Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 2.4.2014 2 K 1663/13
= SIS 14 23 13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu
tragen.
1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb als Meistbietende bei
Zwangsversteigerungen durch Zuschlagsbeschlüsse vom 13.12.2011
und vom 6.2.2012 jeweils eine und mit Zuschlagsbeschlüssen vom
22.8.2012 insgesamt drei Eigentumswohnungen. Die Verkehrswerte
betrugen 75.200 EUR (Wohnung A), 54.200 EUR (Wohnung B), 92.000
EUR, 48.000 EUR und 36.500 EUR (Wohnungen C1, C2 und C3) und die
Meistgebote 52.640 EUR (Wohnung A), 34.100 EUR (Wohnung B), 46.000
EUR, 24.000 EUR und 18.250 EUR (Wohnungen C1, C2 und C3).
|
|
|
2
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) setzte ausgehend von dem jeweiligen Meistgebot
als Bemessungsgrundlage Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin
mit Bescheid vom 29.12.2011 in Höhe von 1.842 EUR (Wohnung A),
mit Bescheid vom 22.2.2012 in Höhe von 1.193 EUR (Wohnung B),
mit Bescheiden vom 12.9.2012 in Höhe von 840 EUR (Wohnung C2)
und in Höhe von 638 EUR (Wohnung C3) und mit Bescheid vom
14.9.2012 in Höhe von 1.610 EUR (Wohnung C1) fest.
|
|
|
3
|
Die Einsprüche, mit denen die
Klägerin die Minderung der jeweiligen Bemessungsgrundlagen um
die anteilig auf die jeweiligen Eigentumswohnungen entfallenden,
angesparten Instandhaltungsrückstellungen von 2.698 EUR
(Wohnung A), 1.306 EUR (Wohnung B), 4.419 EUR, 2.160 EUR und 1.724
EUR (Wohnungen C1, C2 und C3) begehrte, blieben ohne
Erfolg.
|
|
|
4
|
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
der Begründung ab, die jeweils zum Verwaltungsvermögen
der Wohnungseigentümergemeinschaft gehörenden
Instandhaltungsrückstellungen seien nicht Gegenstand der
Erwerbe der Klägerin gewesen. Die Entscheidung ist in EFG
2014, 1701 = SIS 14 23 13 veröffentlicht.
|
|
|
5
|
Mit der Revision rügt die
Klägerin eine Verletzung von § 8 Abs. 1 und § 9 Abs.
1 Nr. 4 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).
|
|
|
6
|
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und die Grunderwerbsteuerbescheide vom
29.12.2011, 22.2.2012, 12.9.2012 und 14.9.2012 jeweils in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 17.10.2013 dahingehend zu
ändern, dass die Grunderwerbsteuer auf 1.748 EUR (Wohnung A),
1.148 EUR (Wohnung B), 1.455 EUR (Wohnung C1), 764 EUR (Wohnung C2)
und auf 578 EUR (Wohnung C3) festgesetzt wird.
|
|
|
7
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
8
|
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden,
dass beim Erwerb einer Eigentumswohnung im Wege der
Zwangsversteigerung das Meistgebot als Bemessungsgrundlage der
Grunderwerbsteuer anzusetzen und dieses nicht um die anteilige
Instandhaltungsrückstellung zu mindern ist.
|
|
|
9
|
1. Der Grunderwerbsteuer unterliegt nach
§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG das Meistgebot im
Zwangsversteigerungsverfahren für ein inländisches
Grundstück. Die Steuer bemisst sich nach dem Wert der
Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Bei einem Meistgebot im
Zwangsversteigerungsverfahren gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 4
GrEStG als Gegenleistung das Meistgebot einschließlich der
Rechte, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben.
Die in § 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG verwendeten Begriffe sind dabei
aus dem Recht der Zwangsversteigerung vorgegeben und i.S. des
Zwangsversteigerungsrechts auszulegen (ständige
Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
14.10.2008 II B 65/07, BFH/NV 2009, 214 = SIS 09 02 98, m.w.N., und
BFH-Urteil vom 15.7.2015 II R 11/14, BFH/NV 2015, 1602 = SIS 15 22 83, Rz 10). Das Meistgebot ist das höchste Gebot, das bis zum
Schluss der Versteigerung abgegeben worden ist (Gottwald/ Behrens,
Grunderwerbsteuer, 5. Aufl. 2015, Rz 774). Dem Meistbietenden ist
der Zuschlag zu erteilen (§ 81 Abs. 1 des Gesetzes über
die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung - ZVG - ). Das
Meistgebot umfasst das geringste Gebot i.S. des § 44 Abs. 1
ZVG und das über das geringste Gebot hinausgehende Mehrgebot
(§ 49 Abs. 1 ZVG; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar,
5. Aufl., § 9 Rz 116).
|
|
|
10
|
2. Beim Erwerb einer Eigentumswohnung im Wege
der Zwangsversteigerung ist das Meistgebot als Bemessungsgrundlage
der Grunderwerbsteuer nicht um die anteilige
Instandhaltungsrückstellung zu mindern.
|
|
|
11
|
a) Nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 4
GrEStG ist das Meistgebot als Bemessungsgrundlage anzusetzen.
