Steuerfreiheit von Aufwandsentschädigungen, Beschränkung auf Zahlungen inländischer JPöR, EU-Recht: Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: - 1. Ist Art. 59 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft a.F. (jetzt Art. 49 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft n.F.) dahin gehend auszulegen, dass von seinem Schutzbereich auch die nebenberufliche Tätigkeit als Lehrer im Dienst oder Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (Universität) erfasst wird, wobei für diese Tätigkeit als quasi ehrenamtliche Tätigkeit nur eine Aufwandsentschädigung geleistet wird? - 2. Für den Fall, dass Frage 1 bejaht wird: Ist die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, die darin liegt, dass Entschädigungen nur steuerbegünstigt sind, wenn sie von inländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts gezahlt werden (§ 3 Nr. 26 des Einkommensteuergesetzes) dadurch gerechtfertigt, dass die nationalstaatliche Steuerbegünstigung nur durch eine Tätigkeit zugunsten einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts legitimiert ist? - 3. Für den Fall, dass Frage 2 verneint wird: Ist Art. 126 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft a.F. (jetzt Art. 149 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft n.F.) dahin auszulegen, dass eine steuerrechtliche Regelung, mit deren Hilfe das Bildungssystem ergänzend gestaltet wird (wie hier § 3 Nr. 26 des Einkommensteuergesetzes), im Hinblick auf die insoweit fortbestehende Verantwortung der Mitgliedstaaten zulässig ist? - Urt.; BFH 1.3.2006, XI R 43/02; SIS 06 27 08
I. Sachverhalt und Streitstand
Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind miteinander verheiratet und werden zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger wohnt und arbeitet in
seinem Hauptberuf als Rechtsanwalt in Deutschland. Er nahm im
Streitjahr 1991 einen 16 Stunden umfassenden Lehrauftrag an der
Universität Straßburg wahr, für den er im
Streitjahr 5.760 FF (brutto) erhielt. Die Universität zahlte
dem Kläger im Jahre 1991 nach Abzug französischer
Sozialabgaben („Securité sociale; régime
complémentaire“) 4.814,79 FF aus.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt FA ) unterwarf im
Einkommensteuerbescheid 1991 vom 2. Juli 1993 die Bruttozahlungen
in Höhe von 1.612 DM (5.760 FF x 0,28) der
Einkommensteuer.
Mit dem Einspruch machten die Kläger
geltend, dass für die von der Universität Straßburg
erhaltenen Zahlungen der Freibetrag des § 3 Nr. 26 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) gewährt werden müsse. Die
Beschränkung dieser Vorschrift auf Vergütungen von
inländischen Körperschaften des öffentlichen Rechts
verstoße gegen den Vertrag zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft a.F. (EGV). Die einbehaltenen
französischen Zwangsabzüge dürften nicht angesetzt
werden, da sie dem Kläger nicht zugeflossen seien. Er werde
von diesen Sozialversicherungszwangsabzügen niemals
irgendeinen wirtschaftlichen Vorteil haben. Der Einspruch hatte
keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab; die
Entscheidung ist in EFG 2002, 1307 veröffentlicht.
Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH)
zugelassenen Revision machen die Kläger vor allem geltend:
§ 3 Nr. 26 EStG diskriminiere Tätigkeiten bei
Körperschaften des öffentlichen Rechts im EU-Ausland.
Auch eine mittelbare Beschränkung sei unzulässig.
Die Kläger beantragen
sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die
festgesetzte Einkommensteuer durch den Abzug
verfassungsmäßiger Kinderfreibeträge und durch
Verringerung des Gesamtbetrags der Einkünfte um 824,20 EUR
herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Die Dienstleistungsfreiheit des
Klägers sei weder aufgrund seiner Staatsangehörigkeit
noch aufgrund seines Wohnsitzes beschränkt worden. Auch
wäre eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs
- wie das FG zutreffend entschieden habe - aufgrund der Vorschrift
des § 3 Nr. 26 EStG zulässig.
II. Steuerfreistellung von Einnahmen aus
nebenberuflicher Tätigkeit nach deutschem Recht
Steuerfrei sind gemäß § 3 Nr.
