Auf die Revision der Kläger wird das
Urteil des Finanzgerichts München, Außensenate Augsburg,
vom 19.4.2016 6 K 1471/14 aufgehoben.
Der Einkommensteuerbescheid für 2011 vom
11.9.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.4.2014 wird
dahingehend geändert, dass die sonstigen Einkünfte des
Klägers um 83.857 EUR reduziert werden.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten
übertragen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
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I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) wurden im Streitjahr 2011 als Eheleute zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war bis zum Streitjahr
als sog. Generalagent (GA) für die ... Versicherung AG (V)
tätig. Die zum Konzern der V gehörende ... Leben (L)
zahlte dem Kläger am 1.7.2011 drei Kapitallebensversicherungen
in Höhe von insgesamt ... EUR aus. Diesen auf das Leben des
Klägers abgeschlossenen Verträgen lagen die
„Richtlinien für die Versorgung der hauptberuflichen
Ausschließlichkeitsvertreter“ (GA-Versorgung)
zugrunde.
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Die GA-Versorgung der V besteht aus drei
Stufen. Stufe 1 beinhaltet einen Kapitallebensversicherungsvertrag,
der im fünften Beschäftigungsjahr des GA bei der V endet.
Anschließend schließen der GA und V im Rahmen der Stufe
2 zwei weitere Kapitallebensversicherungsverträge ab. Der
erste Vertrag umfasst als sog. Grundversicherung u.a. einen
Todesfallschutz mit einer Versicherungssumme in Höhe von ...
DM gegen gleichbleibende Beiträge. Im zweiten
Versicherungsvertrag vereinbaren die Vertragsparteien eine sog.
Aufbauversicherung gegen „laufenden Einmalbeitrag in
variabler Höhe“. Der jährliche Beitrag, der
für diese Aufbauversicherung zu zahlen ist, beträgt je
nach Betriebszugehörigkeit 5 % bis 10 % des durchschnittlichen
Bestandszuwachses in den vorangegangenen fünf Kalenderjahren.
Der Bestandszuwachs wird aus den Beiträgen sämtlicher von
der V beim Inkrafttreten der GA-Versorgung betriebenen
Versicherungssparten, mit Ausnahme der Lebens- und
Krankenversicherungsverträge, berechnet (Punkt II.3 der
GA-Versorgung). In Abhängigkeit von dieser Beitragsanpassung
erhöht sich die Versicherungssumme der Aufbauversicherung.
Sämtliche Beiträge für die (beiden)
Kapitallebensversicherungen der Stufe 2 zahlt die V. Zur Abwicklung
der GA-Versorgung schließt die V einen
Gruppenversicherungsvertrag mit der L ab.
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Die Stufe 3 umfasst eine weitere
Aufbauversicherung. Die Bedingungen dieses Versicherungsvertrags
entsprechen denen des Aufbauversicherungsvertrags der Stufe 2.
Jedoch muss der GA die Beiträge zur Hälfte aufbringen.
Die andere Hälfte zahlt die V (Punkt II.4 der
GA-Versorgung).
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Der Kläger vereinbarte die
GA-Versorgung der Stufe 2 mit V am 1.7.1982. Daneben schloss er am
1.7.1987 mit V die Vereinbarung über eine (weitere)
Aufbauversicherung im Rahmen der Stufe 3 der GA-Versorgung ab.
Während der Versicherungsdauer bis zum 1.7.2011 stieg die
Versicherungssumme der Aufbauversicherung der Stufe 2 von
ursprünglich ... DM auf ... EUR und für die
Aufbauversicherung der Stufe 3 von einer Versicherungssumme in
Höhe von ... DM auf ... EUR. L stellte der V bei jeder
Beitragszahlung einen Nachtrag zum Versicherungsschein aus.
Für den Kläger wurden in den Jahren 1982 bis 2000 sowie
in den Jahren 2004 bis 2006 Beiträge in die Aufbauversicherung
der Stufe 2 und in den Jahren 1987 bis 2000 sowie in den Jahren
2004 bis 2006 in die Aufbauversicherung der Stufe 3 wie vereinbart
gezahlt.
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In Höhe des Kapitalwertes der von V
finanzierten Versicherungsleistungen sieht Punkt VI. der
GA-Versorgung vor, dass aus Gründen der Billigkeit kein
Ausgleichsanspruch des GA nach § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des
Handelsgesetzbuches (HGB) entsteht. Den Unterschiedsbeitrag dieses
Kapitalwertes zum Ausgleichsanspruch des GA hatte V jedoch
auszugleichen.