§ 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG legt die Gegenleistung beim Meistgebot
im Zwangsversteigerungsverfahren typisierend fest (vgl. BFH-Urteil
in BFH/NV 2015, 1602 = SIS 15 22 83, Rz 20). Eine Aufteilung des
Meistgebots entsprechend den Grundsätzen zur Aufteilung einer
Gesamtgegenleistung (vgl. BFH-Urteil vom 9.10.1991 II R 20/89, BFHE
165, 548, BStBl II 1992, 152 = SIS 92 04 06) ist nur dann geboten,
wenn die Zwangsversteigerung Gegenstände umfasst, deren Erwerb
nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt und für die das Gericht
eine gesonderte Zwangsversteigerung nach § 65 ZVG anordnen
könnte (Loose, in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17.
Aufl., § 9 Rz 384; Pahlke, a.a.O., § 9 Rz 115).
|
|
|
12
|
b) Gegenstand der Versteigerung einer
Eigentumswohnung ist das Sondereigentum an einer Wohnung in
Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen
Eigentum, zu dem es gehört (sog. Wohnungseigentum; vgl. §
1 Abs. 2 des Wohnungseigentumsgesetzes i.d.F. des Gesetzes zur
Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom
26.3.2007, BGBl I 2007, 370 - WEG - ). Seinem Umfang nach umfasst
die Immobiliarzwangsvollstreckung auch Gegenstände, auf die
sich bei Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten
die Hypothek erstreckt (§ 865 der Zivilprozessordnung - ZPO -
; § 20 Abs. 2 ZVG; Pahlke, a.a.O., § 9 Rz 115). Solche
Gegenstände sind z.B. die vom Grundstück getrennten
Erzeugnisse und sonstigen Bestandteile, soweit sie nicht nach den
§§ 954 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB - in
das Eigentum eines anderen fallen (Pahlke, a.a.O., § 9 Rz
115). Die Instandhaltungsrückstellung gehört nicht
dazu.
|
|
|
13
|
c) Die anteilige
Instandhaltungsrückstellung ist Teil des
Verwaltungsvermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft
(§ 10 Abs. 7 Satz 1 WEG; Merle in Bärmann,
Wohnungseigentumsgesetz, 13. Aufl., § 21, Rz 146) und damit
nicht Vermögen des von der Zwangsversteigerung betroffenen
Wohnungseigentümers, sondern Vermögen eines anderen
Rechtssubjekts.
|
|
|
14
|
aa) Die Wohnungseigentümergemeinschaft
ist ein vom jeweiligen Mitgliederbestand unabhängiger
teilrechtsfähiger und parteifähiger Verband sui generis
(vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 2.6.2005 V ZB
32/05, BGHZ 163, 154; Palandt/Bassenge, Bürgerliches
Gesetzbuch, 75. Aufl. 2016, Einl. WEG Rz 5). Sie kann im Rahmen der
gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gegenüber
Dritten und Wohnungseigentümern selbst Rechte erwerben und
Pflichten eingehen (§ 10 Abs. 6 Satz 1 WEG). Sie ist Inhaberin
der als Gemeinschaft gesetzlich begründeten und
rechtsgeschäftlich erworbenen Rechte und Pflichten (§ 10
Abs. 6 Satz 2 WEG). Der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
gehört nach § 10 Abs. 7 Satz 1 WEG das
Verwaltungsvermögen. Dieses besteht aus den im Rahmen der
gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gesetzlich
begründeten und rechtsgeschäftlich erworbenen Sachen und
Rechten sowie den entstandenen Verbindlichkeiten (§ 10 Abs. 7
Satz 2 WEG).
|
|
|
15
|
bb) Eine ordnungsmäßige, dem
Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechende
Verwaltung erfordert nach § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG auch die
Ansammlung einer angemessenen Instandhaltungsrückstellung, die
zum Verwaltungsvermögen zählt (vgl. BGH-Beschluss in BGHZ
163, 154, unter III.5.e; Palandt/ Bassenge, a.a.O., WEG § 21
Rz 18). Die Instandhaltungsrückstellung i.S. des § 21
Abs. 5 Nr. 4 WEG, bei der es sich nicht um eine Rückstellung
im bilanztechnischen Sinne handelt, ist die Ansammlung einer
angemessenen Geldsumme, die der wirtschaftlichen Absicherung
künftig notwendiger Instandhaltungs- und
Instandsetzungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum dient und
die im Wesentlichen durch Beiträge der Wohnungseigentümer
angesammelt wird (Merle in Bärmann, a.a.O., § 21 Rz 144,
147). Sie bleibt bei einem Eigentümerwechsel Vermögen der
Wohnungseigentümergemeinschaft (Merle in Bärmann, a.a.O.,
§ 21 Rz 146). Anders als das Zubehör eines
Grundstücks wie etwa Heizöl, Gaststätteninventar
oder eine Kücheneinrichtung (Böttcher, ZVG, Kommentar, 6.
