Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 11.07.2023 - 8 K 8048/22
= SIS 23 19 32 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist ein gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m.
§ 5 Abs. 1 Nr. 5 des Körperschaftsteuergesetzes von der
Körperschaftsteuer befreiter Berufsverband. Er unterhält
neben dem steuerbefreiten Bereich einen wirtschaftlichen
Geschäftsbetrieb, aus dem er in den Jahren 2007 und 2008
(Streitjahre) Gewinne in Höhe von 38.620,12 EUR und 8.880,65
EUR erzielte.
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Zum 31.12.2006 war für den
wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ein verbleibender
Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer in Höhe von 396.341
EUR gesondert festgestellt worden. Nach Verrechnung der in den
Streitjahren erzielten Gewinne mit den Verlusten der jeweiligen
Vorjahre wurde die Körperschaftsteuer für die Streitjahre
auf jeweils 0 EUR festgesetzt.
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Der Kläger reichte nach Aufforderung
durch den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) am
23.04.2010 Kapitalertragsteueranmeldungen für die Streitjahre
ein, in denen er Kapitalerträge gemäß § 20
Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes in der für
die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) in Höhe von jeweils 0
EUR angab.
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Am 08.03.2012 erließ das FA einen
Haftungsbescheid, mit dem es den Kläger gemäß
§ 191 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) wegen nicht
abgeführter Kapitalertragsteuer in Höhe von 3.862 EUR
(2007) beziehungsweise 888 EUR (2008) nebst
Solidaritätszuschlag in Anspruch nahm. Die in den Streitjahren
erzielten Gewinne des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs seien
gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b i.V.m. § 43
Abs. 1 Satz 1 Nr. 7c und § 43a Abs. 1 Nr. 6 EStG einer 10%igen
Kapitalertragsteuer zu unterwerfen, da die Gewinne nicht einer
gesonderten, betrieblich notwendigen Gewinnrücklage
zugeführt worden seien. Der Kläger hafte als
Entrichtungsschuldner, da er seiner Verpflichtung zur Einbehaltung,
Anmeldung und Abführung der Kapitalertragsteuer nicht
nachgekommen sei. Die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene
Klage wies das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 22.11.2017 - 8 K
4148/13 aus den in EFG 2018, 850 = SIS 18 04 43 mitgeteilten
Gründen ab. Der Kläger legte dagegen Revision ein
(Aktenzeichen des Bundesfinanzhofs - BFH - VIII R 1/18).
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Während des Revisionsverfahrens
erließ das FA am 22.12.2020 einen auf § 167 Abs. 1 Satz
1 AO i.V.m. § 44 Abs. 5 Satz 2 EStG gestützten und als
„Nachforderungsbescheid“ über
Kapitalertragsteuer 2007 und 2008 bezeichneten Bescheid gegen den
Kläger und führte unter anderem aus, der Bescheid ergehe
gegenüber dem Kläger als Entrichtungsschuldner. Den
Haftungsbescheid vom 08.03.2012 hob das FA auf. Gegen den Bescheid
vom 22.12.2020 legte der Kläger Einspruch ein.
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Nachdem der Kläger den Rechtsstreit im
Verfahren VIII R 1/18 einseitig in der Hauptsache für erledigt
erklärt hatte, hat der Senat mit Urteil vom 25.03.2021 - VIII
R 1/18 (BFHE 272, 469, BStBl II 2021, 655 = SIS 21 11 11) die
Erledigung der Hauptsache festgestellt und das in jenem Verfahren
angefochtene FG-Urteil für gegenstandslos
erklärt.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 16.02.2022
wies das FA den Einspruch des Klägers gegen den
„Nachforderungsbescheid“ vom 22.12.2020
als unbegründet zurück. Der hiergegen erhobenen Klage hat
das FG mit in EFG 2024, 239 = SIS 23 19 32 veröffentlichtem
Urteil stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen
ausgeführt, der Bescheid habe nicht mehr ergehen können,
da hinsichtlich der Kapitalertragsteuer der Streitjahre
Festsetzungsverjährung eingetreten sei.
