Bauzeitzinsen, InvZul: In der Steuerbilanz als Teil der nachträglichen Herstellungskosten eines Gebäudes zu Recht aktivierte Bauzeitzinsen sind auch in die Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage einzubeziehen. - Urt.; BFH 19.10.2006, III R 73/05; SIS 07 04 34
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren
Gesellschafterinnen mehrere Kommunen sind. Sie bewirtschaftet,
vermietet und verwaltet Wohn- und Gewerbeobjekte. Für
Baumaßnahmen an einer größeren Anzahl von
Mietwohngebäuden beantragte sie für die Jahre 1999 und
2000 Investitionszulage nach § 3 des
Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999, die ihr unter Vorbehalt
der Nachprüfung gewährt wurde.
Im Laufe einer
Investitionszulagensonderprüfung beantragte die Klägerin
die zusätzliche Berücksichtigung von Finanzierungskosten,
die während der Baumaßnahmen angefallen waren und die
sie als nachträgliche Herstellungskosten der Gebäude
aktiviert hatte. Der Aufwand für die Modernisierung belief
sich auf rund 1000 DM/qm und damit nach dem Vortrag der
Klägerin auf annähernd 50 % der Neubaukosten. Die
Baumaßnahmen hatten den Wert der Gebäude deutlich
erhöht und zu anschließenden Mieterhöhungen
geführt. Der ursprüngliche Zustand der Gebäude wurde
entgegen einer Aufforderung des Beklagten und Revisionsbeklagten
(Finanzamt - FA - ) nicht mitgeteilt.
Das FA setzte mit - aus anderen, hier nicht
interessierenden Gründen geänderten - Bescheiden vom
11.10.2002 die Investitionszulage ohne Berücksichtigung der
Bauzeitzinsen fest. Den Einspruch wies es als unbegründet
zurück. Es stehe nicht fest, dass es sich bei den
Baumaßnahmen um Herstellungskosten handele; insbesondere
lasse die Höhe der Aufwendungen nicht auf die dafür
erforderliche wesentliche Verbesserung der Gebäude
schließen. Da die Klägerin ihre Mitwirkungspflichten
verletzt habe, müsse davon ausgegangen werden, dass die
Modernisierungen als Erhaltungsmaßnahmen zu qualifizieren
seien. Finanzierungskosten von Erhaltungsmaßnahmen seien
nicht zulagenbegünstigt.
Die Klage blieb ohne Erfolg. Das
Finanzgericht (FG), dessen Urteil in EFG 2006, 366 = SIS 06 05 64
abgedruckt ist, entschied, Bauzeitzinsen seien nicht nach § 3
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 InvZulG 1999 begünstigt, weil
Finanzierungskosten keine Aufwendungen für Herstellungs- oder
Erhaltungsarbeiten seien. Der Begriff der Herstellungskosten sei
zwar aus dem Handelsrecht abzuleiten. Die Übertragung des
Einbeziehungswahlrechtes in § 255 Abs. 3 Satz 2 des
Handelsgesetzbuchs (HGB), einer Sonderregelung für
buchführende Kaufleute, auf das Investitionszulagenrecht
würde aber nicht buchführende Anspruchsberechtigte
ungerechtfertigt benachteiligen. Die gegenteilige
bundeseinheitliche Verwaltungsauffassung (z.B. Oberfinanzdirektion
Cottbus vom 28.1.2002, InvZ 1000 -5- St 216, InvZ 1272 -1- St 216,
InvZ 1272 -2- St 216 = SIS 03 53 82) binde die Gerichte
nicht.
Dagegen richtet sich die Revision. Die
Klägerin trägt vor, das FG habe den auch für die
Investitionszulage nach § 255 Abs. 2 HGB zu bestimmenden
Umfang der Herstellungskosten verkannt. Danach bestehe für die
Finanzierungskosten während der Herstellungsphase ein
Einbeziehungswahlrecht, das für die Ertragsbesteuerung und die
Investitionszulage einheitlich ausgeübt werden müsse.
Auch die Steuerverwaltung lasse die Einbeziehung der
Finanzierungskosten während der Durchführung von
Modernisierungsmaßnahmen in die Bemessungsgrundlage der
Investitionszulage zu (Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen - BMF - vom 28.8.1991, BStBl I 1991, 768 = SIS 91 19 59,
Tz. 72; vom 28.6.2001, BStBl I 2001, 379 = SIS 01 11 55, Tz.
151).
Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die
Investitionszulagebescheide für 1999 und 2000 dahin zu
ändern, dass die Bauzeitzinsen in die Bemessungsgrundlage
einbezogen werden.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG
(§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Das Einbeziehungswahlrecht für Kosten der
Finanzierung der Herstellung gilt auch für das
Investitionszulagenrecht. Ob bzw. inwieweit die
streitgegenständlichen Zinsaufwendungen den Herstellungskosten
zuzurechnen sind, vermag der Senat mangels Feststellungen des FG
nicht zu beurteilen.
1. Nachträgliche Herstellungsarbeiten an
Gebäuden werden durch § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvZulG
1999 gefördert; für die Bemessungsgrundlage sind
gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 InvZulG 1999 die
nachträglichen Herstellungskosten maßgeblich.
a) Der Begriff der Herstellungskosten wird im
InvZulG nicht definiert. Er ist dem Einkommensteuer- und
Handelsrecht entnommen und, da sich aus dem Zweck des InvZulG und
seiner Entstehungsgeschichte nichts Gegenteiliges ergibt, auch im
Investitionszulagenrecht nach den für die
Einkommensbesteuerung maßgebenden Grundsätzen auszulegen
(Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22.4.1988 III R 54/83,
BFHE 154, 54, BStBl II 1988, 901 = SIS 88 20 14, m.w.N.; vom
20.10.2005 III R 24/04, BFH/NV 2006, 816 = SIS 06 15 96).
Im Einkommensteuerrecht beurteilt sich der
Begriff der Herstellungskosten nach § 255 Abs. 2 HGB, der auf
der Steuerrechtspraxis beruht (ständige Rechtsprechung, z.B.
