Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 23.10.2014 - 6 K 1465/12
aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu
tragen.
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) erbringt für ihren Auftraggeber, eine Bank,
auf vertraglicher Grundlage Leistungen beim Betrieb von
Geldausgabeautomaten.
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Die Klägerin stellte
funktionsfähige Geldausgabeautomaten mit Soft- und Hardware,
die mit dem Logo der Bank versehen waren, an den vorgesehenen
Standorten auf und war für den ordnungsgemäßen
Betrieb verantwortlich. Die Klägerin transportierte das ihr
von der Bank zur Verfügung gestellte Bargeld zu den
Geldausgabeautomaten und übernahm die Bargeldbefüllung
der Geldausgabeautomaten. Sie installierte und pflegte die für
den ordnungsgemäßen Betrieb der Geldausgabeautomaten
notwendige Software. Sie beriet zum laufenden
Geldausgabeautomaten-Betrieb.
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Benutzte ein Kunde den Geldausgabeautomat
mit seiner Geldkarte zum Geldabheben, wurden bestimmte Daten von
dieser Karte mittels einer speziellen Software gelesen. Die
Klägerin prüfte diese Daten und versandte auf
elektronischem Weg eine Autorisierungsnachricht über die vom
Karteninhaber gewünschte Transaktion an den Bankverlag. Der
Bankverlag leitete die Autorisierungsanfrage weiter an den
betroffenen Bankenverbund, dieser dann an die Bank, die dem Kunden
die Geldkarte ausgegeben hatte. Die kartenherausgebende Bank
prüfte die Deckung des Kontos des Kunden und leitete eine
entsprechende Genehmigung oder Ablehnung der Anfrage über
dieselbe Kette zurück. Die Klägerin erhielt daraufhin
innerhalb von Sekunden von dem Bankverlag das Ergebnis der
Genehmigungsanfrage. Nach Erhalt dieser Nachricht generierte die
Klägerin einen Datensatz über die Geldausgabe und
führte im Genehmigungsfall die Geldausgabe am Geldautomaten
durch. Im Auszahlungsfall erzeugte die Klägerin zudem einen
Datensatz über die Geldausgabe. Den Datensatz übersandte
die Klägerin an ihren Auftraggeber, die Bank, als
Buchungsinstruktion. Diese Bank spielte die Datensätze
unverändert in das System der Deutschen Bundesbank (BBK) ein.
Ein von der Klägerin zudem generierter unveränderbarer
(Tages-)Datenträger enthielt alle Transaktionen des jeweiligen
Tages und wurde bei der BBK eingereicht. Die
„Einspielung“ in das System der BBK erfolgte durch die
Bank selbst, da nur Banken Zahlungsverkehrskonten bei der BBK
unterhalten können. Aufgrund dieser Einspielung wurden der
Erstattungsanspruch des Auftraggebers der Klägerin, der Bank,
gegenüber der jeweiligen Bank des Geldautomatenbenutzers auf
Erstattung des ausgezahlten Geldbetrages sowie die hierfür
angefallenen Gebühren rechtlich bindend festgeschrieben. Mit
der Einspielung der Daten wurde darüber hinaus unmittelbar die
Verrechnung über die Auszahlung zuzüglich evtl.
anfallender Nutzungsgebühren des Geldautomaten zwischen dem
Auftraggeber der Klägerin, der Bank, und der die Karten
herausgebenden Bank des Kunden gebucht.
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Die Klägerin, die ihre Leistungen
zunächst als steuerpflichtig angesehen hatte, reichte am
7.2.2007 eine geänderte Umsatzsteuerjahreserklärung
für das Streitjahr 2005 ein und beantragte eine Änderung
der bestehenden Steuerfestsetzung nach § 164 der
Abgabenordnung. Sie machte geltend, dass ihre Leistungen steuerfrei
seien.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) folgte dem nicht und lehnte den Antrag ab. Der
Einspruch hatte keinen Erfolg.
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Demgegenüber gab das Finanzgericht
(FG) der Klage mit seinem in EFG 2015, 588 = SIS 15 02 57
veröffentlichten Urteil statt.
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Hiergegen wendet sich das FA mit der
Revision. Die Leistungen der Klägerin seien
steuerpflichtig.
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Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Ihre Leistungen seien steuerfrei.
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Im Revisionsverfahren hat der erkennende
Senat das Verfahren im Hinblick auf die beim Gerichtshof der
Europäischen Union (EuGH) anhängige Rechtssache Bookit
vom 26.5.2016 - C-607/14 (EU:C:2016:355) entsprechend § 74 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt und das Verfahren nach dem
Ergehen des EuGH-Urteils in dieser Rechtssache
wiederaufgenommen.
