Leitender Angestellter, Sicherheitsmaßnahmen an Wohnhaus, Arbeitslohn: 1. Aufwendungen des Kreditinstituts (Arbeitgeber) für Sicherheitsmaßnahmen am Wohnhaus seines leitenden Angestellten (Vorstandsmitglied) sind bei allenfalls abstrakter berufsbedingter Gefährdung von dessen Leben, Gesundheit und Vermögen, also nicht unerheblichem Eigeninteresse des Vorstandsmitglieds, Arbeitslohn. - 2. Kein steuerfreier Auslagenersatz ist gegeben, wenn die Aufwendungen nicht im ganz überwiegenden betrieblichen Interesse des Kreditinstituts liegen und - angesichts der sich ratierlich mindernden Rückzahlungsverpflichtung - nach Ablauf von fünf Jahren zu einer dauerhaften und nicht unerheblichen Bereicherung des Steuerpflichtigen führen. - Urt.; BFH 5.4.2006, IX R 109/00; SIS 06 24 76
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute.
Der Kläger ist seit Februar 1990 Vorstandsmitglied eines
Kreditinstituts, die Klägerin Hausfrau. Er bewohnte mit seiner
Familie ein 1966/1967 erbautes Einfamilienhaus.
Anlässlich einer 1993
durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung wurde
festgestellt, dass der Arbeitgeber - wie bereits zuvor bei den
anderen Vorstandsmitgliedern - aufgrund eines Vorstandsbeschlusses
den Einbau verschiedener Sicherheitsmaßnahmen im Haus des
Klägers mit 33.894,50 DM bezuschusst hatte. Dieser Betrag
wurde dem Kläger im Streitjahr 1992 überwiesen und nicht
als steuerpflichtiger Arbeitslohn behandelt. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) setzte dagegen den
Zuschuss mit Einkommensteuerbescheid 1992 beim Kläger als
steuerpflichtigen Arbeitslohn an. Nach erfolglosem Einspruch wies
das Finanzgericht (FG) die Klage mit seinem in EFG 2000, 413 = SIS 01 59 88 veröffentlichten Urteil ab.
Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung materiellen Rechts (§ 19 Abs. 1 des
Einkommensteuergesetzes - EStG -, § 2 Abs. 1 der
Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV - ): Die
Übernahme der Kosten für die Sicherheitsmaßnahmen
führe nicht zu lohnsteuerpflichtigem Arbeitslohn, weil der vom
Arbeitgeber zugewendete Vorteil nicht „für“
Dienste des Klägers gewährt worden sei; die
Sicherheitsaufwendungen seien nämlich im ganz
überwiegenden betrieblichen Interesse des Arbeitgebers
getätigt worden, die eventuelle eigene Interessen des
Arbeitnehmers überlagerten.
Das FG lasse im Gegensatz zum Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 30.6.1997 (BStBl I 1997,
696 = SIS 97 15 30) auch eine abstrakte Gefährdung nicht
ausreichen und stelle die Vorteile für den Arbeitnehmer und
seine Familie in den Vordergrund, ohne zu berücksichtigen,
dass die Gefahr von Übergriffen bei Vorstandsmitgliedern von
Kreditinstituten bei weitem höher als in anderen Branchen,
stets gegenwärtig und deshalb berufsbedingt sei.
Zudem habe anlässlich der Veranlagung
des Vorjahres eine tatsächliche Verständigung über
den steuerlich relevanten Sachverhalt der „konkreten
Gefährdung“ stattgefunden und binde das FG nach den
Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH); der
gleiche Sachverhalt könne nicht anders (wiederum belastend)
als im Vorjahr behandelt werden.
Die Kläger beantragen
sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und unter
Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 28.7.1999 die
Einkommensteuer 1992 unter Minderung der Einkünfte des
Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um 33.894,58 DM
entsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht den Zuschuss
für die Sicherheitsmaßnahmen als steuerpflichtigen
Arbeitslohn des Klägers beurteilt.
1. Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1
EStG und § 2 Abs. 1 LStDV sind Arbeitslohn alle Einnahmen, die
dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen.
Dazu gehören nach ständiger Rechtsprechung u.a. Vorteile,
die für eine Beschäftigung gewährt werden. Ein
Vorteil wird „für“ eine Beschäftigung
gewährt, wenn er durch das individuelle Dienstverhältnis
veranlasst ist, der einem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendete
Vorteil also Entlohnungscharakter hat. Das ist der Fall, wenn sich
die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung
für das Zurverfügungstellen der individuellen
Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (vgl. BFH-Urteil vom
7.7.2004 VI R 29/00, BFHE 208, 104, BStBl II 2005, 367 = SIS 05 13 48, m.w.N.).
Demgegenüber sind solche Vorteile kein
Arbeitslohn, die im ganz überwiegend eigenbetrieblichen
Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Das ist der Fall,
wenn sich im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den
Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils,
Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene
Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des
Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils
verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz
im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse
des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, daher
vernachlässigt werden kann (ständige Rechtsprechung, z.B.
BFH-Urteile in BFHE 208, 104, BStBl II 2005, 367 = SIS 05 13 48;
vom 30.5.2001 VI R 177/99, BFHE 195, 373, BStBl II 2001, 671 = SIS 01 12 11; vom 25.5.2000 VI R 195/98, BFHE 192, 299, BStBl II 2000,
690 = SIS 00 13 01).
