Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Münster vom 10.03.2022 - 8 K 2620/19
GrE = SIS 22 06 61 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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I. Im Jahr 1980 leitete die Stadt L mit
Anordnungsbeschluss des Rates der Stadt L vom …1980 sowie
dem Umlegungsbeschluss des Umlegungsausschusses vom …1980
ein Umlegungsverfahren nach dem Baugesetzbuch (BauGB) mit der
Bezeichnung „X“ ein. Zweck des
Umlegungsverfahrens war die Umsetzung eines Teils des
Bebauungsplans Nr. 86 „Y“. Die
Erschließung sollte wegen der komplexen
Grundstücksverhältnisse im Rahmen bodenordnender
Maßnahmen durchgeführt werden.
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Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, deren
Unternehmensgegenstand in ... besteht, war zunächst nicht
Eigentümerin von Grundstücken im Umlegungsgebiet. In dem
Umlegungsgebiet befanden sich lediglich Grundstücke, an denen
für die Klägerin Erbbaurechte bestellt waren. Die Stadt L
erweiterte das Umlegungsgebiet in den Folgejahren insgesamt 13 mal
um einzelne Grundstücke, die sie sodann vorweg durch Beschluss
neuen Eigentümern gegen Ausgleichszahlungen an die alten
Eigentümer zuteilte. Aufgrund solcher Erweiterungen des
Umlegungsgebiets in den Jahren 2001 bis 2007 sowie durch
rechtsgeschäftlichen Erwerb wurde die Klägerin
Eigentümerin von unmittelbar in der Nähe der
Erbbaurechtsgrundstücke befindlichen Grundstücken
(Flurstücke Nr. 694, Nr. 705, Nr. 708). Vormals der
Klägerin gehörende Grundstücke wurden aufgrund einer
weiteren Erweiterung des Umlegungsgebiets und Vorwegentscheidung im
Jahr 2004 gegen Entschädigung Frau T zugeteilt. Nach diesen
Zuteilungen und Erwerben war die Klägerin Eigentümerin
oder Erbbauberechtigte von im Wesentlichen zusammenhängenden
Grundstücken, die lediglich durch ein Grundstück
(Flurstück Nr. 323 - nach Umlegung Nr. 727) des Herrn A
getrennt wurden. Die Klägerin versuchte in der Folgezeit
vergeblich, dieses Grundstück von A unmittelbar zu
erwerben.
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Mit Beschluss des Umlegungsausschusses vom
…2010 erweiterte die Stadt L das Umlegungsgebiet auf das
Grundstück des A. Mit demselben Beschluss wurde dieses
Grundstück sowie zwei der Stadt L gehörende
Flurstücke der Klägerin zugeteilt. Die zwei
Grundstücke der Stadt L waren südlich des
Grundstücks der Klägerin mit der Flurstück-Nr. 705
und westlich des Flurstücks des A gelegen und von der Stadt L
durch Zwischenerwerb in diesem Umlegungsverfahren erworben worden.
Sie bestanden ursprünglich aus den Flurstücken Nr. 30 (50
m²), Nr. 31 (50 m²), Nr. 706 (691 m²) und Nr. 707
(777 m²) und wurden mit demselben Beschluss vom …2010
zu den Flurstücken Nr. 725 (neu: 741 m²) beziehungsweise
Nr. 726 (neu: 827 m²) vereinigt. Das
Veränderungsverzeichnis zu dem Beschluss enthielt auch die
drei der Klägerin gehörenden Flurstücke, die nach
dem Veränderungsverzeichnis „nur nachrichtlich
aufgeführt“ wurden.
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Der Beschluss wurde am …2011
unanfechtbar. Die Bekanntmachung erfolgte im Amtsblatt der Stadt L
vom …2011.
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Liegenschaftsrechtlich erfolgte die
Zuteilung an die Klägerin, indem das Flurstück des A und
die Flurstücke der Stadt L von den ursprünglichen
Grundbüchern auf das Grundbuchblatt, auf dem sich die
Flurstücke der Klägerin befanden, übertragen
wurden.