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Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Bundesrechts. Es macht geltend, im
Streitfall greife die zehnjährige Festsetzungsfrist nach
§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO, die erst am 31.12.2020 abgelaufen sei,
da der Kläger trotz Gewinnen von 38.620 EUR und 8.880 EUR
für die Streitjahre nur Kapitalertragsteuer von jeweils 0 EUR
angemeldet habe. Im Übrigen wäre der Ablauf der
Festsetzungsfrist sowohl nach § 171 Abs. 3a AO als auch nach
§ 171 Abs. 15 AO gehemmt gewesen.
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Das FA beantragt,
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das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom
11.07.2023 - 8 K 8048/22 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
gemäß § 126 Abs. 2 und Abs. 4 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat im
Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Nachforderungsbescheid
vom 22.12.2020 über Kapitalertragsteuer 2007 und 2008
rechtswidrig war, da die Kapitalertragsteuer der Streitjahre bei
Erlass des Bescheids verjährt war.
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1. Wie der erkennende Senat bereits
rechtskräftig entschieden hat, ist der Bescheid vom 22.12.2020
ein Nachforderungsbescheid gemäß § 155 AO i.V.m.
§ 44 Abs. 6 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 EStG, der sich an den
Kläger als Gläubiger der Kapitalerträge und als
Schuldner der Kapitalertragsteuer richtet (BFH-Urteil vom
25.03.2021 - VIII R 1/18, BFHE 272, 469, BStBl II 2021, 655 = SIS 21 11 11). Daran sind die Beteiligten und der Senat gebunden
(§ 110 Abs. 1 FGO). Dass das FA im Bescheid eine unzutreffende
Rechtsgrundlage (§ 167 Abs. 1 Satz 1 AO) angegeben und den
Kläger irrtümlich als
„Entrichtungsschuldner“ bezeichnet hat,
steht dem nicht entgegen.
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2. Im Ergebnis zutreffend hat das FG den
Nachforderungsbescheid vom 22.12.2020 aufgehoben, da bei seinem
Erlass die in ihm festgesetzte Kapitalertragsteuer 2007 und 2008
bereits verjährt und erloschen (§ 47 AO) war. Der
Bescheid durfte danach nicht mehr ergehen (§ 169 Abs. 1 Satz 1
AO).
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a) Die Festsetzungsfrist für die
Kapitalertragsteuer der Streitjahre begann gemäß §
170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Jahres 2010, in dem der
Kläger die Kapitalertragsteueranmeldungen für die
Streitjahre abgegeben hatte.
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b) Im Streitfall beträgt die
Festsetzungsfrist vier Jahre gemäß § 169 Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 AO und nicht zehn Jahre gemäß § 169
Abs. 2 Satz 2 AO wegen Steuerhinterziehung. Tatsächliche
Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung hat das FG nicht
festgestellt. Das FG hat insbesondere keine Feststellungen
getroffen, dass der Kläger bei Abgabe der
Kapitalertragsteueranmeldungen für die Streitjahre
vorsätzlich unrichtige oder unvollständige
tatsächliche Angaben im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO
gemacht hat. Eine fehlerhafte rechtliche Würdigung wird von
§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht erfasst; der Begriff der
„Angabe“ bezieht sich auf Tatsachen
(vgl. Krumm in Tipke/Kruse, § 370 AO Rz 49, m.w.N.).
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c) Der Ablauf der Festsetzungsfrist für
die Kapitalertragsteuer der Streitjahre war nicht nach § 171
Abs. 15 AO gehemmt. Das gegen den Haftungsbescheid vom 08.03.2012
geführte Rechtsbehelfs- und Klageverfahren hat den Ablauf der
Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen
nicht gehemmt.
