Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Finanzgerichts Münster vom 28.09.2022 - 9 K 1869/20 F =
SIS 23 00 14 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
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I. Die Beteiligten streiten über den
Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2018.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine mit einem Grundkapital in Höhe von
50.000 EUR errichtete AG. Gegenstand der Klägerin war
zunächst …
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Nach dem Jahresabschluss zum 31.12.2017
verfügte die Klägerin über ein Bankguthaben in
Höhe von 187,50 EUR. Auf der Passivseite der Bilanz wurden ein
Fehlbetrag in Höhe von 854,24 EUR und ein Verlustvortrag in
Höhe von 14.229,84 EUR ausgewiesen. Vom gezeichneten Kapital
in Höhe von 50.000 EUR standen 37.500 EUR noch aus. Mit
notariellem Vertrag vom 20.07.2018 wurden die 50.000 nennwertlosen
Stückaktien der Klägerin an einen neuen
Alleingesellschafter veräußert.
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Am 25.07.2018 beschloss die
Hauptversammlung der Klägerin eine neue Satzung, änderte
die Firma in A AG und verlegte den Sitz nach H.
Unternehmensgegenstand war danach … sowie … Der neue
Alleinaktionär wurde Vorstand. Am 10.09.2018 überwies er
12.500 EUR unter dem Verwendungszweck „Einlage 25 Prozent
Stammkapital“ auf das Girokonto der
Klägerin. Mit der Anmeldung zum Handelsregister gab die
Klägerin an, es habe eine wirtschaftliche Neugründung
stattgefunden. Die Anmeldung enthielt die Versicherung, dass die
Klägerin mindestens über ein Gesellschaftsvermögen
in Höhe von einem Viertel der Grundkapitalziffer (also
mindestens 12.500 EUR) verfüge und dass das Vermögen
endgültig zur freien Verfügung des Vorstands
stehe.
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Mit Erklärung vom 08.01.2020 zur
gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum
31.12.2018 gab die Klägerin den Bestand des steuerlichen
Einlagekontos zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs mit
0 EUR und im Wirtschaftsjahr geleistete Einlagen von 2.827 EUR und
12.500 EUR an. Im Jahresabschluss zum 31.12.2018 wies die
Klägerin auf der Passivseite ein gezeichnetes Kapital in
Höhe von 50.000 EUR aus (37.500 EUR ausstehende Einlagen und
12.500 EUR Kapitalrücklage).
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Der Beklagte und Revisionskläger
(Finanzamt - FA - ) folgte dem nicht. Die Einzahlung von 12.500 EUR
im Rahmen der wirtschaftlichen Neugründung sei in das
Nennkapital geleistet worden. Mit Bescheid zum 31.12.2018 über
die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach §
27 Abs. 2 des im Streitzeitraum anzuwendenden
Körperschaftsteuergesetzes (KStG) vom 08.04.2020 stellte das
FA den Bestand des steuerlichen Einlagekontos mit 2.827 EUR
fest.
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Das Finanzgericht (FG) hat der nach
erfolglosem Einspruch eingelegten Klage stattgegeben und den
Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2018 mit 15.327
EUR festgestellt. Die Einzahlung in Höhe von 12.500 EUR vom
10.09.2018 sei nicht in das Nennkapital geleistet worden und
erhöhe deshalb den Bestand des steuerlichen Einlagekontos. Die
Begründung ist in EFG 2023, 221 = SIS 23 00 14
veröffentlicht.
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Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung von § 27 KStG.
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Das FA beantragt,
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das Urteil des FG Münster vom
28.09.2022 - 9 K 1869/20 F aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Revision des FA
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Klage ist zulässig (1.).
Ohne Rechtsfehler hat das FG erkannt, dass die Einlage in Höhe
von 12.500 EUR den Bestand des steuerlichen Einlagekontos
erhöht hat (2.).
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1. Die Klage ist zulässig. Die
Klägerin ist insbesondere hinsichtlich der gesonderten
Feststellung gemäß § 27 Abs. 2 KStG klagebefugt.
Davon ist das FG zu Recht (stillschweigend) ausgegangen.
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Der Feststellungsbescheid gemäß
§ 27 Abs. 2 KStG richtet sich gegen die Klägerin als
Inhaltsadressatin. Obgleich dem steuerlichen Einlagekonto für
die eigene Ertragsbesteuerung der Klägerin keine unmittelbare
Bedeutung zukommt, kann sie gegen den Feststellungsbescheid
außergerichtlich und gerichtlich vorgehen (vgl. Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21.12.2022 - I R 53/19, BFHE 278, 435,
BStBl II 2023, 504 = SIS 23 03 67, Rz 15, m.w.N.).
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2. Ohne Rechtsfehler hat das FG erkannt, dass
die im Streitjahr geleistete Einlage von 12.500 EUR den Bestand des
steuerlichen Einlagekontos auf 15.327 EUR erhöht hat, da sie
nicht in das Nennkapital geleistet worden ist.