26 EStG i.d.F. 1990 Aufwandsentschädigungen für
nebenberufliche Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder,
Erzieher oder für eine vergleichbare nebenberufliche
Tätigkeit, für nebenberufliche künstlerische
Tätigkeiten oder für die nebenberufliche Pflege alter,
kranker oder behinderter Menschen im Dienst oder Auftrag einer
inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts
oder einer unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des
Körperschaftssteuergesetzes (KStG) fallenden Einrichtung zur
Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und
kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung - AO
1977 - ). Als Aufwandsentschädigungen sind Einnahmen für
die in Satz 1 bezeichneten Tätigkeiten bis zur Höhe von
insgesamt 2.400 DM im Jahr anzusehen.
„Aufwandsentschädigungen“
sind begrifflich Ersatzleistungen für berufliche Ausgaben,
Verdienstaufwendungen und Zeitverlust (z.B. Schmidt/Heinicke, EStG,
24. Aufl., § 3 „Aufwandsentschädigung“). Bis
zu 2.400 DM geht das Gesetz typisierend von Aufwandsersatz aus
(BFH-Urteil vom 22.4.1988 VI R 193/84, BFHE 153, 559, BStBl II
1989, 288 = SIS 88 18 33). Übersteigt die Zahlung für die
nebenberufliche Tätigkeit 2.400 DM (ab 2002: 1.848 EUR) ist
regelmäßig davon auszugehen, dass der übersteigende
Betrag nicht mehr Aufwandsersatz, sondern echte Einnahme ist, die
nach allgemeinen Regeln zu versteuern ist.
Zweck der Regelung ist, Steuerpflichtige, die
- wie z.B. der Kläger - für juristische Personen des
öffentlichen Rechts nebenberuflich tätig sind (hier: als
Hochschullehrer), insoweit von steuerlichen Verpflichtungen
freizustellen, soweit sie für diese Tätigkeit nur eine
Aufwandsentschädigung erhalten (Gesetzesbegründung). Auf
diese Weise, soll die Bereitschaft der Steuerpflichtigen für
ein ehrenamtliches Engagement u.a. bei einer juristischen Person
des öffentlichen Rechts geweckt werden, um ihrer Natur nach
gesellschaftspolitische Aufgaben z.B. im Erziehungs-, Bildungs-
oder Sozialbereich kostengünstig erfüllen zu können.
So sind in Deutschland die Universitäten, die als juristische
Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden, auch auf
ehrenamtlich Lehrende angewiesen, um ein gebührenfreies
Universitätsstudium anzubieten. Diesem Zweck entsprechend
erfasst die Steuerbefreiung In- und Ausländer, die an
innerstaatlichen juristischen Personen des öffentlichen Rechts
gegen eine Aufwandsentschädigung bis 2.400 DM (1.848 EUR)
tätig sind, gleichermaßen.
Im Streitfall nahm der Kläger
nebenberuflich einen Lehrauftrag an der Universität
Straßburg wahr. Nach übereinstimmender Auffassung der
Beteiligten wurde der Kläger selbständig freiberuflich
tätig (§ 18 EStG). Die Lehrtätigkeit an einer
Universität ist eine zumindest „vergleichbare“
Tätigkeit i.S. des § 3 Nr. 26 EStG. Die Anwendung des
§ 3 Nr. 26 EStG scheitert aber nach nationalem Recht daran,
dass die Universität Straßburg keine inländische
juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Die
Universität Straßburg ist zwar ein
„établissement public“, also eine Anstalt und
damit eine juristische Person des öffentlichen Rechts; sie ist
aber nicht inländisch.
III. Vereinbarkeit mit EG-Recht
Nach Auffassung des erkennenden Senats ist
insbesondere nicht eindeutig, wie Art. 59 EGV (jetzt Art. 49 des
Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft n.F.
- EG - ) in Bezug auf die Anwendung des § 3 Nr. 26 EStG
auszulegen ist. Die Auslegungsfrage würde sich nur dann nicht
stellen, wenn die Frage bereits Gegenstand der Auslegung durch den
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) war oder
wenn die richtige Auslegung des Gemeinschaftsrechts derart
offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel
keinerlei Raum bleibt (vgl. Geiger, EUV/EGV, 4. Aufl. 2004, Art.