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aa) Gemäß § 171 Abs. 15 AO
endet, soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des
Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für
Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, die
Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor
Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen
geltenden Festsetzungsfrist. § 171 Abs. 15 AO soll einen
Gleichlauf der Festsetzungsfristen beim Entrichtungs- und beim
Steuerschuldner gewährleisten (vgl. BFH-Urteil vom 21.09.2017
- VIII R 59/14, BFHE 259, 411, BStBl II 2018, 163 = SIS 17 22 64,
Rz 51). Umstände im Sinne des § 171 AO, die beim
Entrichtungspflichtigen den Eintritt der Verjährung hemmen,
hemmen personenübergreifend auch die Festsetzungsfrist
gegenüber dem Steuerschuldner. § 171 Abs. 15 AO gilt
für im Abzugsverfahren erhobene Steuern und damit für die
Kapitalertragsteuer. Der Ablauf der Festsetzungsfrist für die
Kapitalertragsteuerschuld ist gemäß § 171 Abs.
15 AO bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung der
Entrichtungspflicht gehemmt.
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bb) § 171 Abs. 15 AO ist im Streitfall
zeitlich anwendbar. Nach der Anwendungsvorschrift des Art. 97
§ 10 Abs. 11 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung
gilt § 171 Abs. 15 AO für alle am 30.06.2013 noch nicht
abgelaufenen Festsetzungsfristen. Dies bedeutet, dass sowohl die
Festsetzungsfrist für die Entrichtungsschuld als auch die
Festsetzungsfrist für die Steuerschuld am 30.06.2013 noch
nicht abgelaufen sein durften (BFH-Urteil vom 21.09.2017 - VIII R
59/14, BFHE 259, 411, BStBl II 2018, 163 = SIS 17 22 64, Rz 51).
Hinsichtlich der Kapitalertragsteuerschuld des Klägers als
Gläubiger der Kapitalerträge und hinsichtlich der
Entrichtungsschuld wäre im Streitfall frühestens zum
31.12.2014 und damit nach dem Stichtag 30.06.2013
Festsetzungsverjährung eingetreten.
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cc) Entgegen der Auffassung des FG ist die
Anwendung des § 171 Abs. 15 AO nicht bereits deshalb
ausgeschlossen, weil der Kläger im Nachforderungsbescheid vom
22.12.2020 (unzutreffend) als
„Entrichtungsschuldner“ und nicht als
Steuerschuldner bezeichnet wird. Wie unter II.1. dargelegt, hat der
Senat bereits entschieden, dass das FA einen Nachforderungsbescheid
gegenüber dem Kläger als Schuldner der
Kapitalertragsteuer erlassen hat (BFH-Urteil vom 25.03.2021 - VIII
R 1/18, BFHE 272, 469, BStBl II 2021, 655 = SIS 21 11 11), wobei
die Falschbezeichnung nicht schadet.
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dd) Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist
„Dritter“ im Sinne des § 171 Abs.
15 AO. Dem steht nicht entgegen, dass die
Trägerkörperschaft materiell- und verfahrensrechtlich
anstelle des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs in Anspruch
genommen wird, da diesem keine Steuersubjektivität zukommt.
Nach § 44 Abs. 6 Satz 1 EStG gelten in den Fällen des
§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7c EStG die von der
Körperschaftsteuer befreite Körperschaft,
Personenvereinigung oder Vermögensmasse (die
Trägerkörperschaft) als Gläubiger und der
wirtschaftliche Geschäftsbetrieb als Schuldner der
Kapitalerträge. Diese Fiktion ist auch bei der Anwendung von
§ 171 Abs. 15 AO zu beachten mit der Maßgabe, dass der
fiktive Gläubiger der Kapitalerträge, die
Trägerkörperschaft, zugleich als Steuerschuldner im Sinne
des § 171 Abs. 15 AO (Schuldner der Kapitalertragsteuer) und
der fiktive Schuldner der Kapitalerträge, der wirtschaftliche
Geschäftsbetrieb, zugleich als Steuerentrichtungspflichtiger
im Sinne der Vorschrift gelten.