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a) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG hat eine
unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft die nicht in
das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes
Wirtschaftsjahrs auf einem besonderen Konto (steuerliches
Einlagekonto) auszuweisen. Das steuerliche Einlagekonto bezweckt,
die im Fall der Einlagenrückgewähr (§ 27 Abs. 1 Satz
3 KStG) nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht steuerbaren Bezüge von
grundsätzlich steuerpflichtigen Gewinnausschüttungen zu
separieren (vgl. BFH-Urteil vom 06.10.2009 - I R 24/08, BFH/NV
2010, 248 = SIS 10 01 83, unter B.I.1., m.w.N.). Ausgenommen sind
in das Nennkapital geleistete Einlagen. Sie werden nach § 27
Abs. 1 Satz 1 KStG nicht im steuerlichen Einlagekonto erfasst.
Dabei handelt es sich um das durch Einlagen aufgebrachte (echte)
Nennkapital. Zwar ist auch dessen Rückzahlung nicht steuerbar
(§ 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG), es bedarf insoweit aber
keiner gesonderten Feststellung, weil das Nennkapital bereits in
der Bilanz gesondert ausgewiesen wird.
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b) Eine Leistung in das Nennkapital einer AG
liegt vor, soweit der Aktionär mit seiner Zahlung an die
Gesellschaft die durch die Übernahme der Aktien entstandene
Einlageforderung der Gesellschaft erfüllt und dadurch zum
Erlöschen bringt.
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aa) Nennkapital einer AG ist das in der
Satzung bestimmte Grundkapital (§§ 5, 6 des
Aktiengesetzes - AktG - ). Nach der Übernahme aller Aktien
durch die Gründer (§ 29 AktG) im Zuge der Errichtung muss
die Gesellschaft vor der Anmeldung zum Handelsregister einen Teil
der Einlage von den Aktionären einfordern, soweit nicht
Sacheinlagen vereinbart sind (§ 36 Abs. 2, § 36a Abs. 1
AktG). Die Aktionäre müssen die geschuldete und
eingeforderte Einlage zur freien Verfügung des Vorstands
einzahlen (§ 54 Abs. 3 AktG). Geschieht dies, bewirken die
Aktionäre eine Einzahlung in das Nennkapital. Sie bringen
dadurch in Höhe der geleisteten Einlage die Einlageforderung
der Gesellschaft durch Erfüllung zum Erlöschen (§
362 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs); in Höhe der
noch nicht eingeforderten und noch nicht erbrachten Einlage bleiben
sie zur Leistung verpflichtet.
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bb) In der Handelsbilanz wird das Grundkapital
der Gesellschaft als gezeichnetes Kapital ausgewiesen (§ 266
Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs - HGB - ), wobei die ausstehenden
(noch nicht eingeforderten und noch nicht geleisteten) Einlagen auf
das gezeichnete Kapital von dem Posten „Gezeichnetes
Kapital“ offen abzusetzen sind (§ 272
Abs. 1 Satz 2 HGB). Aus der Bilanz ist mithin ersichtlich, in
welcher Höhe Einzahlungen in das Nennkapital erbracht worden
sind und in welcher Höhe das Nennkapital noch als Forderung
gegen die Gesellschafter fortbesteht (ausstehende Einlagen).
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cc) Mit der Anmeldung der Gesellschaft zum
Handelsregister ist unter anderem nachzuweisen, dass der auf die
eingeforderte Einlage eingezahlte Betrag endgültig zur freien
Verfügung des Vorstands steht (§ 37 Abs. 1 Satz 2 AktG);
bei Einzahlung auf ein Bankkonto der Gesellschaft ist der Nachweis
durch eine Bestätigung des kontoführenden Instituts zu
führen (§ 37 Abs. 1 Satz 3 AktG).
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dd) Im Fall einer wirtschaftlichen
Neugründung einer Kapitalgesellschaft sind nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) die der
Gewährleistung der Kapitalausstattung dienenden
Gründungsvorschriften einschließlich der
registergerichtlichen Kontrolle entsprechend anzuwenden (vgl.
BGH-Beschluss vom 09.12.2002 - II ZB 12/02, BGHZ 153, 158 = SIS 03 13 23, unter III.1.). Das bedeutet, dass die wirtschaftliche
Neugründung beim Registergericht anzumelden ist, um diesem
eine (erneute) Gründungsprüfung zu ermöglichen und
sicherzustellen, dass die Gesellschaft im Zeitpunkt der
Neugründung über ein Vermögen in Höhe der auf
das Grundkapital geleisteten Einlagen tatsächlich noch
verfügt (vgl. BGH-Urteil vom 12.03.2007 - II ZR 302/05, BGHZ
171, 293, unter II.1.). Unterbleibt die Offenlegung der
wirtschaftlichen Neugründung, haftet der Gesellschafter
begrenzt auf eine Unterbilanz, die in dem Zeitpunkt besteht, zu dem
die wirtschaftliche Neugründung entweder durch die Anmeldung
der Satzungsänderungen oder durch die Aufnahme der
wirtschaftlichen Tätigkeit erstmals nach außen in
Erscheinung getreten ist (vgl. BGH-Urteil vom 06.03.2012 - II ZR
56/10, BGHZ 192, 341, unter II.3.b bb).
