Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 02.07.2019 - 15 K
266/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Kläger zu tragen.
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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) erzielte im Streitjahr (2014) als nautischer Offizier
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In der Zeit vom
17.01.2014 bis 12.04.2014 sowie vom 11.05.2014 bis 08.09.2014 war
er auf See an Bord von Schiffen tätig.
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An Bord der Schiffe stellte der Arbeitgeber
dem Kläger unentgeltlich Mahlzeiten zur Verfügung. An
„Hafentagen“ nahm der Kläger die zur
Verfügung gestellte Bordverpflegung teilweise nicht in
Anspruch. An einzelnen Tagen musste sich die Mannschaft in
Häfen selbst versorgen.
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In den Heuerabrechnungen wies der
Arbeitgeber diese Mahlzeiten zunächst als steuerpflichtigen
Sachbezug aus. Dies korrigierte er mit geänderten
Heuerabrechnungen, in denen er den Sachbezug als steuerfrei
behandelte.
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In seiner Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr machte der Kläger u.a.
Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 4.056 EUR (169 Tage x
24 EUR) als Werbungskosten geltend.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) ließ die Verpflegungsmehraufwendungen
nicht zum Abzug zu.
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Der Einspruch des Klägers blieb ohne
Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der der
Kläger nunmehr Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von
4.944 EUR für 206 Tage als Werbungskosten begehrte, teilweise
statt und wies sie im Übrigen mit den in EFG 2019, 1537
veröffentlichten Gründen ab. Dem Kläger stünden
Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von geschätzt 240
EUR für die Tage zu, an denen der Arbeitgeber diesem
ausnahmsweise an Hafentagen keine Mahlzeiten zur Verfügung
gestellt habe. Für alle anderen Tage habe das FA zu Recht nach
§ 9 Abs. 4a Satz 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) keinen
Verpflegungsmehraufwand zum Abzug zugelassen, da dem Kläger an
diesen Tagen von seinem Arbeitgeber Frühstück, Mittag-
und Abendessen unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden
seien.
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Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung materiellen Rechts.
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Er beantragt,
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das FG-Urteil sowie die
Einspruchsentscheidung vom 18.11.2016 aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid 2014 vom 29.12.2015 dahingehend zu
ändern, dass neben dem vom FG bereits zugesprochenen Betrag in
Höhe von 240 EUR weitere Verpflegungsmehraufwendungen bei den
Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit
in Höhe von 4.704 EUR berücksichtigt werden.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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Das Bundesministerium der Finanzen ist dem
Rechtsstreit beigetreten. Einen Antrag hat es nicht
gestellt.
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II. Die Revision ist unbegründet und
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger bei
seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit über
den zugesprochenen Betrag hinaus keine weiteren
Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten abziehen kann.
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1. Mehraufwendungen des Arbeitnehmers für
die Verpflegung sind nach Maßgabe von § 9 Abs. 4a EStG
als Werbungskosten abziehbar. Wird der Arbeitnehmer außerhalb
seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich
tätig (auswärtige berufliche Tätigkeit), ist nach
§ 9 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG zur Abgeltung der ihm
tatsächlich entstandenen, beruflich veranlassten
Mehraufwendungen eine nach Abwesenheitszeiten gestaffelte
Verpflegungspauschale anzusetzen. Hat der Arbeitnehmer keine erste
Tätigkeitsstätte, gelten die Sätze 2 und 3
entsprechend (§ 9 Abs. 4a Satz 4 Halbsatz 1 EStG). Denn
liegen die Voraussetzungen des Abs. 4 nicht vor und ist der
Arbeitnehmer gleichwohl außerhalb seiner Wohnung beruflich
tätig, befindet er sich ebenfalls auf
Auswärtstätigkeit.
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Gemäß § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG
sind die u.a. nach Satz 3 ermittelten Verpflegungspauschalen um 20
% für Frühstück und um jeweils 40 % für Mittag-
und Abendessen zu kürzen, wenn dem Arbeitnehmer
anlässlich oder während einer Tätigkeit
außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte vom
Arbeitgeber eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt wird.
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Das Zurverfügungstellen einer Mahlzeit
durch den Arbeitgeber (oder auf dessen Veranlassung durch einen
Dritten) i.S. von § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG erfordert dabei
nicht, dass der Arbeitnehmer die Mahlzeit auch tatsächlich
einnimmt (ausführlich Senatsurteil vom 07.07.2020 - VI R
16/18, BFHE 269, 550,
BStBl II 2020, 783 = SIS 20 16 74, Rz 15 ff., m.w.N.). Aus
welchen Gründen der Arbeitnehmer eine ihm von seinem
Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Mahlzeit nicht einnimmt,
ist insoweit ebenfalls unerheblich.