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ee) Die Voraussetzungen von § 171 Abs. 15
AO sind aber im Übrigen nicht erfüllt. Voraussetzung
für eine Hemmung der Festsetzungsfrist gegenüber dem
Kläger als Schuldner der Kapitalertragsteuer wäre eine
Hemmung der Festsetzungsfrist gegenüber dem
Steuerentrichtungspflichtigen, hier dem wirtschaftlichen
Geschäftsbetrieb als fiktivem Entrichtungsschuldner. Ob die
Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen
gehemmt war, ist bei der Anwendung von § 171 Abs. 15 AO
inzident nach Maßgabe der Tatbestände des § 171 AO
zu beurteilen.
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Das gegen den Haftungsbescheid vom 08.03.2012
geführte Einspruchs- und Klageverfahren hat im Streitfall die
Verjährung gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen
nicht gemäß § 191 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 171
Abs. 3a AO gehemmt. Wird ein Steuerbescheid mit dem Einspruch oder
der Klage angefochten, so läuft gemäß § 171
Abs. 3a AO die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den
Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist. Die Ablaufhemmung nach
§ 171 Abs. 3a AO ist sachlich auf den im angefochtenen
Bescheid festgesetzten Anspruch und persönlich auf die Person
des Anfechtenden beschränkt (BFH-Urteil vom 06.06.2019 - IV R
34/16, BFH/NV 2019, 1078 = SIS 19 12 24, Rz 40).
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Das Einspruchs- und Klageverfahren gegen den
Haftungsbescheid vom 08.03.2012 hat danach die
Festsetzungsverjährung gegenüber dem
Steuerentrichtungspflichtigen nicht gehemmt. Der Haftungsbescheid
vom 08.03.2012 ging ins Leere, da es im Streitfall an einem
Haftungsanspruch fehlt. Der Senat hat bereits entschieden, dass
eine Haftung im Streitfall nicht auf § 44 Abs. 6 Satz 5 EStG
gestützt werden kann. Die Vorschrift sieht eine Haftung des
wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs als fiktivem Schuldner der
Kapitalerträge für die Kapitalertragsteuer nur vor,
soweit sie auf - hier nicht vorliegende - verdeckte
Gewinnausschüttungen (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b
Satz 1 Halbsatz 1 Alternative 2 EStG) oder Veräußerungen
im Sinne des § 22 Abs. 4 des Umwandlungssteuergesetzes in der
in den Streitjahren anzuwendenden Fassung entfällt. Eine
Haftung bei Nichterfüllung der Einbehaltungs- und
Abführungspflicht, soweit die Kapitalertragsteuer wie im
Streitfall auf laufende Gewinne eines wirtschaftlichen
Geschäftsbetriebs entfällt, ergibt sich daraus nicht und
kann auch nicht auf eine andere Norm gestützt werden
(BFH-Urteil vom 25.03.2021 - VIII R 1/18, BFHE 272, 469, BStBl II
2021, 655 = SIS 21 11 11, Rz 19).
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Das gegen den Haftungsbescheid vom 08.03.2012
geführte Einspruchs- und Klageverfahren hätte danach
allenfalls den Ablauf der Festsetzungsfrist für den in ihm
festgesetzten (vermeintlichen) Haftungsanspruch hemmen können.
Aus der Formulierung „gesamter
Steueranspruch“ in § 171 Abs. 3a Satz 2
AO ergibt sich nichts anderes. Hierdurch soll die Möglichkeit
der Verböserung im außergerichtlichen und gerichtlichen
Rechtsbehelfsverfahren auf den gesamten Steueranspruch erstreckt
und eine Teilverjährung ausgeschlossen werden (Banniza in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 171 AO Rz 60). Gesamter
„Steueranspruch“ war hier der vom FA im
Haftungsbescheid festgesetzte vermeintliche Haftungsanspruch. Da
ein solcher Anspruch jedoch von Anfang an nicht bestand und deshalb
auch nicht verjähren konnte, hat das Einspruchs- und
Klageverfahren keine Hemmungswirkung entfaltet. Nimmt das FA den
Entrichtungsschuldner ausdrücklich durch Haftungsbescheid in
Anspruch, macht es nur den Haftungsanspruch geltend und nicht
zugleich auch den Entrichtungsanspruch.
