Verpflegungsmehraufwand, Rechtsanspruch auf Pauschale: 1. Aufgrund der Neuregelung des Verpflegungsmehraufwands ab 1996 hat ein Steuerpflichtiger bei einer beruflichen Auswärtstätigkeit einen Rechtsanspruch darauf, dass die gesetzlichen Pauschbeträge berücksichtigt werden. - 2. Zu den einzelnen Kostenarten bei Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung. - Urt.; BFH 4.4.2006, VI R 44/03; SIS 06 23 07
I. Der ledige
Kläger und Revisionskläger (Kläger) war für die
Firma A vom 2. Januar bis 29.3.1996 an verschiedenen
Betriebsstätten sowie vom 1. April bis 30.11.1996 in X und
schließlich für die Firma B vom 1.12.1996 bis zum
31.12.1997 in Y tätig.
Mit
Hauptwohnung war der Kläger in P, dem Sitz der elterlichen
Landwirtschaft gemeldet. An den Beschäftigungsorten in X und
in Y unterhielt er jeweils 1-Zimmer-Wohnungen mit Küche und
Bad.
In den
Einkommensteuer-Erklärungen für 1996 und 1997 beantragte
der Kläger insbesondere, Mehraufwendungen für doppelte
Haushaltsführung als Werbungskosten anzuerkennen. Dies lehnte
der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - )
ab.
Die Klage war
überwiegend erfolglos (vgl. SIS 04 06 39). Das Finanzgericht
(FG) führte in seinem Urteil im Wesentlichen aus, der
Kläger habe zwar seinen Haupthausstand in P im elterlichen
Anwesen unterhalten. Dort bewohne er eine eigene abgeschlossene
2-Zimmer-Wohnung mit Küche und Bad. In P befinde sich der
Lebensmittelpunkt des Klägers. Eine doppelte
Haushaltsführung sei deshalb dem Grunde nach anzuerkennen. Die
geltend gemachten Aufwendungen seien jedoch nicht in voller
Höhe abziehbar, weil der Ansatz der durch
Verwaltungsvorschriften geschaffenen Pauschbeträge zu einer
offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde.
Bei Anwendung der Pauschbeträge verbliebe dem Kläger
lediglich ein Betrag in Höhe von ca. 5.000 DM zur Bestreitung
seiner Lebenshaltungskosten. Es seien deshalb nur Aufwendungen
für die doppelte Haushaltsführung in Höhe von
(geschätzt) 4.150 DM je Streitjahr angemessen und als
Werbungskosten zu berücksichtigen.
Mit seiner
Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen
Rechts.
Er beantragt
(sinngemäß), unter Aufhebung bzw. Änderung der
Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidungen des FA vom
28.9.2001 (1996) und vom 4.10.2001 (1997) weitere Aufwendungen in
Höhe von 20.357 DM (1996) und 21.088 DM (1997) -
abzüglich der bereits anerkannten Beträge - als
Werbungskosten zu berücksichtigen.
Das FA
beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die
Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur
Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der
Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Das FG hat
die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen in pauschaler
Weise mit der Begründung herabgesetzt, die in
Verwaltungsanweisungen vorgesehenen Pauschbeträge führten
zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung. Diese
Begründung hält einer revisionsrechtlichen Prüfung
nicht stand.
Liegt - wie
zwischen den Beteiligten zwischenzeitlich unstreitig - eine
doppelte Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr.
5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vor, so kann der Kläger
den Mehraufwand für Verpflegung, die Fahrtkosten, die
notwendigen Kosten der Unterkunft und die sonstigen Kosten als
Werbungskosten geltend machen. Auf die einzelnen Kostenarten sind
unterschiedliche Regelungen des Einkommensteuerrechts
anzuwenden.
a) Mehraufwand
für Verpflegung
Nach § 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 6 (1. Halbsatz) i.V.m. § 9 Abs. 5
EStG (in den Fassungen seit 1996) gelten u.a. die
Pauschbeträge nach Satz 2 (des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5
EStG) sowie die Dreimonatsfrist nach Satz 5 auch für den Abzug
von Verpflegungsmehraufwendungen bei einer aus betrieblichem bzw.
beruflichem Anlass begründeten doppelten
Haushaltsführung. Mit dieser Neuregelung des
Verpflegungsmehraufwands ab 1996 hat der Gesetzgeber dem
Steuerpflichtigen - hier: bei Erfüllung des Tatbestandes der
doppelten Haushaltsführung - einen Rechtsanspruch auf
Gewährung der gesetzlichen Pauschbeträge eingeräumt.
