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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen
der Insolvenzschuldnerin B-AG (nachfolgend: B). Diese ist
Unternehmerin und Organträgerin einer umsatzsteuerrechtlichen
Organschaft. Sie erbringt im Rahmen ihres Unternehmens durch
verschiedene Organgesellschaften Postdienstleistungen. Während
der Jahre 2008 und 2009 (Streitjahre) führte sie durch ein
bundesweit strukturiertes Zustellnetz im Wesentlichen
Postzustellungsaufträge im Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland aus, die sie als umsatzsteuerfrei behandelte.
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Auf Antrag verschiedener Organgesellschaften
der B wurden die beantragten Entgelte für förmliche
Zustellungen in Höhe von 2,50 EUR bis 3,44 EUR (jeweils ohne
die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer) durch entsprechende
Beschlüsse der Bundesnetzagentur vom Mai 2006 bis Mai 2010
genehmigt.
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Anlässlich einer bei B
durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die
Zeiträume August 2008 bis Mai 2009 vertrat der Prüfer die
Ansicht, die Umsätze aus förmlichen Zustellungen seien
nicht von der Umsatzsteuer befreit. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) schloss sich dieser
Auffassung an und behandelte die Umsätze in geänderten
Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheiden für die Monate August
2008 bis Mai 2009 als steuerpflichtig. Die Einsprüche blieben
ohne Erfolg.
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Während des anschließenden
finanzgerichtlichen Klageverfahrens erließ das FA
Umsatzsteuerjahresbescheide für 2008 und 2009
(Streitjahre).
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Mit Beschluss des Amtsgerichts Y vom
06.07.2011 wurde über das Vermögen der B das
Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum
Insolvenzverwalter bestellt.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
seinem in EFG 2016, 330 = SIS 16 01 86 veröffentlichten Urteil
ab. B habe keinen Anspruch auf die begehrte Steuerbefreiung: Zum
einen seien die Voraussetzungen von § 4 Nr. 11b des
Umsatzsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung
(UStG a.F.) nicht erfüllt, da nach dieser Bestimmung nur die
unmittelbar dem Postwesen dienenden Umsätze der Deutschen Post
AG steuerfrei seien. Zum anderen komme auch keine unmittelbare
Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG
des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) in Betracht. Denn bei der
förmlichen Zustellung von Briefsendungen handele es sich nicht
um eine Universaldienstleistung i.S. dieser Regelung.
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Hiergegen richtet sich die Revision des
Klägers, der u.a. vorträgt, dass förmliche
Zustellungen in allen EU-Mitgliedstaaten - mit Ausnahme des
Königreichs Schweden - von der Umsatzsteuer befreit seien.
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Der Kläger beantragt, das Urteil des FG
Baden-Württemberg vom 17.08.2015 - 9 K 403/12 und die
Einspruchsentscheidung des FA vom 16.11.2010 aufzuheben und unter
Abänderung des Umsatzsteuerbescheides 2008 vom 04.02.2011 die
Umsatzsteuer auf ./. 80.765,62 EUR und unter Abänderung des
Umsatzsteuerbescheides 2009 vom 25.03.2011 die Umsatzsteuer auf ./.
609.643,53 EUR festzusetzen.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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Im Revisionsverfahren hat der erkennende Senat
mit Beschluss vom 31.05.2017 - V R
30/15 (BFHE 259, 453, BStBl II 2018, 240 = SIS 17 22 60) den Gerichtshof der Europäischen
Union (EuGH) um Vorabentscheidung zur Klärung folgender Fragen
zur Auslegung der MwStSystRL ersucht:
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„Ist ein Unternehmer, der die
förmliche Zustellung von Schriftstücken nach
öffentlich-rechtlichen Vorschriften durchführt, ein
‘Anbieter von Universaldienstleistungen’ im Sinne des
Art. 2 Nr. 13 der Richtlinie 97/67/EG vom 15.12.1997, der die
Leistungen des postalischen Universaldienstes ganz oder teilweise
erbringt, und sind diese Leistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a
der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem steuerfrei?“
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Hierauf hat der EuGH mit Urteil Winterhoff
u.a. vom 16.10.2019 - C-4/18 und C-5/18 (EU:C:2019:860) wie folgt
geantwortet:
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„Art. 2 Nr. 13 und Art. 3 der Richtlinie
97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
15.12.1997 über gemeinsame Vorschriften für die
Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und
die Verbesserung der Dienstequalität in der durch die
Richtlinie 2008/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 20.02.2008 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass
Anbieter von Briefzustelldienstleistungen wie die in den
Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die in ihrer Eigenschaft als
Inhaber einer nationalen Lizenz, die ihnen die Erbringung dieser
Dienstleistung gestattet, verpflichtet sind, förmliche
Zustellungen von Schriftstücken von Gerichten oder
Verwaltungsbehörden nach Vorschriften des nationalen Rechts
durchzuführen, als ‘Universaldiensteanbieter’ im
Sinne dieser Bestimmungen anzusehen sind, so dass solche
förmlichen Zustellungen als von ‘öffentlichen
Posteinrichtungen’ erbrachte Dienstleistungen nach Art. 132
Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom
28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem von der
Umsatzsteuer zu befreien sind.“
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Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu
Stellung zu nehmen.
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II. Die
Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der
Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die streitbefangenen
Leistungen der B sind steuerfrei. B kann sich unmittelbar auf Art.
132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL berufen.
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1. Die von B
erbrachten Leistungen sind nicht schon nach § 4 Nr. 11b UStG
i.d.F. der Streitjahre befreit. Befreit diese Vorschrift nur
Umsätze der Deutschen Post AG, so erfüllt B ersichtlich
nicht diese personenbezogene Voraussetzung des
Steuerbefreiungstatbestandes.
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2. Der
Kläger kann sich als Insolvenzverwalter über das
Vermögen von B aber unmittelbar auf die Steuerbefreiung in
Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL berufen. Danach befreien die
Mitgliedstaaten von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte
Dienstleistungen und dazugehörende Lieferungen von
Gegenständen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und
Telekommunikationsdienstleistungen. Nach dem Urteil des EuGH
Winterhoff u.a. (EU:C:2019:860) ist B
„Universaldiensteanbieter“ i.S. der Art. 2 Nr. 13 und
Art. 3 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 15.12.1997 über gemeinsame Vorschriften für
die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft
und die Verbesserung der Dienstequalität in der durch die
Richtlinie 2008/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 20.02.2008 geänderten Fassung mit der Folge, dass die von
B ausgeführten förmlichen Zustellungen als von
„öffentlichen Posteinrichtungen“ erbrachte
Dienstleistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL von der
Umsatzsteuer zu befreien sind. Dem schließt sich der Senat
an.
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3. Da die
Vorentscheidung diesen Maßstäben nicht entspricht, ist
sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Da die von B
ausgeführten Postzustellungsaufträge steuerfrei sind, ist
die Umsatzsteuer der Streitjahre antragsgemäß
herabzusetzen.
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4. Die
Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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