Veräußerungsgewinn bei beschränkt Steuerpflichtigen, Erfassung früher gebildeter stiller Reserven: Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG 1997 ist entsprechend § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG 1997 der Teilwert des veräußerten Wirtschaftsguts bei In-Kraft-Treten des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG 1997 zum 1.1.1994 zugrunde zu legen. Die Wertbegrenzung auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. a EStG 1997 ist nicht anzuwenden (Anschluss an Senatsurteile vom 5.6.2002 I R 81/00, BFHE 199 S. 300, BStBl 2004 II S. 344 = SIS 02 86 72, sowie I R 105/00, BFH/NV 2002 S. 1433 = SIS 02 97 88). - Urt.; BFH 22.8.2006, I R 6/06; SIS 06 47 36
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine Kapitalgesellschaft niederländischen
Rechts (B.V.). Sie erwarb im Jahre 1991 ein im Inland belegenes
Gewerbegrundstück, das in der Folgezeit mit Büro- und
Lagergebäuden bebaut wurde. Die ursprünglichen
Anschaffungskosten betrugen 471.912 DM, die Herstellungskosten des
1991/1992 errichteten Gebäudes 7.128.336 DM und die Kosten
für die Außenanlagen 163.763 DM. Gebäude und
Außenanlagen wurden jährlich mit 5 v.H. degressiv
abgeschrieben. 1993 und 1994 entstanden weitere Anschaffungs- und
Herstellungskosten.
Zum 30.9.1998 (Streitjahr) verkaufte die
Klägerin dieses bebaute Grundstück sowie ein weiteres, im
Jahre 1994 erworbenes und ebenfalls bebautes Grundstück
für insgesamt 15,3 Mio. DM. Der Buchwert beider
Grundstücke belief sich zu diesem Zeitpunkt auf 11.967.198
DM.
Das seinerzeit zuständige Finanzamt
(FA) X unterwarf die Klägerin mit den im Streitjahr erzielten
laufenden Einkünften aus der Grundstücksvermietung
gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes
(EStG 1997) sowie mit dem Veräußerungsgewinn
gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG 1997
(jeweils i.V.m. § 2 Nr. 1 und § 8 Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes - KStG - ) der beschränkten
Steuerpflicht, wobei es den Gewinn durch Gegenüberstellung des
Erlöses zu dem Buchwert und unter Berücksichtigung von
Veräußerungskosten sowie nach Kürzung um bereits
bisher berücksichtigte Absetzungen für Abnutzung (AfA)
ermittelte. Im Verlaufe des anschließenden Einspruchs- sowie
Klageverfahrens gegen den hiernach ergangenen
Körperschaftsteuerbescheid verständigten sich die
Beteiligten auf einen steuerpflichtigen
Veräußerungsgewinn von mindestens 1.912.129 DM. Zugrunde
gelegt wurde dabei auf der Basis der Senatsurteile vom 5.6.2002 I R
81/00 (BFHE 199, 300, BStBl II 2004, 344 = SIS 02 86 72) sowie I R
105/00 (BFH/NV 2002, 1433 = SIS 02 97 88) hinsichtlich des in 1991
erworbenen Grundstücks statt der Anschaffungs- und
Herstellungskosten dessen Teilwert auf den 1.1.1994 und damit auf
den Eintritt in die Steuerpflicht aufgrund der erstmaligen
Anwendung des seinerzeit neu in das Gesetz eingefügten §
49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG 1997. Allerdings vertrat das FA die
Rechtsauffassung, dieser Wert sei insofern zu erhöhen, als
nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. a EStG 1997
nicht der Teilwert, sondern die Anschaffungs- und
Herstellungskosten anzusetzen seien. Die Körperschaftsteuer
1998 wurde hiernach im Einspruchsverfahren auf 663.112 DM
festgesetzt.
Das Finanzgericht (FG)
Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, gab der Klage
(nur) bezogen auf die streitige Frage nach der Anwendung von §
6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. a EStG 1997 statt und wies
sie im Übrigen ab. Sein Urteil vom 28.9.2005 3 K 181/00 ist in
EFG 2006, 804 = SIS 06 18 13 veröffentlicht.
Das mit Wirkung vom 1.1.2005 an die Stelle
des ursprünglich zuständigen FA getretene (vgl.
