Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 18.12.2014 1 K
3180/12 = SIS 15 06 94 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Baden-Württemberg
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des
Revisionsverfahrens übertragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) kaufte und verkaufte im
Streitjahr u.a. zahlreiche Anteile an in- und ausländischen
Investmentfonds. Die Haltedauer betrug jeweils weniger als ein
Jahr. Daraus erzielte sie Einnahmenüberschüsse, die sie
in ihrer Einkommensteuererklärung als private
Veräußerungsgeschäfte deklarierte. Die
Steuererklärung enthält detaillierte Angaben zu jedem
einzelnen Geschäft.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) veranlagte die Klägerin
erklärungsgemäß. Mit ihrem dagegen gerichteten
Einspruch machte die Klägerin u.a. geltend, die Gewinne aus
dem Handel mit in- und ausländischen Investmentfondsanteilen
dürften nicht nach § 23 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) besteuert werden. Das EStG werde vollständig durch die
spezielleren Vorschriften des Gesetzes über
Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) und des
Auslandinvestmentgesetzes (AuslInvestmG) verdrängt. Das FA
wies den Einspruch als unbegründet zurück.
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Das Finanzgericht (FG) hat die dagegen
gerichtete Klage abgewiesen (veröffentlicht in EFG 2015, 720 =
SIS 15 06 94). Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr
Begehren weiter. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts
(§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG).
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben, den
Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung mit
der Maßgabe zu ändern, dass private
Veräußerungsgeschäfte nur noch in Höhe von
125.104,12 EUR berücksichtigt werden und die Einkommensteuer
entsprechend niedriger festzusetzen.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zwar schließen das
KAGG und das AuslInvestmG im Streitjahr die Besteuerung nach §
23 EStG nicht aus. Die Rückgabe von Fondsanteilen erfüllt
aber nicht den Begriff der Veräußerung. Das FG muss
deshalb im zweiten Rechtsgang prüfen, ob die Klägerin die
Fondsanteile veräußert oder zurückgegeben hat.
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1. Ohne Erfolg macht die Revision geltend,
dass im Streitjahr die Vorschriften des EStG durch das KAGG und das
AuslInvestmG vollständig verdrängt werden.
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a) Der Senat schließt sich insofern
nicht der vom Bundesfinanzhof (BFH) in zwei Urteilen
geäußerten Ansicht an (vgl. Urteile vom 11.10.2000 I R
99/96, BFHE 193, 330, BStBl II 2001, 22 = SIS 01 02 24, und vom
27.3.2001 I R 120/98, BFH/NV 2001, 1539 = SIS 01 81 18). Der
Revision ist zuzugeben, dass den Urteilen entsprechende Aussagen
entnommen werden können (ebenso Meinhardt, DStR 2003, 1234;
verneinend Schultze, DStR 2003, 1475). Sie waren jedoch für
die Entscheidungen nicht tragend, so dass der Senat daran nicht
gebunden ist.
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b) Die vom I. Senat geäußerte
Ansicht beruhte im Wesentlichen auf der Erwägung, dass es nur
sachgerecht und konsequent sei, eine Schlussbesteuerung beim
Anteilseigner zu unterlassen, weil die vom Fonds erzielten
Veräußerungsgewinne i.S. von § 23 EStG nach
damaliger Rechtslage sowohl im Fall der Ausschüttung als auch
im Fall der Thesaurierung steuerfrei blieben (vgl. Buciek, DStZ
2001, 52 Anm. zu BFH-Urteil in BFHE 193, 330, BStBl II 2001, 22 =
SIS 01 02 24). Letzteres trifft zwar zu, rechtfertigt den Schluss
auf die Nichtanwendbarkeit von § 23 EStG jedoch nicht.
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c) Weder das KAGG noch das AuslInvestmG
regelten im Streitjahr die Besteuerung der Beteiligung an
Investmentfonds abschließend. Beide Gesetze enthielten u.a.
keine Vorschriften über die Besteuerung des Anteilseigners bei
Veräußerung oder Rückgabe von Fondsanteilen. Die in
anderen Steuergesetzen enthaltenen Besteuerungstatbestände
wurden insofern durch das KAGG und das AuslInvestmG nicht
verdrängt. Erstmals im Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000
(BGBl I 2000, 1433) ist mit den neu eingefügten § 40a
KAGG und § 18 Abs. 4 AuslInvestmG (jeweils mit Wirkung zum
1.1.2001) die Besteuerung des Anteilseigners bei
Veräußerung oder Rückgabe von Fondsanteilen im KAGG
und AuslInvestmG geregelt worden. Es bedarf keiner Entscheidung, ob
diese Regelungen (schon) abschließend waren (a.A.
Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG § 40a Rz 1),
da sie jedenfalls nicht auf das Streitjahr zurückwirken.
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d) Die Anwendbarkeit von § 23 EStG neben
dem KAGG und dem AuslInvestmG ergibt sich auch aus § 23 Abs. 2
Satz 3 EStG in der bis 1998 geltenden Fassung. Die Vorschrift
stellte klar, dass der im Veräußerungspreis enthaltene
Zwischengewinn vorrangig den Einkünften aus
Kapitalvermögen zuzurechnen war. Daraus ergab sich zugleich,
dass zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung des
Veräußerungserlöses bei den Kapitaleinkünften
und den Spekulationseinkünften bei der Ermittlung des
Spekulationsgewinns nur der um den Zwischengewinn reduzierte
Veräußerungspreis anzusetzen war. Für eine solche
Klarstellung in § 23 EStG hätte kein Anlass bestanden,
wenn § 23 EStG bei der Veräußerung von
Investmentanteilen generell nicht anwendbar gewesen wäre.
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Aus der Aufhebung von § 23 Abs. 2 Satz 3
EStG mit Wirkung zum 1.1.1999 ergibt sich nichts anderes, denn eine
Änderung der Rechtslage war damit nicht verbunden. Die
Subsidiarität der privaten
Veräußerungsgeschäfte ergab sich in der ab dem
1.1.1999 anwendbaren Fassung des Gesetzes aus § 23 Abs. 2 Satz
1 EStG (vgl. BTDrucks 14/443, 29).
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e) Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich,
dass es der wiederholt geäußerten Absicht des
Gesetzgebers entsprach, Gewinne aus der Anschaffung und
Veräußerung von in- und ausländischen
Investmentanteilen innerhalb der Haltefrist gemäß §
23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu besteuern (vgl. BTDrucks 12/6078, 2:
volle Erfassung des Veräußerungsgewinns; BTDrucks
14/3366, 126 bei Einführung von § 40a KAGG).
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f) Dies entsprach bis zu den eingangs
erwähnten Entscheidungen des BFH auch der h.M. im Schrifttum
(Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG Vor §§
37n ff. Rz 19; Baur, Investmentgesetze, 2. Aufl., § 39 KAGG Rz
63; Meinhardt, DStR 2003, 1234; Thorn/Otto/Geese, Handbuch für
die Besteuerung von Fondsvermögen, 2002, 57).
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g) Bei dieser Sachlage hält es der Senat
(entgegen Buciek in DStZ 2001, 52) nicht für geboten, den
Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
teleologisch zu reduzieren. Der Revision ist zwar zuzugeben, dass
sich aus dem Nebeneinander von privilegierter Besteuerung der
Beteiligungserträge von Sondervermögen nach dem KAGG und
dem AuslInvestmG einerseits und voller Schlussbesteuerung beim
Anteilsinhaber Wertungswidersprüche ergeben können. Diese
werden jedoch dadurch abgemildert, dass der Steuerpflichtige den
Zeitpunkt für die Veräußerung von
Investmentanteilen in aller Regel selbst bestimmen und insofern der
Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte
ausweichen konnte. Vor diesem Hintergrund teilt der Senat nicht die
von der Klägerin geäußerten verfassungs- und
europarechtlichen Bedenken gegen die im Jahr 1999 bestehende
Rechtslage.
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2. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 i.V.m.
§ 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG unterliegen
private Veräußerungsgeschäfte insbesondere bei
Wertpapieren, als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer, wenn
der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht
mehr als ein Jahr beträgt. Die durch das
Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24.3.1999
(BGBl I 1999, 402) auf ein Jahr verlängerte Frist ist erstmals
anzuwenden auf Veräußerungsgeschäfte, bei denen die
Veräußerung auf einem nach dem 31.12.1998 rechtswirksam
abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder gleichstehenden
Rechtsakt beruht (§ 52 Abs. 39 Satz 1 i.d.F. durch das StEntlG
1999/2000/2002).
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a) Anteilsscheine i.S. von § 18 KAGG sind
Wertpapiere. Sie verbriefen die Ansprüche des Anteilsinhabers
gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft (§ 18 Abs. 1 Satz
1 KAGG).
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b) Eine Veräußerung liegt jedoch
nicht vor, wenn der Anleger den Anteilsschein gemäß
§ 11 Abs. 2 KAGG an die Kapitalanlagegesellschaft
zurückgibt.
