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I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2009 zur
Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger
ließ im Jahr 2010 aufgrund einer verbindlichen Bestellung vom
15.12.2008 eine Photovoltaik-Anlage errichten und erzielt daraus
Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die tatsächlichen
Herstellungskosten betrugen 648.367,55 EUR.
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In der Einkommensteuererklärung 2008
beantragten die Kläger für die beabsichtigte Herstellung
der Photovoltaik-Anlage einen Investitionsabzugsbetrag von 110.000
EUR, den der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA
- ) gewährte. Für das Streitjahr 2009 beantragten die
Kläger eine Aufstockung des Investitionsabzugsbetrags um
90.000 EUR. Dies lehnte das FA im angefochtenen
Einkommensteuerbescheid 2009 unter Verweis auf das Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 8.5.2009 (BStBl I 2009,
633 = SIS 09 15 06, Rz 6; jetzt BMF-Schreiben vom 20.11.2013, BStBl
I 2013, 1493 = SIS 13 31 18, Rz 6) ab.
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Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab
das Finanzgericht (FG) der Klage statt (EFG 2013, 669 = SIS 13 09 40). Sowohl die Systematik als auch der Zweck und die historische
Entwicklung des Gesetzes sprächen für die
Zulässigkeit einer späteren Aufstockung eines bereits
gebildeten Investitionsabzugsbetrags. Der insoweit offene
Gesetzeswortlaut stehe dem jedenfalls nicht entgegen.
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Das FA bringt mit seiner Revision vor, der
Gesetzeswortlaut schließe aufgrund der mehrfachen Verwendung
des bestimmten Artikels („der
Investitionsabzugsbetrag“) eine spätere Aufstockung aus.
Zudem werfe die Auffassung des FG ungeklärte Folgeprobleme auf
und laufe der angestrebten Vereinfachung des Steuerrechts
zuwider.
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Das FA beantragt sinngemäß, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
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Während des Revisionsverfahrens hat
das FA am 13.2.2014 einen geänderten Einkommensteuerbescheid
2009 erlassen. Die Beteiligten haben übereinstimmend
erklärt, dass der Streitstoff hierdurch nicht berührt
werde.
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II. Die Revision führt aus
verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung des FG-Urteils und
zur erneuten Klagestattgabe.
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1. Das vorinstanzliche Urteil ist aufzuheben,
weil der während des Revisionsverfahrens ergangene
geänderte Einkommensteuerbescheid 2009 an die Stelle des
angefochtenen Bescheids vom 23.12.2011 getreten ist. Damit kann das
FG-Urteil keinen Bestand haben, weil ihm ein nicht mehr
existierender Bescheid zugrunde liegt. Da das Urteil jedoch nicht
an einem Verfahrensmangel leidet und die vom FG festgestellten
tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffs durch die
Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts unberührt
bleiben, bedarf es keiner Zurückverweisung nach § 127 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - (vgl. zum Ganzen, Senatsurteil vom
26.11.2008 X R 31/07, BFHE 223, 471, BStBl II 2009, 651 = SIS 09 03 34, unter II.1., m.w.N.).
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2. Die Klage ist - aus den bereits vom FG
angeführten Gründen - begründet. Die Einkünfte
des Klägers aus Gewerbebetrieb sind um 90.000 EUR aus der
Aufstockung des Investitionsabzugsbetrags zu mindern.
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Steuerpflichtige können gemäß
§ 7g Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für
die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren
beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens - unter den
weiteren Voraussetzungen des § 7g Abs. 1 Satz 2 EStG - bis zu
40 % der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten
gewinnmindernd abziehen (Investitionsabzugsbetrag).
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Das FG hat festgestellt - hierüber
besteht auch zwischen den Beteiligten kein Streit -, dass die in
§ 7g Abs. 1 Satz 2 EStG genannten Voraussetzungen für die
Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags
(Betriebsgröße, Investitionsabsicht, Angaben zum
begünstigten Wirtschaftsgut) erfüllt sind. Die
Beteiligten streiten vielmehr ausschließlich über die
Frage, ob ein Investitionsabzugsbetrag, der bereits in einem
Vorjahr abgezogen worden war, ohne dabei aber die absolute
Höchstgrenze von 200.000 EUR je Betrieb (§ 7g Abs. 1 Satz
4 EStG) oder die relative Höchstgrenze von 40 % der
voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten (§ 7g
Abs. 1 Satz 1 EStG) zu erreichen, in einem Folgejahr des durch
§ 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 3 Satz 1 EStG
umrissenen Dreijahreszeitraums bis zum Erreichen der genannten
Höchstgrenzen aufgestockt werden darf.