Von dieser Rechtslage ist der erkennende Senat bereits in mehreren
Entscheidungen ausgegangen (vgl. u.a. Urteile des Bundesfinanzhofs
- BFH - vom 10.4.2002 VI R 154/00, BFHE 198, 559, BStBl II 2002,
779, 781 = SIS 02 08 84; vom 11.5.2005 VI R 7/02, BFHE 209, 502,
BStBl II 2005, 782, 784 = SIS 05 36 04; vom 16.11.2005 VI R 12/04,
BStBl II 2006, 267 = SIS 06 11 10; vom 19.12.2005 VI R 30/05,
BFH/NV 2006, 872, DB 2006, 540 = SIS 06 13 17, 541,
m.w.N.).
Anders als
früher und entgegen der Auffassung des FG und des FA ist
deshalb nicht mehr danach zu fragen, ob der Ansatz der Pauschalen
zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen
würde (vgl. auch von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn/
Mellinghoff, EStG, § 9 Rdnr. G 158; Schmidt/Drenseck, EStG,
24. Aufl. 2005, § 9a Rz. 9 und § 19 Rz. 60, Stichwort:
Reisekosten ab VZ 1996).
b)
Fahrtkosten
Nach § 9
Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Sätze 4 und 5 EStG unterliegen
Familienheimfahrten anlässlich einer doppelten
Haushaltsführung verschiedenen Beschränkungen. So
können Aufwendungen jeweils nur für eine
Familienheimfahrt wöchentlich als Werbungskosten abgezogen
werden (zur Behandlung der Fahrtkosten vgl. Bergkemper in
Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 9 EStG Anm. 491, und
Schmidt/Drenseck, a.a.O., 16. Aufl. 1997, Rz. 155). Hinsichtlich
der Höhe der zu berücksichtigenden Aufwendungen bezieht
sich Satz 5 ausdrücklich auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz
4 EStG. Dies bedeutet für die Streitjahre 1996 und 1997, dass
bei Benutzung eines (eigenen) Kraftwagens je Entfernungskilometer
zwischen dem Ort des eigenen (Haupt-) Hausstands und dem
Beschäftigungsort ein Pauschbetrag in Höhe von 0,70 DM
anzusetzen ist. Auch insoweit handelt es sich - entgegen der
Auffassung des FG - um einen gesetzlichen Pauschbetrag, auf den der
Kläger der Höhe nach - wie bei den
Mehrverpflegungsaufwendungen (siehe oben zu Ziff. 1a) - einen
Rechtsanspruch hat.
c)
Unterkunftskosten
Zu den
notwendigen Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer
aus beruflichem Anlass begründeten doppelten
Haushaltsführung entstehen können, gehören auch
Unterkunftskosten für die Zweitwohnung. Derartige Aufwendungen
sind grundsätzlich in der tatsächlich nachgewiesenen
Höhe anzuerkennen (BFH-Urteil vom 12.9.2001 VI R 72/97, BFHE
196, 534, BStBl II 2001, 775 = SIS 02 01 66; Schmidt/Drenseck,
a.a.O., 24. Aufl. 2005, § 9 Rz. 157).
d) Umzugskosten
Dem Kläger ist auch darin zuzustimmen,
dass die Umzugskosten, die im Rahmen der beruflich veranlassten
doppelten Haushaltsführung angefallen sind, dem Grunde nach
Werbungskosten darstellen. Dies trifft zu sowohl für
diejenigen Kosten, die anlässlich des Bezugs der Zweitwohnung
in X entstanden sind, als auch für die Kosten im Zusammenhang
mit der Verlegung der Zweitwohnung von X nach Y (vgl. BFH-Urteil
vom 29.4.1992 VI R 146/89, BFHE 167, 446, BStBl II 1992, 667 = SIS 92 13 50; Bergkemper in HHR, § 9 EStG Anm. 491 a.E.).
2. Die Vorentscheidung entspricht nicht diesen
Rechtsgrundsätzen. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird
bei seiner erneuten Entscheidung die vom Kläger im Schriftsatz
vom 1.8.2003 im Einzelnen aufgeführten Aufwendungen der
Höhe nach zu überprüfen haben.