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d) Der Ablauf der Festsetzungsfrist für
die Kapitalertragsteuer der Streitjahre war auch nicht nach §
171 Abs. 3a AO gehemmt. In Betracht kommt hier wiederum nur das
gegen den Haftungsbescheid vom 08.03.2012 geführte Einspruchs-
und Klageverfahren. Dieses hat jedoch auch nicht den Ablauf der
Festsetzungsfrist für den Anspruch auf Kapitalertragsteuer,
soweit er sich gegen den Gläubiger der Kapitalerträge und
Schuldner der Kapitalertragsteuer (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1
EStG) richtet, gehemmt.
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aa) Gegenstand des Nachforderungsbescheids vom
22.12.2020 war der Kapitalertragsteueranspruch, soweit er sich
gegen den Steuerschuldner richtet, und damit ein anderer als der im
Haftungsbescheid vom 08.03.2012 (vermeintlich) festgesetzte
Anspruch.
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bb) Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3a
AO greift auch deshalb nicht durch, weil unter
Berücksichtigung der Fiktion des § 44 Abs. 6 Satz 1 EStG
auch bei der Anwendung von § 171 Abs. 3a AO davon auszugehen
ist, dass der Gläubiger der Kapitalerträge und Schuldner
der Kapitalertragsteuer (die Trägerkörperschaft) und der
fiktive Entrichtungsschuldner (der wirtschaftliche
Geschäftsbetrieb) personenverschieden sind, und weil §
171 Abs. 3a AO eine personenübergreifende Hemmungswirkung
nicht vorsieht. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass auch
der Haftungsbescheid vom 08.03.2012 gegen den Kläger in seiner
Eigenschaft als Träger des wirtschaftlichen
Geschäftsbetriebs gerichtet war und dass der Kläger in
dieser Eigenschaft das Einspruchs- und Klageverfahren gegen den
Haftungsbescheid im eigenen Namen geführt hat. Dies ist allein
dem Umstand geschuldet, dass die Trägerkörperschaft
bezüglich der für den wirtschaftlichen
Geschäftsbetrieb fiktiv angeordneten Entrichtungsschuld
lediglich deswegen als Steuersubjekt anzusehen ist, weil dem
wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb eine rechtliche
Organisationsform fehlt, die nach den Vorschriften der
Abgabenordnung handlungsfähig ist (BFH-Urteil vom 25.03.2021 -
VIII R 1/18, BFHE 272, 469, BStBl II 2021, 655 = SIS 21 11 11, Rz
20). Die Fiktion in § 44 Abs. 6 Satz 1 EStG, die auch im
steuerlichen Verfahrensrecht zu beachten ist, überschreibt und
verdrängt die in der zu beurteilenden Situation ausnahmsweise
gegebene Personenidentität und verlangt vom Rechtsanwender,
fiktiv von einer Personenverschiedenheit auszugehen.
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e) Der Eintritt der
Festsetzungsverjährung ist auch nicht gemäß §
174 Abs. 4 AO unbeachtlich. Die Vorschrift gilt nur für
Steuerbescheide, nicht für Haftungsbescheide (BFH-Urteil vom
21.09.2017 - VIII R 59/14, BFHE 259, 411, BStBl II 2018, 163 = SIS 17 22 64, Rz 24).
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f) Die Festsetzungsfrist für die
Kapitalertragsteuer der Streitjahre war danach mit Ablauf des
31.12.2014 abgelaufen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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