Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Sächsischen Finanzgerichts vom 3.3.2016 8 K 942/15 wird
als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu
tragen.
1
|
I. Streitig ist, ob der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) in den Streitjahren (2009 und
2010) durch den Aufbau eines Strukturvertriebes an die I-AG
steuerfreie Umsätze als Versicherungsmakler ausgeführt
hat oder ob seine Umsätze steuerpflichtig sind.
|
|
|
2
|
Die I-AG zahlte an den Kläger zwischen
September 2009 und Juni 2010 insgesamt 221.400 EUR, davon 90.000
EUR im Streitjahr 2009 und 131.400 EUR im Streitjahr 2010. Er war
von der I-AG als „Strukturoberer“ in deren
Strukturvertrieb eingeschaltet und verpflichtet, die
Unterstrukturen aufzubauen. Zu diesem Zweck organisierte er
Werbeveranstaltungen, trat als Referent auf und warb ca. 40 Makler
an. Die Entgeltzahlungen wurden eingestellt, nachdem der
Strukturaufbau seitens der I-AG beendet worden war.
|
|
|
3
|
Am 27.9.2009 schlossen der Kläger und
seine Ehefrau jeweils einen Vertrag über eine fondsgebundene
Rentenversicherung mit dem ausländischen
Versicherungsunternehmen UL. Der monatliche Beitrag belief sich auf
je 3.000 EUR, die Gesamtbeitragssumme bei einer vereinbarten
Laufzeit bis zum Rentenbeginn von 45 Jahren auf je 1.620.000 EUR.
Am selben Tage schlossen der Kläger und seine Ehefrau mit
einem anderen ausländischen Versicherungsunternehmen, der CL,
jeweils einen weiteren fondsgebundenen Rentenversicherungsvertrag
mit monatlichen Beiträgen von je 2.000 EUR und Laufzeiten von
35 Jahren. Versicherte Person war hinsichtlich der vom Kläger
abgeschlossenen Verträge eine im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses 17-jährige Schülerin, hinsichtlich der
von der Ehefrau des Klägers abgeschlossenen Verträge
deren damals 29-jähriger Sohn aus erster Ehe. Als Vermittler
aller Verträge trat ein Vertriebsdirektor der I-AG auf. Durch
schriftliche Erklärungen vom 13.1.2010 traten der Kläger
und seine Ehefrau alle Ansprüche aus den abgeschlossenen
Versicherungen an die I-AG ab.
|
|
|
4
|
Der Kläger leistete zwischen November
2009 und August 2010 insgesamt 100.000 EUR an Beiträgen auf
die genannten Versicherungen, davon 20.000 EUR im Jahr 2009 und
80.000 EUR im Jahr 2010. In der Folgezeit stellte der Kläger
die Beitragszahlung ein. Die Versicherungsverträge wurden
storniert; die Versicherungsunternehmen belasteten die der I-AG
bereits ausgezahlten Provisionen zurück. Die
Rückkaufswerte wurden der I-AG ausgezahlt. Im Jahr 2011
verklagte die I-AG den Kläger auf Rückzahlung von
Provisionen in Höhe von 137.936 EUR. Nachdem das Landgericht
der Klage erstinstanzlich stattgegeben hatte, wies das
Oberlandesgericht die Klage im Jahr 2013 ab. Es stellte fest, die
Zahlungen der I-AG an den Kläger hätten dem Aufbau eines
Strukturvertriebes dienen und die I-AG habe sie über die ihr
zufließenden Abschlussprovisionen refinanzieren
sollen.
|
|
|
5
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) vertrat im Anschluss an eine beim Kläger
durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung die Auffassung,
dass der Kläger durch den Aufbau eines Strukturvertriebes
umsatzsteuerpflichtige Leistungen an die I-AG ausgeführt habe
und unterwarf diese der Umsatzsteuer.
|
|
|
6
|
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Mit Beschluss vom 27.5.2015 V B 31/15 (BFH/NV 2015, 1274 = SIS 15 16 77) hat der erkennende Senat das Urteil des Finanzgerichts (FG)
vom 24.9.2014 8 K 157/14 aufgehoben und die Sache an das
Sächsische FG zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang hat
das FG die Klage mit seinem in EFG 2016, 1375 = SIS 16 15 70
veröffentlichten Urteil vom 3.3.2016 8 K 942/15 erneut
abgewiesen.