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2. Bei Heranziehung dieser
Rechtsgrundsätze ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass
der Kläger dem Grunde nach Verpflegungsmehraufwendungen als
Werbungskosten bei seinen Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit abziehen kann. Zwar verfügte er
im Streitjahr als nautischer Offizier, der auf See tätig war,
nicht über eine erste Tätigkeitsstätte i.S. des
§ 9 Abs. 4 EStG; gemäß § 9 Abs. 4a Satz 4
Halbsatz 1 EStG gelten die Sätze 2 und 3 für
Auswärtstätigkeiten von Arbeitnehmern ohne erste
Tätigkeitsstätte jedoch entsprechend.
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3. Das FG hat weiter zu Recht entschieden,
dass die Verpflegungspauschalen nach § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG
im Hinblick auf die vom Arbeitgeber des Klägers zur
Verfügung gestellten Mahlzeiten an Bord zu kürzen sind
(ebenso Schmidt/ Krüger, EStG, 40. Aufl., § 9 Rz 313;
Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 599; Bergkemper in
Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 9 EStG Rz 583).
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a) Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut
der Norm. Während § 9 Abs. 4a Satz 2 EStG die
auswärtige berufliche Tätigkeit definiert, legt § 9
Abs. 4a Satz 3 EStG die in diesem Fall anzusetzenden
Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen fest.
§ 9 Abs. 4a Satz 4 Halbsatz 1 EStG stellt durch die Anordnung
der entsprechenden Geltung der Sätze 2 und 3 sodann klar, dass
der Ansatz von pauschalierten Verpflegungsmehraufwendungen auch
erfolgt, wenn der Steuerpflichtige über keine erste
Tätigkeitsstätte verfügt. § 9 Abs. 4a Satz 8
EStG legt wiederum fest, inwiefern im Fall der Mahlzeitengestellung
die in Satz 3 der Vorschrift geregelten Verpflegungspauschalen zu
kürzen sind. Satz 8 ist mithin als Modifikation der Sätze
2 und 3 ausgestaltet. Die Geltungsanordnung in § 9 Abs. 4 Satz
4 Halbsatz 1 EStG erstreckt sich damit für den Arbeitnehmer,
der keine erste Tätigkeitsstätte hat, nicht nur auf die
entsprechende Anwendung der Verpflegungspauschalen für
Mehraufwendungen des Arbeitnehmers, der außerhalb seiner
Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte tätig wird,
gemäß § 9 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG, sondern
zugleich auf die entsprechende Anwendung der Modifikation dieser
Verpflegungspauschalen nach Satz 8, soweit ihm eine Mahlzeit zur
Verfügung gestellt wird.
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b) Aus der Gesetzeshistorie, der Systematik
sowie dem Sinn und Zweck des Gesetzes ergibt sich nichts anderes.
Auch danach ist § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG nicht isoliert,
sondern im Kontext des gesamten Abs. 4a sowie des § 8 Abs. 2
Sätze 8 und 9 EStG zu betrachten.
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aa) Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der
gesetzlichen Neuregelung der Verpflegungsmehraufwendungen in §
9 Abs. 4a EStG eine Vereinfachung gegenüber der früheren
Rechtslage.
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Wurden einem Arbeitnehmer bei einer
auswärtigen beruflichen Tätigkeit Mahlzeiten zur
Verfügung gestellt, blieb der Werbungskostenabzug nach der bis
2013 geltenden Rechtslage in Höhe der Verpflegungspauschalen
davon unberührt. Der geldwerte Vorteil musste jedoch im
Gegenzug beim Arbeitnehmer als Sachbezug versteuert werden. Diese
Rechtslage wurde mit der Reform des steuerlichen Reisekostenrechts
ab dem Veranlagungszeitraum 2014 grundlegend neu gestaltet. Steht
dem Arbeitnehmer dem Grunde nach der Werbungskostenabzug in Form
von Verpflegungspauschalen zu, so unterbleibt gemäß
§ 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nunmehr die Lohnversteuerung der
üblichen, nach § 8 Abs. 2 Satz 8 EStG zu bewertenden
Mahlzeiten. Im Gegenzug sind die Verpflegungspauschalen
gemäß § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG entsprechend zu
kürzen (Senatsurteil in BFHE 269, 550, BStBl II 2020, 783 =
SIS 20 16 74, Rz 18).
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Durch den Verzicht auf die Besteuerung des
geldwerten Vorteils einerseits bei gleichzeitiger Kürzung des
Werbungskostenabzugs andererseits wollte der Gesetzgeber
insbesondere die Arbeitgeber und die Finanzverwaltung im
Besteuerungsverfahren von Verwaltungsaufwand entlasten (BT-Drucks.
17/10774, S. 12 und 16; Senatsurteil in BFHE 269, 550, BStBl II
2020, 783 = SIS 20 16 74, Rz 19).
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Des Weiteren will § 9 Abs. 4a EStG den
Mehraufwand typisierend festlegen, der über das hinausgeht,
was ein Arbeitnehmer für seine Verpflegung ohnehin
während eines normalen Arbeitstags an der ersten
Tätigkeitsstätte bzw. bei einer beruflich veranlassten
doppelten Haushaltsführung aufwendet (BT-Drucks. 17/10774, S.
