Flurbereinigung, Erwerb durch Dritten nach Zustimmung eines Teilnehmers, GrESt: Stimmt ein Teilnehmer an einem Flurbereinigungsverfahren nach § 52 Abs. 1 FlurbG zugunsten eines Dritten zu, statt in Land in von dem Dritten aufzubringendem Geld abgefunden zu werden, ist die Eigentumszuweisung an den Dritten nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG von der Grunderwerbsteuer ausgenommen. - Urt.; BFH 23.8.2006, II R 41/05; SIS 06 40 90
I. Während eines laufenden
Flurbereinigungsverfahrens stimmte der Teilnehmer X mit
Erklärung vom 27.4.1988 in einer Verhandlung vor der
zuständigen Behörde nach § 52 des
Flurbereinigungsgesetzes (FlurbG) zugunsten der Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), einer Kommune, zu, für
seine eingeworfenen Grundstücke statt mit Land in Geld -
nämlich mit 228.000 DM - abgefunden zu werden. Besitz,
Nutzungen und Gefahr bezüglich der von X eingeworfenen
Grundstücke sollten „ab sofort“ auf die
Klägerin übergehen. Das Eigentum an den
Ersatzgrundstücken erhielt die Klägerin am
1.8.2001.
Durch Bescheid vom 12.3.2003 setzte der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) gegen die
Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 4.080,11 EUR -
bemessen nach der Geldabfindung des X - fest und gab zur
Begründung an, die Steuer entstehe „beim
Landabfindungsverzicht gemäß § 52 FlurbG erst bei
der tatsächlichen Landzuteilung zu dem Zeitpunkt, zu dem nach
der Ausführungsanordnung der im Flurbereinigungsplan
vorgesehene neue Rechtszustand an die Stelle des bisherigen trete
(1.8.2001)“.
Einspruch und Klage, mit denen die
Klägerin die Anwendung der Befreiungsregelung in § 1 Abs.
1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG)
forderte, blieben erfolglos (vgl. SIS 06 04 30). Das FG war der
Ansicht, der Eigentumserwerb am 1.8.2001 sei gemäß
§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG nicht nur grunderwerbsteuerbar,
sondern auch grunderwerbsteuerpflichtig. Die Regelung des Satzes 2
Buchst. a der Vorschrift greife nicht ein, da es an einem
Eigentumsübergang durch Abfindung in Land fehle. Unter
Abfindung sei nach dem FlurbG ein Austausch konkreten Grund und
Bodens zu verstehen, wobei der jeweilige Teilnehmer seinen
eingebrachten Grund und Boden verliere und einen anderen erhalte.
Die Klägerin habe aber die zugeteilten Grundstücke nicht
als Ersatz für eingebrachte Grundstücke erhalten, sondern
gemäß § 54 Abs. 2 FlurbG aus dem durch den
Abfindungsverzicht des X entstandenen Masseland.
Mit der Revision rügt die
Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz
2 Buchst. a GrEStG. Mit der Zustimmung des X zu einer Abfindung in
Geld zu ihren Gunsten sei der Anspruch des X auf Abfindung in Land
auf sie, die Klägerin, übergegangen. Auch nach diesem
Übergang sei der Anspruch weiterhin auf Abfindung in Land von
gleichem Wert wie die von X eingebrachten Grundstücke
gerichtet gewesen, wie § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG es vorsehe.
Demgemäß habe sie, die Klägerin, das Eigentum an
den neuen Grundstücken auch nicht gemäß § 54
Abs. 2 FlurbG, sondern gemäß § 44 Abs. 1 FlurbG
erlangt. Anderenfalls hätte der Abfindungsanspruch durch den
Übergang auf sie, die Klägerin, eine Inhaltsänderung
erfahren müssen. Dies sei aber nicht der Fall. Insofern
unterscheide sich der Verzicht auf Abfindung in Land zugunsten
eines Dritten von demjenigen zugunsten der Teilnehmergemeinschaft.