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A erhielt von der Stadt L für den
Verlust seines Eigentums eine Entschädigung in Höhe von
… EUR. Die Stadt L sanierte das Grundstück auf eigene
Kosten. Die Klägerin hatte für die Zuteilung der
Flurstücke des A und der Stadt L im Gegenzug eine
Ausgleichszahlung an die Stadt L in Höhe von … EUR zu
leisten.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) erließ am 20.12.2013 gegenüber der
Stadt L einen Grunderwerbsteuerbescheid, mit dem das FA
Grunderwerbsteuer in Höhe von … EUR festsetzte. Dabei
ging es von einer Grundstücksübertragung von der Stadt L
auf die Klägerin mit einer Bemessungsgrundlage von …
EUR aus. Gegen diesen Bescheid legte die Stadt L Einspruch ein. Zu
dem Einspruchsverfahren zog das FA die Klägerin nach §
174 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) hinzu. Am 01.09.2015
erließ das FA aus hier nicht streitigen Gründen einen
Änderungsbescheid, mit dem es Grunderwerbsteuer in Höhe
von … EUR festsetzte. Mit Einspruchsentscheidung vom
11.08.2017 hob das FA den Grunderwerbsteuerbescheid vom 20.12.2013
in der Fassung vom 01.09.2015 gegenüber der Stadt L auf und
erließ einen betragsmäßig gleichlautenden Bescheid
gegenüber der Klägerin. Die Klägerin erhob sogleich
Klage, die als außergerichtlicher Rechtsbehelf behandelt und
mit Einspruchsentscheidung vom 08.08.2019 zurückgewiesen
wurde.
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Die anschließende Klage wurde vom
Finanzgericht (FG) abgewiesen. Zur Begründung führte das
FG im Wesentlichen aus, dass der Erwerbsvorgang der mit
Umlegungsbeschluss vom …2010 zugeteilten Grundstücke
zwar formal den Befreiungstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz
2 Buchst. b des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) in der bis zum
28.12.2020 geltenden Fassung (a.F.) erfülle, sich dieser
jedoch als Missbrauch von Gestaltungs-möglichkeiten nach
§ 42 AO darstelle, sodass die Zuteilung wie ein
käuflicher Erwerb zu behandeln sei.
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Das Urteil ist in EFG 2022, 866 = SIS 22 06 61 veröffentlicht.
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Mit der gegen das Urteil des FG erhobenen
Revision macht die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts
sowie das Vorliegen eines Verfahrensfehlers in Gestalt eines
Gehörverstoßes geltend.
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Sie trägt im Wesentlichen vor, dass
das FG unzutreffend von einer missbräuchlichen Gestaltung im
Sinne des § 42 AO ausgegangen sei. Rechtsfehlerhaft sei
bereits das bloße Abstellen auf die Vorwegentscheidung
für die Beurteilung, ob eine missbräuchliche Gestaltung
vorliege. Dies stehe im Widerspruch zu den weiteren
Ausführungen des FG, dass es auf das Umlegungsverfahren in
Gänze ankomme, das nicht nur in einer Änderung von
Rechten bestehen dürfe. Rechtsfehlerhaft sei zudem, dass das
FG die Klägerin lediglich als formell Beteiligte ansehe, denn
das Baugesetzbuch unterscheide nicht zwischen formell und materiell
Beteiligten. Für die Frage, ob die Klägerin Beteiligte im
Umlegungsverfahren sei, sei die Bezeichnung der von der
Klägerin eingebrachten Grundstücke im Umlegungsbeschluss
als „nur nachrichtlich aufgeführt“
ohne Relevanz. Dass die im Umlegungsbeschluss vom …2010
aufgeführten Grundstücke der Klägerin nicht im
Zuschnitt geändert worden seien und sie deshalb der Sache nach
gar kein Grundstück eingebracht habe, sei ebenso unzutreffend.
Im Übrigen werde eine solche Änderung von §§ 45
ff. BauGB nicht verlangt. Zudem habe die Klägerin bereits
zuvor im Umlegungsverfahren Grundstücke eingebracht, deren
Eigentum sie unstreitig verloren habe. Zudem verkenne das FG, dass
lange dauernde Umlegungsverfahren eine Umverteilung der
Grundstücke im Wege der Surrogation nicht oder nur
eingeschränkt zuließen. Letztlich hätten zudem
zahlreiche und gewichtige außersteuerliche Gründe
vorgelegen, die vom FG selbst benannt worden seien. Die Stadt L
habe Umlegungsziele, wie die Umsetzung städtebaulicher Ziele,
verfolgt, indem aus kleinteiligen Wohnflächen große und
zusammenhängende Misch- und Gewerbeflächen geschaffen
werden sollten. Weitere Ziele seien die Altlastensanierung, die
Bereinigung von Baulastverzeichnissen und Grundbüchern, die
Zurückstellung von Eigentümerinteressen, die mit der
Neuordnung in Konflikt gestanden hätten, und die
Wirtschaftsförderung gewesen, die allesamt über
bloße betriebswirtschaftliche Interessen hinausgegangen
seien. Zudem habe die Klägerin die Gestaltung nicht im Sinne
des § 42 AO gewählt, da im Umlegungsverfahren allein die
Gemeinde entscheidungsbefugt gewesen sei. Soweit das
Umlegungsverfahren der Stadt L vom FG für steuerliche Zwecke
als unzweckmäßig und in der Folge als
rechtsmissbräuchlich eingestuft worden sei, stelle dies einen
Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28
Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) dar. Die vollständig fehlende
Auseinandersetzung des Gerichts mit dem klägerischen Vortrag
und dessen kommentarloses Übergehen verletze die Klägerin
in ihrem Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103
Abs. 1 GG.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß,
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die Vorentscheidung sowie den
Grunderwerbsteuerbescheid vom 11.08.2017 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 08.08.2019 aufzuheben.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zutreffend erkannt,
dass für den Grundstückserwerb der Klägerin die
Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2
Buchst. b GrEStG a.F. nicht greift, da ein Missbrauch von
Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO vorliegt. Das
Urteil ist auch nicht wegen eines Verfahrensverstoßes
aufzuheben.