Finanzministerium Baden-Württemberg, Erlass vom 11.11.2004,
BStBl I 2004, 1116 = SIS 05 04 96) und im Wege der
Funktionsnachfolge in das Klageverfahren als Beklagter und
Revisionskläger eingetretene, nunmehr zuständige FA
stützt seine dagegen erhobene Revision auf Verletzung
materiellen Rechts. Es beantragt sinngemäß, das
FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet.
1. Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. f Satz 1 i.V.m. Nr. 6 EStG 1997 stellen Einkünfte aus
Gewerbebetrieb, die durch Veräußerung von unbeweglichem
Vermögen erzielt werden, inländische Einkünfte im
Sinne der beschränkten Steuerpflicht dar, wenn das
unbewegliche Vermögen im Inland belegen ist und im Inland
für den Gewerbebetrieb keine Betriebsstätte unterhalten
wird und kein ständiger Vertreter bestellt ist. Als
Einkünfte aus Gewerbebetrieb gelten gemäß § 49
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG 1997 (i.V.m. § 2 Nr. 1,
§ 8 Abs. 1 KStG) auch die Einkünfte aus entsprechenden
Veräußerungen, die von einer Körperschaft ohne Sitz
und Geschäftsleitung im Inland erzielt werden, die einer
inländischen Kapitalgesellschaft, welche nach den Vorschriften
des Handelsgesetzbuchs zur Führung von Büchern
verpflichtet ist, gleichsteht.
Diese persönlichen und sachlichen
Voraussetzungen werden von der Klägerin erfüllt: Sie
steht als Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts einer
deutschen Kapitalgesellschaft gleich (vgl. Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30.3.1993 VIII R 44/90, BFH/NV 1993,
597, 598 = SIS 93 19 52); sie verfügte nach den
tatrichterlichen Feststellungen im Inland weder über Sitz noch
Geschäftsleitung. Sie unterhielt im Inland keine
Betriebsstätte und hatte im Inland auch keinen ständigen
Vertreter bestellt. Sie erzielte in Deutschland Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung und zudem Einkünfte aus der
Veräußerung von unbeweglichem Vermögen, das im
Inland belegen war.
2. Das FG hat den
Veräußerungsgewinn auf der Grundlage der
einschlägigen Senatsrechtsprechung (BFH-Urteile in BFHE 199,
300, BStBl II 2004, 344 = SIS 02 86 72, und in BFH/NV 2002, 1433 =
SIS 02 97 88) zutreffend in der Weise berechnet, dass es
hinsichtlich des im Jahr 1991 angeschafften Grundstücks nicht
von den ursprünglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten,
sondern von dem Verkehrswert (Teilwert) des Grundstücks zum
1.1.1994 ausgegangen ist und hiervon die ab 1.1.1994 von der
Klägerin vorgenommene AfA abgezogen hat. Denn die Ermittlung
des Veräußerungsgewinns gemäß § 49 Abs.
1 Nr. 2 Buchst. f EStG 1997 richtet sich nach den allgemeinen
Gewinnermittlungsvorschriften der §§ 4 ff. EStG 1997.
Es ist deshalb bei der Gewinnermittlung
gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 1997 zwar
grundsätzlich von den um die AfA verminderten Anschaffungs-
oder Herstellungskosten des betreffenden Grundstücks
auszugehen. Handelt es sich um ein Grundstück, das bereits vor
dem 1.1.1994 angeschafft wurde, ist indes abweichend hiervon -
letzten Endes in entsprechender Anwendung der Wertbemessung
für die Einlage eines Wirtschaftsgutes in das
Betriebsvermögen nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG 1997 -
der Teilwert zugrunde zu legen, und zwar jener zum 1.1.1994.
Letzteres folgt aus dem Umstand, dass einerseits die entsprechenden
Veräußerungsvorgänge erst von diesem Zeitpunkt an
gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG 1990 i.d.F.
des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur
Bereinigung des Steuerrechts (Missbrauchsbekämpfungs- und
Steuerbereinigungsgesetz) vom 21.12.1993 (BGBl I 1993, 2310, BStBl
I 1994, 50) steuerbar wurden (vgl. § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG
1990 in der vorbezeichneten Fassung) und dass andererseits der
Gesetzgeber darauf verzichtet hat, Übergangsregelungen zu
erlassen, wonach auf die Wertverhältnisse zu einem
früheren Zeitpunkt als dem 1.1.1994 abzustellen wäre.