BFH-Beschluss vom 4.7.1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990,
830 = SIS 90 18 09; BFH-Urteile vom 27.1.1994 IV R 104/92, BFHE
174, 136, BStBl II 1994, 512 = SIS 94 13 09; vom 17.10.2001 I R
32/00, BFHE 197, 58, BStBl II 2002, 349 = SIS 02 06 17).
Herstellungskosten sind danach diejenigen Aufwendungen, welche
durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von
Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes,
seine Erweiterung oder eine über den ursprünglichen
Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Auf den
Zeitraum der Herstellung entfallende Zinsen für Fremdkapital,
das zur Finanzierung der Herstellung des Vermögensgegenstands
verwendet wurde, können angesetzt werden (§ 255 Abs. 2
Satz 5 und Abs. 3 Satz 2 HGB); dieses handelsrechtliche
Einbeziehungswahlrecht wird auch einkommensteuerlich gewährt
(R 33 Abs. 4 Satz 1 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1999
und EStR 2003, R 6.3 Abs. 4 Satz 1 EStR 2005). Soweit auf die
Herstellungszeit entfallende Zinsen zur Finanzierung der
Herstellung ertragsteuerlich zulässigerweise als Teil der
Herstellungskosten behandelt worden sind, erhöht sich damit
auch die Bemessungsgrundlage der Investitionszulage.
b) Der entgegenstehenden Ansicht des FG folgt
der Senat nicht. Sie wird auch nicht durch das BFH-Urteil vom
24.5.1968 VI R 6/67 (BFHE 92, 400, BStBl II 1968, 574 = SIS 68 03 90) gestützt, denn der vom Kläger jenes Verfahrens
gezahlte Abzahlungsaufschlag beruhte auf einem neben dem
Kaufvertrag stehenden Finanzierungsvertrag und durfte in der
Handels- und Steuerbilanz nicht in die Anschaffungskosten
einbezogen werden.
Der Senat braucht vorliegend nicht zu
entscheiden, ob sich das Einbeziehungswahlrecht auf bilanzierende
Investoren beschränkt (so BMF-Schreiben vom 28.2.2003, BStBl I
2003, 218 = SIS 03 17 25, Tz. 39) oder ob die Behandlung von
Bauzeitzinsen als Herstellungskosten bei den
Überschusseinkünften durch § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1
ausgeschlossen wird (so BFH-Urteil vom 7.11.1989 IX R 190/85, BFHE
159, 439, BStBl II 1990, 460 = SIS 90 10 09), obwohl der Begriff
der Herstellungskosten für die Gewinneinkünfte einerseits
und die Überschusseinkünfte andererseits
grundsätzlich gleich auszulegen ist (BFH-Beschluss in BFHE
160, 466, BStBl II 1990, 830 = SIS 90 18 09; nach Ansicht von
Wichmann, BB 1991, 1835 ist das BFH-Urteil in BFHE 159, 439, BStBl
II 1990, 460 = SIS 90 10 09 dadurch überholt).
Da § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3
Satz 1 InvZulG 1999 den Begriff der Herstellungskosten verwendet,
ohne ihn einzuschränken - z.B. dahin, dass
Einbeziehungswahlrechte unberücksichtigt bleiben - und eine
vom Ertragsteuerrecht abweichende Auslegung durch die Zielsetzung
des InvZulG nicht geboten ist, wäre die sich daraus ergebende
Benachteiligung nicht bilanzierender Anspruchsberechtigter -
entgegen der Auffassung des FG - hinzunehmen. Denn es handelte sich
dann um einen bloßen Reflex des ertragsteuerlichen
Wahlrechtes, durch welches die Bauzeitzinsen ihren Charakter von
Finanzierungsaufwendungen zu Herstellungskosten ändern (vgl.
auch BFH-Urteil vom 30.4.2003 I R 19/02, BFHE 202, 357, BStBl II
2004, 192 = SIS 03 36 49 betr. Bauzeitzinsen als
Dauerschuldentgelte nach § 8 Nr. 1 des
Gewerbesteuergesetzes).
c) Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob
es sich um die Finanzierung
„ursprünglicher“ oder nachträglicher
Herstellungskosten handelt.
2. Für Erhaltungsarbeiten an
Gebäuden kann eine Zulage nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
InvZulG 1999 beansprucht werden, die sich aus den
Erhaltungsaufwendungen berechnet. Bauzeitzinsen sind nicht
Bestandteil der Erhaltungsaufwendungen.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Die
Höhe der Investitionszulage hängt davon ab, ob bzw.
inwieweit die streitgegenständlichen Zinsaufwendungen mit der
Finanzierung von (nachträglichen) Herstellungskosten oder
Erhaltungsaufwendungen zusammen hängen. Da die Bilanzierung
für die zulagenrechtliche Abgrenzung der Herstellungskosten
vom Erhaltungsaufwand nicht bindend ist (vgl. BFH-Beschluss vom
20.1.2003 III B 73/02, BFH/NV 2003, 657 = SIS 03 22 54, m.w.N.) und
das FG wegen seines Rechtsstandpunktes hierzu keine
tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, wird die Sache an
das FG zurückverwiesen.