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1. Die Zuteilung der Flurstücke an die
Klägerin mit Beschluss des Umlegungsausschusses vom
…2010 ist ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz
1 GrEStG.
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a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG
unterliegt der Übergang des Eigentums an einem Grundstück
der Grunderwerbsteuer, wenn kein den Anspruch auf Übereignung
des Grundstücks begründendes Rechtsgeschäft
vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. Ein
grunderwerbsteuerbarer Vorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3
Satz 1 GrEStG ist auch der Erwerb des Eigentums an einem
Grundstück durch Zuteilung im Rahmen eines Umlegungsverfahrens
nach den §§ 45 ff. BauGB, soweit die einem Beteiligten
zugeteilten Flächen nicht mit dem ihm vorher gehörenden
sogenannten Einwurfgrundstück flächen- und deckungsgleich
sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15.05.2024 - II
R 4/22, BFH/NV 2024, 1256 = SIS 24 12 48, Rz 13, m.w.N.).
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b) Die Klägerin hat im Umlegungsverfahren
„X“ aufgrund der Zuteilung durch
Vorwegentscheidung der Stadt L mit Beschluss des
Umlegungsausschusses vom …2010 das Eigentum an den
Flurstücken Nr. 725, Nr. 726 und Nr. 727 erhalten, ohne dass
ein Rechtsgeschäft, das einen Übereignungsanspruch
begründet hat, vorausgegangen ist und ohne dass es einer
Auflassung bedurfte. Nach § 76 BauGB können mit
Einverständnis der betroffenen Rechtsinhaber im Rahmen des
Umlegungsverfahrens die Eigentumsverhältnisse für
einzelne Grundstücke geregelt werden, bevor der Umlegungsplan
aufgestellt ist (sogenannte Vorwegentscheidung oder Vorwegregelung,
vgl. Otte in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch,
§ 76 Rz 1 ff.). Die Vorwegentscheidung erfolgt durch
Verwaltungsakt in Gestalt eines Beschlusses der Umlegungsstelle.
Die Änderung der Eigentumszuordnung vollzieht sich auch bei
der Vorwegentscheidung nach öffentlich-rechtlichen
Grundsätzen ohne vorausgehendes Rechtsgeschäft, das einen
Übereignungsanspruch begründet, und ohne Erfordernis
einer Auflassung, indem mit der Bekanntmachung des Zeitpunkts der
Unanfechtbarkeit der Entscheidung der bisherige Rechtszustand durch
den neuen Rechtszustand ersetzt wird (Otte in
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, § 76 Rz
7 ff.; Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 15.
Aufl., § 76 Rz 13 ff.; BeckOK BauGB/Grziwotz, § 76 Rz 11
ff.). Die mit dem Beschluss vom …2010 zugeteilten
Grundstücke waren auch nicht mit etwaigen der Klägerin
vorher gehörenden Einwurfgrundstücken flächen- und
deckungsgleich.
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2. Die Zuteilung der
streitgegenständlichen Grundstücke an die Klägerin
im Umlegungsverfahren erfüllt den Steuerbefreiungstatbestand
des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG a.F.
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a) Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1
Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG a.F. ist die Befreiung von der
Grunderwerbsteuer nur an die Voraussetzung geknüpft, dass es
sich um einen Übergang des Eigentums im Umlegungsverfahren
nach dem Baugesetzbuch - das heißt in einem förmlichen
Umlegungsverfahren nach den §§ 45 ff. BauGB - handelt
und der Erwerber als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet
gelegenen Grundstücks Beteiligter ist (vgl. BFH-Urteil vom
07.09.2011 - II R 68/09, BFH/NV 2012, 62 = SIS 11 39 13, Rz 10,
m.w.N.). Liegen die Voraussetzungen der Norm vor, kommt es nicht
darauf an, ob eine (Mehr-)Zuteilung umlegungsbedingt in dem Sinne
erfolgt ist, dass sie auf der Grundlage der Bestimmungen des
Baugesetzbuchs unter Berücksichtigung der bestehenden
Ermessensspielräume der Umlegungsstelle, das heißt
außerhalb des freien Marktgeschehens erfolgt ist (vgl. Gleich
lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder
zum Verfahren der Baulandumlegung vom 18.02.2020, BStBl I 2020, 282
= SIS 20 02 28, Tz. 2.3; Meßbacher-Hönsch in Viskorf,
Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 1 Rz 448; a.A. FG
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.05.2013 - 4 K 1074/10, EFG 2014, 64
= SIS 14 05 19; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.10.2004 -
2 K 22/04, EFG 2005, 891 = SIS 05 11 76; kritisch Pahlke/Pahlke,
Grunderwerbsteuergesetz, 7. Aufl., § 1 Rz 210; Hofmann,
Grunderwerbsteuergesetz, 11. Aufl., § 1 Rz 63; Nienhaus in
Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, 2. Aufl., § 1 Rz
128).