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Diese Frage ist zu bejahen. Zwar lassen sich
weder im Gesetzeswortlaut (dazu unten a) noch aus der Systematik
des Gesetzes (unten b) eindeutige Anhaltspunkte für die eine
oder die andere Auffassung finden. Sowohl die historische
Entwicklung des Gesetzes (unten c) als auch der Gesetzeszweck
(unten d) sprechen aber für die Zulässigkeit
späterer Aufstockungen eines für dasselbe Wirtschaftsgut
bereits gebildeten Investitionsabzugsbetrags. Die vom FA
vorgebrachten weiteren Einwendungen stehen dem nicht entgegen
(unten e).
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a) Dem Wortlaut des § 7g EStG lässt
sich weder eine ausdrückliche Aussage zur Zulässigkeit
noch - umgekehrt - zum Ausschluss einer nachträglichen
Aufstockung eines Investitionsabzugsbetrags entnehmen.
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Die vom FA angeführten Zitate aus dem
Gesetzestext, in denen die Begriffe „der
Investitionsabzugsbetrag“ (§ 7g Abs. 1 Satz 2
Einleitungssatz, § 7g Abs. 2 Satz 1, § 7g Abs. 3 Satz 1
EStG) oder „der Abzug“ (§ 7g Abs. 1 Satz 2
Nr. 1 Einleitungssatz, § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a,
§ 7g Abs. 1 Satz 4, § 7g Abs. 3 Satz 1, § 7g Abs. 4
Satz 1 EStG) jeweils mit einem bestimmten Artikel versehen worden
sind, lassen nicht den Schluss zu, dass damit der Abzug auf genau
ein einziges Wirtschaftsjahr beschränkt werden soll. Die
Verwendung des bestimmten Artikels lässt sich hier vielmehr
jeweils mit sprachlichen Gründen erklären. Das FG hat
zutreffend ausgeführt, auch ein aufgestockter
Investitionsabzugsbetrag sei „der
Investitionsabzugsbetrag“ für dieses Wirtschaftsgut
(s. dazu auch unten e aa).
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Ebensowenig kann allerdings umgekehrt aus der
gelegentlichen Verwendung des Plurals durch den Gesetzgeber (z.B.
§ 7g Abs. 1 Satz 3 EStG:
„Abzugsbeträge“) geschlossen werden, damit
solle ausdrücklich die Zulässigkeit der Verteilung des
Abzugs auf mehrere Wirtschaftsjahre eröffnet werden. Hier hat
die Gesetzesformulierung ebenfalls sprachliche Gründe.
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b) Anders als das FG meint, lassen sich auch
der Gesetzessystematik - insbesondere dem Vergleich mit anderen
Vorschriften des EStG - keine eindeutigen Anhaltspunkte für
oder gegen die Zulässigkeit einer späteren Aufstockung
eines in einem Vorjahr in Anspruch genommenen
Investitionsabzugsbetrags entnehmen.
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Das FG verweist insoweit auf die Vorschrift
des § 34 Abs. 3 Satz 4 EStG, in der es ausdrücklich
heißt, der Steuerpflichtige könne den besonderen
ermäßigten Steuersatz „nur einmal im Leben in
Anspruch nehmen“. Das Fehlen einer solchen
ausdrücklichen Beschränkung in § 7g EStG lässt
aber keinen zwingenden Rückschluss darauf zu, dass ein
Investitionsabzugsbetrag mehrfach für dasselbe Wirtschaftsgut
in Anspruch genommen werden kann, zumal der Gesetzgeber in anderen
Vorschriften, in denen er die Verteilung eines Abzugsbetrags
über mehrere Jahre ermöglicht hat, dies ausdrücklich
im Wortlaut erkennen lässt (z.B. Sonderabschreibung nach
§ 7g Abs. 5 EStG: „im Jahr der Anschaffung oder
Herstellung und in den vier folgenden Jahren ...