234 EG Rz. 16). Das ist nicht der Fall.
1. Schutzbereich des freien
Dienstleistungsverkehrs (Art. 59 EGV; jetzt Art. 49 EG)
a) Die direkten Steuern fallen zwar in die
Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, diese haben aber ihre
Befugnisse unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts auszuüben und
müssen sich deshalb jeder offensichtlichen oder versteckten
Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit enthalten
(EuGH-Urteile vom 10.3.2005 Rs. C-39/04, EuGHE 2005, I-2057 = SIS 05 17 76, und vom 12.7.2005 Rs. C-403/03, DStR 2005, 1265 = SIS 05 36 22); Vorschriften, die einen Staatsangehörigen eines
Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten, sein
Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf
Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellen eine
Beschränkung dieser Freiheit dar (EuGH-Urteil vom 12.12.2002
Rs. C-385/00, EuGHE 2002, I-11819 = SIS 03 11 76 Tz. 75, 78).
b) Nach der Rechtsprechung des EuGH enthalten
die Grundfreiheiten neben den Diskriminierungs- auch
Beschränkungsverbote. In der Daily-Mail-Entscheidung des EuGH
vom 27.9.1988 81/87 (EuGHE 1988, 5483 Tz. 16 - Erfordernis der
Zustimmung des FA zur Sitzverlegung - ) hat der EuGH die
Grundfreiheiten über das Gleichbehandlungsgebot hinaus
erstmals als Beschränkungsverbote interpretiert
(Streinz/Franzen, EUV/EGV, Art. 39 Rn. 88). Bereits in der
Entscheidung Dassonville (EuGH-Urteil vom 11.7.1974 8/74, EuGHE
1974, 837 Tz. 5) sah der EuGH für den Bereich des freien
Warenverkehrs als eine „Maßnahme mit gleicher
Wirkung“ jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten an, die
geeignet sei, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder
mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern. Unter
„Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit“
fallen alle Maßnahmen, die geeignet sind, die
Tätigkeiten des Leistenden zu unterbinden, zu behindern oder
weniger attraktiv zu machen (vgl. Ehlers, Europäische
Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 7 Rn. 24,
25). Die als Beschränkungsverbot verstandene
Dienstleistungsfreiheit verbietet alle Maßnahmen, die die
Ausübung der durch die Grundfreiheit verbürgten Rechte
des Einzelnen ungerechtfertigt behindern. Beschränkungen
können auch in Form steuerrechtlicher Benachteiligungen
stattfinden (Streinz/Müller-Graff, a.a.O., Art. 49 Rn. 80),
z.B. die unterschiedliche steuerliche Behandlung von
Versicherungen, die mit einem im Ausland niedergelassenen
Versicherer abgeschlossen wurden (EuGH-Urteil vom 28.4.1998 Rs.
C-118/96, EuGHE 1998, I-1897; vgl. auch EuGH-Urteil vom 28.1.1992
Rs. C-204/90, EuGHE 1992, I-249 = SIS 92 09 55), die
Ungleichbehandlung inländischer und ausländischer
Fortbildungsorte (EuGH-Urteil vom 28.10.1999 Rs. C-55/98, EuGHE
1999, I-7641 = SIS 99 21 40), die unterschiedliche steuerliche
Behandlung von Krediten (EuGH-Urteil vom 14.11.1995 Rs. C-484/93,
EuGHE 1995, I-3955), von Leasinggeschäften (EuGH-Urteil vom
26.10.1999 Rs. C-294/97, EuGHE 1999, I-7447 = SIS 99 21 52) und von
inländischen und ausländischen Lotteriegewinnen
(EuGH-Urteil vom 13.11.2003 Rs. C-42/02, EuGHE 2003, I-13519 = SIS 04 01 37). Das Beschränkungsverbot sichert die
Möglichkeiten des Inländers, unbeschränkt von
nationalen Regelungen im EU-Ausland tätig zu werden.
c) Beschränkungen des freien
Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für
Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der
Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers
ansässig sind, sind nach Maßgabe der Art. 59 bis 66 EGV
(jetzt Art. 49 bis 55 EG) verboten. Die (aktive und passive)
Dienstleistungsfreiheit nach Art. 59 EGV (jetzt Art. 49 EG) umfasst
die Möglichkeit, gegen Entgelt gewerbliche und berufliche
Tätigkeiten grenzüberschreitend auszuüben oder
entgegenzunehmen (vgl. Streinz/Müller-Graff, a.a.O., Art. 49
Rn. 34 ff.). Dienstleistungen sind nach Art. 60 EGV (jetzt Art. 50
EG) Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden,
soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und
Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen
unterliegen; als Dienstleistungen gelten auch freiberufliche
Tätigkeiten.
d) Auf der Grundlage dieser Vorgaben erscheint
im Streitfall fraglich, ob eine nebenberufliche Tätigkeit als
Lehrer im Dienst oder Auftrag einer inländischen juristischen
Person des öffentlichen Rechts (oder einer unter § 5 Abs.