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c) Bei Anwendung der vorstehenden
Grundsätze hat der Alleinaktionär der Klägerin im
Zuge der wirtschaftlichen Neugründung der Klägerin, wie
vom FG zutreffend entschieden, nicht in das Nennkapital der
Gesellschaft geleistet.
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aa) Bei der Überweisung vom 10.09.2018 in
Höhe von 12.500 EUR auf das Girokonto der Klägerin
handelte es sich unstreitig um eine Einlage (zum Begriff BFH-Urteil
vom 30.11.2005 - I R 26/04, BFH/NV 2006, 616 = SIS 06 12 52, unter
B.I.3.b, m.w.N.).
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bb) Der Alleinaktionär der Klägerin
hat im Zuge der wirtschaftlichen Neugründung nicht auf die
ausstehenden Einlagen geleistet. Das hat das FG in
tatsächlicher Hinsicht und für den Senat bindend (§
118 Abs. 2 FGO) festgestellt. In der Bilanz der Klägerin zum
31.12.2018 sind die ausstehenden Einlagen unverändert mit
37.500 EUR ausgewiesen. Der Alleinaktionär der Klägerin
wollte mit der Einzahlung von 12.500 EUR zudem erkennbar nur die
Voraussetzungen für die Eintragung der wirtschaftlichen
Neugründung erfüllen. Insofern bestand keine
Veranlassung, auf die ausstehenden Einlagen zu leisten. Weder hatte
die Klägerin diese eingefordert noch wäre eine Zahlung
auf die ausstehenden Einlagen geeignet gewesen, die bis zur
wirtschaftlichen Neugründung entstandene Unterbilanz zu
beseitigen.
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cc) Der Alleinaktionär der Klägerin
hat auch nicht (erneut) auf die bei Gründung der Klägerin
bereits eingezahlte Einlage geleistet. Im Streitfall war bei
Gründung der Klägerin entsprechend § 36a Abs. 1 AktG
ein Viertel des gezeichneten Kapitals eingezahlt worden. Insoweit
ist die ursprüngliche Einlageforderung der Klägerin durch
Erfüllung erloschen. Eine erneute Leistung auf diese bereits
erloschene Forderung war nicht möglich.
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dd) Etwas anderes ergibt sich nicht aus der
Rechtsprechung des BGH zur wirtschaftlichen Neugründung. Zu
Recht hat das FG darauf hingewiesen, dass bereits eingezahltes
Nennkapital bilanziell unverändert auszuweisen ist, solange
nicht eine Kapitalherabsetzung erfolgt oder das Nennkapital nach
Auflösung der Gesellschaft ausgezahlt wird. Der Rechtsprechung
des BGH ist nicht zu entnehmen, dass eine durch Einlageleistung der
Gründer bereits erloschene Einlageforderung der
Kapitalgesellschaft im Fall der wirtschaftlichen Neugründung
wiederauflebt. Insofern erscheint die Formulierung des FG, wonach
das Nennkapital „wiederaufgefüllt“
werden müsse, zumindest missverständlich.
„Wiederaufgefüllt“ werden muss -
zur Vermeidung einer Unterbilanzhaftung - das Vermögen der
Gesellschaft, soweit es den Betrag der bei der Gründung
nachzuweisenden Mindesteinzahlung auf das Grundkapital im Zeitpunkt
der wirtschaftlichen Neugründung unterschreitet (vgl.
BGH-Beschluss vom 09.12.2002 - II ZB 12/02, BGHZ 153, 158 = SIS 03 13 23, Rz 12). Diese Einzahlung dient dem Gläubigerschutz und
soll gewährleisten, dass im Fall der wirtschaftlichen
Neugründung die Anforderungen an die reale Kapitalaufbringung
wie im Fall der Gründung beachtet werden (vgl. BGH-Beschluss
vom 07.07.2003 - II ZB 4/02, BGHZ 155, 318 = SIS 03 38 31, unter
III.2.). Das bedeutet nicht, dass (erneut) in das Nennkapital
geleistet werden muss oder geleistet werden kann. Dem
Gläubigerschutz ist in gleicher Weise genügt, wenn die
Einzahlung bei der Gesellschaft als Kapitalrücklage erfasst
wird.
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ee) Unerheblich ist, dass der
Alleinaktionär der Klägerin als Verwendungszweck der
Einzahlung „Einlage 25 Prozent
Stammkapital“ angegeben hat. Dabei handelte es
sich, wie das FG zu Recht ausgeführt hat, um eine
unschädliche Falschbezeichnung. Der Sache nach handelt es sich
um eine Einzahlung in die Kapitalrücklage, die den Bestand des
steuerlichen Einlagekontos erhöht.
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3. Der Senat entscheidet mit
Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
(§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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