Sonderabschreibungen bis zu insgesamt 20 % der Anschaffungs- oder
Herstellungskosten“; ebenso in den mittlerweile
ausgelaufenen Vorschriften des § 7f Abs. 1 EStG und § 4
Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 des Fördergebietsgesetzes).
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c) Demgegenüber spricht die historische
Entwicklung des Gesetzes entscheidend für die
Zulässigkeit späterer Aufstockungen des
Investitionsabzugsbetrags.
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§ 7g EStG erhielt mit dem
Unternehmensteuerreformgesetz (UntStRefG) 2008 vom 14.8.2007 (BGBl
I 2007, 1912) seine heutige Gestalt. Die Vorschrift nahm die
frühere Regelung über die Ansparabschreibung und
-rücklage (§ 7g EStG a.F.) auf, gestaltete sie aber in
einigen Bereichen um. In Bezug auf die hier in Rede stehende
Problematik verhielten sich Wortlaut und Systematik des § 7g
EStG a.F. zur Frage der Zulässigkeit einer späteren
Aufstockung einer in einem Vorjahr gebildeten Rücklage ebenso
offen wie bei § 7g EStG in der im Streitjahr geltenden
Fassung. Gleichwohl entsprach es zu § 7g EStG a.F. einhelliger
Auffassung sowohl der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom
25.2.2004, BStBl I 2004, 337 = SIS 04 09 22, Rz 14 Satz 1:
„Soll die Höhe der Rücklage in einem Folgejahr
geändert werden (z.B. Anpassung an geänderte
voraussichtliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten), ist eine
erneute Prüfung der Betriebsgrößenmerkmale nicht
erforderlich“; dazu Pitzke, Neue Wirtschafts-Briefe - NWB
- 2009, 2063, 2064) als auch der Rechtsprechung (z.B. Urteile des
FG Düsseldorf vom 2.5.2012 15 K 453/10 E, EFG 2012, 1335 = SIS 12 20 13, rkr., und des FG Köln vom 28.6.2012 13 K 1110/09,
EFG 2012, 2001 = SIS 12 26 30, rkr.) und Literatur (vgl.
Blümich/Brandis, § 7g EStG a.F. Rz 82; Schmidt/ Kulosa,
EStG, 26. Aufl. 2007, § 7g Rz 42, m.w.N.; Pinkos, DB 1993,
1688, 1690), dass die Höhe der Rücklage in einem
Folgejahr geändert (vermindert, aber auch aufgestockt) werden
konnte.
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In den Materialien zum UntStRefG 2008 sind die
einzelnen Änderungen, die im Zusammenhang mit dem
Übergang von der Ansparabschreibung auf den
Investitionsabzugsbetrag beabsichtigt waren, jeweils
ausdrücklich benannt worden (vgl. Fraktionsentwurf eines
UntStRefG 2008 vom 27.3.2007, BTDrucks 16/4841, 51 ff.). Dass der
Gesetzgeber den Steuerpflichtigen die - zu § 7g EStG a.F. auch
von der Finanzverwaltung ausdrücklich zugelassene -
Möglichkeit einer späteren Aufstockung nicht mehr
einräumen wollte, geht indes weder aus dieser Auflistung der
Änderungen noch aus anderen Formulierungen der
Gesetzesmaterialien hervor.
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Die vom FA angeführten Passagen der
Begründung des Gesetzentwurfs sind in Bezug auf die vorliegend
zu beurteilende Fragestellung nicht ergiebig; sie enthalten hierzu
vielmehr weder eine ausdrückliche noch eine mittelbare
Äußerung. So kann der Aussage „Die Regelungen
in § 7g Abs. 1 bis 4 ermöglichen die Vorverlagerung von
Abschreibungspotenzial in ein Wirtschaftsjahr vor Anschaffung oder
Herstellung eines begünstigten Wirtschaftsguts“
nicht die Festlegung des Gesetzgebers entnommen werden, der
Investitionsabzugsbetrag müsse auf „ein einziges
Wirtschaftsjahr“ konzentriert werden. Der Begriff
„ein“ ist hier vielmehr in seiner Funktion als
unbestimmter Artikel verwendet worden, nicht aber als Zahlwort.