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b) Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3
Satz 2 Buchst. b GrEStG a.F. ist erfüllt. Nach den bindenden
Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) erfolgte der
Übergang des Eigentums an den Flurstücken Nr. 725, Nr.
726, Nr. 727 in einem Umlegungsverfahren nach dem Baugesetzbuch
durch Zuteilung aufgrund des Beschlusses des Umlegungsausschusses
vom …2010. Ob diese Zuteilung den Rechtsvorschriften des
Baugesetzbuchs entsprach, sie also umlegungsbedingt erfolgt ist,
ist dabei unerheblich. Die Klägerin war in dem
Umlegungsverfahren als Eigentümerin von wenigstens einem im
Umlegungsgebiet gelegenen Grundstück formell Beteiligte nach
§ 48 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Auf ihre materiell-rechtliche
Betroffenheit kommt es nicht an (BeckOK BauGB/Birk, § 48 Rz
1).
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3. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die
Klägerin die Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2
Buchst. b GrEStG a.F. jedoch nicht in Anspruch nehmen kann, da der
Eigentumserwerb durch Zuteilung der Flurstücke mit dem
Umlegungsbeschluss vom …2010 einen Missbrauch rechtlicher
Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO darstellt. Die
Versagung der Steuerbefreiung ist geboten, um den Steueranspruch so
entstehen zu lassen, wie der Steueranspruch bei einer den
wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung
entsteht (§ 42 Abs. 1 Satz 3 AO).
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a) Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch
Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das
Steuergesetz nicht umgangen werden. Ein Missbrauch liegt nach
§ 42 Abs. 2 Satz 1 AO vor, wenn eine unangemessene rechtliche
Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem
Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem
gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt
nach § 42 Abs. 2 Satz 2 AO nicht, wenn der Steuerpflichtige
für die gewählte Gestaltung außersteuerliche
Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der
Verhältnisse beachtlich sind.
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Das Motiv, Steuern zu sparen, allein macht
eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Eine
rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der
Steuerpflichtige nicht die vom Gesetzgeber vorausgesetzte
Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels
gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg
wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel
nicht erreichbar sein soll (ständige Rechtsprechung, vgl.
BFH-Urteile vom 15.11.2022 - VIII R 21/19, BFHE 278, 501, BStBl II
2023, 567 = SIS 23 03 47, Rz 26, m.w.N. und vom 11.09.2013 - II R
61/11, BFHE 243, 376, BStBl II 2014, 363 = SIS 13 32 65, Rz 20,
m.w.N.).
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b) Nach diesen Grundsätzen liegt ein
Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen des
§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG a.F. vor, wenn ein
Umlegungsverfahren dazu genutzt wird, einen reinen
Rechtsträgerwechsel an einem Grundstück zu bewirken, das
Umlegungsverfahren also zweckentfremdet wird (vgl. Gleich lautende
Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zum
Verfahren der Baulandumlegung vom 18.02.2020, BStBl I 2020, 282 =
SIS 20 02 28, Tz. 3; Meßbacher-Hönsch in Viskorf,
Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 1 Rz 449).
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aa) Die Umlegung ist die erste Vollzugsstufe
nach dem Abschluss des Bauleitplanverfahrens, gefolgt von der
Erschließung und schließlich der eigentlichen Bebauung
und baulichen Nutzung (BeckOK BauGB/Birk, § 45 Rz 14). Sie ist
nach § 45 Satz 1 BauGB darauf gerichtet, zur
Erschließung oder Neugestaltung bestimmter Gebiete bebaute
und unbebaute Grundstücke durch Umlegung in der Weise neu zu
ordnen, dass nach Lage, Form und Größe für die
bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßig gestaltete
Grundstücke entstehen. Ihr Zweck ist es, aus bisher wegen
ihres Zuschnitts nicht zur Bebauung geeigneten Grundstücken
solche zu gestalten, die nach den geltenden planungs- und
bauordnungsrechtlichen Regelungen bebaut werden können (BeckOK
BauGB/Birk, § 45 Rz 8).
