
Bruttoarbeitslohn enthaltenen Betrag von 249.990 DM errechneten die
Kläger einen Einkünfteerhöhungsbetrag von 457.310
DM.
Das FA erließ zunächst am
8.5.2000 aus anderen Gründen einen Änderungsbescheid nach
§ 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 (Änderungsbescheid 1) ohne
Berücksichtigung des Änderungsantrags der Kläger.
Dagegen wandten sich die Kläger mit einem als Einspruch
bezeichneten Schreiben vom 10.5.2000 unter Bezugnahme auf die
beantragte Korrektur der Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit.
Im Änderungsbescheid vom 18.7.2000
(Änderungsbescheid 2) erhöhte das FA die Einkünfte
aus nichtselbständiger Arbeit um 162.273 DM - statt der
beantragten 457.310 DM - und führte in den Erläuterungen
aus: „Ihrem Antrag vom 16.3.2000 wurde in vollem Umfang
entsprochen. Hierdurch erledigt sich Ihr Rechtsbehelf/Antrag vom
10.05.2000“.
Nach einer bei der X-GmbH und beim
Kläger durchgeführten Außenprüfung erging am
15.4.2002 erneut ein Einkommensteueränderungsbescheid
(Änderungsbescheid 3), in dem die Einkünfte des
Klägers aus nichtselbständiger Arbeit auf der Grundlage
des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 wegen Auflösung
einer Pensionsrückstellung auch um den Restbetrag der Tantieme
von 295.037 DM (457.210 DM./. 162.273 DM) erhöht
wurden.
Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch
rügten die Kläger die Einbeziehung des
Tantiemeteilbetrags von 295.037 DM in den
Erhöhungsbetrag.
Das FA wies den Einspruch zurück, weil
dem Änderungsantrag der Kläger auf Korrektur der
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im
Änderungsbescheid 2 nicht vollumfänglich entsprochen
worden sei, nunmehr aber zu Recht nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2a AO 1977 im Änderungsbescheid 3.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Das Urteil ist in EFG 2005, 839 = SIS 05 22 58
veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Die Einschränkung einer einmal
erteilten Zustimmung zur Änderung der Steuerfestsetzung setze
eine empfangsbedürftige Willenserklärung voraus, die auch
durch schlüssiges Verhalten erfolgen könne. Dieses
müsse allerdings eindeutig sein, während das FG keine
zwingenden Gründe für eine derartige konkludente
Erklärung der Kläger bezeichnet habe. Eine Heranziehung
des Klägervortrags in der mündlichen Verhandlung sei in
diesem Zusammenhang keine statthafte Auslegungshilfe, weil zwischen
dem Zeitpunkt der Zustimmung und dem Vortrag ein Zeitraum von
fünf Jahren verstrichen sei und sich die Interessenlage beim
Kläger durch den Zeitablauf verändert haben
könne.
Das FA beantragt sinngemäß, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
1. Zutreffend sind die Beteiligten davon
ausgegangen, dass die im Jahre 1997 beschlossenen und fälligen
Tantiemezahlungen materiell-rechtlich dem Streitjahr (1997) als
Einkünfte zuzuordnen waren. Das FA war aber
verfahrensrechtlich gehindert, diese Einkünfte in Höhe
des streitbefangenen Teilbetrags zum Gegenstand eines weiteren
Änderungsbescheids zu machen, wie das FG im Ergebnis zu Recht
erkannt hat.
a) Aus den insoweit zutreffenden Gründen
des Urteils des FG konnte der Änderungsbescheid 2 weder nach
§ 367 Abs. 2 noch nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977
geändert werden. Dies ist zwischen den Beteiligten offenkundig
auch nicht mehr streitig.
b) Entgegen der Auffassung des FA konnte die
Änderung aber auch nicht auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a
AO 1977 gestützt werden. Diese Norm setzt die Zustimmung des
Steuerpflichtigen zur Änderung voraus oder einen der
Änderung sachlich entsprechenden Antrag. Antrag oder
Zustimmung können sowohl eine Änderung zugunsten des
Steuerpflichtigen als auch zu seinen Ungunsten betreffen. Dabei ist
der Antrag meist auf eine Herabsetzung der Steuer gerichtet,
während die Zustimmung des Steuerpflichtigen in aller Regel
für eine Steuererhöhung eingeholt wird. Demgegenüber
weist der Streitfall die Besonderheit auf, dass die Kläger mit
ihrem Antrag auf schlichte Änderung eine Erhöhung der
Steuerfestsetzung begehrten. Dahingestellt bleiben kann, ob die
Befugnis zum Antrag analog zur Einspruchsbefugnis nach § 350
AO 1977 eine Beschwer voraussetzt (so z.B. Loose in Tipke/Kruse,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 172 AO Tz. 38;
Fischer in Schöll/Leopold/Madle/Rader, Abgabenordnung, §
172 Tz. 8). Denn mit ihrem Antragsschreiben vom 16.3.2000, mit dem
die Kläger ihrer Anzeige- und Berichtigungspflicht nach §
153 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 nachgekommen sind, haben sie inzidenter
jedenfalls auch ihre Zustimmung zur steuererhöhenden
Änderung erteilt (so auch Urteil des FG München vom
28.6.2000 3 K 3186/96, EFG 2000, 1107 = SIS 01 70 33 zu einem
insoweit vergleichbaren Fall).