15). Denn die jedem Steuerpflichtigen täglich entstehenden
Aufwendungen für Verpflegung stellen steuerlich
grundsätzlich nicht abziehbare Kosten der Lebensführung
dar. Als Werbungskosten kommen nur die Mehraufwendungen für
die Verpflegung in Betracht (Senatsurteil in BFHE 269, 550, BStBl
II 2020, 783 = SIS 20 16 74, Rz 20), weil insoweit das private
Moment ausnahmsweise als steuerlich vernachlässigbar in den
Hintergrund tritt (HHR/Bergkemper, § 9 EStG Rz 564).
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Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer
Mahlzeiten zur Verfügung, konnte der Gesetzgeber typisierend
davon ausgehen, dass dem Arbeitnehmer insoweit für seine
Verpflegung keine Mehraufwendungen entstehen. Es ist daher nur
folgerichtig, in einem solchen Fall die ebenfalls im Wege der
Typisierung festgelegten Verpflegungspauschalen (anteilig) zu
kürzen, wie dies § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG anordnet
(Senatsurteil in BFHE 269, 550, BStBl II 2020, 783 = SIS 20 16 74,
Rz 21).
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Hieraus folgt aber nicht nur, dass es bei
typisierender Betrachtung auch in einem solchen Fall an einem
beruflich veranlassten Verpflegungsmehraufwand fehlt, wenn der
Arbeitnehmer - wie der Kläger an manchen Hafentagen - eine ihm
zur Verfügung gestellte Mahlzeit - aus welchen Gründen
auch immer - nicht einnimmt und sich anderweitig verpflegt (s.
Senatsurteil in BFHE 269, 550, BStBl II 2020, 783 = SIS 20 16 74,
Rz 21). Vielmehr bedingen sich der Verzicht auf die Versteuerung
des geldwerten Vorteils für eine dem Arbeitnehmer im
Zusammenhang mit einer Auswärtstätigkeit zur
Verfügung gestellte Mahlzeit einerseits und die (anteilige)
Kürzung der Verpflegungspauschalen im Rahmen des
Werbungskostenabzugs andererseits gegenseitig.
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bb) Mit § 9 Abs. 4a Satz 4 Halbsatz 1
EStG hat der Gesetzgeber zudem klargestellt, dass der
Werbungskostenabzug nicht auf Fälle beschränkt ist, in
denen der Arbeitnehmer - wie in § 9 Abs. 4a Satz 2 EStG
vorausgesetzt - „außerhalb seiner Wohnung und ersten
Tätigkeitsstätte beruflich tätig“ wird,
sondern eine auswärtige berufliche Tätigkeit auch dann
vorliegt, wenn der Arbeitnehmer nicht über eine erste
Tätigkeitsstätte nach neuem Reisekostenrecht
verfügt. Dementsprechend ist in der Gesetzesbegründung
allgemein von einer auswärtigen Tätigkeit die Rede
(BT-Drucks. 17/10774, S. 12 und 15 ff.).
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cc) Auch hat der Gesetzgeber bereits in §
9 Abs. 4a Satz 2 EStG festgelegt, dass der Werbungskostenabzug
einen tatsächlich entstandenen beruflich veranlassten
Mehraufwand voraussetzt. Nach den Ausführungen unter II.3.b aa
konnte der Gesetzgeber im Fall der Mahlzeitengestellung aber
typisierend davon ausgehen, dass dem
Arbeitnehmer insoweit für seine Verpflegung keine
Mehraufwendungen entstehen (s.a. Krüger, HFR 2021, 32).
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dd) Aus den vorstehenden Ausführungen
folgt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers mit der Neuregelung
des Reisekostenrechts - bei gleichzeitigem Verzicht auf die
Besteuerung des geldwerten Vorteils - der Werbungskostenabzug
für Verpflegungsmehraufwendungen im Falle der Gestellung von
Mahlzeiten durch den Arbeitgeber für jede Form der
auswärtigen beruflichen Tätigkeit entfallen sollte.
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ee) Die Auffassung des Klägers würde
zudem zu einer vom Gesetzgeber erkennbar nicht gewollten doppelten
Begünstigung von Arbeitnehmern ohne erste
Tätigkeitsstätte - und zwar durch eine unversteuert,
beitragsfrei gebliebene Mahlzeit einerseits und einem gleichwohl
bestehenden Werbungskostenabzug andererseits - und damit zugleich
zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer
mit erster Tätigkeitsstätte gegenüber solchen ohne
erste Tätigkeitsstätte führen.
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c) Danach waren die dem Kläger dem Grunde
nach zustehenden Verpflegungspauschalen wegen der ihm von seinem
Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Mahlzeiten
(Frühstück, Mittag- und Abendessen) gemäß
§ 9 Abs. 4a Satz 8 EStG um insgesamt 100 % auf 0 EUR zu
kürzen. Soweit dem Kläger an einzelnen Hafentagen vom
Arbeitgeber tatsächlich keine Mahlzeiten zur Verfügung
gestellt wurden, hat das FG folgerichtig von einer Kürzung
abgesehen und für diese Tage Verpflegungsmehraufwendungen
gewährt.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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