Ebenso sind Zahlungen des Arbeitgebers dann
kein Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn dadurch
Auslagen des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber ersetzt werden
(§ 3 Nr. 50, 2. Alternative EStG). Ein solcher Auslagenersatz
ist dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer im ganz
überwiegenden Interesse des Arbeitgebers Aufwendungen
tätigt, die der Arbeitsausführung dienen und die nicht zu
einer Bereicherung des Arbeitnehmers führen.
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu
Recht den gewährten Zuschuss als Arbeitslohn des Klägers
angesehen; entsprechend liegt auch kein steuerfreier Auslagenersatz
vor.
a) Das FG hat im Streitfall die betrieblichen
Ziele des Kreditinstituts als Arbeitgeber an den
Sicherheitsmaßnahmen einerseits und andererseits das
individuelle Interesse des Klägers als Arbeitnehmer
gegeneinander abgewogen. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass kein
ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des
Kreditinstituts an den Sicherheitsmaßnahmen vorlag, weil
jedenfalls auch ein nicht unerhebliches Interesse des Klägers
vorhanden war. Diese Würdigung hat das FG unter anderem auf
folgende Umstände gestützt: Der Kläger war aufgrund
seiner beruflichen Position allenfalls abstrakt gefährdet,
allein Vorstandsmitglieder des Kreditinstituts konnten einen
solchen Zuschuss erhalten, dem Kläger verblieb dadurch ein
erheblicher und dauerhafter finanzieller Vorteil, und das
Kreditinstitut war selbst von einem nicht unerheblichen
Eigeninteresse des Klägers ausgegangen und hatte den Zuschuss
entsprechend niedriger bemessen. Diese Gesamtwürdigung des FG
ist nach Maßgabe seiner mit Verfahrensrügen nicht
angegriffenen und damit den Senat bindenden tatsächlichen
Feststellungen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) möglich; sie
verstößt nicht gegen Denkgesetze und
Erfahrungssätze und ist daher revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden.
b) Nach den Ausführungen unter 1. (am
Ende) ist auch - so das FG zu Recht - kein steuerfreier
Auslagenersatz i.S. des § 3 Nr. 50 EStG gegeben. Denn die
Aufwendungen lagen nach den tatsächlichen Feststellungen des
FG (s. unter a) nicht im ganz überwiegenden Interesse des
Kreditinstituts und haben - angesichts der sich ratierlich
mindernden Rückzahlungsverpflichtung - nach Ablauf von
fünf Jahren zu einer dauerhaften und nicht unerheblichen
Bereicherung des Klägers geführt.
3. Der Kläger kann für die
Sicherheitsmaßnahmen an seinem Haus auch keine Werbungskosten
bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
abziehen. Da die Aufwendungen für Sicherheitsmaßnahmen
eines Steuerpflichtigen zum Schutz von Leben, Gesundheit, Freiheit
und Vermögen seiner Person und seiner Familienangehörigen
nicht unwesentlich auch die private Lebensführung
berühren und es im Streitfall nicht um eine konkrete, mit dem
Beruf zusammenhängende Gefährdung geht, hat das FG die
Aufwendungen des Klägers zutreffend als gemischte Aufwendungen
beurteilt, die insgesamt vom Abzug als Werbungskosten nach §
12 Nr. 1 Satz 2 EStG ausgeschlossen sind (vgl. BFH-Beschluss vom
9.8.1999 VIII B 38/99, BFH/NV 2000, 76 = SIS 00 50 76, m.w.N.).
4. Zu Recht hat das FG das Vorliegen einer
sog. tatsächlichen Verständigung (zu deren
Voraussetzungen vgl. BFH-Urteile vom 11.12.1984 VIII R 131/76, BFHE
142, 549, BStBl II 1985, 354 = SIS 85 08 39; vom 31.7.1996 XI R
78/95, BFHE 181, 103, BStBl II 1996, 625 = SIS 97 01 40, m.w.N.)
zwischen Kläger und FA verneint. Sie lässt sich aus der
Behandlung des Kreditinstitut-Zuschusses bei der Veranlagung des
Vorjahres 1991 (als Minderung der Arbeitszimmer-Aufwendungen des
Klägers bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit) jedenfalls nicht herleiten.
Auch hat das FG eine Bindung des FA nach dem
Grundsatz von Treu und Glauben schon mangels entsprechender
Disposition des Klägers zutreffend abgelehnt.
Im Übrigen gilt der Grundsatz der
Abschnittsbesteuerung. Widerstreitende Steuerfestsetzungen sind -
worauf das FA im Einspruchsverfahren und Einspruchsbescheid
hingewiesen hat - nach § 174 der Abgabenordnung (AO 1977) zu
behandeln.
5. Soweit sich die Kläger auf
gleichlautende Ländererlasse (FMS vom 14.7.1992, Karte 11 zu
§ 8 EStG Fach 3 der Lohnsteuer-Kartei der
Oberfinanzdirektionen München und Nürnberg; Erlass des
Niedersächsischen Finanzministeriums vom 18.6.1992, FR 1992,
529; vgl. SIS 92 11 46) sowie das BMF-Schreiben in BStBl I 1997,
696 = SIS 97 15 30 berufen, die sämtlich Billigkeitsregelungen
enthalten, bedarf es dazu im vorliegenden
Steuerfestsetzungsverfahren keiner Entscheidung, zumal die
Kläger ausdrücklich einen Antrag auf abweichende
Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO 1977)
weder im Veranlagungs- noch im Einspruchs- noch im Klageverfahren
gestellt haben. Daher kommt auch eine Aussetzung des Verfahrens
nach § 74 FGO nicht in Betracht.