Der Änderungsbescheid 2 beruhte auf
ihrer, der Kläger, Zustimmung zur Änderung.
aa) Eine Änderung dieses Bescheides nach
§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO 1977 hätte eine erneute
oder aber fortdauernde ältere Zustimmung erfordert. Eine
erneute Zustimmung haben die Kläger weder ausdrücklich
noch konkludent erteilt. Es kann auch nicht davon ausgegangen
werden, dass die im Schreiben vom 16.3.2000 liegende
ursprüngliche Zustimmung über das Ergehen des
bestandskräftig gewordenen Änderungsbescheides 2 hinaus
fortgegolten hätte. Das FA wollte dem Antrag der Kläger
mit diesem Bescheid entsprechen und hat dies in den
Erläuterungen auch zum Ausdruck gebracht.
Zwar wird es im Schrifttum offenbar auch
für zulässig gehalten, einen Teiländerungsbescheid
unter Zurückstellung der Entscheidung in einem anderen
Teilbereich auch außerhalb eines Einspruchsverfahrens oder
eines finanzgerichtlichen Prozesses zu erlassen (so Frotscher in
Schwarz, Abgabenordnung, § 172 Tz. 33). Ob dieser Auffassung
zu folgen wäre, kann aber dahingestellt bleiben, da das FA im
Streitfall jedenfalls nicht so verfahren ist.
bb) Nach Auffassung des erkennenden Senats ist
der Änderungsbescheid 2 auch nicht auf andere Weise zum
Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen
Änderungsverfahrens geworden. Für das
Änderungsverfahren gibt es keine dem § 365 Abs. 3 AO 1977
entsprechende Vorschrift. § 365 Abs. 3 AO 1977 regelt für
das Einspruchsverfahren, dass ein nicht in vollem Umfange dem
Einspruchsbegehren abhelfender Änderungsbescheid zum
Gegenstand des Verfahrens wird, der damit unter Hemmung des
Eintritts der Bestandskraft nach Maßgabe des § 367 Abs.
2 AO 1977 überprüfbar und änderbar bleibt, und zwar
auch dann, wenn das FA fälschlich das Einspruchsverfahren
für erledigt erklärt hat (s. Urteil des Bundesfinanzhofs
- BFH - vom 4.11.1981 II R 119/79, BFHE 134, 150, BStBl II 1982,
270 = SIS 82 25 50). Entspricht hingegen ein außerhalb eines
Einspruchsverfahrens ergangener (vorbehaltloser) Steuerbescheid
nicht dem Begehren des Steuerpflichtigen, so muss dieser
rechtzeitig Einspruch einlegen, wenn er sein Begehren
weiterverfolgen will (s. von Wedelstädt in Beermann/Gosch,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 172 AO Tz. 52) oder
ggf. einen Antrag auf schlichte Änderung stellen. Dies gilt
etwa, wenn ein erstmaliger Steuerbescheid zuungunsten des
Steuerpflichtigen von dessen Steuererklärung abweicht (die bei
berechtigtem Interesse als Antrag auf Steuerfestsetzung anzusehen
ist, s. BFH-Urteil vom 4.6.1986 IX R 52/82, BFHE 147, 393, BStBl II
1987, 3 = SIS 86 23 42, und Beschluss vom 21.1.1998 IV B 34/97,
BFH/NV 1998, 846 = SIS 98 10 46), aber z.B. auch, wenn ein
Änderungsbescheid dem zuvor geäußerten Begehren des
Steuerpflichtigen auf Änderung zu seinen Gunsten nicht in
vollem Umfang entspricht und zwar unabhängig davon, ob die
Abweichung materiell-rechtlich begründet ist. Von einer
Fortgeltung des ursprünglichen Antragsbegehrens über den
Zeitpunkt des Ergehens des Steuerbescheides hinaus, die eine
Anfechtung bzw. weitere Antragstellung entbehrlich machen
könnte oder etwa den Ablauf der Festsetzungsfrist nach §
171 Abs. 3 AO 1977 hemmen würde, kann in diesen Fällen
keine Rede sein.
cc) Das FA kann auch nicht von sich aus einen
für unzutreffend erkannten Bescheid ändern, sondern ist
vielmehr an den Inhalt des ergangenen Bescheides gebunden, sofern
nicht der Tatbestand einer die Bestandskraft durchbrechenden
Änderungsnorm erfüllt ist.
Es ist kein Grund ersichtlich, warum hiervon
abweichend ein nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO 1977 mit
Zustimmung des Steuerpflichtigen erteilter
Steueränderungsbescheid ohne die weitere Voraussetzung der
Erfüllung des Tatbestands einer einschlägigen
Änderungsvorschrift - hier also: durch erneute Zustimmung nach
§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO 1977 - zu seinen Lasten
geändert werden dürfte. In den ausdifferenzierten
Regelungen der §§ 172 ff. AO 1977 hat die vom Gesetzgeber
vorzunehmende Abwägung der Verfassungsprinzipien der
Rechtssicherheit und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
(s. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 22.7.1991 1 BvR 313/88,
HFR 1992, 423, NJW 1992, 168, m.w.N.) für Steuerbescheide
ihren Niederschlag gefunden. Hiernach ist die Durchbrechung der
grundsätzlich bestehenden Unabänderlichkeit
bestandskräftiger Steuerbescheide zugunsten der materiellen
Richtigkeit nur unter bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen
zugelassen; in allen anderen Fällen ist die Rechtswidrigkeit
des betreffenden Verwaltungsakts hinzunehmen (s.
sinngemäß Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, Vor
§§ 172 ff. Tz. 1).
Unter diesen Umständen war aber die vom
FG angenommene konkludente Zustimmung zu einer nur
eingeschränkten Änderung bzw. einer konkludenten
Teilrücknahme entbehrlich, um die erneute Änderung
auszuschließen und materielle Bestandskraft der
Steuerfestsetzung hinsichtlich der im Streitjahr zu erfassenden
Tantiemen eintreten zu lassen.
2. Andere Korrekturvorschriften, auf die im
Streitfall der angefochtene Änderungsbescheid hätte
gestützt werden können, sind nicht ersichtlich.