Solcher Übergangsregelungen hätte es bedurft, um einen
weiter gehenden Besteuerungszugriff zu rechtfertigen. Andernfalls
bleibt es, um eine verfassungsrechtlich zweifelhafte
Rückwirkung der Neuregelung durch eine (rückwirkende
Erfassung) von Wertzuwächsen zu verhindern, bei den
Wertverhältnissen bei Beginn der Steuerbarkeit (vgl.
ähnlich § 13 KStG für den Fall des Beginns oder
Erlöschens der Körperschaftsteuerpflicht).
Im Einzelnen nimmt der Senat auf seine
Rechtsprechung, an der er festhält und der die
Finanzverwaltung prinzipiell folgt (vgl. Oberfinanzdirektion
Frankfurt am Main, Verfügung vom 17.8.2004, Steuer-Eildienst
2004, 665 = SIS 05 12 95), Bezug.
3. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz
2 Buchst. a EStG 1997 sind allerdings Einlagen nicht mit dem
Teilwert, sondern höchstens mit den Anschaffungs- oder
Herstellungskosten anzusetzen, wenn das zugeführte
Wirtschaftsgut innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Zeitpunkt
der Zuführung angeschafft oder hergestellt worden ist. Nach
dem Regelungszweck soll hierdurch Missbräuchen durch
willkürliche Einlagen bei betrieblich genutzten
Wirtschaftsgütern, die die steuerliche Erfassung kurzfristiger
Wertsteigerungen vermeiden würde, vorgebeugt werden (s. z.B.
Fischer in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 6 Rn. 168). Die
Regelung bleibt für die hier in Rede stehende Konstellation
bei Eintritt in die beschränkte Steuerpflicht aufgrund der
Neuregelung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG 1990 i.d.F.
des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes
jedoch unanwendbar.
Die Einlageregeln sind für diese
Konstellation nur ergänzend und sinnentsprechend
heranzuziehen. Denn tatsächlich handelt es sich nicht um eine
Einlage im Rechtssinne. Der Wert, mit dem eine solche
„Quasi-Einlage“ bei Eintritt in die
beschränkte Steuerpflicht anzusetzen ist, orientiert sich
deshalb nach den Maßstäben eines verfassungskonformen
Regelungsverständnisses (nur) an § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1
EStG 1997. Die dazu in Halbsatz 2 Buchst. a der Vorschrift gemachte
Ausnahme ist hingegen nicht einschlägig, weil diese auf
Einlagen im Rechtssinne zugeschnitten ist und deswegen voraussetzt,
dass ein bislang im Privatvermögen befindliches Wirtschaftsgut
aufgrund willentlicher Entscheidung des Steuerpflichtigen in ein
Betriebsvermögen überführt wird. Über eine
derartige Umwidmung ist im Streitfall, in dem die Klägerin vor
der Veräußerung nach den vom FA unbestrittenen
Feststellungen des FG lediglich vermögensverwaltend tätig
war, nicht zu befinden. Zu beurteilen ist nur der Ausgangswert bei
dem Eintritt in den steuerverstrickten Bereich, der wiederum
ausschließlich auf eine gesetzliche Maßnahme - die
Statuierung der beschränkten Steuerpflicht in § 49 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. f EStG 1997 - zurückzuführen ist, welche
der Steuerpflichtige nicht beeinflussen kann (vgl. Hidien, in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 49 Rdnr. E 704 ff.;
Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 49 Rn. 64). Darin liegt denn
(möglicherweise) auch der ausschlaggebende Unterschied zu dem
Hineinwachsen in die Wesentlichkeit der Beteiligung i.S. des §
17 Abs. 1 EStG 1997 infolge gesetzlicher Absenkung der
Wesentlichkeitsgrenzen und der damit verbundenen Erfassung von in
der Vergangenheit gebildeten stillen Reserven, die der VIII. Senat
des BFH für verfassungsmäßig unbedenklich gehalten
hat (BFH-Urteil vom 1.3.2005 VIII R 92/03, BFHE 209, 285, BStBl II
2005, 398 = SIS 05 18 68, unter II.2.b der
Entscheidungsgründe). Der Senat kann (auch) deswegen offen
lassen, ob er dieser hier ohnehin nicht einschlägigen
Rechtsprechung uneingeschränkt folgen könnte. Unter den
Gegebenheiten des Streitfalls bleibt es im Regelungsbereich des
§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG 1997 jedenfalls beim Ansatz
des Teilwerts.
4. Die Höhe des hiernach zu berechnenden
Veräußerungsgewinns steht unter den Beteiligten
außer Streit. Der festgestellte Sachverhalt gibt keine
Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Berechnung zu zweifeln.