1 Nr. 9 KStG fallenden Einrichtung zur Förderung
gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke) als
Dienstleistung i.S. des Art. 59 EGV (jetzt Art. 49 EG) angesehen
werden kann. Die Zweifel ergeben sich daraus, dass Dienstleistungen
in der Regel gegen Entgelt als wirtschaftliche Gegenleistung
erbracht werden (Tiedje/ Troberg in von der Groeben/Schwarze,
Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Aufl. 2003,
Art. 50 EG Rn. 16). Hingegen erfasst § 3 Nr. 26 EStG nur
Aufwandsentschädigungen, die kein besonderes Entgelt und keine
Teilnahme am Wirtschaftsleben i.S. des Art. 2 EGV (jetzt Art. 2 EG)
darstellen, sondern lediglich typisierend den mit der
Tätigkeit verbundenen Aufwand abgelten sollen. § 3 Nr. 26
EStG stellt nicht beliebige Dienstleistungen von der Steuer frei,
sondern will das ehrenamtliche Engagement im Dienst oder Auftrag
staatlicher Stellen oder gemeinnütziger, mildtätiger oder
kirchlicher Einrichtungen fördern.
Weitere Zweifel bestehen insoweit, als
fraglich sein könnte, ob Dienstleistungen auch solche
Leistungen sind, die im Dienst oder Auftrag einer Körperschaft
des öffentlichen Rechts erbracht werden und damit den
Schutzbereich des Art. 55 EGV (jetzt Art. 45 EG) tangieren, der
auch im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit zu berücksichtigen
ist (Art. 66 EGV - jetzt Art. 55 EG - ). Bei diesen Leistungen
handelt es sich um „halböffentliche“ Leistungen,
die dem Bereich der öffentlich-rechtlichen
Staatstätigkeit zuzuordnen sind und sich damit insoweit auch
von „privaten“ gemeinnützigen Tätigkeiten
unterscheiden. In diesem Zusammenhang ist - ungeachtet der
Tatsache, dass das Bildungswesen im Allgemeinen nicht zum Bereich
der öffentlichen Verwaltung zählt (dazu Streinz/Franzen,
a.a.O., Art. 39 Rn. 153) - auch zu erwägen, ob nicht Art. 48
Abs. 4 EGV (jetzt Art. 39 Abs. 4 EG) auf die nebenberufliche
unterrichtende Tätigkeit im Dienst oder Auftrag einer
Körperschaft des öffentlichen Rechts ausstrahlt und diese
Tätigkeit im Lichte einer funktionalen Betrachtung der
Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung
gleichgestellt wird, zumal die Universität Straßburg
ausweislich der erteilten Bescheinigung offenbar von einer
nichtselbständigen Tätigkeit ausgegangen ist (vgl. dazu
Wölker/ Grill in von der Groeben/Schwarze, a.a.O., Art. 39 EG
Rn. 156 f.). Eine Folge der gemeinschaftsrechtlich-funktionalen
Interpretation ist die Unbeachtlichkeit der Rechtsnatur des
Rechtsverhältnisses (Wölker/Grill in von der
Groeben/Schwarze, a.a.O., Art. 39 EG Rn. 159); entscheidend ist
danach nicht der zivilrechtliche Vertrag, eine bestimmte
Unterrichtsleistung zu erbringen, sondern der Umstand, dass die
Tätigkeit einer Körperschaft des öffentlichen Rechts
zugute kommt.