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bb) Eine Umlegung dient somit nicht der
Flächenbeschaffung für bestimmte einzelne
Grundstückseigentümer, die einen
überdurchschnittlichen Flächenbedarf für ihre
konkrete Nutzungsabsicht anmelden (BeckOK BauGB/Birk, § 45 Rz
1 und Rz 8; Urteil des Oberlandesgerichts - OLG - Celle vom
22.01.2001 - 4 U (Baul) 42/00, juris; Urteil des OLG Hamm vom
05.07.2012 - I-16 U 6/11 (Baul), juris). Dient das
Umlegungsverfahren allein diesem Zweck, kann ein Missbrauch von
Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 AO
vorliegen.
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c) Die Würdigung, ob eine Gestaltung als
rechtlich missbräuchlich im Sinne von § 42 AO anzusehen
ist, obliegt dem FG als Tatsacheninstanz. Verstößt die
Würdigung des FG weder gegen Erfahrungssätze noch gegen
Denkgesetze und ist sie also zumindest möglich, ist der BFH
als Revisionsgericht daran gemäß § 118 Abs. 2 FGO
gebunden (vgl. BFH-Urteil vom 10.07.2019 - X R 21-22/17, BFH/NV
2020, 177 = SIS 20 00 40, Rz 31 und Rz 37, m.w.N.). Dies ist
vorliegend der Fall.
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aa) Das FG stützt seine Beurteilung, dass
eine rechtlich missbräuchliche Gestaltung nach § 42 AO
vorliegt, darauf, dass mit dem Umlegungsausschuss der Stadt L ein
Verfahren gewählt wurde, das darauf gerichtet war, der
Klägerin das Eigentum an den Flurstücken Nr. 30, Nr. 31,
Nr. 706 und Nr. 727 (Nr. 323) zu verschaffen, ohne dass
Grunderwerbsteuer entsteht. Diese Gestaltung war nach seiner
Würdigung nicht angemessen, weil sie dem Wesen des
Umlegungsverfahrens nicht entsprach. Das FG stützte diese
Beurteilung insbesondere darauf, dass das Verfahren allein dazu
diente, der Klägerin für ein zusammenhängendes Areal
zur Erweiterung ihrer Betriebsgrundstücke das Eigentum an den
in unmittelbarer Nähe befindlichen Grundstücken des A und
der Stadt L zu verschaffen. Es stand nach den Feststellungen des FG
von vornherein fest, dass sich an dem Zuschnitt und den
Eigentumsverhältnissen der von der Klägerin eingebrachten
Flurstücke nichts ändern sollte.
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bb) Die Nutzung des Umlegungsverfahrens
„X“ zur Übertragung der
Flurstücke auf die Klägerin diente nach der
Würdigung des FG auch steuerlichen Vorteilen. Der Senat kann
insoweit offenlassen, ob nach der Neufassung des § 42 AO der
Nachweis einer Umgehungsabsicht erforderlich ist oder sich diese
bereits aus der unangemessenen Gestaltung selbst ergibt, wenn der
Steuerpflichtige keine beachtlichen außersteuerlichen
Gründe nachweist (vgl. zum Streit Drüen in Tipke/Kruse,
§ 42 AO Rz 61 ff., m.w.N.). Dass es den Beteiligten jedenfalls
auch um die Ersparnis von Grunderwerbsteuer ging, lässt sich
bereits dem Umlegungsbeschluss vom …2010 entnehmen. Dort
wird (unter Ordnungs-Nr. VIII/13 Nr. 7 der Festsetzungen, S. 38 des
Beschlusses) von der Umlegungsstelle, ohne dafür
zuständig zu sein, die Feststellung getroffen, die Zuteilung
der Grundstücke an die Klägerin sei von der
Grunderwerbsteuer befreit, während eine solche Feststellung in
dem Umlegungsbeschluss, der die Zuteilung der vormals der
Klägerin gehörenden Grundstücke an T im Jahr 2004
regelt, fehlt.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin
verstößt diese Würdigung des FG weder gegen
Erfahrungssätze noch gegen Denkgesetze und ist zumindest
möglich.
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(1) Wie das FG zutreffend erkannt hat,
führt der Einwand der Klägerin, dass die Wirkung eines
Umlegungsverfahrens als Ganzes nicht nur in einer Änderung von
Rechten bestehen darf (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom
11.05.1967 - III ZR 141/66, NJW 1967, 1662; Beschluss des OLG Hamm
vom 05.03.1996 - 15 W 480/95, Mitteilungen des Bayerischen
Notarvereins 1996, 452; Urteil des OLG Dresden vom 21.04.1999 - U
1/98, Beck’sche Online-Rechtsprechung 2010, 03788;
Urteil des OLG Bamberg vom 23.01.2012 - 9 U 1/11 Baul, Bayerische
Verwaltungsblätter 2012, 734; Otte in
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, § 45 Rz
2; Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 15.