Gleiches gilt für die Wendung „in einem
Vorjahr“ in der Passage „Sind dagegen die
tatsächlichen Kosten höher als der prognostizierte
Anschaffungs- oder Herstellungsaufwand, übersteigt die
höchstmögliche, gewinnmindernde Kürzung der
Bemessungsgrundlage den hinzuzurechnenden, in einem Vorjahr
berücksichtigten Abzugsbetrag“.
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d) Auch der Zweck des § 7g EStG spricht
für die Zulässigkeit der nachträglichen Aufstockung
eines Investitionsabzugsbetrags.
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Die genannte Vorschrift soll nach dem Willen
des Gesetzgebers der Verbesserung der Wettbewerbssituation kleiner
und mittlerer Betriebe, der Unterstützung von deren
Liquidität und Eigenkapitalbildung sowie der Stärkung der
Investitions- und Innovationskraft dienen (BTDrucks 16/4841, 51).
Dieser Gesetzeszweck wird durch die Zulassung späterer
Aufstockungen eines bereits in einem Vorjahr in Anspruch genommenen
Investitionsabzugsbetrags nicht unterlaufen, sondern im Gegenteil
verwirklicht. Dies zeigt sich gerade in Fällen, in denen sich
im Laufe der Investitionsplanungsphase ein Anstieg der
voraussichtlichen Investitionskosten ergibt. Wäre hier keine
Anpassung des Investitionsabzugsbetrags an den gestiegenen
Mittelbedarf möglich, wäre ein Teil der
Investitionskosten von der Förderung durch § 7g EStG
ausgeschlossen, obwohl der Zweck der Norm - Stärkung der
Liquidität und Investitionskraft - gerade in einem solchen
Fall die Förderung geböte. Missbräuchliche
Gestaltungen sind durch die Zulassung einer nachträglichen
Aufstockung nicht zu erwarten, zumal eine solche Aufstockung schon
im zeitlichen Anwendungsbereich des § 7g EStG a.F.
zulässig war, ohne dass entsprechende Gestaltungen bekannt
geworden sind.
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e) Die vom FA vorgebrachten Einwendungen
stehen dieser Beurteilung nicht entgegen.
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aa) Das FA verweist zunächst auf seiner
Ansicht nach ungeklärte Folgefragen der Zulassung
nachträglicher Aufstockungen. So sei unklar, ob sich der
Investitionszeitraum hierdurch verlängere und welcher
Teilbetrag bei zu geringen Anschaffungskosten vorrangig
rückgängig zu machen sei.
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Dass sich bei einer bestimmten
Gesetzesauslegung möglicherweise Folgefragen stellen, spricht
nicht von vornherein gegen die Richtigkeit dieser
Gesetzesauslegung. Vielmehr sind die Folgefragen unter Zuhilfenahme
der allgemeinen Auslegungsmethodik zu lösen. Hinsichtlich der
vom FA aufgeworfenen Fragen ist darauf zu verweisen, dass der
Investitionsabzugsbetrag dem Grunde nach für ein bestimmtes
Wirtschaftsgut gebildet wird und die Änderung der Höhe
nach davon zu unterscheiden ist. Damit scheint dem erkennenden
Senat eindeutig, dass die dreijährige Investitionsfrist
(§ 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 3 Satz 1 EStG) mit
der erstmaligen Inanspruchnahme für ein bestimmtes
Wirtschaftsgut ausgelöst wird und sich durch eine spätere
Aufstockung des für das nämliche Wirtschaftsgut bereits
in Anspruch genommenen Investitionsabzugsbetrags nicht
verlängern kann (ebenso Kratzsch in Frotscher, EStG, Freiburg
2011, § 7g Rz 58; a.A. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR
-, § 7g EStG Rz 25; Bugge, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff
- KSM -, EStG, § 7g Rz B 69). Ebenso eindeutig erscheint, dass
in Fällen, in denen die späteren tatsächlichen
Anschaffungs- oder Herstellungskosten geringer sind als die
voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die der
Bildung des Investitionsabzugsbetrags zugrunde gelegt worden waren,
nur der übersteigende Teilbetrag nach § 7g Abs. 3 Satz 1
EStG („soweit“) rückgängig zu machen
ist. Der übersteigende Teilbetrag resultiert aber in dem vom
FA gebildeten Fall aus der nachträglichen Aufstockung des
ursprünglichen Investitionsabzugsbetrags.