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Bei Vertragsende am 1.7.2011 überwies
die L dem Kläger aufgrund des Aufbauversicherungsvertrags der
Stufe 2 einen Betrag von ... EUR, wovon sie ... EUR als
einkommensteuerpflichtig behandelte. In Bezug auf die
Aufbauversicherung der Stufe 3 sah die L einen Betrag in Höhe
von ... EUR des Gesamtbetrags von ... EUR als steuerpflichtig an.
Diese Beträge teilte L der Deutschen Rentenversicherung Bund
(Zentrale Stelle für Altersvorsorge) als Leistungen nach
§ 22 Nr. 5 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der im
Streitjahr geltenden Fassung (EStG) mit. Sie begründete ihre
Ansicht damit, dass weder die Erhöhungen der Beiträge
noch der Versicherungssummen bei Vertragsschluss vereinbart gewesen
seien und somit aus ihrer Sicht nicht als laufende
Beitragszahlungen angesehen werden könnten. Deshalb seien die
ausgezahlten Lebensversicherungssummen teilweise
steuerpflichtig.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) folgte dem und setzte die entsprechenden
Beträge als sonstige Einkünfte des Klägers
an.
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Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das
Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (EFG 2017, 135 = SIS 16 26 80).
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Die Kläger machen mit der Revision die
Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Leistungen der
Direktversicherungen seien nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG
2004 steuerbefreit. Bereits in den Versicherungsverträgen sei
die Änderungsmöglichkeit hinsichtlich der Höhe der
Versicherungsprämie angelegt gewesen. Diese Änderung habe
nicht zu einem Neuabschluss von Versicherungsverträgen
geführt, weshalb auch die Versicherungsnummern beibehalten
worden seien.
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Die Kläger beantragen
sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid 2011 vom 11.9.2012 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 30.4.2014 dahingehend zu ändern,
dass die sonstigen Einkünfte um ... EUR gemindert
werden.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Vorliegend seien Einmalbeiträge
gezahlt worden. Diese Beiträge seien zum einen
betragsmäßig ungewiss und hinsichtlich der Pflicht zur
Zahlung auch nicht zwingend gewesen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des FG-Urteils (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ) und zur Neufestsetzung
der Einkommensteuer.
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Die Zahlungen aus den beiden
Aufbauversicherungen sind nach § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. b
EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 steuerfrei
(unter 1.). Sie gehören nicht zu den Einkünften aus
Gewerbebetrieb, auch wenn sie mit dem Ausgleichsanspruch nach
§ 89b Abs. 1 HGB verrechnet wurden (unter 2.).
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1. Gemäß § 22 Nr. 5 Satz 2
Buchst. b Halbsatz 2 EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG
2004 sind die Zahlungen der L an den Kläger steuerfrei.
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a) Die Zahlungen aus den beiden
Aufbauversicherungen sind Leistungen aus Direktversicherungen und
damit nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG steuerbar.
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aa) § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG erfasst die
Leistungen der sog. externen Altersversorgung, zu denen auch die
Direktversicherung gehört. Was eine Direktversicherung ist,
ergibt sich aus § 1b Abs. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der
betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz - BetrAVG - ).
Danach liegt eine Direktversicherung vor, wenn für die
betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben
des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen worden ist,
und wenn der Versicherte oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich
der Leistungen des Versicherers ganz oder teilweise
bezugsberechtigt sind. Eine Direktversicherung liegt nach § 17
Abs. 1 Satz 2 BetrAVG auch vor, wenn die Versicherungsleistungen
selbständig tätigen Personen, z.B. Handelsvertretern, aus
Anlass ihrer Tätigkeit für das Unternehmen zugesagt
werden (so auch Stuhrmann in Bordewin/Brandt, § 4b EStG Rz
4).
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bb) Im Streitfall hat die V auf das Leben des
Klägers als selbständig tätigen
Versicherungsvertreter solche Direktversicherungen abgeschlossen.
Davon gehen übereinstimmend auch die Beteiligten aus.
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b) Da die Beiträge nicht auf den in
§ 22 Nr. 5 Satz 2 EStG abschließend aufgezählten
geförderten Beiträgen beruhen, ist auf die Leistungen der
streitgegenständlichen Aufbauversicherungen, bei denen es sich
nicht um Renten i.S. des § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. a EStG
(Berufsunfähigkeits-, Erwerbsminderungs- und
Hinterbliebenenrenten) handelt, § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der
jeweils für den Vertrag geltenden Fassung entsprechend
anzuwenden (§ 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. b EStG).