Aufl., § 45 Rz 8), nicht zu einem anderen Ergebnis. Die
Klägerin verkennt, dass dies nur für die Prüfung der
Angemessenheit des Umlegungszwecks des Umlegungsverfahrens als
solchem gilt und nicht für die Angemessenheit einzelner
Umlegungsmaßnahmen, die sich jeweils an dem Umlegungszweck
des Umlegungsverfahrens zu messen haben (vgl. Stang in
Schrödter, BauGB, 7. Aufl., § 76 Rz 2). Ein Abstellen auf
das gesamte Umlegungsverfahren verbietet sich, wenn ein bereits
bestehendes und an sich nicht zu beanstandendes Umlegungsverfahren
durch Erweiterungen des Umlegungsgebiets dazu ausgenutzt wird,
einen reinen Rechtsträgerwechsel an einzelnen
Grundstücken zugunsten einer Person herbeizuführen, der
mit dem ursprünglichen Umlegungszweck - nämlich der
Umsetzung eines Teils des Bebauungsplans Nr. 86 zum Zwecke der
Erschließung der davon betroffenen Grundstücke - nichts
zu tun hat.
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(2) Auch der Einwand der Klägerin, dass
der erkennende Senat im Urteil vom 28.07.1999 - II R 25/98 (BFHE
190, 225, BStBl II 2000, 206 = SIS 00 03 53) seine Rechtsprechung
aufgegeben habe, wonach Grundstückszuteilungen von der
Begünstigung ausgenommen seien, für die der
Eigentümer eine Geldleistung zu erbringen habe, führt
nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Zuteilung der Flurstücke
an die Klägerin ist - wie das FG ebenfalls zutreffend erkannt
hat - auch deshalb unangemessen, weil sie nicht als Ausgleich
für von der Klägerin eingebrachte Grundstücke
erfolgte und damit nicht dem Wesen des Umlegungsverfahrens
entsprach. Das Umlegungsverfahren ist seiner gesetzlichen
Konzeption nach ein förmliches und zwangsweises
Grundstückstauschverfahren, das durch das Surrogationsprinzip
und das Prinzip des gruppeninternen Lastenausgleichs durch die
wertgleiche Landabfindung geprägt wird (BFH-Urteil vom
07.09.2011 - II R 68/09, BFH/NV 2012, 62 = SIS 11 39 13, Rz 22,
m.w.N.). Die Zuteilung der Grundstücke des A und der Stadt L
an die Klägerin diente gerade nicht dem Ausgleich der der
Klägerin nach §§ 55 ff. BauGB zustehenden
Ansprüche aufgrund selbst eingebrachter Grundstücke und
folgte damit nicht den prägenden Prinzipien des
Umlegungsverfahrens. Nach der nicht zu beanstandenden
tatsächlichen Würdigung des FG sollten sich die
Eigentumsverhältnisse an den der Klägerin bereits
gehörenden Flurstücken nicht ändern. Ziel war es
nach den Feststellungen des FG allein, der Klägerin
zusätzlich das Eigentum an den Grundstücken des A und der
Stadt L zu verschaffen.
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(3) Dass sich nach Ansicht der Klägerin
in rechtlicher Hinsicht der Zuschnitt der von der Zuteilung
betroffenen Grundstücke geändert habe, führt
ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Ein Grundstück im
Umlegungsverfahren nach den §§ 45 ff. BauGB ist das
Grundstück im liegenschaftsrechtlichen Sinn, das aus mehreren
Flurstücken bestehen kann (Battis in
Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 15. Aufl., § 200
Rz 3). Zwar wurden zum einen die vormals der Stadt L
gehörenden Flurstücke Nr. 30 und Nr. 706 sowie Nr. 31 und
Nr. 707 zu den Flurstücken Nr. 725 beziehungsweise Nr. 726
vereinigt, zum anderen wurden die der Klägerin zugeteilten
Flurstücke des A und der Stadt L auf das Grundbuchblatt der
Klägerin zugeschrieben, sodass danach das Grundstück der
Klägerin nicht mehr nur aus den Flurstücken Nr. 694, Nr.
705 und Nr. 708, sondern zusätzlich aus den Flurstücken
Nr. 725, Nr. 726 und Nr. 727 bestand. Die Vereinigung der
Flurstücke Nr. 30, Nr. 31, Nr. 706 und Nr. 707 zu den
Flurstücken Nr. 725 und Nr. 726 hat allerdings an der
Zweckwidrigkeit der Maßnahme nichts geändert. Mit der
Zuschreibung der Flurstücke Nr. 725, Nr. 726 und Nr. 727 auf
das Grundbuchblatt der Klägerin wurde lediglich der
angestrebte Eigentumsübergang zum unzulässigen Zweck der
Erweiterung des Betriebsgeländes der Klägerin vollzogen.