Selbst wenn dem nicht zu folgen sein sollte, wäre jedenfalls
die Auffassung des FA von dem, was unter Abfindung in Land i.S. des
§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG zu verstehen sei, zu
eng. Mit diesem Tatbestandsmerkmal werde nicht nur auf § 44
Abs. 1 FlurbG Bezug genommen, sondern auf den gesamten zweiten
Abschnitt des dritten Teils des Gesetzes, also auch auf die
§§ 52, 54 FlurbG. Hätte der Gesetzgeber nur
Abfindungen gemäß § 44 Abs. 1 FlurbG von der
Grunderwerbsteuer ausnehmen wollen, wäre es ein Leichtes
gewesen, dies mit dem Wort „nur“ oder der Nennung des
§ 44 Abs. 1 FlurbG zum Ausdruck zu bringen. Abgesehen davon
sollen nach der Kommentarliteratur auch Mehrzuteilungen gegen
Geldausgleich nicht grunderwerbsteuerpflichtig sein, obwohl
insoweit kein Flächentausch vorliege. Schließlich sei
auch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen, dass alle
Abfindungsvorgänge von der Steuer ausgenommen werden sollten,
da es sich um Vorgänge außerhalb des freien
Marktgeschehens handele. Dies sei auch ein Gebot des Art. 3 des
Grundgesetzes (GG), weil sich sonst eine verfassungswidrige
Ungleichbehandlung gegenüber vergleichbaren Fällen im
Umlegungsverfahren und nach dem Gesetz über die strukturelle
Anpassung der Landwirtschaft an die soziale und ökologische
Marktwirtschaft in der DDR ergäbe.
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung sowie den Grunderwerbsteuerbescheid vom 12.3.2003
in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.10.2003
aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet; sie war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FA hat den durch
Ausführungsanordnung nach § 61 Satz 2 FlurbG zum 1.8.2001
bewirkten Eintritt des Eigentums der Klägerin an den
Ersatzgrundstücken zutreffend der Grunderwerbsteuer
unterworfen.
1. Diesen Eigentumserwerb vom 1.8.2001 hat das
FA in dem angefochtenen Steuerbescheid mit nach § 119 Abs. 1
der Abgabenordnung (AO 1977) hinreichender Deutlichkeit erfasst.
Das ergibt sich aus der Anlage zu dem Bescheid, in der
ausgeführt wird, die Steuer entstehe erst mit der
tatsächlichen Landzuteilung durch die
Ausführungsanordnung zu dem darin bestimmten Zeitpunkt.
Entsprechend ist in der Einspruchsentscheidung von der
tatsächlich erfolgten Landzuteilung die Rede. Dass das FA
stattdessen in der Revisionserwiderung von der
„Steuerpflicht der Zustimmung zur Abfindung in
Geld“ spricht, vermag an der ausreichenden Bestimmtheit
des Bescheides nichts zu ändern.
2. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz
1 GrEStG unterliegt der Übergang des Eigentums, wenn kein den
Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft
vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf, der
Grunderwerbsteuer. Ein derartiger Sachverhalt liegt im Streitfall
vor. Durch die Ausführungsanordnung zum Flurbereinigungsplan
ist die Klägerin gemäß § 61 Satz 2 FlurbG
Eigentümerin der Ersatzgrundstücke geworden, ohne dass
ein einen Übereignungsanspruch begründendes
Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und ohne dass es einer
Auflassung bedurft hat. Der Ausführungsanordnung ist zwar ein
Rechtsgeschäft vorausgegangen - nämlich die
Erklärung des X nach § 52 Abs. 1 FlurbG, zugunsten der
Klägerin einer Abfindung in Geld statt in Land zuzustimmen - ;
dadurch ist jedoch kein Übereignungsanspruch für die
Klägerin begründet worden. Vielmehr ist der Anspruch des
X auf Abfindung in Land auf die Klägerin übergegangen
(vgl. Seehusen/Schwede, Flurbereinigungsgesetz, Kommentar, 7. Aufl.
1997, § 52 Anm. 3). Dieser Abfindungsanspruch ist aber nicht
von derselben Rechtsqualität wie ein
Übereignungsanspruch. Er zielt zwar ebenfalls auf den Erwerb
des Eigentums an den Ersatzgrundstücken und bereitet deren
Erwerb vor, gewährleistet ihn aber nicht, sondern verschafft
der Klägerin lediglich eine ungesicherte Rechtsposition, die
selbst in Verbindung mit einer vorläufigen Besitzeinweisung
nicht einmal den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt
(so Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17.5.2000 II R 47/99,
BFHE 191, 426, BStBl II 2000, 627 = SIS 00 10 63), geschweige denn
den Tatbestand des Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift.
3. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz
2 Buchst. a GrEStG ist jedoch - soweit hier maßgebend - von
der Besteuerung nach Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 der Vorschrift ausgenommen
der Übergang des Eigentums durch Abfindung in Land im
Flurbereinigungsverfahren.
a) Soweit sich die Frage stellt, ob unter
diese Regelung auch die eigentumsmäßige Zuteilung
solchen Landes fällt, mit dem ein Teilnehmer am
Flurbereinigungsverfahren abzufinden gewesen wäre, wenn er
nicht stattdessen gemäß § 52 Abs. 1 FlurbG einer
Abfindung in Geld zugestimmt hätte, ist zu unterscheiden, zu
wessen Gunsten der Teilnehmer auf eine Abfindung in Land verzichtet
hat. Wird die Zustimmung nach § 52 Abs. 1 FlurbG nicht um die
Erklärung ergänzt, dass sie zugunsten eines Dritten
erfolgt, fallen die Grundstücke, mit denen der Teilnehmer
abzufinden gewesen wäre, wenn er nicht der Abfindung in Geld
zugestimmt hätte, regelmäßig - d.h. dann, wenn sie
nicht für die Abfindung anderer Teilnehmer benötigt
werden - in das sog. Masseland, das nach Maßgabe des §
54 Abs. 2 FlurbG zu verwenden ist. Der Eigentumserwerb kraft
Zuteilung dieses Landes gemäß § 54 Abs. 2 i.V.m.
§ 55 FlurbG soll nach herrschender Meinung nicht
gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG von
der Grunderwerbsteuer ausgenommen sein (vgl. Fischer in Boruttau,
Grunderwerbsteuergesetz, 15. Aufl., § 1 Rn. 644; Pahlke in
Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2005,
§ 1 Rz. 188; Bruschke in UVR 1996, 71, 72; Seehusen/Schwede,
a.a.O., § 54 Anm. 12). Erfolgt die Zustimmung nach § 52
Abs. 1 FlurbG dagegen zugunsten eines Dritten, fallen die nicht
mehr dem zustimmenden Teilnehmer zuzuteilenden Grundstücke
hingegen nicht in das sog. Masseland i.S. des § 54 Abs. 2
FlurbG (so Beschluss des Flurbereinigungsgerichts Kassel vom
22.1.1987 F 3281/86, Rechtsprechung zur Flurbereinigung,
Gemeinschaftsausgabe des Bundes und der Länder für den
Dienstgebrauch, § 54 II S. 65). Die Eigentumszuweisung an den
Dritten beruht daher nicht auf § 54 Abs. 2 FlurbG, sondern
nach wie vor auf § 44 des Gesetzes. Insofern hat sich der
Abfindungsanspruch durch den Übergang auf den Dritten nicht
verändert, wie die Klägerin zutreffend geltend macht.
Geht es aber nach wie vor um die Erfüllung eines
Abfindungsanspruchs, wird die Landzuteilung an den Dritten vom
Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG erfasst.
Gleichwohl ist die Eigentumszuteilung an den Dritten nicht
grunderwerbsteuerfrei. Dies hat der BFH - allerdings nur in einem
obiter dictum - bereits mit dem Urteil in BFHE 191, 426, BStBl II
2000, 627 = SIS 00 10 63, unter II. 2. a ausgesprochen (zustimmend
Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2004, §
1 Rdnr. 56 a.E.; Seehusen/Schwede, a.a.O., § 52 Anm. 3 a).
Daran ist festzuhalten.
b) Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 3
Satz 2 Buchst. a GrEStG bedarf in Bezug auf die Landzuteilung an
den Dritten einer Reduzierung ihres Anwendungsbereichs. Ihr
Wortlaut weicht insofern vom Gesetzeszweck ab, als er über
diesen hinausgeht. Die Steuerbefreiung des Eigentumsübergangs
durch Abfindung in Land zielt auf das Ende des
Flurbereinigungsverfahrens für den einzelnen Teilnehmer, der
im Zuge dieses Verfahrens eigenes Land hergeben musste. An die
Möglichkeit, dass die Personen, die jeweils am Anfang und am
Ende des konkreten Abfindungsvorgangs stehen, nicht mehr identisch
sind, ist dabei nicht gedacht worden. Dies zeigt sich bei einem
Vergleich der Befreiungstatbestände der Buchst. a und b der
Vorschrift. Die auf weiter gehende Steuerbefreiung angelegte
Regelung für das Umlegungsverfahren nach dem Baugesetzbuch in
Buchst. b grenzt ihren Anwendungsbereich dadurch ein, dass der
Neueigentümer als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet
gelegenen Grundstücks am Umlegungsverfahren beteiligt gewesen
sein muss. Eine derartige Beschränkung enthält Buchst. a
nicht. Dies mag zwar mit Blick auf die zweite Alternative des
Buchst. a, nämlich die Zuteilung von Land für
gemeinschaftliche Anlagen im Flurbereinigungsverfahren
gemäß § 42 Abs. 2 FlurbG an die Gemeinden geschehen
sein; dass eine derartige Beschränkung aber auch für die
erste Alternative, nämlich den Eigentumsübergang durch
Abfindung in Land, unterblieben ist, kann nur so verstanden werden,
dass der Gesetzgeber an eine Eigentumszuteilung an einen Dritten,
der erst durch den Landabfindungsverzicht eines Teilnehmers in das
Flurbereinigungsverfahren einbezogen worden ist (vgl. dazu
Seehusen/ Schwede, a.a.O., § 52 Anm. 3), nicht gedacht hat.
Anderenfalls müsste angenommen werden, der Gesetzgeber habe in
Kauf nehmen wollen, dass bis zu dem Abfindungsverzicht
gemäß § 52 FlurbG unbeteiligte Dritte
anlässlich des Flurbereinigungsverfahrens Grundbesitz
steuerfrei erwerben können. Dies ist auszuschließen.
c) Bei einer solchen Landzuteilung an einen
Dritten handelt es sich um einen Vorgang, der mit dem Begriff der
Mehrzuteilung in Verbindung mit einer Geldleistung nicht zutreffend
beschrieben werden kann. Insoweit ist das zu § 1 Abs. 1 Nr. 3
Satz 2 Buchst. b GrEStG - und damit zu einer Umlegung nach dem
Baugesetzbuch - ergangene Urteil des BFH vom 28.7.1999 II R 25/98
(BFHE 190, 225, BStBl II 2000, 206 = SIS 00 03 53) schon mangels
Vergleichbarkeit der Sachverhalte nicht übertragbar, und zwar
unabhängig von der Abweichung im Wortlaut der Buchst. a und b
der Vorschrift. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Dritte
seinerseits mit eigenen Grundstücken Teilnehmer des
Flurbereinigungsverfahrens ist oder nicht. Eine Mehrzuteilung ist
auf einen Abfindungsanspruch bezogen, über den sie hinausgeht.
An einer solchen Ausgangsgröße, an der gemessen ein
„Mehr“ zugeteilt wird, fehlt es aber bei der
Landzuteilung an einen Dritten, zu dessen Gunsten gemäß
§ 52 Abs. 1 FlurbG auf eine Abfindung in Land verzichtet
wurde. Vielmehr erfolgt die Zuteilung im Umfang des
übergegangenen Abfindungsanspruchs. Sie ist
umfangsmäßig deckungsgleich.
4. Für den Streitfall folgt daraus, dass
die Landzuteilung an die Klägerin nicht von der
Grunderwerbsteuer auszunehmen ist. Dabei kann auf sich beruhen, ob
die Klägerin bereits vor dem Verzicht des X auf eine Abfindung
in Land zu ihren Gunsten an dem Flurbereinigungsverfahren beteiligt
war, wie das FG in der Vorentscheidung feststellt, oder nicht, wie
aus der Niederschrift über den Erörterungstermin am
15.4.2005 hervorgeht. Selbst wenn die Klägerin schon vorher am
Flurbereinigungsverfahren beteiligt gewesen sein sollte, bliebe es
dabei, dass sich die streitbefangene Eigentumszuteilung auf Land
bezog, das sie erst infolge des Abfindungsverzichts des X
beanspruchen konnte. Damit unterläge sie auch bei einer schon
vorher gegebenen Beteiligung am Flurbereinigungsverfahren den
Grundsätzen für den Eigentumserwerb solcher Personen, zu
deren Gunsten ein Teilnehmer gemäß § 52 Abs. 1
FlurbG auf eine Abfindung in Land verzichtet hat.