Aufl. 2016, § 90 Rz 4, § 21 Rz 36), geht die (anteilige)
Instandhaltungsrückstellung beim Eigentumserwerb durch
Zuschlag (§ 90 Abs. 1 ZVG) nicht kraft Gesetzes auf den
Ersteher über. Ein für die Grunderwerbsteuer als
Rechtsverkehrsteuer typischer Rechtsträgerwechsel findet
bezüglich der Instandhaltungsrückstellung nicht
statt.
|
|
|
16
|
cc) Die Wohnungseigentümer haben keinen
Anteil am Verwaltungsvermögen, über den sie verfügen
oder in den ihre Gläubiger vollstrecken können (vgl.
Palandt/Bassenge, a.a.O., WEG § 10 Rz 38). Eine
Zwangsvollstreckung in das Verwaltungsvermögen - und damit
auch in die der Wohnungseigentümergemeinschaft gehörende
Instandhaltungsrückstellung - ist nur aus einem gegen die
Wohnungseigentümergemeinschaft gerichteten Titel möglich
(vgl. BTDrucks 16/887, S. 63). Ein Titel gegen den einzelnen
Wohnungseigentümer reicht hierfür nicht aus (vgl.
Palandt/ Bassenge, a.a.O., WEG § 10 Rz 38).
|
|
|
17
|
d) Der mit dem Zuschlag im
Versteigerungsverfahren verbundene gesetzliche Übergang der
Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft auf den
Ersteher rechtfertigt es ebenfalls nicht, die Bemessungsgrundlage
der Grunderwerbsteuer um die anteilig auf die Eigentumswohnung
entfallende Instandhaltungsrückstellung herabzusetzen.
|
|
|
18
|
Die Mitgliedschaft in der
Wohnungseigentümergemeinschaft begründet kraft Gesetzes
eine schuldrechtliche Sonderrechtsbeziehung, aus der sich eine
Vielzahl von Rechten und Pflichten ergibt, die untrennbar mit dem
Sondereigentum an der Wohnung und dem Miteigentumsanteil am
gemeinschaftlichen Eigentum verbunden sind (Suilmann in
Bärmann, a.a.O., § 10 Rz 33; vgl. Palandt/Bassenge,
a.a.O., Einl. WEG Rz 5). Bei der Versteigerung einer
Eigentumswohnung wird der Ersteher mit dem Zuschlag Eigentümer
der Wohnung (vgl. § 90 Abs. 1 ZVG) und aufgrund Gesetzes
zugleich Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft. Die
Mitgliedschaft kann für sich allein nicht Gegenstand einer
gesonderten Zwangsversteigerung sein.
|
|
|
19
|
e) Der Ansatz des Meistgebots ohne Minderung
um die anteilig auf die Eigentumswohnung entfallende
Instandhaltungsrückstellung steht nicht im Widerspruch zu der
Rechtsprechung des BFH, wonach die nach § 114a ZVG eintretende
Befriedigungsfiktion Teil der Gegenleistung ist (BFH-Urteil vom
25.8.2010 II R 36/08, BFH/NV 2010, 2304 = SIS 10 36 02, m.w.N.).
Nach dieser Rechtsprechung ist der Betrag, in dessen Höhe der
Gläubiger mit dem Zuschlag nach § 114a ZVG als aus dem
Grundstück befriedigt gilt, eine zusätzliche Leistung
i.S. des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG. Eine solche Fallgestaltung
des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist im Streitfall nicht gegeben.
Die Klägerin war zwar jeweils Meistbietende, aber nicht
zugleich (zivilrechtliche) Forderungsgläubigerin. Die
Bemessung der Gegenleistung richtet sich im Streitfall daher
jeweils ausschließlich nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG.
|
|
|
20
|
f) Soweit der BFH entschieden hat, dass ein
gezahltes Entgelt für den Erwerb eines in der
Instandhaltungsrückstellung angesammelten Guthabens beim
rechtsgeschäftlichen Erwerb einer Eigentumswohnung kein
Entgelt für den Erwerb des Grundstücks ist und nicht zur
Gegenleistung gehört (BFH-Urteil in BFHE 165, 548, BStBl II
1992, 152 = SIS 92 04 06), liegt dieser Entscheidung ein anderer
Sachverhalt als im Streitfall zu Grunde. Es kann offen bleiben, ob
an dieser Rechtsprechung im Hinblick auf die Entscheidung des BGH
in BGHZ 163, 154 und die Änderung des WEG zum 1.7.2007 (vgl.
Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer
Gesetze vom 26.3.2007, BGBl I 2007, 370) festzuhalten ist.
|
|
|
21
|
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
|