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bb) Das FA bemängelt ferner, es komme
durch die - vom erkennenden Senat geteilte - Auslegung des FG zu
einer Verkomplizierung des Steuerrechts, weil mehrere
Teilbeträge nachvollzogen und dokumentiert werden müssten
sowie bei einer Rückgängigmachung der Abzüge mehrere
Steuerbescheide zu ändern seien. Dem ist zu entgegnen, dass es
dem Steuerpflichtigen - auch nach Auffassung der Finanzverwaltung -
frei steht, Investitionsabzugsbeträge bis zum gesetzlichen
Höchstbetrag von 200.000 EUR auf mehrere - unter
Umständen zahlreiche - Wirtschaftsgüter zu verteilen. Der
Dokumentations- und Überwachungsaufwand ist aber bei einer
Verteilung des Abzugs auf mehrere Wirtschaftsgüter nicht
geringer als bei einer nachträglichen Aufstockung eines
für dasselbe Wirtschaftsgut bereits gebildeten
Investitionsabzugsbetrags. Die Notwendigkeit der Änderung
mehrerer Steuerbescheide kann sich nicht nur in Fällen der
Aufstockung, sondern auch bei einer Inanspruchnahme des
Investitionsabzugsbetrags für mehrere Wirtschaftsgüter
nebeneinander ergeben. Im Übrigen hat schon das FG zutreffend
darauf hingewiesen, dass die Finanzverwaltung sich im umgekehrten
Fall - der freiwilligen Minderung des in einem Vorjahr in Anspruch
genommenen Investitionsabzugsbetrags durch den Steuerpflichtigen in
einem Folgejahr, aber noch vor dem Jahr der tatsächlichen
Investition - nicht durch die damit einhergehende Komplizierung
daran gehindert sieht, eine solche teilweise
Rückgängigmachung ungeachtet des insoweit ebenfalls
offenen Gesetzeswortlauts zuzulassen (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I
2013, 1493 = SIS 13 31 18, Rz 55).
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f) Die Entscheidung des erkennenden Senats
weicht von der Verwaltungsauffassung ab (gegen die
Zulässigkeit der Aufstockung eines für dasselbe
Wirtschaftsgut bereits in Anspruch genommenen
Investitionsabzugsbetrags in einem Folgejahr - allerdings ohne
Begründung - BMF-Schreiben in BStBl I 2009, 633 = SIS 09 15 06
und BStBl I 2013, 1493 = SIS 13 31 18, jeweils Rz 6). Sie steht
aber in Übereinstimmung mit der Auffassung der
instanzgerichtlichen Rechtsprechung (neben der Vorinstanz zum
vorliegenden Revisionsverfahren auch Urteil des
Niedersächsischen FG vom 20.7.2010 16 K 116/10, EFG 2010, 2075
= SIS 10 37 19, aus anderen Gründen aufgehoben durch
Senatsurteil vom 19.10.2011 X R 25/10, BFH/NV 2012, 718 = SIS 12 10 20) und der ganz überwiegenden Literaturmeinung
(Blümich/Brandis, § 7g EStG Rz 60; HHR/Meyer, § 7g
EStG Rz 25; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 7g Rz
11; Frotscher/Kratzsch, § 7g Rz 56 ff.; Bartone in Korn,
§ 7g EStG n.F. Rz 81; Kaligin in Lademann, EStG, § 7g
EStG n.F. Rz 15; Roland in Bordewin/Brandt, § 7g EStG n.F. Rz
28; KSM/Bugge, § 7g Rz B 69; Schmidt/Kulosa, EStG, 33. Aufl.,
§ 7g Rz 23; Rosarius, DStZ 2009, 463, 465; Meyer/Ball, FR
2009, 641, 645; Kulosa, HFR 2012, 843, 844; Graw, EFG 2013, 671;
Heß, BB 2013, 752; Kratzsch, NWB 2013, 736 f.; a.A. - soweit
ersichtlich - nur Pitzke, NWB 2009, 2063, 2064; Hottmann, DStR
2009, 1236, 1240, und Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Das
Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 7g ab UntStRefG 2008 Rz
24b).
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