|
|
|
7
|
Der Kläger habe umsatzsteuerpflichtige
Leistungen an die I-AG ausgeführt. Bei den Zahlungen der I-AG
habe es sich um keine Provisionszahlungen für die Vermittlung
der Eigenverträge gehandelt. Diese seien lediglich Teil des
Modells gewesen, mit dem die I-AG die Tätigkeit des
Klägers finanziert habe. Die Tätigkeit des Klägers,
nämlich der Aufbau von Unterstrukturen eines
Strukturvertriebes durch Werbung von Versicherungsvertretern oder
Versicherungsmaklern, sei keine nach § 4 Nr. 11 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfreie Tätigkeit als
Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler, weil es an dem
hierfür erforderlichen spezifischen und wesentlichen Bezug zu
einzelnen Geschäften gefehlt habe.
|
|
|
8
|
Die Tätigkeit des Klägers werde
auch nicht von der Befreiung in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der
Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) umfasst.
|
|
|
9
|
Hiergegen wendet sich der Kläger mit
der Revision, mit der er Verletzung materiellen Rechts geltend
macht. Gerade das Eigenvermittlungsgeschäft sei für den
Beginn der Struktur von wesentlicher Bedeutung gewesen. Die
abgeschlossenen Verträge seien gerade Teil der vereinbarten
Vermittlungsleistung und Eigenvermittlung, für die 10.000 EUR
monatlich gezahlt worden seien, gewesen.
|
|
|
10
|
Er, der Kläger, habe selbst
Versicherungsverträge vermittelt. Ferner sei er mit dem Aufbau
eines Strukturvertriebes betraut gewesen, d.h. er habe
Untervermittler eingeschaltet, die ihrerseits selbst
Vertragsbeziehungen zu den Versicherten unterhalten hätten.
Sinn eines Strukturvertriebes sei der Abschluss von
Eigenverträgen und der Aufbau einer Struktur. Beides
dürfe nicht voneinander getrennt werden.
|
|
|
11
|
Der Kläger beantragt, das FG-Urteil
aufzuheben und die Umsatzsteuer für 2009 und 2010 auf jeweils
0 EUR herabzusetzen.
|
|
|
12
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
13
|
Der Aufbau von Unterstrukturen eines
Strukturvertriebes durch Werbung von Versicherungsvertretern oder
Versicherungsmaklern sei keine Tätigkeit als
Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler i.S. von § 4
Nr. 11 UStG. Die Leistung des Klägers habe darin bestanden,
durch direkte und indirekte Anwerbung von Versicherungsvertretern
für ein für die I-AG zufriedenstellendes Gesamtvolumen zu
sorgen. Die Zahlungen auf der Grundlage eines Festgehaltes von der
I-AG an den Kläger könnten nicht allein deshalb als
Versicherungsprovisionen beurteilt werden, nur weil die
Zahlungsmittel aus Versicherungsprovisionen stammten.
|
|
|
14
|
II. Die Revision ist unbegründet und
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Leistungen des
Klägers an die I-AG zum Aufbau eines Strukturvertriebes nicht
von der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 11 UStG umfasst werden,
weil es an einem Bezug zu einzelnen Versicherungsgeschäften
fehlt.
|
|
|
15
|
1. Gemäß § 4 Nr. 11 UStG sind
die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter,
Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler befreit.
|
|
|
16
|
§ 4 Nr. 11 UStG dient der Umsetzung von
Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL. Danach befreien die
Mitgliedstaaten Versicherungs- und
Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazu
gehörenden Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und
-vertretern erbracht werden.
|
|
|
17
|
a) Ob diese Voraussetzung erfüllt ist,
hängt vom Inhalt der in Rede stehenden Tätigkeiten ab
(Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union - EuGH -
Aspiro vom 17.3.2016 C-40/15, EU:C:2016:172, Rz 36; J.C.M. Beheer
vom 3.4.2008 C-124/07, EU:C:2008:196, Rz 17; Arthur Andersen vom
3.3.2005 C-472/03, EU:C:2005:135, Rz 32). Dabei müssen zwei
Voraussetzungen erfüllt sein:
|
|
|
18
|
aa) Erstens muss der Dienstleistungserbringer
sowohl mit dem Versicherer als auch mit dem Versicherten in
Verbindung stehen (EuGH-Urteile Aspiro, EU:C:2016:172, Rz 36;
Taksatorringen vom 20.11.2003 C-8/01, EU:C:2003:621, Rz 44). Diese
Verbindung kann auch nur mittelbarer Natur sein, wenn der
Dienstleistungserbringer ein Unterauftragnehmer des
Versicherungsmaklers oder -vertreters ist (EuGH-Urteile Aspiro,
EU:C:2016:172, Rz 37; J.C.M. Beheer, EU:C:2008:196, Rz 29; Urteil
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24.7.2014 V R 9/13, BFH/NV 2014,
1783 = SIS 14 27 44, Rz 14).