2. Rechtfertigung der Beschränkung
Selbst wenn eine nebenberufliche
unterrichtende Tätigkeit vom Schutzbereich des Art. 59 EGV
(jetzt Art. 49 EG) erfasst sein und somit eine
Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit vorliegen sollte,
scheint zweifelhaft, ob nicht ein legitimes (die Beschränkung
rechtfertigendes) staatliches Interesse daran besteht, die
ehrenamtliche Tätigkeit nur insoweit zu begünstigen, als
sie im Dienst oder Auftrag inländischer juristischer Personen
des öffentlichen Rechts erbracht wird.
a) Der EuGH hat in dem Urteil
„Bachmann“ (EuGH-Urteil in EuGHE 1992, I-249 Tz. 28)
und in dem Urteil vom 28.1.1992 Rs. C-300/90 (EuGHE 1992, I-305 =
SIS 92 25 14 Tz. 21) anerkannt, dass die Notwendigkeit, die
Kohärenz des Steuersystems zu gewährleisten, eine
Beschränkung der Ausübung der vom Vertrag garantierten
Grundfreiheiten rechtfertigen könne. Später hat er
ausgeführt, dass in den Fällen, die zu diesen Urteilen
geführt hätten, bei ein und demselben der Einkommensteuer
unterliegenden Steuerpflichtigen ein unmittelbarer Zusammenhang
bestanden habe zwischen der Möglichkeit,
Versicherungsbeiträge von den steuerbaren Einkünften
abzuziehen, und der späteren Besteuerung der von den
Versicherern in Erfüllung der Alters- und
Lebensversicherungsverträge gezahlten Beträge; dieser
Zusammenhang müsse aufrechterhalten werden, um die
Kohärenz der fraglichen Steuerregelung zu wahren (vgl. u.a.
Urteile in EuGHE 1995, I-3955 Tz. 18, und vom 7.9.2004 Rs.
C-319/02, EuGHE 2004, I-7477 = SIS 04 38 00 Tz. 42). Fehlt es an
einem solchen unmittelbaren Zusammenhang, ist eine Berufung auf die
Kohärenz des Steuersystems nicht möglich (zu
Vorstehendem: EuGH-Urteil in EuGHE 2005, I-2057 = SIS 05 17 76).
b) Nach dem Zweck des § 3 Nr. 26 EStG
sollen die im staatlichen Bereich nebenberuflich tätigen
Bürger von steuerlichen Verpflichtungen freigestellt werden,
soweit sie für diese Tätigkeiten im Wesentlichen nur eine
Aufwandsentschädigung erhalten und dadurch die Bereitschaft
zur Übernahme solcher Betätigungen gefördert werden
(BTDrucks. 8/3688, S. 16). § 3 Nr. 26 EStG soll damit nicht
nur die einzelnen Bürger als unmittelbare
Leistungsempfänger begünstigen, sondern in gleicher Weise
mittelbar - durch Förderung des ehrenamtlichen Engagements der
Bürger - die im Gesetz genannten Körperschaften. Denn
diese sind zur Verwirklichung ihrer staatlichen Zwecke vielfach auf
nebenberufliche Mitarbeiter angewiesen (so BFH-Urteil vom 30.3.1990
VI R 188/87, BFHE 160, 486, BStBl II 1990, 854 = SIS 90 18 49). Die
Steuerbegünstigung erfasst in- und ausländische
Mitarbeiter gleichermaßen.
Mit dieser Regelung will sich der deutsche
Staat von Aufgaben entlasten, die eigentlich ihm obliegen; diese
Entlastung ist mit einer typisierten Steuerbegünstigung
verbunden. Die Regelung des § 3 Nr. 26 EStG würde ihren
Zweck verfehlen, wenn die Steuerfreistellung auch zugunsten von
Tätigkeiten im Dienst oder Auftrag ausländischer Stellen
und Einrichtungen gewährt würde. Zwischen der
Steuerfreistellung auf der einen Seite und der Tätigkeit
zugunsten einer Begünstigung deutscher Stellen und
Einrichtungen besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Die
Freistellung von der deutschen Einkommensteuer steht in einem
unmittelbaren Zusammenhang mit der Tätigkeit zugunsten einer
juristischen Person des öffentlichen Rechts, sie beruht auf
dem Gegenseitigkeitsverhältnis von Steuerverzicht und
Gegenleistung (Kohärenz von Steuerentlastung und
funktional-staatlicher Tätigkeit); der Steuerverzicht wird
durch die Gegenleistung kompensiert. Der deutsche Fiskus würde
nicht auf die ihm eigentlich zustehende Steuer verzichten, wenn er
nicht auch Empfänger der Gegenleistung wäre. Durch die
Anknüpfung an eine inländische juristische Person des
öffentlichen Rechts wird gewährleistet, dass der
Steuerverzicht nationalen Einrichtungen zugute kommt. Insoweit
unterscheidet sich der Streitfall von dem Fall Stauffer (vgl. dazu
die Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl in der
Sache C-386/04 Rz. 105); eine private gemeinnützige
Tätigkeit unterscheidet sich von einer Tätigkeit im
Auftrag oder im Dienst einer juristischen Person des
öffentlichen Rechts.