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Die Auszahlungsbeträge aus den
Direktversicherungsverträgen bleiben, da sie auf laufenden
Beiträgen für eine Kapitallebensversicherung nach §
10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd EStG 2004 beruhen, nach
§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 i.V.m. § 52 Abs. 36
Satz 5 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (heute § 52
Abs. 28 Satz 5 EStG) steuerfrei.
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aa) Zinsen aus Sparanteilen, die in den
Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall
enthalten sind, sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG 2004
i.V.m. § 52 Abs. 36 EStG zwar grundsätzlich
steuerpflichtig. Denn für Kapitalerträge aus
Versicherungsverträgen, die vor dem 1.1.2005 abgeschlossen
worden sind, ist § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 weiterhin
anzuwenden. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt diese Steuerpflicht
aber nicht für Zinsen aus Versicherungen i.S. des § 10
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004, die mit Beiträgen verrechnet
oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des
Vertrags nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem
Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Zu den Versicherungen nach
§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 gehören nach
Doppelbuchst. dd auch Kapitalversicherungen gegen laufende
Beitragsleistung mit Sparanteil, wenn der Vertrag für die
Dauer von mindestens zwölf Jahren abgeschlossen worden ist
(vgl. nur das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27.9.2016
VIII R 66/13, BFHE 256, 214, BStBl II 2017, 626 = SIS 17 04 07, Rz
28).
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bb) Laufende Beitragsleistungen in diesem
Sinne sind von Einmalbeiträgen abzugrenzen. § 10 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 unterscheidet im Hinblick auf die
begünstigten Versicherungen ausdrücklich zwischen
solchen, bei denen Einmalbeiträge möglich sind und
solchen, bei denen sie ausdrücklich nicht vorgesehen sind,
weil „laufende Beitragsleistungen“ verlangt
werden. Dies ist Folge der durch das Einkommensteuerreformgesetz
vom 5.8.1974 (BGBl I 1974, 1769) vorgenommenen Einschränkung
der Förderung von Beiträgen zu Versicherungen auf den
Erlebens- oder Todesfall. Im Vordergrund soll der Vorsorgezweck und
nicht die bloße Vermögensbildung stehen. Folglich
führte der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung
(BTDrucks 7/1470, 287) ausdrücklich aus, die in § 10 Abs.
1 Nr. 2 Buchst. b EStG a.F. vorgenommene abschließende
Aufzählung führe dazu, dass bei den folgenden
Versicherungen mangels Vorsorgezwecks die Begünstigung
ausscheide:
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Versicherungen gegen einmalige
Beitragsleistung mit Ausnahme von Rentenversicherungen ohne
Kapitalwahlrecht,
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Kapitalversicherungen gegen laufende
Beitragsleistungen, die Sparanteile enthalten, mit einer
Vertragsdauer von weniger als zwölf Jahren,
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Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht
gegen laufende Beitragsleistungen, bei denen das Kapitalwahlrecht
vor Ablauf von zwölf Jahren nach Vertragsabschluss
ausgeübt werden kann.
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Im Umkehrschluss zeigt diese Aufzählung,
dass Kapitallebensversicherungen, die nicht nur einmalige
Beitragsleistungen verlangen und deren Vertragsdauer wenigstens
zwölf Jahre beträgt, dem Versorgungszweck dienen sollen
und folglich steuerlich zu fördern sind. Auf einen bestimmten
Beitragszahlungszeitraum stellt das Gesetz dabei nicht ab (vgl.
insoweit auch Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG,
§ 10 Rz E 78). Die Zahlungen müssen hiernach weder in
regelmäßigen Zeitabständen getätigt werden
noch betragsmäßig gleichmäßig sein.
Allerdings dürfen die Zahlungen wirtschaftlich betrachtet
nicht Beitragsleistungen gegen Einmalzahlungen gleichkommen (so
auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 22.8.2002 IV
C 4 -S 2221– 211/02, BStBl I 2002, 827 = SIS 02 93 57, Rz
12).