Zu einer anderen Beurteilung führt auch nicht der Hinweis der
Klägerin, dass sich nach der Rechtsprechung der Zuschnitt oder
die Eigentumsverhältnisse an den eingebrachten
Grundstücken nicht zwingend ändern müssen (vgl. Otte
in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, § 45
Rz 2, m.w.N.). Die Klägerin übersieht dabei, dass dies
nur für Umlegungsmaßnahmen gelten kann, die dem
Umlegungszweck entsprechend erfolgen.
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(4) Auch die zeitlich weit vorgelagerte
Einbringung vormals der Klägerin gehörender
Grundstücke im Umlegungsgebiet und anschließende
Zuteilung an T gegen Entschädigung im Jahr 2004 steht der
Beurteilung durch das FG nicht entgegen. Mit der Zuteilung dieser
Flurstücke und Entschädigung der Klägerin durch
Vorwegentscheidung wurde in Bezug auf die vormals der Klägerin
gehörenden Grundstücke ein endgültiger Rechtszustand
geschaffen (Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch,
15. Aufl., § 76 Rz 13, m.w.N.). Mit dem Erhalt der Zahlung war
der Eigentumswechsel an diesen Grundstücken nach den
Feststellungen des FG einvernehmlich und abschließend
geregelt. Die Klägerin konnte danach keine Zuteilung weiterer
Grundstücke mehr beanspruchen.
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dd) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden
ist schließlich die Würdigung des FG, die Klägerin
habe keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe
nachweisen können.
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(1) Der von der Klägerin geltend gemachte
außersteuerliche Grund der Wirtschaftsförderung, der
darin bestehen soll, dass die Stadt L der Klägerin eine
Erweiterung des Betriebsgeländes ermöglichen wollte, mag
nachvollziehbar sein, kann jedoch eine Zuteilung der
Flurstücke im Umlegungsverfahren auf die Klägerin nicht
rechtfertigen. Die Umlegung ist kein Instrument der
Wirtschaftsförderung einzelner Betriebe oder
Grundstückseigentümer. Maßstab für die
Zweckmäßigkeit der Gestaltung des Grundstücks durch
die Umlegung ist zwar, dass die im Bebauungsplan festgesetzte
Nutzung baurechtlich und wirtschaftlich auf dem zugeteilten
Grundstück gut zu verwirklichen ist (vgl. Reidt in
Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 15. Aufl., § 45
Rz 9). Insoweit ist die Umlegung auch privatnützig, weil sie
der Bildung nach dem konkret geltenden Baurecht bebaubarer
Grundstücke dient (BeckOK BauGB/Birk, § 45 Rz 8). Diese
Zweckmäßigkeit der Gestaltung der Grundstücke
richtet sich allerdings allein nach den Festsetzungen des
Bebauungsplans und nicht nach den besonderen wirtschaftlichen und
betrieblichen Verhältnissen des jeweiligen Eigentümers
(Otte in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch,
§ 45 Rz 5).
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(2) Soweit die Klägerin vorträgt,
die Zuteilung der Flurstücke an sie hätte auch
städtebaulichen Zwecken gedient, indem aus kleinteiligen
Wohnflächen große zusammenhängende, also
zweckmäßig gestaltete Misch- und Gewerbeflächen
geschaffen worden seien, widerspricht dies ihrem eigenen Vortrag,
auf dem Grundstück des A sei vormals eine Tankstelle betrieben
worden. Ein Tankstellenbetrieb setzt zwingend eine für eine
gewerbliche Nutzung bereits vor Zuteilung vorhandene
zweckmäßige Größe des Grundstücks
voraus.
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(3) Auch in der von der Stadt L vorgenommenen
Altlastensanierung, der Bereinigung des Baulastenverzeichnisses und
der Grundbücher sowie der Zurückstellung von
Eigentümerinteressen liegen - wie das FG zutreffend erkannt
hat - keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe. Denn
auch zu diesen Zwecken hätte es des Umlegungsverfahrens nicht
bedurft. Die Übernahme der Altlastensanierung durch die Stadt
L hat nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin allein der
Abwälzung des damit zusammenhängenden unkalkulierbaren
Risikos gedient. Die Risikominimierung stellt ebenfalls begrifflich
schon keine Erschließung oder Neugestaltung von
Grundstücken dar und ist damit unbeachtlich. Soweit die
Klägerin vorträgt, dass die Umlegung auch Fragen der
Daseinsvorsorge und Zurückstellung von
Eigentümerinteressen mitumfasst, verkennt sie die
Privatnützigkeit des Umlegungsverfahrens. Die Bereinigung der
Baulastenverzeichnisse und der Grundbücher diente ebenfalls
dem unzulässigen Zweck, der Klägerin das Eigentum an den
Flurstücken lastenfrei durch Zuschreibung auf ihr
Grundbuchblatt zu verschaffen.