Im Streitfall besteht daher ein unmittelbarer
Zusammenhang zwischen der Lehrtätigkeit zugunsten einer
inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts
und der Steuerbefreiung. Die steuerliche Begünstigung erfolgt
nur deshalb, weil der Steuerpflichtige eine bestimmte quasi
ehrenamtliche Leistung zugunsten des steuererhebenden Gemeinwesens
erbringt. Würde der Steuerpflichtige diese Leistung nicht
erbringen, müsste der Fiskus (idealtypisch) die Steuer
erhöhen, um die dann höheren Aufwendungen tragen zu
können.
3. Gestaltung des Bildungssystems
Soweit - wie im Streitfall - unterrichtende
Tätigkeiten betroffen sind, handelt es sich um
Bildungsaufgaben i.S. des Art. 126 EGV (jetzt Art. 149 EG), deren
Organisation und Gestaltung nach wie vor in der Verantwortung der
Mitgliedstaaten stehen. Die Freiheit, das Bildungssystem in eigener
Verantwortung zu gestalten, umfasst nicht nur die Pflicht zu dessen
Finanzierung, sondern auch die Freiheit, steuerliche
Maßnahmen zur Förderung des Bildungssystems insoweit zu
beschränken, als eine Tätigkeit im nationalen Bereich
(„im Dienst oder im Auftrag einer inländischen Person
des öffentlichen Rechts“) vorausgesetzt wird. In Bezug
auf die auch im Bildungsbereich bestehende
Arbeitnehmerfreizügigkeit (dazu Streinz/Niedobitek, a.a.O.,
Art. 149 Rn. 6) intendiert die Regelung des § 3 Nr. 26 EStG
nicht die Beschränkung der Freizügigkeit oder
Dienstleistungsfreiheit, sondern fördert allein die
ehrenamtliche Tätigkeit zugunsten nationaler
Bildungseinrichtungen; durch die Steuerfreistellung von
Aufwandsentschädigungen soll die Bereitschaft gefördert
werden, ehrenamtlich zum Bildungsangebot der
öffentlich-rechtlichen Körperschaften beizutragen.
IV. Vorlage an den EuGH
Eine Vorlage nach Art. 234 EG ist geboten, da
- wie dargelegt - Zweifel an der Auslegung des einschlägigen
EG-Rechts bestehen; die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts
ist zweifelhaft (vgl. EuGH-Urteil vom 6.10.1982 283/81, EuGHE 1982,
3415, zu Art. 177 EGV - jetzt Art. 234 EG - ).
Der Senat setzt das Revisionsverfahren deshalb
entsprechend gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung
aus und legt dem EuGH gemäß Art. 234 Abs. 3 EG folgende
Fragen zur Vorabentscheidung vor:
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Ist Art. 59 EGV (jetzt Art. 49 EG) dahin
gehend auszulegen, dass von seinem Schutzbereich auch die
nebenberufliche Tätigkeit als Lehrer im Dienst oder Auftrag
einer juristischen Person des öffentlichen Rechts
(Universität) erfasst wird, wobei für diese
Tätigkeit als quasi ehrenamtliche Tätigkeit nur eine
Aufwandsentschädigung geleistet wird?
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Für den Fall, dass Frage 1 bejaht wird:
Ist die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, die darin
liegt, dass Entschädigungen nur steuerbegünstigt sind,
wenn sie von inländischen juristischen Personen des
öffentlichen Rechts gezahlt werden (hier: § 3 Nr. 26
EStG) dadurch gerechtfertigt, dass die nationalstaatliche
Steuerbegünstigung nur durch eine Tätigkeit zugunsten
einer inländischen juristischen Person des öffentlichen
Rechts legitimiert ist?
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Für den Fall, dass Frage 2 verneint wird:
Ist Art. 126 EGV (jetzt Art. 149 EG) dahin auszulegen, dass eine
steuerrechtliche Regelung, mit deren Hilfe das Bildungssystem
ergänzend gestaltet wird (wie hier § 3 Nr. 26 EStG), im
Hinblick auf die insoweit fortbestehende Verantwortung der
Mitgliedstaaten zulässig ist?
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