|
|
|
19
|
bb) Zweitens muss seine Tätigkeit
wesentliche Aspekte der Versicherungsvermittlungstätigkeit,
wie Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer
zusammenzubringen, umfassen (EuGH-Urteile Aspiro, EU:C:2016:172, Rz
37; Arthur Andersen, EU:C:2005:135, Rz 33 und 36; J.C.M. Beheer,
EU:C:2008:196, Rz 18; Taksatorringen, EU:C:2003:621, Rz 45). Bei
einem Unterauftragnehmer ist entscheidend, dass er am Abschluss von
Versicherungsverträgen beteiligt ist (EuGH-Urteile Aspiro,
EU:C:2016:172, Rz 39; J.C.M. Beheer, EU:C:2008:196, Rz 9 und
18).
|
|
|
20
|
Die typischerweise mit dem Aufbau und der
Aufrechterhaltung eines Strukturvertriebes einhergehende Betreuung,
Schulung und Überwachung von Versicherungsvertretern, die
Festsetzung und Auszahlung der Provisionen sowie das Halten der
Kontakte zu den Versicherungsvertretern gehört nicht zu den
Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters. Derartige
Leistungen sind nur steuerfrei, wenn der Unternehmer durch
Prüfung eines jeden Vertragsangebots mittelbar auf eine der
Vertragsparteien einwirken kann, wobei auf die Möglichkeit,
eine solche Prüfung im Einzelfall durchzuführen,
abzustellen ist (BFH-Urteil vom 30.10.2008 V R 44/07, BFHE 223,
507, BStBl II 2009, 554 = SIS 08 43 35, Rz 23). Eine Steuerfreiheit
für Leistungen, die keinen Bezug zu einzelnen
Vermittlungsgeschäften aufweisen, sondern allenfalls dazu
dienen, im Rahmen der Administration einer Vertriebsorganisation
einen anderen Unternehmer, der Vermittlungsleistungen erbringt, zu
unterstützen, besteht nicht (BFH-Urteil in BFHE 223, 507,
BStBl II 2009, 554 = SIS 08 43 35, Rz 18).
|
|
|
21
|
b) Nach diesen Grundsätzen sind die vom
Kläger an die I-AG ausgeführten Leistungen nicht von der
Steuerbefreiung des § 4 Nr. 11 UStG umfasst.
|
|
|
22
|
aa) Nach den den Senat gemäß §
118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG hatte der
Kläger lediglich die Aufgabe, durch direkte und indirekte
Anwerbung von Versicherungsvertretern und Versicherungsmaklern
für ein für die I-AG zufriedenstellendes Gesamtvolumen an
Versicherungen zu sorgen. Zu den einzelnen vermittelten
Versicherungsverträgen hatte die Tätigkeit des
Klägers keinen spezifischen und wesentlichen Bezug. Damit
fehlte es an der erforderlichen Einwirkungsmöglichkeit des
Klägers auf die einzelnen Versicherungsverträge.
|
|
|
23
|
bb) Hieran ändern auch die vier vom
Kläger und seiner Ehefrau abgeschlossenen
Versicherungsverträge nichts. Nach den Feststellungen des FG
hat die I-AG durch die auf diesen Verträgen beruhenden
Provisionen das von ihr an den Kläger gezahlte Entgelt
refinanziert, wobei der Kläger das Entgelt nicht für den
Abschluss der Eigenverträge, sondern für den Aufbau des
Strukturvertriebes erhalten hat. Der Aufbau des Strukturvertriebes
aber wird aus den unter II.1.b aa) dargelegten Gründen nicht
von der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 11 UStG umfasst.
|
|
|
24
|
Im Übrigen fehlt es bei den beiden vom
Kläger selbst abgeschlossenen Verträgen bereits an einer
Vermittlung, weil der Kläger selbst Vertragspartei geworden
ist. Bei richtlinienkonformer Auslegung befreit § 4 Nr. 11
UStG aber nur Umsätze aus einer
„Versicherungsvermittlungstätigkeit“
(BFH-Urteile in BFH/NV 2014, 1783 = SIS 14 27 44, Rz 14; in BFHE
223, 507, BStBl II 2009, 554 = SIS 08 43 35, Rz 22).
|
|
|
25
|
cc) Auf die Frage, ob es sich bei den
Zahlungen der I-AG an den Kläger ganz oder zum Teil um
Provisionszahlungen oder um Fixvergütungen gehandelt hat,
kommt es nicht an, denn die Steuerfreiheit der Vermittlung kann
sich nicht aus einer von Vermittlungserfolgen abhängigen
Vergütungsregelung ergeben, wenn die Voraussetzungen einer
Vermittlungstätigkeit im Übrigen nicht erfüllt sind
(BFH-Urteile vom 14.5.2014 XI R 13/11, BFHE 245, 424, BStBl II
2014, 734 = SIS 14 18 68, Rz 36; in BFHE 223, 507, BStBl II 2009,
554 = SIS 08 43 35, Rz 25).
|
|
|
26
|
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
|