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aa) Anschaffung ist der entgeltliche Erwerb
eines bereits vorhandenen Wirtschaftsguts von einem Dritten,
Veräußerung die entgeltliche Übertragung desselben
Wirtschaftsguts auf einen Dritten (ständige Rechtsprechung,
z.B. BFH-Urteile vom 21.1.2014 IX R 11/13, BFHE 244, 44, BStBl II
2014, 385 = SIS 14 08 45; vom 12.5.2015 IX R 57/13, BFH/NV 2015,
1364 = SIS 15 20 71).
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bb) Schon begrifflich stellt eine
Rückgabe keine Veräußerung dar. Die Begriffe
Veräußerung und Rückgabe werden deshalb im KAGG und
im AuslInvestmG stets parallel, aber nicht synonym verwendet (z.B.
§ 39 Abs. 1a Satz 2 Nr. 5, Satz 3 KAGG, sowie entsprechend
§ 17 AuslInvestmG).
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cc) Die Rückgabe eines Anteilsscheins
gemäß § 11 Abs. 2 KAGG ist auch nicht dessen
Veräußerung gleichzustellen. Bei der Rückgabe
gemäß § 11 Abs. 2 KAGG (vgl. auch § 2 Abs. 1
Nr. 4 Buchst. b AuslInvestmG) wird nicht das erworbene
Wirtschaftsgut auf einen Dritten übertragen. Mit der
Übereignung des Anteilsscheins an die
Kapitalanlagegesellschaft erlöschen die darin verbrieften
Rechte und verliert das Papier (zumindest vorübergehend) seine
Verbriefungsfunktion. Das vom früheren Inhaber eingezahlte
Kapital ist nach dessen Auszahlung im Sondervermögen nicht
mehr vorhanden. Die Kapitalanlagegesellschaft kann schon aus
Rechtsgründen keine schuldrechtlichen Ansprüche gegen
sich selbst haben (Pleyer, Wertpapier-Mitteilungen - WM - 1979,
850; Baur, Investmentgesetze, 2. Aufl., § 11 KAGG Rz 11;
Dahm/Hamacher, WM Sonderbeilage Nr. 3, 1994, 20, 21; Oho/Remmel, BB
2002, 1449, 1456). Aus der Sicht des Übertragenden
unterscheidet sich die Rückgabe von der Veräußerung
vor allem im Hinblick auf die Gegenleistung. Während er bei
der Rückgabe allenfalls den Rückkaufswert erhält,
den der Emittent ermittelt, kann er bei der Veräußerung
an einen Dritten den Kurswert realisieren, der vom Wert des Anteils
abweichen kann. Unerheblich ist, ob sich ein Käufer für
die Investmentanteile hätte finden lassen, denn die
Unterschiede zwischen Rückgabe und Veräußerung
werden dadurch nicht beseitigt. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
in der im Streitjahr geltenden Fassung sah die Einbeziehung
veräußerungsähnlicher Vorgänge
(Einlösung, Rückzahlung etc.) nicht vor (so aber z.B.
§ 20 Abs. 2 Satz 2 EStG in der ab dem 1.1.2009 geltenden
Fassung). Eine den Besteuerungstatbestand erweiternde Auslegung hat
der BFH wiederholt abgelehnt (vgl. BFH-Urteile vom 25.8.1987 IX R
65/86, BFHE 151, 132, BStBl II 1988, 248 = SIS 88 02 02 zu
Devisentermingeschäften; vom 3.8.2004 X R 55/01, BFH/NV 2005,
517 = SIS 05 15 74; für eine erweiternde Auslegung
Schmidt/Heinicke, EStG, 18. Aufl., § 23 Rz 11).
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3. Das FG ist teilweise von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil kann deshalb keinen
Bestand haben. Es hat zwar zu Recht die Anwendbarkeit von § 23
EStG bejaht, ist jedoch nicht darauf eingegangen, ob die
Klägerin den Tatbestand der Veräußerung
erfüllt hat. Nach den ergänzenden Darlegungen der
Klägerin im Erörterungstermin am 10.7.2014 vor dem FG
spricht indes einiges dafür, dass die Klägerin die von
ihr gekauften und verkauften Anteilsscheine entgegen der
Darstellung im Tatbestand des Urteils nicht (an Dritte)
„veräußert“, sondern jeweils an den
Emittenten zurückgegeben hat. Da dieser Vorgang im Streitjahr
nicht vom Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfasst
war, unterlagen die Einnahmen aus der Rückgabe der
Anteilsscheine der Besteuerung (nach § 20 EStG) nur insoweit,
als darin ein Zwischengewinn enthalten war.
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4. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat
keine Feststellungen dazu getroffen, bei welchen Geschäften
die Klägerin im Streitjahr die Anteilsscheine gemäß
§ 11 Abs. 2 KAGG zurückgegeben und nicht
veräußert hat.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
143 Abs. 2 FGO.
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