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cc) Im Streitfall ist der Wortlaut der
Vereinbarung zur GA-Versorgung hinsichtlich der Art der Zahlungen
nicht eindeutig. Zwar scheint er, wenn er hinsichtlich der
Aufbauversicherung von einem „laufenden Einmalbeitrag in
variabler Höhe“ (II.3 der GA-Versorgung) spricht,
eine Vielzahl von Einmalbeiträgen und eben keine laufenden
Beitragsleistungen zu meinen. Doch lässt die Erweiterung des
Begriffs des Einmalbeitrags auf einen laufenden Betrag in variabler
Höhe auch den Schluss zu, es seien gerade keine (typischen)
Einmalbeiträge vereinbart worden.
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dd) Entscheidendes Gewicht kommt deshalb der
tatsächlichen Art und Weise der Beitragsberechnung und
-zahlung zu. Tatsächlich sind die Versicherungsbeiträge
mehrfach und auch laufend geleistet worden. Im Zeitraum von 29
Jahren sind in die Aufbauversicherung der Stufe 2 insgesamt 22
Beiträge und im Zeitraum von 24 Jahren in die
Aufbauversicherung der Stufe 3 insgesamt 17 Beiträge
eingezahlt worden. Lediglich in sieben Jahren sind in beiden
Versicherungen keine Beiträge entrichtet worden. Solche
laufenden Beitragszahlungen sind einer Kapitallebensversicherung
gegen Einmalbeitrag fremd. Schließlich wird bei der
Vereinbarung einer Einmalprämie die Prämie für die
gesamte Laufzeit der Lebensversicherung in einer Summe entrichtet
(Winter in Bruck/Möller, Versicherungsvertragsgesetz, 9.
Aufl., Band 8/1 Lebensversicherung, § 152 Rz 20).
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ee) Auch die sonstigen
Beitragsmodalitäten sprechen dafür, dass die
Vertragsparteien hier nicht eine Vielzahl von Einmalzahlungen,
sondern laufende Beiträge, in der Höhe variabel,
vereinbart hatten. Dabei stand von Anfang an die Berechnungsweise
der Beiträge fest. Es ist nicht erkennbar, dass jede
Neuberechnung zum Abschluss eines neuen Versicherungsvertrags
(Novation) führen sollte. Vielmehr erhielt der Kläger -
wie auch ein Arbeitnehmer, für den einkommensabhängige
Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet werden
- die Möglichkeit, seine Altersversorgung entsprechend seinem
wirtschaftlichen Erfolg aufzubauen.
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ff) Die Mindestvertragsdauer von zwölf
Jahren wurde eingehalten.
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(1) Werden Versicherungsverträge vor
Ablauf der Zwölfjahresfrist geändert, so ist die Frage,
ob sie nach Inhalt und wirtschaftlichem Gehalt unverändert
geblieben sind oder ob aufgrund der Änderungen
Neuverträge vorliegen, im Wesentlichen nach den den Vertrag
prägenden Merkmalen, nämlich Laufzeit,
Versicherungssumme, Versicherungsprämie und
Prämienzahlungsdauer zu beurteilen (ständige
Rechtsprechung, BFH-Urteil in BFHE 256, 214, BStBl II 2017, 626 =
SIS 17 04 07, Rz 29, m.w.N.). Danach liegt ein neuer Vertrag - mit
der Folge einer ab dem Änderungszeitpunkt neu laufenden
Zwölfjahresfrist i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG
2004 - vor, wenn der zuvor abgeschlossene Versicherungsvertrag u.a.
hinsichtlich der Merkmale Laufzeit, Versicherungssumme,
Versicherungsprämie und Prämienzahlungsdauer
nachträglich geändert wird, ohne dass eine solche
Vertragsänderung von vornherein vertraglich vereinbart war,
oder dass einem Vertragspartner bereits im ursprünglichen
Vertrag eine Option auf eine Änderung der Vertragsbestandteile
eingeräumt worden ist (BFH-Urteil vom 6.7.2005 VIII R 71/04,
BFHE 210, 326, BStBl II 2006, 53 = SIS 05 41 71, unter II.1.b).
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(2) Aufgrund der bereits bei Vertragsschluss
zwischen dem Kläger und V feststehenden Berechnungsmethode war
in allen Jahren für die Beteiligten klar, wie die
Beitragshöhe zu ermitteln war. Dabei konnte es zwar dazu
kommen, dass in einzelnen Jahren, wie geschehen, keine
Beiträge in die Direktversicherungen zu leisten waren; doch
führte dies nicht dazu, dass die Beitragsverpflichtung an sich
entfiel. Vielmehr war die Beitragsleistung vom
„anrechenbaren Beitragszuwachs“ abhängig
und folglich für beide Vertragsparteien bindend, wie und wann
die Beiträge zu leisten waren. Die Prämien für die
Direktversicherungen entsprachen - wirtschaftlich betrachtet -
variablen gewinn- oder umsatzabhängigen Beiträgen und
waren grundsätzlich jedes Jahr und folglich laufend zu
zahlen.