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Im Anschluss hieran hat der erkennende
Senat im Streitfall ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur
Beantwortung folgender Frage gerichtet (Beschluss des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28.09.2017 - V R 6/15, BFHE 259, 562,
BStBl II 2018, 250 = SIS 17 24 66):
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Sind technische und administrative
Schritte, die ein Dienstleistungserbringer für eine einen
Geldautomaten betreibende Bank und deren Bargeldauszahlungen mit
Geldautomaten erbringt, nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der
Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei, wenn gleichartige technische und
administrative Schritte, die ein Dienstleistungserbringer für
Kartenzahlungen beim Verkauf von Kinokarten erbringt,
gemäß dem EuGH-Urteil Bookit (EU:C:2016:355) nach dieser
Bestimmung nicht steuerfrei sind?
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Hierauf hat der EuGH wie folgt geantwortet
(EuGH-Urteil Cardpoint vom 3.10.2019 - C-42/18 = SIS 19 15 27,
EU:C:2019:822):
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Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten
Richtlinie 77/388/EWG … ist dahin auszulegen, dass kein von
der Mehrwertsteuer befreiter Umsatz im Zahlungsverkehr i.S. dieser
Vorschrift vorliegt, wenn für eine Bank, die
Geldausgabeautomaten betreibt, Dienstleistungen erbracht werden,
die darin bestehen, diese Automaten aufzustellen und zu warten, sie
mit Bargeld zu befüllen und mit Hard- und Software zum
Einlesen der Geldkartendaten auszustatten, Autorisierungsanfragen
wegen Bargeldabhebungen an die Bank weiterzuleiten, die die
verwendete Geldkarte ausgegeben hat, die gewünschte
Bargeldauszahlung vorzunehmen und einen Datensatz über die
Auszahlungen zu generieren.
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Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu
Stellung zu nehmen.
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II. Die Revision des FA ist begründet.
Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§
126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG hat zu Unrecht die
Steuerfreiheit der durch die Klägerin erbrachten Leistungen
nach § 4 Nr. 8 Buchst. d des Umsatzsteuergesetzes (UStG)
bejaht.
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1. Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 8 Buchst.
d UStG die Umsätze „im Zahlungs- und
Überweisungsverkehr“. Die Vorschrift setzt Art. 13
Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG, der gleichfalls
Umsätze „im Zahlungs- und
Überweisungsverkehr“ von der Steuer befreit, in
nationales Recht um und ist entsprechend dieser Bestimmung
richtlinienkonform auszulegen.
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Nach dem EuGH-Urteil Cardpoint (EU:C:2019:822)
liegt kein steuerfreier Umsatz i.S. dieser Bestimmung vor, wenn
für eine Bank, die Geldausgabeautomaten betreibt,
Dienstleistungen erbracht werden, die darin bestehen, diese
Automaten aufzustellen und zu warten, sie mit Bargeld zu
befüllen und mit Hard- und Software zum Einlesen der
Geldkartendaten auszustatten, Autorisierungsanfragen wegen
Bargeldabhebungen an die Bank weiterzuleiten, die die verwendete
Geldkarte ausgegeben hat, die gewünschte Bargeldauszahlung
vorzunehmen und einen Datensatz über die Auszahlungen zu
generieren.
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2. Der erkennende Senat schließt sich im
Streitfall der Beurteilung durch den EuGH an. Der Begriff des
Zahlungsverkehrs in § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG entspricht dem
des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG in
seiner Auslegung durch den EuGH.
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Danach sind die Leistungen der Klägerin
steuerpflichtig. Die von ihr erbrachten Dienstleistungen sind nicht
geeignet, die erforderlichen rechtlichen und finanziellen
Änderungen herbeizuführen (EuGH-Urteil Cardpoint,
EU:C:2019:822, Rz 26). Allein die den Geldausgabeautomaten
betreibende Bank spielte die Datensätze in das System der BBK
ein (EuGH-Urteil Cardpoint, EU:C:2019:822, Rz 27). Auf eine
Unverzichtbarkeit der von der Klägerin erbrachten Leistung
kommt es nicht an (EuGH-Urteil Cardpoint, EU:C:2019:822, Rz 28).
Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Gegenleistung und damit der
Bemessungsgrundlage bestehen nicht (vgl. EuGH-Urteil Cardpoint,
EU:C:2019:822, Rz 29).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
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