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(4) Der Einwand der Klägerin, ihr sei ein
rechtsgeschäftlicher Grundstückserwerb von A zu einem
angemessenen Verkehrswert nicht möglich gewesen, vermag die
Würdigung des FG ebenfalls nicht infrage zu stellen, denn die
Umlegung ist kein Finanzierungsinstrument. Sowohl der Geldausgleich
für eine Mehrzuteilung (§ 59 Abs. 2 Satz 3 BauGB) als
auch die Entschädigung für eine Minderzuteilung (§
59 Abs. 4 i.V.m. § 95 Abs. 1 BauGB; Reidt in
Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 15. Aufl., § 59
Rz 43) ist nach den Verkehrswerten zu bemessen. Vor diesem
Hintergrund ist das FG auch deshalb nachvollziehbar von einer
unangemessenen Gestaltung im Sinne des § 42 Abs. 2 AO
ausgegangen, weil die Stadt L für ein unsaniertes
Grundstück eine Entschädigung in Höhe von …
EUR bezahlt hat, während die Klägerin für dasselbe
Grundstück in saniertem Zustand zuzüglich zweier weiterer
Grundstücke lediglich eine Abfindung in Höhe von …
EUR zahlen musste.
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(5) Auf eine Verletzung der kommunalen
Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG kann sich die Klägerin
nicht berufen. Die Garantie des Art. 28 Abs. 2 GG ist keine
grundrechtliche Gewährleistung (BeckOK GG/Hellermann, 59. Ed.
15.09.2024, Art. 28 Rz 32, m.w.N.). Träger der Garantie aus
Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sind einzig die Gemeinden (Mehde in
Dürig/Herzog/Scholz, Komm. z. GG, Art. 28 Rz 187).
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(6) Schließlich hat die Klägerin
diese Gestaltung im Sinne des § 42 AO auch gewählt. Der
Vorwegentscheidung liegen vertragliche Elemente zugrunde, denn sie
ist nach § 76 Satz 1 BauGB nur im Einverständnis der
betroffenen Rechtsinhaber möglich (vgl. Stang in
Schrödter, BauGB, 7. Aufl., § 76 Rz 2).
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ee) Liegt danach ein Missbrauch von
Gestaltungsmöglichkeiten vor, so entsteht der Steueranspruch
nach § 42 Abs. 1 Satz 3 AO so, wie er bei einer den
wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung
entstünde. Im Fall einer im Sinne des § 42 AO
missbräuchlichen Zuteilung im Umlegungsverfahren ist diese
grunderwerbsteuerrechtlich so zu behandeln, als hätte der neue
Eigentümer die Grundstücke von dem einbringenden
Eigentümer erworben, ohne dass der Erwerb die Steuerbefreiung
nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG a.F.
erfüllt (Meßbacher-Hönsch in Viskorf,
Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 1 Rz 449).
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4. Das Urteil des FG ist auch nicht wegen
eines Verfahrensfehlers aufzuheben. Die Klägerin hat eine
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103
Abs. 1 GG i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO nicht schlüssig
dargelegt.
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a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör im
Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 und § 119 Nr. 3
FGO verpflichtet das Gericht unter anderem, die Ausführungen
der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen
und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens
auseinanderzusetzen. Der tatsächlichen Würdigung oder der
Rechtsansicht eines Beteiligten muss es nicht folgen (ständige
Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 02.03.2022 - II B 39/21,
BFH/NV 2022, 707 = SIS 22 07 43, Rz 10, m.w.N.). Die
ordnungsgemäße Rüge der Verletzung rechtlichen
Gehörs bezüglich einzelner Feststellungen oder
Rechtsfragen - wie hier zu der Frage, ob die tatbestandlichen
Voraussetzungen von § 42 AO vorliegen - erfordert die
substantiierte Darlegung, welches konkrete Vorbringen das
Finanzgericht nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen hat (vgl.
BFH-Beschluss vom 30.05.2012 - III B 239/11, BFH/NV 2012, 1470 =
SIS 12 21 79, Rz 18; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, §
119 FGO Rz 223; Nöcker/Seibel in Lippross/Seibel,
Basiskommentar Steuerrecht, § 119 FGO Rz 17).
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b) Die unsubstantiierte Behauptung der
Klägerin, es fehle vollständig an einer
Auseinandersetzung des Gerichts mit seinen eigenen
Tatsachenfeststellungen und das Gericht habe den Vortrag der
Klägerin kommentarlos übergangen, genügt diesen
Darlegungsanforderungen nicht. Dem Vortrag der Klägerin
lässt sich nicht entnehmen, welches konkrete Vorbringen der
Klägerin das FG im Rahmen seiner Würdigung, in der
Zuteilung der Flurstücke an die Klägerin liege ein
Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO, nicht zur Kenntnis
genommen oder nicht in Erwägung gezogen haben soll.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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6. Der Senat entscheidet im
Einverständnis der Beteiligten nach § 121 Satz 1 i.V.m.
§ 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.
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