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(3) Diese variablen Beiträge hatten zwar
zur Folge, dass sich die Versicherungssumme änderte. Doch
blieb der wirtschaftliche Gehalt der beiden ursprünglichen
Versicherungsverträge unverändert, ebenso wie die
(Ursprungs-)Laufzeit und die Prämienzahlungsdauer gleich
blieben. Auch deshalb wurde bei beiden Aufbauversicherungen die
Mindestvertragsdauer von zwölf Jahren eingehalten.
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gg) Die gewählte Vertragsgestaltung und
in Folge dessen die Erhöhung der Versicherungsbeiträge
wie der Versicherungssumme dienten im Übrigen erkennbar
ausschließlich der Verbesserung der vereinbarten Vorsorge und
sicherten in der gewählten Form die Altersvorsorge des
Klägers ab, wie es § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004
bezweckte. Dem Vorsorgecharakter entsprechend ist deshalb in IV.
der GA-Versorgung vereinbart worden, dass ein unwiderrufliches
Bezugsrecht erst entstehen könne, wenn der GA das 35.
Lebensjahr vollendet habe und entweder die Aufnahme in die
Versorgung mindestens zehn Jahre zurückliege oder der
Agenturvertrag seit mindestens zwölf Jahren bestehe und die
Aufnahme in die Versorgung vor mindestens drei Jahren erfolgt sei.
Auch seien die Überschussanteile aus den Kapitalversicherungen
zur Erhöhung der Versorgungsleistungen zu verwenden. Dem GA
stehe erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres eine Auszahlung des
Rückkaufswertes zu (V.4 der GA-Versorgung).
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hh) Versicherungsvertragsrechtlich sind die
beiden Aufbauversicherungen ebenfalls als
Kapitallebensversicherungen gegen laufende Prämien anzusehen.
Als sog. Anpassungsversicherungen dienten sie nämlich
vorrangig dazu, ohne erneute Gesundheitsprüfungen
jährlich die Prämie und damit die Versicherungssummen zu
erhöhen. In der hier vorliegenden Variante des
Prämienprimats wird dabei in Folge der Erhöhung der
Versicherungsprämie die Versicherungssumme angepasst (vgl.
hierzu Winter in Bruck/Möller, Versicherungsvertragsgesetz, 8.
Aufl., Band 5, Zweiter Halbband Anm. E 76). Diese besondere
Ausgestaltung von Anpassungsversicherungen findet sich insbesondere
bei Gruppenversicherungen - eingeführt im Jahr 1981 -, bei
denen stufenweise die Versicherungssummen gegen laufende
Prämien in variabler Höhe aufgebaut werden. Zwar sind sie
versicherungstechnisch als eine Aneinanderreihung von
Einmalprämien konzipiert, bei der die Prämien und die
Versicherungssumme nach objektiven Kriterien wie z.B. der Höhe
des Gehalts bestimmt werden, werden aber
versicherungsvertragsrechtlich nicht als Einmalprämien,
sondern als (laufende) Folgeprämien angesehen (Winter in
Bruck/Möller, a.a.O., 8. Aufl., Band 5, Zweiter Halbband Anm.
E 79 und auch E 7).
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2. In Höhe dieser (steuerfreien)
Ansprüche des Klägers aus den beiden Aufbauversicherungen
der Stufen 2 und 3 liegen auch keine Einkünfte aus
Gewerbebetrieb i.S. des § 15 EStG vor, obwohl der Kläger
und die V in beiden Versicherungsverträgen eine Anrechnung in
Höhe der Kapitalwerte der von V finanzierten
Versicherungsleistungen auf den Ausgleichsanspruch nach § 89b
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB vereinbart hatten. Insoweit verweist der
Senat auf die Ausführungen im BFH-Urteil vom 8.12.2016 III R
41/14 (BFHE 256, 476, BStBl II 2017, 630 = SIS 17 06 49). Ein
darüber hinausgehender und deshalb als Einkünfte aus
Gewerbebetrieb zu erfassender Unterschiedsbetrag ist nicht
gegeben.
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3. Die Berechnung der festzusetzenden Steuer
wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2, § 121
Satz 1 FGO).
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus
§ 135 Abs. 1 FGO.
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